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Die Inzwischen haben sich die Dinge schnell entömcfelt. Was 5a- mals noch ein frommer Wunsch war, ist heute eine brennende Tagesfrage. Die in der britischen   Bergwerksinduftrie bestehenden Einigungsämter haben sich noch nie mit ctiner Frage von solcher Wichtigkeit befaßt. Man ist daher gespannt, zu sehen, ob sich die Werksbesitzer beguemen werden, einem gütlichen Austrag der Minimallohnstreitigkeiten zuzustimmen. Ihre Wortführer erklären, daß die Forderung unmöglich bewilligt werden kann. Die Betriebskosten seien in den letzten Jahren gewaltig gestiegen: hautpsächlich seien dafür das Achtstunden- gesetz und die schärfere Kontrolle der Gruben verantwortlich. Dazu werde die neu'e Versicherungsgesetzgebung den Unter- nehmern neue Lasten aufbürden. Die Kampfstimmung, die unter den Bergvrbeitern des Landes herrscht, kommt mit jedem Tage deutlicher zum Aus- druck. In den mittelenglischen Bezirken ist es die Frage der Beschäftigung unorganisierter Arbeiter, in Nanthumberland das Dreischichtensystem, in den meisten Landesteilen aber die Frage des Minimallohnes, die den Hauptanlaß zu der Be- wegung gibt. Unter diesen Umständen ist es mchr als wahr- schcinlich, daß sich die Prophezeiung des Genossen Hartshorn bewahrheiten wird. Cloyd George filier die flrbeiterrevolte. Zur telegraphisch bereits kurz skizzierten Rede dcS englischen Finanzministers wird unS aus London   noch geschrieben: Die Grundsteinlegung zu einer Baplistenkirche hat dem englischen Schatzkauzler die Gelegenheit gegeben, sich über die Ursachen der unter den Arbeitern herrschenden Unzufriedenheit zu äußern. Nach einer Verteidigung de? walisischen Volkes gegen die in der kanservativen Presse, erschienenen Angriffe führte er auS, daß sich eine große Unzufriedenheit mit den herrschenden Wirtschaft- lichen Verhältnissen des Volles bemächtigt habe und daß sich die Kirchen sofort an die Arbeit machen mühten, um die Wirt» schaftlich» Lage des Volkes zu heben. Dan» fuhr er fort:»Ich bin nicht sicher, ob sich die Kirchen der Vewntworl- lichkeit in bezug auf die Bekämpsting und Heilung j!) dieser Symptome, die auf ihnen lastet, bewußt sind. Die erste ff�abe einer Kirche ist eine geistige; aber sie hat auch eine untere Pflicht, die das materielle Wohlergeben ihrer MitglieiTer be­trifft. Die Menge mag nicht an das Versprechen des Un- gesehenen glauben, bis sie eine bessere Verwirklichung drS Ver- sprechen« siebt. Eine der Aufgaben, die die christliche Kirche nach ihrer Gründung auf sich nahm, war die Verbesserung der materiellen Lage ihrer Milglieder und zu diesem Zwecke ernannte sie Beamte. Es gibt heute gewisse Leute, die von AnaniaS reden. AnaniaS war ein Mann, der eine falsche Angabe über sein ver- kaufteS Eigentum machte, um seinen Beitrag zu der Gemeinde, der er angehörte, zu verringern. Es gibt auch heute Leute von diesem Schlage. Die erste Pflicht der christlichen Kirchen dieses Landes ist die, das Unrecht gut zu machen, unter dem die Massen des Landes leiden. ES gibt heute Scharen von Leuten in diesem Lande, die trotz quälender Arbeit nicht genug verdienen, um Körper und Seele zusammenzuhalten. Andererseits gibt es solche, die weder arbeiten noch spinnen, und dennoch alleS im Ueberfluß haben. So lange diese Verhältnisse bestehen, wird eS diese Aus­brüche geben. ES wird gesagt werden, daß ich die eine Klasse gegen die andere aufhetze. Das ist der Papageienschrei jedoS unfruchtbaren Federfuchsers und Schwätzers, der nicht einmal genug EinbildnngSkrast besitzt, eine neue Aet Schmähung zu erfinden. Wenn eS ein Verbrechen gegen die Gesellschaft ist, auf die heute und alltäglich vor- kommende Ungleichheit aufmerksam zu machen, dann habe ich nur zu sagen, daß die sozialen Verhältnisse und die soziale Organisation eine sofortige Neuordnung erheischen. Wir haben Mitglieder der christlichen Kirchen. Leute. denen eS gut geht, die sich nie einen Leckerbissen versagten, und die dennoch böse werden, wenn eine Klasse der Bevölkerung den Versuch, macht, ihre Lage zu verbessern. Ich sage diesen, sie mögen die Ver- hältnisse, unter denen Tauscnde, ja Millionen Menschen für sich, ihre Fraue und Kinder ihr Leben zu verdienen suchen, prüstu und wenn sie dann noch glauben, daß diese Verhältnisse zufriedenstellend swd.üb'aten Msttelstandlern vlelerorts den Vre, vetderben. dann möchte ich ihnen raten, sechs Wochen wie die Katholiken Buße zu tun und von den Löhnen des Volkes dieses Landes zu leben und zu versuchen, ihre Familien von dem Hungerlohn zu ernähren, von den, Millionen unserer Arbeiter leben müssen. DaS würde sie von einer der schlimmsten Sünde, der Sünde der Unbarmherzigkeit, kurieren. Dann ennahnte der Schatzkanzler seine Zuhörer. baS Schiinpfen einzustellen und ihre Aufmerksamkeit den BerhälMissen zuzuwenden. unter denen das Volk lebe. Sie hätten eben ein Ereignis über» standen. daS leicht zu einer verhängnisvollen Katastrophe hätte werden können, und jetzt hätten sie Zeit zur Ueberlegung. Sie möchten ehrlich versuchen, die Ursache zu ergründen, und mit den Beschuldigungen aufhören. Täten sie da« nicht, so werde der nächste Kamps unendlich schlimmer ausfallen. Das Volk werde intelligenter und sie könnten ihre LandSlente nicht prellen. Wenn die christlichen Kirchen nicht hülfen, die Lage deS VylkeS zu ver« bessern, so würden sie zurückbleiben. Er richte den Appell an sie, sich ihrer Verantwortlichkeit bewußt zu werden und daS Volk zu einer höheren LebenSstufe emporzuheben. So sprach der englische   Schatzkanzlcr, und seine Rede bildet eine glänzende Rechtfertigung der sozialdemokratischen Agitation, die sich jeder unserer Versammlungsredner zum gelegentlichen Gebrauch ins Notizbuch schreiben sollte. So hat er schon deS öfteren geredet, weshalb diese letzte seiner Reden auch wenig Aufsehen erregt hat. Handeln tut er indessen anders. AlS die Eisenbahner den Versuch machten,»ihre Lage zu ver- bessern", da war dieser christliche Mann mit dem weichen Herzen einer von denen, die da glaubten. daS»Symptom" mit Waffen» gewalt kurieren zu können. Aber gedulden wir uns. die Ursachen der Arbeitcrrevolle werden jetzt studiert werden. Die erste Frucht dieses Studiums ist die beträchtliche GehaltSaufbesse- r u n g. die die Regierung vor einigen Tagen der Londoner  Polizei, die man in den letzten Monaten zu eiaer Unter- nehmerschutztruppe herangebildet hat, gewährte. Niemand wird den Polizisten das Recht auf einen höheren Lohn absprechen, aber diese Gehaltsaufbesserung sieht doch einer Belohnung für die zer- fchlagenen Arbeitcrfchädel verteufelt ähnlich. Ein neuer Eifenbahnerstreik? London  , 31. August. In Arbeitcrkreisen ist man der Ansicht, daß demnächst eine neue Streikbewegung ausbrechen wird. Gestern abend erklärte der Arbeiterführer Tom Mann. daß die Schwierigkeiten mit der G r e a t E a st e r n- E i s e n. bahngesellschaft derart seien, daß eine Arbeitseinstellung unvermeidlich erscheine. Um diese zu verhindern, habe er vor dem Untersuchungsausschuß gewisse Mitteilungen gemacht. Die Gewerkschaftsverbände tun alle», was in ihren Kräften steht, um eine neue Streikbewegung zu hintertreiben politifcbe deberlicdt. Berlin  , den 31. August 1911. Unsere Demonstration in Treptow  . angekündigte Friedenskundgebung der arbeitenden Massen Groß-Bcrlins hat die nationalistische Presse in große Wut versetzt. Ein Teil fordert von der Regierung in auf- geregten Tönen das Verbot unserer Massen- Versammlung, also die offenkundige Verletzung des Versammlungsgesetzes. Nachdem die Herren für sich selbst aus eigener Machtvollkommenheit den Majestäts- beleidigungsparagraphen außer Kraft gesetzt, also die politische Freiheit immerhin etwas erweitert haben, möchten sie jetzt, daß für die Arbeiter das politische Recht noch ver- kürzt werde! Der andere klügere Teil sieht ein, daß da nichts zu machen sei, schreit über die ,, antinationale Haltung" der Sozialdemo- kratie das Eintreten für den Frieden ist den bezahlten Kriegshetzern natürlich antinational l und benutzt die Gelegenheit, um über das Versammlungsgesetz zu klagen, das zu einem Verbot keine Handhabe biete. Am liebsten möchten sie ein neues Gesetz gegen soziaidemokratische Versammlungen. Die Herren werden sich aber schon mit der großen De- monstration, die den wahren Willen des Volkes von Groß- Berlin zum imposanten Ausdruck bringen wird, wohl oder übel abfinden müssen. Die Behörden konnten der Kund- gebung nichts in den Weg legen. Sie wird unter den gleichen äußeren Bedingungen wie im Vorjahr stattfinden und den- selben musterhaften und ungestörten Verlauf nehmen wie die große Wahlrechtskundgebuug vom 10. April. Zentrum und Konsumgenoffenschafte». Im Westen Deutschlands   wird der Streit zwischen den Mittelständlern und den Konsumcntenorganisationen zu einem erheblichen Teil auf dem Rücken des Zentrums aus- getragen. Diese Partei desjuLts milieu", die es angeblich allen Erwerbsständen recht inachen will, hat seinerzeit einer ganzen Reihe von proletarischen Wortführern, die gegen die Auslieferung der Volksernährung an das Agrariertum Front machten, den Mund durch parlamentarische Mandate, Stadtverordnetensitze und Aemtchen gestopft. Das schaffte eine Zeitlang Ruhe. Dann aber kam die Konsum- genossens chaftsfrage. Aus den Kreisen der freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie heraus wurde be- sonders in Rheinland   und Westfalen   der damals dort noch wenig gepflegten Konsumentenorganisation erhöhte Aufmerk- samkeit geschenkt und allenthalben entstanden Konsum- genossenschaften. Aehnlich wie in der Gewerkschaftsorgani- sation äfften die Zentrumsparteiler auch hier das Vorbild ihrer Gegner nach, und bald konnte der klerikale Anhang allerorten unverfälschtkatholisch e" Heringe verzehren und sich mitrein christliche r" Seife waschen. Tiechristliche n" Konsumgenossenschaften sind an manchen Jndustrieorten recht schön herangewachsen, besonders gerade dort, wo das Zentrum am stärksten vertreten ist. Dem kleinbürgerlichen Anhang des Zentrums wurde diese Kon- kurrenz der Genossenschaften sehr unbeauem. Es begann eine energische Abwehrbeweguug. Heiße Känipfe hat es inner- halb der Zentrumsorganisation hinter verschlossenen Türen abgesetzt, und vergebens haben die führenden Leute des Zen- trums sich bemüht, Frieden zu stiften: Die Mittelständler, Tetaillistenvercinler und Zünstker forderten unerbittlich die Auflösung der Genossenschaften. Sie verlangten von der Parteileitung die Herbeiführung von gesetzgeberischen Maß- nahmen gegen die Beamten- und Arbeiterkonsumvcreine. Den Gemeindeverwaltungen mutete man zu, den städtischen Beamten und Angestellten die Mitgliedschaft in Konsum- vereinen zu verbieten. In diesem Stadium be- findet sich der Konflikt heute noch. Nun nahen die Reichstagswahlen, und das Zentrum sieht mit der größten Besorgnis, daß ihm die Kämpfe zwischen den Arbeitergenossenschaften und den ra- Mülheim am Rhein   und in Essen   drohen die Mittel- ständler, dem Zentrumskandidaien nicht die Stimme zu sieben, wenn er ihre Wünsche in der Genossenschastsfrage nicht erfüllt. In S t o l b e r g bei Aachen   hat eine Versamm- litng christlicher Konsumvereinler beschlossen, eineKonsumenten-Abwehrkommission" zu bilden, die vor d-en Wahlen sämtliche Reichstags-oderLand» t»igskandidaten Rheinlands und Westfalens über ihre Stellung zu den Genossenschaften befragen soll. Die Antworten sollen veröffentlicht werden. Die Zentrums- presse jammert, daß es einen Hund erbarmen könnte: sie sieht bereits eine Anzahl Reichstagsmandate infolge des Streits unb derAusschaltung der Wcltanschaungsfragen durch den Klassenegoismus" hinwegtreiben. DieEssener Volkszeitung" ruft den klerikalen Mittel- ställdlern zu, sie möchten bedenken, daßder sozialdemo- kratih'che Gegner grundsätzlich ein viel konsequenterer Ver- trete c des Konsumvereinsgedankens" sei. Sie ruft beiden streitenden Parteien zu:Die Waffen nieder!" und schließt:Geschieht das setzt, wo die Köpfe noch nicht so furchsHar erhitzt sind, so ist das leichter, als unmittelbar vor der Wahl, nachdem noch hüben und drüben harte Worte gefallt!» sind." Ton einem Verwrechen, daß sich das Zentrum künftig nicht mehr an mittelständlerisch-reaktionären Anschlägen auf die KtSisumgenossenschaften beteiligen will, ist da nichts zu lesen. Wenn der von den Klerikalen so heiß gewünschte Frieden wirklich zustande käme, so könnte das nur auf Kosten der Arbeiter geschehen. Rpichstagsersatzwahl in Konstanz  -Ueberlinge«. Die MeichStagSericitzwahl im 1. bodischen ReichstagSwabllreiS Konstanz  -Ueberlingen findet, wie gemeldet wird, am IS. Oktober statt. Der Kreis war bis 1800 in den Händen der Nationalliberalen. dann eroberte ihn daS Zentrum, Bei der diesmaligen Wayl gehen Rationalliiüerale und Fortschrittliche BolkSpartei zusammen. Wahlrecht und Slrmenunterstützung. Tie bfirgerliche Blätter melden, wird gegenwärtig bei den zu- ständigen pmißischen ResiortS an einem Geletzentwurs gearbeitet. der feststelle»» soll, inwieweit und in welchen Fällen der Empfang von Armenunterstützung auf öffentliche Rechte einwirkt. Die Vorlage wird voraussichtlich den Landtag in seiner nächsten Tagung beschäftigen. Sowohl der Reichstag   als auch das Abgeordnetenhaus haben Eni- ichließunge» gefaßt, die eine Ucbertragung der reichsgesetzlichen Grundsätze für diese Materie auf die Landesgesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten für wünschenswert halten. De» Bundesregierungen ist darauf du�h die ReichSregienmg zur Erwägung anheimgestellt, inwieweit diese Grundsätze be» entsprechenden ReichSgesetzeS vom März 1909 in die Landesgesetzgebung eingeführt werden können. Dabei handelt eS sich darum, den Begriff der Armenunterstützung, deren Bezug von der Teilnahme am Wahlrecht ausschließt, für die Wahlen auf Grund von Landesgesetzen ebenso festzulegen, wie für die Wahlen nach ReichSgesetzen._ Eine klerikal-polnische Lüge. Der in Benthe»(Oberfchlesien) erscheinendeKatolik  " bringt eine Schauermär über sozialdemokratische Kirchenfeindschaft, die von allen klerikal-polniscken Blättern begierig nachgedruckt wird. Danach soll dieWiener Arbeiterzeitung" unter der Ueberschrist»Ver« nichtet die Kirchen!" geschrieben haben: Vernichtet die stolzen Türme! Zerschlaget in Staub den kalten Marmor! Reißt in Stücke die zierenden Seiden I Vorwärts also, und wenn es das Leben von Tausenden kosten sollte. Durch die Asche der Kirchen wird die Welt neu geboren werden. Auf ihr wird eine neue Welt erstehen, eine herrliche, siegreiche, wirkliche Welt! Vorwärts also gegen die Kirchen!" Und weiter, bemerkte das BlattKatolik", hat dieselbeArbeiter- zeitung' eine Beschreibung des Schutthaufens in solchen Worten gebracht: Die eiserne Pforte knirscht, die Ziegel brausen herunter, die Hacke schlägt alles klein, der Turm fällt, die Mauern fallen um. Die zerschlagenen Glocken jammern, das ausgeschüttete Geld rollt klingend herum, der wehende Wind reißt das zerrissene Kleid der Jungfrau Maria auseinander. Die mit Sternen geschmückten Kronen fallen in den Kot, die Kanzel steht in Flammen. Der Altar raucht, der stegreiche Zorn heult lustig wilde Psalmen." Wir erhalten zu der Behauptung desKatolik" die folgende Erklärung: In unserem Blatte ist niemals eine Notiz mit dem Titel: Vernichtet die Kirchen" erschienen. Niemols hat die Redaktion die Aufforderung erlassen, die in den klerikal-polnischen Blättern angegeben ist. Es ist alles, waS die Blätter in bezug auf den ArtikelVernichtet die Kirchen" erzählen, gemeine Lüge. Redaktion derArbeiterzeitung", Wim V/I, _ Wienstr. 89 a." Militärische Jugendorganisationen. Der Generalleutnant e. Deimling, der schon mehrmals durch seine politischen Reden unliebsames Aufsehen erregt hat, hat sich neuerdings ein weiteres Feld seiner Betätigung erkoren. Er hat nämlich eine Jugendwehr gegründet, um durch diese Organisation der Jugend rechtzeitig den militärischen Schliff beizubringen. Man scheint diesen Organisationen maßgebenden Orls besonderes Gewicht beizulegen, denn unter der Leitung aktiver Offiziere sind auch in anderen Städten Deutschlands   solche Jugendwehren gegründet worden. Allerdings rekrutieren sich die Mitglieder dieser militäü- schen Jugendorganisationen fast durchweg aus den Söhnen der be- sitzenden Klasse, für die dieGefahr" dersozialistischen Verhetzung" aus naheliegenden Gründen überhaupt nicht besteht. ES scheint so. als ob das ganze Reich mit einem Netz dieser militärischen Gründung überzogen werden soll. Agrarische Ausbeutung unter behördlichem Schutz. DaS Gesetz vom 24. April 13S4 betreffend die Bestrafung der Dienstvergehen gewährt den Agrariern in Preußen viele Möglich- leiten, ihre Arbeiter in sklavischen Fesseln zu halten. Im gewerb- lichen Arbeitsverhältnis gilt längst als unmoralisch und ungesetz» lich, einen Arbeiter durch Strafe zur Leistung einer Arbeit zu zwingen, die nicht bezahlt wird. Unsere Agrarier benützen unbedenklich Behörden und Gerichte, um ihre Arbeiter zu jeder Arbeit gefügig zu machen. Auf dem Rittergut des Herrn B i r ck e n st a.e d t in Demnitz, KreiS Anklam, erhalten die Arbeiter als Lohn alle 14 Tage einen Scheffel Roggen und 7 M. bar; am Ende des JahreS nach weitere 12 Scheffel Gerste. Dazu eine Wohnung und das übliäw Deputat, bestehend in einem Gemüsegarten, Kartoffelland sowie Feuerung und L Liter Milch täglich. Für verkauftes Vieh gibt es ein Trinkgeld. Jede Frau ist verpflichtet, täglich zweimal 1213 Kühe zu melke», wofür sie 80 Pf, Lohn erhält. Der Ritter  - gutsbefitzer vergrößerte seine Viehwirlichaft und verlangte nun von den Frauen, eS müsse jede vier Liühe pro Tag mehr bedienen. Lohnzulage sollte eS allerdings nicht geben. Den Frauen war dieses Verlangen doch etwas zu ostelbisch, weshalb sie sich weigerten, die Mehrarbeit ohne Bezahlung zu leisten. Doch unser Herr Ritter- gutsbefitzer und Gutsvorsteher wußte sich Rat. Er erstatteteamt- liche Anzeige" und der Amtsvorsteher, ein Herr v. Borke, waltete seines Amtes. Er übersandte den Ehemännern der be- treffenden Frauen Strafbefehle, weil die Frauen sich trotz wiederholter Aufforderung geweigert hätten, nach der von Herrn Birckenstaedt neu eingeführten Milch ordnung zu melken. Die Strafbcfchle wurden den Arbeitern nicht direkt zugestellt, sondern, wie dies in Ostclbien so üblich ist, vom Arbeitgeber dem einzelnen ausgehändigt. Damit wird erfahrungsgemäß die Wirkung auf den Arbeiter noch verschärft. Und läßt es sich ein Arbeiter bei- komme», gegen eine» derartigen Strafbefehl Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen, dann bestätigen die Gerichte fast regelmäßig die Maßnahmen der Amlsvorsteher. Oeltcmicb-Clngani. DaS gleiche Wahlrecht i» Ungarn  . Budapest  , 81. August. Die parlamentarische Situation dürfte in den nächsten Tagen eine Veränderung erfahren. Die Justhpartci will gegen Zusicherung des allgemeinen, gleichen und gsheimen Wahlrechts den Kampf gegen die Wehrv orlage einstellen. Das Gros der Kossuthpartci ist entschieden gegen die Wahlvorlage und fordert die Suprematie des. Magyarcntnms. Die Kosstlthpartci ist morgen zu einer Sitzung einberufen. Portugal  . Die Kabiuettobildung. Lissabon  , 31. Anglist. Da Duarte Leite   die Bildung des neuen Kabinetts abgelehnt hat, ist Bristo C a v a ch o damit beauftragt worden. flnnlancl. Der MeineidSzar. Der Zar hat die von der russischen Regierung beschlossene Angliederung eines Teiles des an Rußland   angrenzenden südfinnischen Gouvernements W y b o r g an Rußland ge- nehmigt. ES handelt sich um die Bezirke Mykyrka und Kiwinebb mit zusammen 1533 Quadratkilometer und 81t.(X) Einwohnern. Es befinden sich dort mehrere Orte, die von Petersburgern als Sommcraufenthalt aufgesucht werden. Der Landraub, der mitRücksichten auf die Sicherheit des Reiches" beschönigt wird, erregt in ganz Finnland   die schärfste Ver- urteiluug und wird von den Zeitungen aller Parteien stark angegriffen. Das stört natürlich die Raubmörderbande des Zarismus ebenso wenig wie die zum Zwecke der Annexion notwendige Verletzung aller mit den finnischen   Ständen ge- schlossenen Verträge und feierlichen kaiserlichen Versprechungen. Ebensowenig stört es die europäischen   Mächte, die ja im Punkte Ordnungsschutz und Christentum mit den zaristischen Henkern eng zusammenstehen.