würde ja trotz aller EiertSnzereien Herrn Erzderger auch den Lesernder„IPennania" als eine Person erscheinen lassen, die unmög-lich ernst genommen werdon kann. Man kann esalso verstehen, daß Herr Erzberger sich nicht selbst alspolitischen Hanswurst abkonterfeien wollte. Aber beim Wahlkampfebekommen die Wähler nicht nur das m die Hand, was der Erz-berger. vom Jahre 1911 an Verleumdung der Sozialdemokratie undEigenlob zusammenfabuliert, sondern auch seine früheren Er«güsse. Und dann ist Herr Erzberger, dann ist das Zentrum„drunterdurch' JImmerhin, nach all den ängstlichen Kneifereien und feigenUntersckilagungen des Herrn Erzberger verdient auch eine Probefeines Mutes hervorgehoben zu werden. Herr Erzberger wagtnämlich in seinem heurigen Artikel zu erzählen, daß der eigentlicheKriegshetzer bei dem Marokkorummel die Sozialdemokratie sei.Kein Mensch senke an eine Kriegsgefahr, die nur in der überhitztenPhantasie der Sozialdemokratie bestehe. Die Sozialdemokratieschildere das deutsche Volk dem Ausland als eine Herde von Bar-baren und schüre dergestalt das Mißtrauen und den Haß gegenDeutschland. Und das redet Herr Erzberger der Sozialdemokratienach, die gar nicht müde wird, täglich zu betonen, daß das deutscheVolk absolut friedliebend ist und daß die ganze chauvinistischeHetze nur das Werk kleiner Cliquen und Jnteressentengruppen sei IIn der Tat, es gehört sehr viel Mut dazu, der Sozialdemakratie solche Dinge nachzureden. Nicht nur der Mut b e i s p i e l-loser Un Wahrhaftigkeit, sondern auch der Mit einer aus-bttndigenNarrheit, der längst jedes Gefühl für unfreiwilligeKomik abhanden gekommen ist.Die lilaroWtoaffäre.Tie Kunst, mit vielen Worte» nichts zu sage»,verstehen unsere offiziöse» Zeitungsleute ausgezeichnet. So läßtsich die„Kölnische Zeitung" aus Berlin melden:„Der Vortrag, den der Reichskanzler von Bethmann Hollwegunter Hinzuziehung des Staatssekretars von Kiderlen-Waechterdem Kaiser iä Swinemünde gehalten hat und der den Verlausder Marokkofrage zum Gegenstande hatte, hat volle Ileberein-stimmung in den Auffassungen des Kaisers und des Reichskanzlers ergeben. Da der Kaiser stets atjf dem Laufenden gehaltenwurde und da daS Programm der Verhandlungen mit Frankreichschon seit geraumer Zeit mit Genehmigung des Kaisers in seinengroßen Zügen festgelegt war, ist dieser Ausgang der Besprechungen eigentlich selbstverständlich. Es ergibt sich daraus auch, daßneue Beschlüsse nicht gefaßt worden sind. Die Verhandlungenzwischen dem Staatssekretär von Kiderlen-Waechter und demBotschafter Cambon werden also fortgesetzt werden. Nachrichtenüber den anoeblich unmittelbar oder in allernächster Zeit zu er-wartenden Abschluß eilen den Ereignissen voraus. Soloeit istman noch nicht vorgeschritten und damit erledigt sich auch dieBehauptung, daß der Reichskanzler dem Kaiser in Swinemündeein die wesentlichen Punkte regelndes Abkommen über einzwischen Frankreich und Deutschland erzieltes Einverständnishabe borlegen können. Eingehende Angaben französischer Blätterüber Einzelhelten der Verhandlungen beruhen auf gewagtenKombinationen."So, nun weiß das deutsche Volk ganz genau, was die deutsch-Regierung mit ihrem Eingreifen in die Marokkoaffäre will undwie die Verhandlungen mit Fvankreich stehen.An der Uebereinstimmung Wilhelms ll. mit Kiderlen-Wacch-tcr hat kein Mensch gezweifelt, denn da der Kaiser seine„Hand-longer" jederzeit ohne Kündigung entlassen kann, werden diese sichhüten, etwas gegen den Willen ihres Herrn zu unternehmen. Dasdeutsche Volt ist ja bei der Ernennung von Staatssekretären oderMinistern vollständig ausgeschaltet und hat nicht das geringsteRecht, die Herren wegen ihrer Amtsführung zur Verantwortung zuziehin. Unsere auswärtige Politik wird daher ganz absolutistischgemacht, wobei der Absolutismus selbstverständlich von den ver-schiedenartigsten kapitalistischen Einflüssen getrieben wird. Daherkommt es, daß man das Volk auch in der Marokkoaffäre mit leerenWorten abspeist. Bei der aufgeklärten Arbeiterschaft hat man da-mit freilich kein Glück; die hat bewiesen, daß sie in internationalenFragen ihre eigene Meinung hat.Unsere Kolonialfexewerden jetzt auch ungemütlich. Das von Herrn Kiderlen-Waechterbeabsichtigte Kompensationsgeschäft gefällt ihnen nicht. Besondersungehalten ist man in kolonialen Kreisen über eine eventuelle Ab-tretung Togos an Frankreich. So schreibt die der Deutschen Ko-lonialgesellschaft nahestehende„Deutsche Kolonialzei-1 u n g":„Wir glauben wohl, daß es unserm Nachbarlande passenkönnte, sein nordwestafrikanisches Militärreich von 25 MillionenEinwohnern durch ein Land abzurunden, das von uns auf dasbeste zivilisiert und entwickelt worden ist. Dafür sollenwir dann ein Gebiet erhalten, das zum größtenTeil noch auf Jahrzehnte hinaus an Ausbeu-t u ng S ge s e l lschaf t e n überlassen wurde, Wirt-s cha ftlich stagniert, finanziell Not leidet, keineEisenbahnen besitzt und ungezählte Millio-nen bedürfen würde, um den Keim zu einer g e-dfrihlichen EntWickelung zu legen und in demFrankreich soeben eine schwere Niederlage nachder anderen durch die streitbaren Sultane desNo r de n S erlitten hat. Tie Deutsche Kolonialgesellschaftmuß mit Entschiedenheit gegen einen solchen Handel Widersprucherheben, ganz allgemein aber gegen jede Abtretung deutschenGebietes. Der moralische Eindruck einer solchen würde für jedenFreund unserer Kolonien ein beschämender und schmachvollersein."ES ist ein Schauspiel für Götter, zu sehen, wie die genialeimperialistische Politik des Herrn Kiderlen-Waechter die bestenund gctreuesten Anhänger des deutschen Imperialismus in denHarnisch bringt. Uns kann dieser häusliche Krieg nur recht sein.liefern unS doch die Herren in ihren Auseinandersetzungen sehrwertvolles Material zur Beurteilung der Kompensationsfragc.In anderen Aeußerungcn aus Kolonialkreisen kommt diebrennende Sehnsucht nach einem Teile Marokkos zum Ausdruck.D»? ist nicht weiter überraschend und verwunderlich. Da aberdiese kolonialen Kreise jetzt laut werden und sehr einflußreicheFürsprecher an höchster Stelle haben, ist gar nicht ausgeschlossen,daß unsere Marokkofchacherer die Kompensationsfrage fallen lassenund trotz des Widerspruchs Englands Anspruch auf einen Teil Ma-rokkos erheben. Bei der Direktionslosigkeit der Politik Kidcrlen-WaechterS sind neue Ucberraschungen durchaus nicht ausgeschlossen.Stimmuugsmachc.Köln, 1. August. Ter Epezialberichterstatter der„KölnischenZeitung" meldet aus Aga dir vom 31. Juli: In Agadir sindzurzeit noch vier Deutsche und zwei Spanier. Ter Kreuzer„Ber-lin" ist heute nach Teneriffa zum Kohlen abgefahren, er wirdinzwischen hier durch den„Eber" ersetzt. Dank der Anwesenheitder deutscheu Kriegsschiffs herrscht im ganzen Gebiet von Magadorbis zum äußersten Süden größte Ruhe. Selbst in Tarudant(Haupt-stadt des Sus-GebieteS) sind einige aus Marrakesch kommend«Deutsche gut aufgenommen worden. Dieser Tage haben di«Scheichs aus dem gefürchteteo Bergstamm der Utanan den Kom.mtuldgnlen der„Berlin' besucht und ihm erklärt, daß überall Ge-.migtuimg über die Anwesenheit des Kriegsschiffes herrsche. DieUtanan luden den Kommandanten und die Offiziere ein, in ihrGebiet zu kommen. Komneandaut Loehlein empfahl ihnen, stetsfür die Erhaltung der Ruhe des Landes zu wirken.Unabhängige Berber oder Araber, die sich nach der FremdHerrschaft der„rumi" sehnen! So etwas kann es nur in demKopfe eines marokkotollen alldeutschen Zeitungsmenschen geben.Will man etwa mit solchen Meldungen eine neue Wendung desMarokkohandels einleiten und tatsächlich das Sus-Gebiet mit Be-schlag belegen?_Politische deberlicht.Berlin, den 1. August 1911.Ein Kolonialpatriot erster Güte.Wo alle guten Prozent- und Profitpatrioten jetzt nachAnnektion des heiligen Landes Ens schreien, da darf natürlichauch Generalleutnant z. D. E. b. Liebert, Mitglied des Reichstages und Generalstabschef des Reichsmärchenverbandes, nichtfehlen. Es wäre doch allzu blamabel, wenn er als ehemaligerKolonialgouverneur und Generalpächter urechter deutscherGesinnung sich an patriotischer Rührigkeit und Schreierei vonden Kapazitäten des Alldeutschen Verbandes, besonders vondessen Vorsitzenden, Rechtsanwalt Heinrich Claß, dem Ver-fasser der kuriosen Broschüre„W e st» M a r o k k o d e u t s ch",übertreffen ließe. So hat denn Herr E. v. Liebert zur Federgegriffen und für die„Post" einen schönen Artikel geschrieben,in dem er jegliche Kompensationen außerhalbMarokkos verwirft, selbst wenn diese Kompensationen inder Auslieferung des ganzen französischen Kongogebietes anDeutschland bestehen sollten. Sein Heißhunger verlangt nachWest-Marokko, doch hat er auch nichts dagegen, wenn dieFranzosen noch einen ansehnlichen Fetzen in Nord-Marokkoan Deutschland abtreten:Die offiziösen Stimmen," schreibt er,„mehren sich, die daverkünden, daß die vom Deutschen Reiche geltend gemachten Ansprüche auf«inen Teil von Marokko keine Anerkennung finden,sondern durch„Kompensationen anderswo" ausgeglichenwerden sollen. Als Vorschlag von französischer Seite klingt diessehr berechtigt und glaubhaft. Daß dieser Vorschlag aber vondeutscher Seite Annahme findet, klingt nicht Bismarckisch, sondernleider stark nach der Aera Bülow-Schoen, die wir für immer überwunden zu haben glaubten.„Wär' der Gedank' nicht so verflucht gescheut,Man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen!'hätte man dem Pariser Unterhändler sofort erwidern müssen, alser seinen Abfindungsplan aus der Tasche zog. Was sollen demdeutschen Volk Kompensationen! Auch Tropengebiete sind an sichwertvoll, aber wir haben deren ein reich geschütteltMaß und sindnoch starkander Arbeit, den eigenenBesitz daran zu verdauen und zu verarbeiten.Ob die Kolonie Kamerun 500 900 oder 000 000 Quadratkilometeran Umfang zählt, wird unserem Volte keine Aufregung bereitenDazu sind wir jetzt zu nüchtern und praktisch geworden. Wirnützen die Tropenkolonien nach Möglichkeit aus, wir schassen dortWerte in steigendem Maße, aber Lebensbedingungenund Zukunftsforderung«» unseres Volkes sinddort nur schwer zu befriedigen. Wir haben dorteine ernst« Lehrzeit hinter uns, wir wissen ganzgenau, was die Tropen uns bieten, aber geradenach de» gemachten Erfahrungen strebe» vir jetztanderen Zielen zu.Die nationale Presse hat seit dem 1. Juli in allen Tonartendie deutschen Forderungen dargelegt. Sie lauten: Neu-land, d. h. Siedelungsgebiet in gemäßigter oder subtropischer Zone.Baumwolland, eisenerzreiches Land, Gebiete zum ybsatz der beut-scheu Jndustrieerzeugniff«, endlich die Beseitigung der„schwarzenG e f a h r", die unS offenkundig von der Besitzergreifung Nord-und Weswfrikas durch die Franzosen droht(f. Mangin„Li forcenoire"). Alle diese Forderungen sind nicht am Kongo, nicht unterdem Acquator, sondern allein durch ein wirtschaftliches und politi-sches Eingreifen in Ptarokio zu erfüllen. Mögen die Diplomatengegenwärtig sich vertragen, und»rag die deutsche Politik sichanderswo" abfinden lassen, der einmal durch die realen Verhält-nisse bedingte Konflikt der beiden Nationen ist dadurch nicht ausder Welt geschafft, und an Stelle eines„ewigen' Vertrages erhaltenwir ein klägliches Provisorium."In seinem Eifer, ein möglichst großes Stück von Marokkofür seinen Kolonialheißhunger zu erlangen, merkt HerrE. v. Liebert gar nicht, wie sehr er durch sein Geschreibsel denWert des heutigen deutschen Kolonialbesitzes in Afrika her-absetzt. Während diese Kolonien sonst als höchst wertvolleBesitzungen gepriesen werden, gesteht Herr v. Liebert, der docheinst Gouverneur von Deutsch-Ostafrika war. also dieses Landwohl einigermaßen kennen muß, daß wir vorläufignoch genügend daran zu tun haben, diesenBesitz zu verdauen und daß dort die Lebens-bedingungen„unseres Volkes"(muß heißen: des deutschenprositlüsternen Großkapitalismus) nur schwer zu befriedigensind. Deshalb verlangt Herr V. Liebert Neuland.das sich kapitalistisch vorteilhafter ausbeuten läßt und zwarmöglichst viel. Zugleich soll den Franzosen verboten werden,sich eine schwarze Kolonialtruppe für ihre Besitzungen zuchaffen. Eigentlich»och viel zu bescheiden: denn wenn manschon beim Fordern ist, kommt es doch für einen echten Pa-trioten auf eine Handvoll mehr oder weniger gar nicht an.Warum fordert Herr v. Liebert nicht auch gleich, daß die Frau-zosen ihre sämtlichen Kriegsschiffe an Teutschland ausliefernsollen. Damit würde er selbst seilten großen politischenSchrei-Rivalen Heinrich Elaß schlagen.Hirsch-Dunckersche Halbheit.Der gentralrat der Deutstben Gewerkvereinenahm am 27. Juli einstimmig folgende Erklärung an:„Der Zentralrat der Deutschen Gewerkvereine richtet an dieRegierungen von Deutschland. Frankreich undEngland und an die Regierungen der diesen Ländern ver-bllndeten Völker die dringende Aufforderung, in peinlichster Ge«wissenhoftigkeit bemüht zu bleiben, die wegen Marokko zwischenDeutschland und Frankreich entstandenen Differenzen infriedlicher und für die beteiligten Völkerehrenvoller Weise zu schlichten, wie eS möglichwar im Streite zwischen Frankreich und Spanien. Der Zentralratist überzeugt, daß die organisierten Arbeiter aller indieser Erklärung genannten Kulturvölker den Frieden wollenund eS nicht billigen würden, wenn Marokkos halber einAppell an die Waffen und damit ein blutiges Vernichten un-gezählter, blühender Menschenleben erfolgte. Der Zentralrat, alsdie Vertretung der in den Deutschen Gewerkvereinen organisiertenuationalgesinnten Arbeiter, spricht im Namen oller semer Mit-glieder. wenn er die deutsche Regierung bittet, sich nicht b«»«influssen zu lassen von einer Presse, die krieg s-lustigeJntereffenten vertritt. Das deuffche Volk brachteOpfer über Opfer für die Erhaltung des Friedens und will, daßes in seiner Kulturentwickelung nicht gestört wird durch blutigeAuseinandersetzungen mit anderen Völkern. Deutschland darf esals seinen glänzendsten Ruhm ansehen, daß es seit vierzig Jahrenden Frieden erfolgreich zu wahren wußte. Es ist der dringendsteWunsch des Zentralrats, daß dieser Ruhm bestehen bleibt zurEhre unseres Volkes."Wenn die Hirsch-Dunckerschen emstlich den Völkerfrieden wollen.sollten sie vor allen Dingen auch dem militaristischen und marinist i-scheu Rüsten sowie der konfliklschwangeren Kolonialpolitik energischund konsequent entgegentreten. Denn wer Panzerschiffe bauen undKolonien erwerben hilft, wird natürlich nicht ernst genommen, wenner nachher beteuert, das Floitenrüsten und die Weltpolitik dürfe unsja niemals zu einem Konflilt führen. Für die kapitalistische Welt-Politik gibt es eben keine ethischen Sentiments— für sie gilt nurdas Recht des Stärkeren.Immerhin beweist der Umstand, daß der sehr schwerfällige undbureaukratische Generalrat der Hirsch-Dunckerschen sich zu einersolchen Erklärung gezwungen sah, wie groß die Erbitterung derArbeitermassen gegen die Konfliktschürer ist!Kricgs-Heldentaten.Vor einiger Zeit hat ein gewisser Paul ErHardt in Rostockseine„Kricgserinncmngen an die Jahre 1370/71' als Buch erscheinenlasten, zur Glorifikation des Krieges überhaupt und des deutschenHurrapatriotismus im besonderen. Wider Willen aber liefert erdem Antimilitarismus beachtenswertes Material. So berichtet erzum Beispiel, daß den Deutschen bei dem Gefecht zu Dreux der Be-(cheid wurde,„keine Gefangene zu machen, sondernalles, was vor das Rohr käme, totzuschießen.Der mordspatriotische ErHardt sucht diesen barbarischen Befehldamit zu entschuldigen, die deutsche KriegSleitung habe geglaubt, die ihnen gegenüberstehenden Franzosen feien keineregulären Truppen, sondern Franktireurs. Dieser Glaube scheintaber die Befehlshaber auf deutscher Seite mit bemerkenswerter Hart-näckigkeit verfolgt zu haben, denn Paul ErHardt berichtet, daß aucham 1. Dezember(Schlacht bei Loigny) den deutschen Soldaten„Mut zugesprochen' wurde gegen die ihnen gegenüberstehenden an-geblichen'„Franktireurbanden", die in Wahrheil reguläre SoldatenFrankreichs waren?Wie sich bei den deutschen Soldaten die so tziel geprieseneManneszucht bewährte, dafür bringt Paul ErHardt in seiner Harm-lofigkeit verschiedene Belege bei. Auch er war bei Loigiih infranzösische Gefangenschaft geraten und erzählt nun, wie einemseiner deutschen Mitgefangenen bei der Revision„24 Paar Glace-Handschuhe, die er seiner Braut mitnehmen wollte', abgenommenwurden. ErHardt berichtet weiter, daß in der Festung an derspanischen Grenze, wohin die gefangenen Deutschen gebracht waren,drei deutsche Soldaten in den Stall eines Franzosen ein-brachen und Wein und Schinken stahlen und anderenWein auslaufen ließen. Diese Spitzbüberei veranlaßte dieFranzosen, eine Revision bei den gefangenen Deutschen vorzu-nehmen. Aber des Festungskommandanten Töchterlein Rosine, di:eine Liebschaft hatte mit einem der deuffchen Gefangenen, verrietdas und erbot sich,„wenn einer oder der andere noch ein„An-denken'! habe oder eine Uhr mit einem französischenNamen", das alle? bis nach Beendigung der Revision in Wer-Währung zu nehmen. Und sie hat, wie ErHardt berichtet, gar vielea k e t e zur Aufbewahrung bekommen l Wie aber trotz der vor-herigen Beiseiteschaffung der„Andenken" ein deutscher Heldenjünglingals Spitzbube entlarvt wurde, erzählt ErHardt ebenfalls ganzbieder. Diesem in die französische Gefangenschast geratenen deutschenSoldaten wurden bei jener Revision aus seinem Rock elf Tausend-frankscheine herausgeholt, die er dort eingenäht hatte.„Treudeutsch' entrüster sich Paul Ehrhardt nicht etwa über das Ber-brechen seines deutschen Kameraden, sondern über desien Dumm»heit, sich abfasse n zu lassen l ErHardt schreibt nämlich:„ S«ein Teepott, so ein Schafskopf; hätte er Rosine dasPaket in Verwahrung gegeben— wie die andern Kameraden—dann hätte er sich nachher davon eine schöne Bauernstelle kaufenkönnen.'— Von dem gestohlenen Gelde! lAu? dentfch-nattonalem Drang hat Paul ErHardt sein Buch ge-schrieben. Er ahnt nicht, wie er dem A b s ch e n vor dem Hurra-Patriotismus gute Nahrung bietet.Ein gemütvoller Vorgesetzter.Das Oberkriegsgericht des Kgl. Gouvernements hatte sich inseiner letzten Sitzung mit der Affäre des Stabsarztes Dr. Kirsch-l-aum zu beschäftigen. Die Anklage lautete auf vorschriftswidrigeBehandlung und fortgesetzte Beleidigung eines Untergebenen sowieauf Mißhandlung und Bedrohung mit dem Verbrechendes Totschlags. Der Angeklagte, der auf der Kaiftr-Wilhelm-Akademie tätig ist, hatte vor einiger Zeit den Musketier Treiß alsBurschen zuerteilt bekommen. Er behauptete. T. habe ihn oft bc-logen und sich schlecht geführt, während dem Musketier von andererSeit« diebestenZeugnisseausgestelltwerden. Treißist von dem Vorgesetzten oft in der gröblichsten Weise beschimpftworden und mit Vorliebe wandte der Angeklagte die schmeichelhafteBezeichnung„Rindvieh" dem Untergebenen gegenüber an. EinesIiachmittags mußte der Musketier vor den Spiegel hintreten undder Stabsarzt rief ihm zu, so sehe ein Schafskopf auS. Ein anderesMal hatte der Bursckie schlechten Salat eingekauft. Infolgedessenkani es zwischen dem Angeklagten und dem T. zu einem Rcnkontcr.das einen recht erregten Verlauf nahm. Der Angeklagte gerietin eine derartige Erregung, daß er gegen den Burschentätlich wurde. Er versetzte ihm einen Stoß vor die Brust undals daraufhin der Bursche ausrief, er lasse sich nicht schlagen, gingDr. K. auf ihn zu, riß ihm das Seitengewehr aus der Scheideheraus und setzte ihm die Waffe mit der Drohung;„Ich steche Dichtot, den Schädel werde ich Dir spalten!" auf die Brust.Vor Gericht suchte sich der Herr Stabsarzt damit hcrauSzu-reden, er habe befürchtet, der Bursche, der weit schmächtiger alssein Vorgesetzter ist, werde ihn tätlich angreifen und dem ver-meintlichen Angriff habe er vorbeugen wollen.Das Oberkriegsgericht erkannte gemäß der bc-kannten Praxis der Militärgerichte auf ein« Gesamtstrafevov acht Tage« Stubenarrest.Ein Landlehrer über die Junker.In der„Wehlauer Zeitung' hat nach der„DeutschenTageszeitung" ein Landlehrer folgendes Urteil über die HerrenJunker gefällt:„An allen Ecken und Enden find sie(die Dorfbewohner) vondem„gnädigen Herrn' abhängig. Er, der großspurig aufdem Gute sitzt, regiert die Welt der Bauern, die ringsumwohnen. Der„gnädige Herr', dem der Herr Landrat hilfreichzur Seile steht, kann a l l e s m a ch e n. Die Schulferien iverdenso gelegt, wie es ihm am besten paßt. Braucht das RittergutArbeit-kräste, dann werden die Ferien gemacht, damit die großenKinder mithelfen können. AuS demielben Grunde muß derLehrer mit seinen Schülern auch in der heißen Sommerglutarbeiten, damit im Herbst zur Zeit d:r Kartoffelernte für denGutsherrn möglichst viel fleißige Hände zur Verfügung stehen.lind so ist'S in allen Dingen. Auch bei der Steuereinichätzungspricht der Gutsherr oder der Vertreter ein gewichtiges Wortmit, ebenso bei der Vergebung von Konzessionen, bei der Eni-scheidtlng über Anträge auf Erweiterung der Polizeistunde usw.Oft leiht der hohe Herr auch gesiisfcnllich Geld a» be-dürftige Dorsinsassen auS. um sie zu gegebener Zeitin der Hand zu haben. Parieren aber die B a u e r n l ü m m e l,wie der„gnädige Herr' die schwer arbeitenden Landwirte invertrautem Kreise nennt, trotzdem nicht, dann schikaniertersie. indem er Wege absperrt, Wassergräben ableitet, das Be-