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Nr. 231. 28. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt. Dienstag, 3. Oktober 1911.

Das Lob der Reichs- Versicherungs­

ordnung.

1.

Mit regem Fifer find die Herren vom Zentrum bemüht, ihren Anhängern darzulegen, welche große sozialpolitische Schöpfung sie mit der Reichsversicherungsordnung vollbracht haben, wie all ihr Tun und Handela, auch da, wo es gegen die Arbeiter gerichtet war, doch nur im höheren Interesse sozialer Pflichterfüllung, in der Ab­ficht, das Wert zustande zu bringen, geschehen ist. In Verfamm Jungen und in der Presse wird unausgefeßt das Thema variiert mit der Anklage gegen die bösen Sozialdemokraten, die darauf hinaus­gingen, gar nichts zu stande zu bringen und unerfüllbare Wünsche

stellten.

Unerfüllbar waren die Wünsche nur deshalb, weil das Zentrum und seine fonservativen Freunde gut begründete Anforderungen der Sozialdemokraten ablehnten, um teine weiteren Lasten den Unter­nehmern und dem Großgrundbesizer aufzuerlegen. Es tann deshalb nicht oft genug dieses reaktionäre Gebaren des Zentrums, das sich so gerne den Anstrich von Arbeiterfreund­

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schließlich auch dazu, für die Industrie die Mindestzahl der beschäf- Scharfmacher gegen die Arbeiterversicherung zurückgewiesen wurde, tigten Arbeiter auf 150 und für die Landwirtschaft auf 50 festzu- ihre wichtigsten Forderungen sind vom Zentrum, von den christ­sezen. Wenn also Herr Königbauer und andere seiner Zentrums- lichen Arbeitervertretern", begründet und zur Durchführung ge­freunde ihren Anhängern immer vorreden: Es war in der Reichs- bracht worden. So sieht die Abwehr der Angriffe auf die Ver­bersicherungsordnung nicht mehr zu erreichen, weil die Regierung sicherten aus, die das Zentrum betrieben hat. Ir Wahrheit absolut nicht dem Zentrum entgegentam, so handelte es sich hier konnte der Zentralverband deutscher Indu­um eine vom Zentrum ausgehende erhebliche Verschlechterung der strieller und der Verband der Berufsgenossen= Vorlage, bie von den christlichen Arbeiterfreunden" den Scharf- chaften teine bessere Vertretung finden, als die machern im eigenen Lager konzediert werden mußte. Ein Vorgang, 3entrumspolitiker. Man hat es auch verstanden, mit den der sich im Laufe der Beratung noch oft wiederholte. Unternehmern bessere Fühlung zu unterhalten, als mit den Ver­Gehen wir weiter den Mängeln nach, die Herr Königbauer regi- tretern der Krankenkassen. Wohl nahmen christliche Vertreter an striert. Er plädiert für eine Ausdehnung der Versicherungspflicht dem Kongreß der Krankenkassen teil, Herr Becker und Giesberts auf Handelsangestellte, Betriebsbeamte und Wertmeister mit einem ließen sich sogar in einen Ausschuß wählen, den der Kongreß ein­Einkommen von über 2000 Mt. Das Zentrum setzte die Einkommen- fchte, aber sehen ließen sich die Herren an dieser Stätte nicht mehr, grenze auf 2500 Mt. hinauf, obwohl die Angestelltenverbände jede sie hatten den Anschluß auf der Scharfmacherseite gefunden, Begrenzung verworfen hatten, mindestens aber bis 5000 Mt. Gin­tommen die Versicherungspflicht forderten. Das Zentrum versagte hier vollkommen; denn es gestattete nicht einmal die Weiterverfiche­rung der Handlungsgehilfen und Werkmeister bei einem Einkommen über 4000 Mt., und fügte damit eine neue Verschlechterung der Vorlage bei, die allerdings auch die Unterstützung des Herrn Dr. Mugdan fand.

Soziales.

Heilbehandlung der Versicherungsanstalten.

Im Verlage von Behrend u. Co. in Berlin   W. 64, Unter den Der Verteidiger der Taktik des Zentrums zählt uns als weitere Mängel des Geseßes auf: Das Ausscheiden der Gewerbekrankheiten Linden 10, ist soeben die im Reichsversicherungsamte bearbeitete in der Unfallversicherung, niedere Renten der Landarbeiter, die" Statistik der Heilbehandlung bei den Versicherungsanstalten und verdienstes, die Gewährung der Altersrente bei Vollendung des( 239 Seiten, Preis 5 M.) erschienen. Sie gibt in ausführlichen Beschränkung der Unfallrente auf 66% Proz. des Jahresarbeits- zugelassenen Kasseneinrichtungen für die Jahre 1905 bis 1910" 70. Jahres, anstatt des 65. Jahres und das Fehlen einer Invaliden- Vorbemerkungen und zahlreichen Tabellen eingehende Auskunft versicherung der Heimarbeiter. Daß auf allen diesen Ge über Umfang, Kosten und Erfolge der Heilbehandlung, über die bieten die Anträge der Sozialdemokraten von von den Versicherungsanstalten errichteten eigenen Heilanstalten ben 8entrumsbertretern abgelehnt wurden, befowie über ihre sonstigen Maßnahmen auf dem Gebiete der all­richtet err Königbauer nicht. Er fügt nur zur Be- gemeinen Volkswohlfahrtspflege. Die außerordentliche Bedeutung. Herr sowie über ihre sonstigen Maßnahmen auf dem Gebiete der all­ruhigung der christlichen Arbeiterschaft hinzu:

lichkeit gibt, gegeißelt werden. Man wird es verstehen, wenn der ganze Heerbann der Agitatoren einfezt, um die engelreinen Ab­fichten des Zentrums und der christlichen Arbeitervertreter bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung im Reichstag den Gläubi­Beratung der Reichsversicherungsordnung im Reichstag den Gläubi­gen darzutun, wird doch bei den Wahlen gerade diese Stellungnahme des Zentrums teine untergeordnete Rolle spielen. Wenn ein wenig Selbstkritik in diesen Kreisen vorhanden wäre, müßte schon die Stellung des Zentrums vor und nach der Beratung der Reichsver­sicherungsordnung seine Anhänger stubig machen. Es ist außer ordentlich dankbar, gegenüberzustellen, das, was die Kritik des Zen­trums vor der Beratung des Gesezes leistete, um dann die voll­tommene Umkehr nach und nach im Reichstage und nun in der weiteren öffentlichen Kritik gegenüberzustellen.

Das bedenkliche ihrer Situation haben die am meisten Kom­promittierten bald erkannt, und so bemühte man sich mit allen Mitteln, den Sachverhalt zu verdunkeln und zum Ueberfluß schließ lich die Sozialdemokratie noch für die Mängel des Gesetzes verant­wortlich zu machen.

Den neuesten Versuch dieser Art unternimmt der Arbeiter. sekretär und Landtagsabgeordnete Heinrich Königbauer in München  in der in der Buchhandlung des Verbandes süddeutscher katholischer Arbeitervereine herausgegebenen Broschüre mit dem Titel Not­wendigkeit, Entwidelung und jeßiger Stand der beutschen Arbeiterversicherung". Sie enthält eine Rechtfertigung der Stellung des Zentrums zur Reichsversicherungs­ordnung.

Wir übergehen die einleitend vorgetragenen üblichen Lob­preisungen der sozialpolitischen Erlasse Wilhelm I.   und Wilhelm II.  , die ein ständiges Kapitel zum Aufputz auch der schwächlichsten

Wir sehen also, daß vielen Klagen, die in den Reiben der die diesem Zweige der sozialen Fürsorge zukommt, wird am wirk­Arbeiterschaft bezüglich der Arbeiterversicherung vorgebracht wor- samsten durch die Gegenüberstellung folgender Zahlen veranschau­den sind, eine Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. licht. Im Jahre 1900 find 27 427 Personen mit einem Kosten­Andererseits mußte man sich aber bewußt sein, daß bei einer aufwande von 6,2 Millionen Mark behandelt worden. Im Jahre Abänderung des Versicherungsrechts niemals alle Fehler beseitigt 1910 dagegen betrug die Zahl der behandelten Personen bereits werden konnten. Ganz besonders war das zu erwarten auf jenen 114 310 und der Gesamtkostenaufwand 26,6 Millionen Mark. Gebieten, auf welchen die Erfüllung der an und für sich gewiß Der Hauptsächlichste Kampf gilt der Lungen- und Kehlkopfa berechtigten Wünsche bedeutende Mehrausgaben erfordern werden. tuberkulose; ihr ist als der größten und wichtigsten Krankheits­Wir haben uns deshalb in der christlich- nationalen Arbeiter­bewegung stets darauf beschränkt, zunächst die Angriffe auf die gruppe auch der breiteste Raum in der Bearbeitung gewährt Rechte der Versicherten abzuweisen, die aus Scharfmacherkreisen worden. Ein besonderer Abschnitt ist der Behandlung des Lupus  in nicht geringer Anzahl erhoben wurden." gewidmet, der weniger infolge seiner Häufigkeit, als wegen der Wenn man schon bescheiden ist und nicht die Abstellung aller schreckenden Form seines Auftretens das Eingreifen der Ver Alagen verlangt, so ist die Verzichtleistung auf die Beseitigung sicherungsanstalten notwendig macht. Die dritte Krankheitsgruppe auch nur einer Klage aus den Arbeiterkreisen eine Konzession umfaßt alle übrigen Leiden, wie beispielsweise Gicht, Rheuma an die Scharfmacher, nie aber eine Handlung, bei der Interessen tismus, Nervosität, Blutarmut, Herz und sonstige Lungenleiden, der Arbeiter ausschlaggebend waren. Trunksucht usw.

Wo aber sind vom Zentrum die Angriffe auf die Rechte der Naturgemäß liegt der Hauptwert und die praktische Bedeutung Sozialpolitik geworden sind und wenden uns zu dem, was der Ver- Versicherten abgewiesen, die aus Scharfmacherkreisen erhoben der Statistik hinsichtlich der erzielten Erfolge überwiegend auf dem faffer zur Begründung der Stellung des Zentrums zur Reichsver- wurden? Die Scharfmacher haben ihre Sonderrechte in den Be- Gebiete der Lungentuberkulose, und hier zeigt die Bearbeitung, ficherungsordnung vorbringt. triebskrankenkassen erhalten, weit mehr, als die Regierung vorfah, Vorhandene Mängel" überschreibt Herr Königbauer ein der Einfluß der Scharfmacher ist in der Verwaltung berstärkt durch daß zur Erzielung einwandfreier Ergebnisse mit großer Sorgfalt Kapitel feiner Schrift, und in der Tat werden einige grundsätzliche den größeren Einfluß im Vorstand der Krantentaffe, ohne zu verfahren ist, indem aus dem zahlreichen Beobachtungsmaterial Mängel angeführt, die von der Sozialdemokratie bei Beratung des ſtimmung der Scharfmacher wird künftig fein Beamter in der nur zweifelsfreie Fälle zur Beurteilung der Erfolge herangezogen Gesetzes und auch vorher in der öffentlichen Diskussion von dem Kaffe, nicht einmal ein Laufbursche, angestellt; der Einfluß der wurden. In dieser Krankheitsgruppe sind nicht nur die wirtschaft­Verfechter der Zentrumstaftit geltend gemacht wurden. Nur fehlt Scharfmacher in der Berufsgenossenschaft ist geblieben, das Ver- lichen Erfolge( Beseitigung der Erwerbsunfähigkeit gemäߧ 5 Die Konsequenz in der Darstellung, die nun erwarten ließe, daß das langen des Kleingewerbes auf eine Gleichstellung in der Verwal- Abs. 4 des Invalidenversicherungsgesetzes) zur Darstellung ge­Zentrum diese Schäden des Gesetzes zu beseitigen suchte, nein; das tung zurückgewiesen, der Einfluß des Versicherungsamtes bei der kommen, sondern es sind auch durch Feststellung des Krankheits­lebel ist mit Hilfe des Zentrums beibehalten und teilweise ver- Rentenfestsetzung auf Wunsch der Scharfmacher beseitigt, entgegen bildes vor und nach der Behandlung auf Grund der Turban­schlimmert worden. Königbauer erkennt an, daß von sozialpolitisch der Regierungsvorlage der Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften erfahrenen Leuten die Bersplitterung der Krantentassenorganisation in der Landwirtschaft in das Belieben der Scharfmacher gestellt, der betlagt wird, er betont die Abneigung der Arbeiter gegen die Be- Anspruch aus der Krankenversicherung für die Landarbeiter auf triebstrantentaffen und hebt den großen Einfluß der Unternehmer Wunsch der Scharfmacher ungünstiger gestellt, als für die Industrie­in diesen Kassen hervor. Nur sagt er seinen Lesern nicht, daß das arbeiter, die Landarbeiter um die Wahl einer Verwaltung der 3entrum gegenüber der Regierungsvorlage eine Stärkung der Krankenkasse gebracht, die Wöchnerinnenunterstützung der Land­Betriebskrankenkassen herbeigeführt hat. Es muß immer wieder be- arbeiterin, entgegen der Regierungsvorlage, gefürzt, die Heim­tont werden, daß die Regierungsvorlage nur Betriebskrantentassen arbeiter entsprechend dem Verlangen der Großlaufleute aus der in Betrieben, die 500 und mehr Arbeiter beschäftigen, zulassen Invalidenversicherung ferngehalten und das Streitverfahren für wollte, während Herr Herold vom Zentrum in der Kommission be- den Versicherten verschlechtert. fürwortete, schon bei 50 Arbeitern in der Industrie und 20 Arbeitern in der Landwirtschaft die Betriebskasse zuzulassen. Die christlichen Arbeitervertreter gelangten aber mit ihren agrarischen Freunden

Kleines feuilleton.

Der italienisch- türkische Krieg in der Satire. Ein Diplomatisches Drama in zwei Atten" veröffentlicht Clément Bautel im Matin". Der erste Aft spielt irgendwo in der Türkei  . Der Marquis von San Giuliano, ein italienischer Diplomat, wird von Briganten überfallen.

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Erfter Brigant  : Das Geld. Zweiter Brigant: oder das Leben 1" Der Diplomat: Schöne Geschichten das Leben wir eigent­lich im zwanzigsten Jahrhundert oder nicht?" Erster Brigant: Halten Sie hier keine Vorträge! Sofort Geld her oder( Er zeigt seinen mit zahlreichen Dolchen und Pistolen gespidten Gürtel.)

Der Diplomat: Und dabei befinden wir uns hier in einem zibilisierten Lande. Was würde erst geschehen, wenn das Land nicht aibilisiert wäre!"( Er gibt den Räubern alles, was er besitzt.) Der zweite Aft spielt in Ronstantinopel: Derselbe Marquis bon San Giuliano Stingt beim Großwefir ein. Der Diplomat: Tripolis   oder Strieg!" Der Großwefir:" Schöne Geschichten das! Leben wir eigentlich im zwanzigsten Jahrhundert oder nicht?"

Der Diplomat: Halten Sie feine Vorträge! Hier ist das Ultimatum: Tripolis   innerhalb vierundzwanzig Stunden oder..." ( Er zieht den Großwefir ans Fenster und zeigt ihm ein italienisches Schiff.) Und wir haben noch mehr von der Sorte!" Der Großwejir? Und dabei sind wir doch beide zivilifierte Menschen! Was würde erst geschehen, wenn wir es nicht wären!" Der zweite Aft wird sicher genau so enden wie der erste. Theater.

Die Reihe ließe sich noch eheblich verlängern, es sind nur die markantesten Vorgänge hervorgehoben, die aber zugleich den untrüg­lichen Beweis liefern, daß auch nicht ein einziger Anschlag der

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Stadiens

In

Kaiserliches Gesundheitsamt Gerhardtschen einteilung die medizinischen Erfolge in wirksamer Weise vers anschaulicht worden. Die Heilbehandlung hat vorwiegend in Heilstätten, Genesungs­häusern, Krantenanstalten und Bädern stattgefunden. Ein großer Teil der Kranken, besonders Lungentuberkulöse, ist in den eigenen Heilanstalten der Versicherungsträger behandelt worden. einem Abschnitt der Statistik werden diese eigenen Seilstätten näher behandelt. Insbesondere findet man hier Angaben über die Bahl und Größe der Heilstätten, über Anschaffungs- und Betriebs­kosten und der Kosten der Naturalverpflegung. Auch über den schiedenen Phasen ihres abenteuerreichen Schicksals. Man sieht sie linger Mordweihnacht 1705" realistisch zu behandeln. Zu seinem in dem Zelte Menschifoffs: eine heißblütige, tollfühne Soldaten- Schaden verließ er den Boden, auf dem er bisher feststand und hing dirne, die sich dem Feldherrn hingibt, um für ihren gefangenen seinem Lebenswert ein mystisch- symbolisches Mäntelchen um. Der Mann die Freiheit zu erkaufen. Verliebtheit in den russischen fagenhafte Schmied vom Roßhofe am Kochelsee gelebt hat er nie, Striegsgewaltigen schlägt um in Drohen und Wüten, da er mit der obwohl man ihm Denkmäler gesetzt hat- schwebte ihm in mannigfacher Erfüllung des Versprechens zögert; und als sie ihren armen Gestalt vor. Als die Verkörperung martiger oberbayerischer Bauern branntweinduftenden Jwan wiederfieht, scheint sie den andern völlig fraft, als politischer Glaubenshort des einfachen Landvolkes in der zu vergessen. Der jähe Wechsel des Empfindens ist hier in ein schweren Zeit, da die bayerische   Untertanentreue hinten und vorne brudsvoller Weife nicht ohne eine gewisse psychologische Glaub verraten war, als ein Prophet und Visionär und wunderlicher würdigkeit dargestellt. Aber je höher Katharina steigt, um so Heiliger, der fest an seine eigene Wunderkraft glaubt. Keines von gefünftelter wird dieses Leitmotiv des Umschlagens und der Exzentrizitäten all diesen Erscheinungsformen des Helden geriet aber Ruederer fortgeführt. Menfchitoff, der strupellose Genußmensch des ersten Attes, bühnenmäßig deutlich. Balthasar", wie der Schmied hier heißt, ist hat sich, da Katharina nun einmal Gelegenheit zum Bathos un- ein sehr passiver Held. Er handelt nur einmal, als er geftillten Liebessehnens haben soll, in einen entfagungsvollen Ritter Bildbrei gewaltige Hammerschläge auf den verlassenen Ambos Toggenburg zu wandeln, der wohl andere Liebhaber feiner Kaiſerin tut, die den Silbernen Ritter" herbeizaubern sollen. Der aber totschlägt, felbst aber feinen Antrag wagt aus Barentreue!( sein Idol, der Kurfürst) saß in Brüssel   und schlampampte mit Sie schmachten beide bis zu Peters Tode im fünften Aft; im Weibern. Sonst tut der Schmied nichts, an den das Volk doch sechsten, der sich Epilog nennt, figt er inmmerboll am Bette der glauben soll, als als statuarisch stille stehen und warten, Sterbenden. warten auf das Wunderbare. So mußte man, ernüchtert Tilla Durieug bewies auch in dieser Rolle wieder ihre emi- und unbefriedigt von der Gestalt des Volkshelden selbst, nente Kunst. Aus den Unmöglichkeiten des Dichters läßt sich nichts fich begnügen mit der anschaulichen Charakteristik scharf um­Einheitliches schaffen, dafür gab sie in Mienen, Sprache und Ge- riffener Nebengestalten wie des Mathies, des Sohnes des Schmiedes, bärden wundervolle padende Momentbilder der Leidenschaft. Gut oder des historischen Jägerwirts, der Seele des Münchener   Auf­war auch Ludwig Hartau   in der Figur des Zaren. dt. standes gegen die Raiserlichen, mußte sich freuen der unerschrocenen Sprache, die Neues Theater:" Die Näherin", Poffe von Ludwig die Dinge beim rechten Namen zu nennen sich nicht scheut. Die bon jeher ein Verdienst des aufrechten Ruederer Seld, Musik von Karl Millöder. Obgleich Musikfragmente Darstellung ein fast rein norddeutsches Ensemble in einem des bewährten Operettenkomponisten aufgeboten nebenan bayerischen Volksstid! war wenig genügend. Der Schlußaft, in " Boffe" ist doch ein elender Schmarrn. Daran ändert auch an dem das Bublifum endgültig seine hohen Erwartungen betrogen Niese nichts, die als Näherin die drolligsten Kapriolen und Ver­wandlungen vorführt. Eins muß man ihr lassen: das Habit eines fah, wurde abgelehnt. Bollblutmagyaren bis auf die sporenklirrenden Langschäftigen und den fräftigen Schnauzbart steht ihr gut; und den Czardas tanzt fie virtuos. Mehr ist freilich nicht zu sagen; bestenfalls noch, daß sie ein Stück echt wienerischer Luft verbreitet, wofür das Publikum, in erster Linie natürlich die zahlreichen Landsleute, mit Lachsalven, Beifallsbezeugungen und Ueberreichung eines Riefenfranzes er­

kenntlich waren.

werden

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diese

e. k.

Theater in der Königgräger Straße: Die Spielereien einer Raiserin" von Mag Dauthendey  . Das von der Bürde feines programmatisch stolzen Namens jetzt endlich befreite Hebbeltheater eröffnete unter der Direktion von Meinhard und Bernauer die neue Spielzeit, nicht eben glüdlich, mit dem drama tischen Versuche eines als Lyrifer bekannten und geschätzten Autors. Dauthendens fünf Afte sind nicht nur fein Ganzes, kein Drama; die Münchener Theater. Der Münchener   Satiriker Josef Situationen, die er hier an einer Schnur aufreiht, entschädigen für Ruederer hat wohl an die zehn Jahre gearbeitet und gefeilt an den Mangel inneren Zusammenhanges auch nicht durch andere der historischen Tragödie:" Der Schmied von Kodel", die dichterische Qualitäten. Nach dem eigenartigen, Spannung erregenden im Münchener   Schauspielhaus am Sonnabend zur Uraufführung fam Auftakt des ersten Attes, biegt er schleunig in die Bahnen einer und dem Dichter leider nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. leeren Theatralit um. Die Farben in dem Bild der Kaiserin Wie dem erfolgreichen Theatralifer Schönherr, hat wohl auch ihm der Laufen im funterbunten Mischmasch durcheinander; die Kontraste, durchleuchtende Gedante vorgeſchwebt, die" Tragödie eines Voltes" zu die er die Figur vertiefen möchte, gehen nicht in einer Einheit auf; fie schreiben. Aber die schöpferische Straft, die uns eine Fahnenweihe", stehen fich spröde und unvermittelt gegenüber. Man sieht die Absicht die geistig überlegene Hoffomödie Die Morgenröte" und manche einer Eragit, doch ohne jede Möglichkeit des Mitempfindens. bodenständige Münchener   Satire geschenkt hat, erwies sich nicht start Heldin des Stüdes ist das berühmte livländische Dragonerweib, genug, einen tragischen Boltshelden finnfällig und überzeugend zu das in russische Striegsgefangenschaft gerät, aus den Händen gestalten. Die Zeitgenoffen lennen den Stoff der Tragödie aus dem Menfchitoffs in die Peters des Großen überging, vom Stande Reflameplatat der Kochelbrauerei. Wo der riefige, weißbärtige einer faiserlichen Hauptmaitresse zur Kaiferin avancierte, im Schmied an der Spiße der Oberländer Bauern mit gewaltigem Erunt und in Ausschweifungen dem Beispiel des erlauchten Stoß feiner Wagendeichsel das Scheunentor aufbricht, hinter dem Gemahls erfolgreich nacheiferte und mit Menschitoffs, ihres alten die Kaiserlichen steden. Ruederer hat darauf verzichtet die jammer­Günſtlings, Hilfe nach Peters Tode im Jahre 1725 den Thron vollste Episode des Bayerischen Kurfürstenelends unter dem ver­bestieg. Dauthendey   begleitet diese Katharina in all den ber- lodderten Französling Mag Emanuel, die Tatsächlichkeiten der Send­

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Humor und Satire. Hungerlogit.

Dem Satten ist das Herz verstodt. Wer hungert, dem ist alles schnuppe. Ihr habt fie felber eingebrodt, Nun löffelt aus die Bettlersuppe! Sie bauen wirklich Barrikaden! Der Herr Geheimrat werden blaẞ; Der Spießer wimmert: Euer Gnaden, Ich bitt' Sie: Derffen the denn das? Das Gas erlischt in Ottakring  , Der Herr Minifter friegt die Stolit. Fürwahr, es ist ein eigen Ding Um österreichische Symbolit.

Herr Chriftus predigte Erbarmen­Das ist zweitausend Jahre her. Wir stillen den Hunger mit Gendarmen Und, ist er groß, mit Militär.

Der Junker bläst jetzt in die Kohlen: Die Sozi find es!" Herr, vergib! Du weißt: Ein jeder, der gestohlen, Rennt hinterdrein und hascht den Dieb!

ganz

m.

( E. Steiger im, Simpliciffimus".)