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würde ja trotz aller EiertSnzereien Herrn Erzderger auch den Lesern derIPennania" als eine Person erscheinen lassen, die unmög- lich ernst genommen werdon kann. Man kann es also verstehen, daß Herr Erzberger   sich nicht selbst als politischen Hanswurst abkonterfeien wollte. Aber beim Wahlkampfe bekommen die Wähler nicht nur das m die Hand, was der Erz- berger. vom Jahre 1911 an Verleumdung der Sozialdemokratie und Eigenlob zusammenfabuliert, sondern auch seine früheren Er« güsse. Und dann ist Herr Erzberger  , dann ist das Zentrumdrunter durch' J Immerhin, nach all den ängstlichen Kneifereien und feigen Untersckilagungen des Herrn Erzberger verdient auch eine Probe feines Mutes hervorgehoben zu werden. Herr Erzberger   wagt nämlich in seinem heurigen Artikel zu erzählen, daß der eigentliche Kriegshetzer bei dem Marokkorummel die Sozialdemokratie sei. Kein Mensch senke an eine Kriegsgefahr, die nur in der überhitzten Phantasie der Sozialdemokratie bestehe. Die Sozialdemokratie schildere das deutsche   Volk dem Ausland als eine Herde von Bar- baren und schüre dergestalt das Mißtrauen und den Haß gegen Deutschland  . Und das redet Herr Erzberger   der Sozialdemokratie nach, die gar nicht müde wird, täglich zu betonen, daß das deutsche  Volk absolut friedliebend ist und daß die ganze chauvinistische Hetze nur das Werk kleiner Cliquen und Jnteressentengruppen sei I In der Tat, es gehört sehr viel Mut dazu, der Sozialdema kratie solche Dinge nachzureden. Nicht nur der Mut b e i s p i e l- loser Un Wahrhaftigkeit, sondern auch der Mit einer aus- bttndigenNarrheit, der längst jedes Gefühl für unfreiwillige Komik abhanden gekommen ist. Die lilaroWtoaffäre. Tie Kunst, mit vielen Worte» nichts zu sage», verstehen unsere offiziöse» Zeitungsleute ausgezeichnet. So läßt sich dieKölnische Zeitung  " aus Berlin   melden: Der Vortrag, den der Reichskanzler von Bethmann Hollweg  unter Hinzuziehung des Staatssekretars von Kiderlen-Waechter  dem Kaiser Swinemünde   gehalten hat und der den Verlaus der Marokkofrage zum Gegenstande hatte, hat volle Ileberein- stimmung in den Auffassungen des Kaisers und des Reichskanz lers ergeben. Da der Kaiser stets atjf dem Laufenden gehalten wurde und da daS Programm der Verhandlungen mit Frankreich  schon seit geraumer Zeit mit Genehmigung des Kaisers in seinen großen Zügen festgelegt war, ist dieser Ausgang der Besprechun gen eigentlich selbstverständlich. Es ergibt sich daraus auch, daß neue Beschlüsse nicht gefaßt worden sind. Die Verhandlungen zwischen dem Staatssekretär von Kiderlen-Waechter   und dem Botschafter Cambon werden also fortgesetzt werden. Nachrichten über den anoeblich unmittelbar oder in allernächster Zeit zu er- wartenden Abschluß eilen den Ereignissen voraus. Soloeit ist man noch nicht vorgeschritten und damit erledigt sich auch die Behauptung, daß der Reichskanzler dem Kaiser in Swinemünde  ein die wesentlichen Punkte regelndes Abkommen über ein zwischen Frankreich   und Deutschland   erzieltes Einverständnis habe borlegen können. Eingehende Angaben französischer Blätter über Einzelhelten der Verhandlungen beruhen auf gewagten Kombinationen." So, nun weiß das deutsche   Volk ganz genau, was die deutsch  - Regierung mit ihrem Eingreifen in die Marokkoaffäre will und wie die Verhandlungen mit Fvankreich stehen. An der Uebereinstimmung Wilhelms ll. mit Kiderlen-Wacch- tcr hat kein Mensch gezweifelt, denn da der Kaiser seineHand- longer" jederzeit ohne Kündigung entlassen kann, werden diese sich hüten, etwas gegen den Willen ihres Herrn zu unternehmen. Das deutsche Volt ist ja bei der Ernennung von Staatssekretären oder Ministern vollständig ausgeschaltet und hat nicht das geringste Recht, die Herren wegen ihrer Amtsführung zur Verantwortung zu ziehin. Unsere auswärtige Politik wird daher ganz absolutistisch gemacht, wobei der Absolutismus   selbstverständlich von den ver- schiedenartigsten kapitalistischen   Einflüssen getrieben wird. Daher kommt es, daß man das Volk auch in der Marokkoaffäre mit leeren Worten abspeist. Bei der aufgeklärten Arbeiterschaft hat man da- mit freilich kein Glück; die hat bewiesen, daß sie in internationalen Fragen ihre eigene Meinung hat. Unsere Kolonialfexe werden jetzt auch ungemütlich. Das von Herrn Kiderlen-Waechter  beabsichtigte Kompensationsgeschäft gefällt ihnen nicht. Besonders ungehalten ist man in kolonialen Kreisen über eine eventuelle Ab- tretung Togos   an Frankreich  . So schreibt die der Deutschen   Ko- lonialgesellschaft nahestehendeDeutsche Kolonialzei- 1 u n g": Wir glauben wohl, daß es unserm Nachbarlande passen könnte, sein nordwestafrikanisches Militärreich von 25 Millionen Einwohnern durch ein Land abzurunden, das von uns auf das beste zivilisiert und entwickelt worden ist. Dafür sollen wir dann ein Gebiet erhalten, das zum größten Teil noch auf Jahrzehnte hinaus an Ausbeu- t u ng S ge s e l lschaf t e n überlassen wurde, Wirt- s cha ftlich stagniert, finanziell Not leidet, keine Eisenbahnen besitzt und ungezählte Millio- nen bedürfen würde, um den Keim zu einer g e- dfrihlichen EntWickelung zu legen und in dem Frankreich   soeben eine schwere Niederlage nach der anderen durch die streitbaren Sultane des No r de n S erlitten hat. Tie Deutsche Kolonialgesellschaft muß mit Entschiedenheit gegen einen solchen Handel Widerspruch erheben, ganz allgemein aber gegen jede Abtretung deutschen  Gebietes. Der moralische Eindruck einer solchen würde für jeden Freund unserer Kolonien ein beschämender und schmachvoller sein." ES ist ein Schauspiel für Götter, zu sehen, wie die geniale imperialistische Politik des Herrn Kiderlen-Waechter   die besten und gctreuesten Anhänger des deutschen   Imperialismus in den Harnisch   bringt. Uns kann dieser häusliche Krieg nur recht sein. liefern unS doch die Herren in ihren Auseinandersetzungen sehr wertvolles Material zur Beurteilung der Kompensationsfragc. In anderen Aeußerungcn aus Kolonialkreisen kommt die brennende Sehnsucht nach einem Teile Marokkos   zum Ausdruck. D»? ist nicht weiter überraschend und verwunderlich. Da aber diese kolonialen Kreise jetzt laut werden und sehr einflußreiche Fürsprecher an höchster Stelle haben, ist gar nicht ausgeschlossen, daß unsere Marokkofchacherer die Kompensationsfrage fallen lassen und trotz des Widerspruchs Englands Anspruch auf einen Teil Ma- rokkos erheben. Bei der Direktionslosigkeit der Politik Kidcrlen- WaechterS sind neue Ucberraschungen durchaus nicht ausgeschlossen. Stimmuugsmachc. Köln  , 1. August. Ter Epezialberichterstatter derKölnischen Zeitung  " meldet aus Aga dir vom 31. Juli: In Agadir   sind zurzeit noch vier Deutsche   und zwei Spanier  . Ter KreuzerBer- lin" ist heute nach Teneriffa   zum Kohlen abgefahren, er wird inzwischen hier durch denEber" ersetzt. Dank der Anwesenheit der deutscheu Kriegsschiffs herrscht im ganzen Gebiet von Magador bis zum äußersten Süden größte Ruhe. Selbst in Tarudant(Haupt- stadt des Sus-GebieteS) sind einige aus Marrakesch kommend« Deutsche   gut aufgenommen worden. Dieser Tage haben di« Scheichs aus dem gefürchteteo Bergstamm der Utanan den Kom. mtuldgnlen derBerlin  ' besucht und ihm erklärt, daß überall Ge-. migtuimg über die Anwesenheit des Kriegsschiffes herrsche. Die Utanan luden den Kommandanten und die Offiziere ein, in ihr Gebiet zu kommen. Komneandaut Loehlein empfahl ihnen, stets für die Erhaltung der Ruhe des Landes zu wirken. Unabhängige Berber oder Araber, die sich nach der Fremd Herrschaft derrumi" sehnen! So etwas kann es nur in dem Kopfe eines marokkotollen alldeutschen Zeitungsmenschen geben. Will man etwa mit solchen Meldungen eine neue Wendung des Marokkohandels einleiten und tatsächlich das Sus-Gebiet mit Be- schlag belegen?_ Politische deberlicht. Berlin  , den 1. August 1911. Ein Kolonialpatriot erster Güte. Wo alle guten Prozent- und Profitpatrioten jetzt nach Annektion des heiligen Landes Ens schreien, da darf natürlich auch Generalleutnant z. D. E. b. Liebert, Mitglied des Reichs tages und Generalstabschef des Reichsmärchenverbandes, nicht fehlen. Es wäre doch allzu blamabel, wenn er als ehemaliger Kolonialgouverneur und Generalpächter urechter deutscher  Gesinnung sich an patriotischer Rührigkeit und Schreierei von den Kapazitäten des Alldeutschen Verbandes  , besonders von dessen Vorsitzenden, Rechtsanwalt Heinrich Claß  , dem Ver- fasser der kuriosen BroschüreW e st» M a r o k k o d e u t s ch", übertreffen ließe. So hat denn Herr E. v. Liebert zur Feder gegriffen und für diePost" einen schönen Artikel geschrieben, in dem er jegliche Kompensationen außerhalb Marokkos   verwirft, selbst wenn diese Kompensationen in der Auslieferung des ganzen französischen   Kongogebietes an Deutschland   bestehen sollten. Sein Heißhunger verlangt nach West-Marokko, doch hat er auch nichts dagegen, wenn die Franzosen   noch einen ansehnlichen Fetzen in Nord-Marokko an Deutschland   abtreten: Die offiziösen Stimmen," schreibt er,mehren sich, die da verkünden, daß die vom Deutschen   Reiche geltend gemachten An sprüche auf«inen Teil von Marokko   keine Anerkennung finden, sondern durchKompensationen anderswo" ausgeglichen werden sollen. Als Vorschlag von französischer Seite klingt dies sehr berechtigt und glaubhaft. Daß dieser Vorschlag aber von deutscher Seite Annahme findet, klingt nicht Bismarckisch, sondern leider stark nach der Aera Bülow-Schoen, die wir für immer über wunden zu haben glaubten. Wär' der Gedank' nicht so verflucht gescheut, Man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen!' hätte man dem Pariser Unterhändler sofort erwidern müssen, als er seinen Abfindungsplan aus der Tasche zog. Was sollen dem deutschen   Volk Kompensationen! Auch Tropengebiete sind an sich wertvoll, aber wir haben deren ein reich geschüttelt Maß und sindnoch starkander Arbeit, den eigenen Besitz daran zu verdauen und zu verarbeiten. Ob die Kolonie Kamerun   500 900 oder 000 000 Quadratkilometer an Umfang zählt, wird unserem Volte keine Aufregung bereiten Dazu sind wir jetzt zu nüchtern und praktisch geworden. Wir nützen die Tropenkolonien nach Möglichkeit aus, wir schassen dort Werte in steigendem Maße, aber Lebensbedingungen und Zukunftsforderung«» unseres Volkes sind dort nur schwer zu befriedigen. Wir haben dort eine ernst« Lehrzeit hinter uns, wir wissen ganz genau, was die Tropen uns bieten, aber gerade nach de» gemachten Erfahrungen strebe» vir jetzt anderen Zielen zu. Die nationale Presse hat seit dem 1. Juli in allen Tonarten die deutschen   Forderungen dargelegt. Sie lauten: Neu- land, d. h. Siedelungsgebiet in gemäßigter oder subtropischer Zone. Baumwolland, eisenerzreiches Land, Gebiete zum ybsatz der beut- scheu Jndustrieerzeugniff«, endlich die Beseitigung derschwarzen G e f a h r", die unS offenkundig von der Besitzergreifung Nord- und Weswfrikas durch die Franzosen droht(f. ManginLi force noire"). Alle diese Forderungen sind nicht am Kongo, nicht unter dem Acquator, sondern allein durch ein wirtschaftliches und politi- sches Eingreifen in Ptarokio zu erfüllen. Mögen die Diplomaten gegenwärtig sich vertragen, und»rag die deutsche   Politik sich anderswo" abfinden lassen, der einmal durch die realen Verhält- nisse bedingte Konflikt der beiden Nationen ist dadurch nicht aus der Welt geschafft, und an Stelle einesewigen' Vertrages erhalten wir ein klägliches Provisorium." In seinem Eifer, ein möglichst großes Stück von Marokko  für seinen Kolonialheißhunger zu erlangen, merkt Herr E. v. Liebert gar nicht, wie sehr er durch sein Geschreibsel den Wert des heutigen deutschen   Kolonialbesitzes in Afrika   her- absetzt. Während diese Kolonien sonst als höchst wertvolle Besitzungen gepriesen werden, gesteht Herr v. Liebert, der doch einst Gouverneur von Deutsch-Ostafrika   war. also dieses Land wohl einigermaßen kennen muß, daß wir vorläufig noch genügend daran zu tun haben, diesen Besitz zu verdauen und daß dort die Lebens- bedingungenunseres Volkes"(muß heißen: des deutschen  prositlüsternen Großkapitalismus) nur schwer zu befriedigen sind. Deshalb verlangt Herr V. Liebert Neuland. das sich kapitalistisch vorteilhafter ausbeuten läßt und zwar möglichst viel. Zugleich soll den Franzosen verboten werden, sich eine schwarze Kolonialtruppe für ihre Besitzungen zu chaffen. Eigentlich»och viel zu bescheiden: denn wenn man schon beim Fordern ist, kommt es doch für einen echten Pa- trioten auf eine Handvoll mehr oder weniger gar nicht an. Warum fordert Herr v. Liebert nicht auch gleich, daß die Frau- zosen ihre sämtlichen Kriegsschiffe an Teutschland ausliefern sollen. Damit würde er selbst seilten großen politischen Schrei-Rivalen Heinrich Elaß schlagen. Hirsch-Dunckersche Halbheit. Der gentralrat der Deutstben Gewerkvereine nahm am 27. Juli einstimmig folgende Erklärung an: Der Zentralrat der Deutschen Gewerkvereine richtet an die Regierungen von Deutschland  . Frankreich   und England und an die Regierungen der diesen Ländern ver- bllndeten Völker die dringende Aufforderung, in peinlichster Ge« wissenhoftigkeit bemüht zu bleiben, die wegen Marokko   zwischen Deutschland   und Frankreich   entstandenen Differenzen in friedlicher und für die beteiligten Völker ehrenvoller Weise zu schlichten, wie eS möglich war im Streite zwischen Frankreich   und Spanien  . Der Zentralrat ist überzeugt, daß die organisierten Arbeiter aller in dieser Erklärung genannten Kulturvölker den Frieden wollen und eS nicht billigen würden, wenn Marokkos   halber ein Appell an die Waffen und damit ein blutiges Vernichten un- gezählter, blühender Menschenleben erfolgte. Der Zentralrat, als die Vertretung der in den Deutschen Gewerkvereinen organisierten uationalgesinnten Arbeiter, spricht im Namen oller semer Mit- glieder. wenn er die deutsche Regierung bittet, sich nicht b«» «influssen zu lassen von einer Presse, die krieg s- lustigeJntereffenten vertritt. Das deuffche Volk brachte Opfer über Opfer für die Erhaltung des Friedens und will, daß es in seiner Kulturentwickelung nicht gestört wird durch blutige Auseinandersetzungen mit anderen Völkern. Deutschland   darf es als seinen glänzendsten Ruhm ansehen, daß es seit vierzig Jahren den Frieden erfolgreich zu wahren wußte. Es ist der dringendste Wunsch des Zentralrats, daß dieser Ruhm bestehen bleibt zur Ehre unseres Volkes." Wenn die Hirsch-Dunckerschen emstlich den Völkerfrieden wollen. sollten sie vor allen Dingen auch dem militaristischen und marinist i- scheu Rüsten sowie der konfliklschwangeren Kolonialpolitik energisch und konsequent entgegentreten. Denn wer Panzerschiffe bauen und Kolonien erwerben hilft, wird natürlich nicht ernst genommen, wenn er nachher beteuert, das Floitenrüsten und die Weltpolitik dürfe uns ja niemals zu einem Konflilt führen. Für die kapitalistische Welt- Politik gibt es eben keine ethischen Sentiments für sie gilt nur das Recht des Stärkeren. Immerhin beweist der Umstand, daß der sehr schwerfällige und bureaukratische Generalrat der Hirsch-Dunckerschen sich zu einer solchen Erklärung gezwungen sah, wie groß die Erbitterung der Arbeitermassen gegen die Konfliktschürer ist! Kricgs-Heldentaten. Vor einiger Zeit hat ein gewisser Paul ErHardt in Rostock  seineKricgserinncmngen an die Jahre 1370/71' als Buch erscheinen lasten, zur Glorifikation des Krieges überhaupt und des deutschen  Hurrapatriotismus im besonderen. Wider Willen aber liefert er dem Antimilitarismus beachtenswertes Material. So berichtet er zum Beispiel, daß den Deutschen   bei dem Gefecht zu Dreux   der Be- (cheid wurde,keine Gefangene zu machen, sondern alles, was vor das Rohr käme, totzuschießen. Der mordspatriotische ErHardt sucht diesen barbarischen Befehl damit zu entschuldigen, die deutsche KriegSleitung habe ge­glaubt, die ihnen gegenüberstehenden Franzosen feien keine regulären Truppen, sondern Franktireurs. Dieser Glaube scheint aber die Befehlshaber auf deutscher Seite mit bemerkenswerter Hart- näckigkeit verfolgt zu haben, denn Paul ErHardt berichtet, daß auch am 1. Dezember(Schlacht bei Loigny) den deutschen   Soldaten Mut zugesprochen' wurde gegen die ihnen gegenüberstehenden an- geblichen'Franktireurbanden", die in Wahrheil reguläre Soldaten Frankreichs   waren? Wie sich bei den deutschen   Soldaten die so tziel gepriesene Manneszucht bewährte, dafür bringt Paul ErHardt in seiner Harm- lofigkeit verschiedene Belege bei. Auch er war bei Loigiih in französische   Gefangenschaft geraten und erzählt nun, wie einem seiner deutschen   Mitgefangenen bei der Revision24 Paar Glace- Handschuhe, die er seiner Braut mitnehmen wollte', abgenommen wurden. ErHardt berichtet weiter, daß in der Festung an der spanischen Grenze, wohin die gefangenen Deutschen   gebracht waren, drei deutsche Soldaten in den Stall eines Franzosen ein- brachen und Wein und Schinken stahlen und anderen Wein auslaufen ließen. Diese Spitzbüberei veranlaßte die Franzosen  , eine Revision bei den gefangenen Deutschen   vorzu- nehmen. Aber des Festungskommandanten Töchterlein Rosine, di: eine Liebschaft hatte mit einem der deuffchen Gefangenen, verriet das und erbot sich,wenn einer oder der andere noch einAn- denken'! habe oder eine Uhr mit einem französischen  Namen", das alle? bis nach Beendigung der Revision in Wer- Währung zu nehmen. Und sie hat, wie ErHardt berichtet, gar viele a k e t e zur Aufbewahrung bekommen l Wie aber trotz der vor- herigen Beiseiteschaffung derAndenken" ein deutscher Heldenjüngling als Spitzbube entlarvt wurde, erzählt ErHardt ebenfalls ganz bieder. Diesem in die französische   Gefangenschast geratenen deutschen  Soldaten wurden bei jener Revision aus seinem Rock elf Tausend- frankscheine herausgeholt, die er dort eingenäht hatte.Treu deutsch' entrüster sich Paul Ehrhardt nicht etwa über das Ber  - brechen seines deutschen   Kameraden, sondern über desien Dumm» heit, sich abfasse n zu lassen l ErHardt schreibt nämlich: S« ein Teepott, so ein Schafskopf; hätte er Rosine   das Paket in Verwahrung gegeben wie die andern Kameraden dann hätte er sich nachher davon eine schöne Bauernstelle kaufen können.' Von dem gestohlenen Gelde! l Au? dentfch-nattonalem Drang hat Paul ErHardt sein Buch ge- schrieben. Er ahnt nicht, wie er dem A b s ch e n vor dem Hurra- Patriotismus gute Nahrung bietet. Ein gemütvoller Vorgesetzter. Das Oberkriegsgericht des Kgl. Gouvernements hatte sich in seiner letzten Sitzung mit der Affäre des Stabsarztes Dr. Kirsch- l-aum zu beschäftigen. Die Anklage lautete auf vorschriftswidrige Behandlung und fortgesetzte Beleidigung eines Untergebenen sowie auf Mißhandlung und Bedrohung mit dem Verbrechen des Totschlags. Der Angeklagte, der auf der Kaiftr-Wilhelm- Akademie tätig ist, hatte vor einiger Zeit den Musketier Treiß als Burschen zuerteilt bekommen. Er behauptete. T. habe ihn oft bc- logen und sich schlecht geführt, während dem Musketier von anderer Seit« diebestenZeugnisseausgestelltwerden. Treiß ist von dem Vorgesetzten oft in der gröblichsten Weise beschimpft worden und mit Vorliebe wandte der Angeklagte die schmeichelhafte BezeichnungRindvieh" dem Untergebenen gegenüber an. Eines Iiachmittags mußte der Musketier vor den Spiegel hintreten und der Stabsarzt rief ihm zu, so sehe ein Schafskopf auS. Ein anderes Mal hatte der Bursckie schlechten Salat eingekauft. Infolgedessen kani es zwischen dem Angeklagten und dem T. zu einem Rcnkontcr. das einen recht erregten Verlauf nahm. Der Angeklagte geriet in eine derartige Erregung, daß er gegen den Burschen tätlich wurde. Er versetzte ihm einen Stoß vor die Brust und als daraufhin der Bursche ausrief, er lasse sich nicht schlagen, ging Dr. K. auf ihn zu, riß ihm das Seitengewehr aus der Scheide heraus und setzte ihm die Waffe mit der Drohung;Ich steche Dich tot, den Schädel werde ich Dir spalten!" auf die Brust. Vor Gericht suchte sich der Herr Stabsarzt damit hcrauSzu- reden, er habe befürchtet, der Bursche, der weit schmächtiger als sein Vorgesetzter ist, werde ihn tätlich angreifen und dem ver- meintlichen Angriff habe er vorbeugen wollen. Das Oberkriegsgericht erkannte gemäß der bc- kannten Praxis der Militärgerichte auf ein« Gesamtstrafe vov acht Tage« Stubenarrest. Ein Landlehrer über die Junker. In derWehlauer Zeitung' hat nach derDeutschen Tageszeitung" ein Landlehrer folgendes Urteil über die Herren Junker gefällt: An allen Ecken und Enden find sie(die Dorfbewohner) von demgnädigen Herrn' abhängig. Er, der großspurig auf dem Gute sitzt, regiert die Welt der Bauern, die ringsum wohnen. Dergnädige Herr', dem der Herr Landrat hilfreich zur Seile steht, kann a l l e s m a ch e n. Die Schulferien iverden so gelegt, wie es ihm am besten paßt. Braucht das Rittergut Arbeit-kräste, dann werden die Ferien gemacht, damit die großen Kinder mithelfen können. AuS demielben Grunde muß der Lehrer mit seinen Schülern auch in der heißen Sommerglut arbeiten, damit im Herbst zur Zeit d:r Kartoffelernte für den Gutsherrn möglichst viel fleißige Hände zur Verfügung stehen. lind so ist'S in allen Dingen. Auch bei der Steuereinichätzung spricht der Gutsherr oder der Vertreter ein gewichtiges Wort mit, ebenso bei der Vergebung von Konzessionen, bei der Eni- scheidtlng über Anträge auf Erweiterung der Polizeistunde usw. Oft leiht der hohe Herr auch gesiisfcnllich Geld a» be- dürftige Dorsinsassen auS. um sie zu gegebener Zeit in der Hand zu haben. Parieren aber die B a u e r n l ü m m e l, wie dergnädige Herr' die schwer arbeitenden Landwirte in vertrautem Kreise nennt, trotzdem nicht, dann schikanierter sie. indem er Wege absperrt, Wassergräben ableitet, das Be-