ZVir forder« Ausnahmegesetze gegen die Arbeiter»aber wir wolle« keine«Steuern zahlen.Die Staatsminister sind die Nachtwächter unserer Wohl-sahrt und unserer Profitinteressen, bezahlt werden sie vomStaat, der Staat nimmt das Geld von denen, die so dummsind, zu zahlen, wir wandern aus— das ist der Grundsatz der„Großen". Die„Straßburger Post", ein bürgerliches Blatt,beklagt sich über die Steuerdrückebergerci der großen lothrin-gischen Grubengesellschaften gar bitter. Tie HüttengesellschaftPhoenix in Ruhrort hat mit der Gutehofsnungshütte gemein-sam großen Erzbesitz in Lothringen, die Verhüttung der dortgewonnenen Produkte will sie aber in Luxemburg er-folgen lassen, sie baut dort extra deswegen ein neues Werk,um sich so von verschiedenen Steuern drücken zu können.Ebenso hat es ja u. a. schon die Deutsch-Luxemburgische Berg-werksaktiengesölschaft und auch die Gelsenkirchener Gesell-schaft in Esch gemacht. Darüber herrscht plötzlich große Auf-regung in Lothringens Gefilden.Besonders beachtenswert ist dabei, daß z. B. Gelsenkirchenals Besitzer der größtem Beteiligungszisfer des rhcinisch-west-fälischen Kohlensyndikats, ebenso Teutsch-Luxemburg, Phoenixund Gutehoffnungshütte, die ebenfalls große Bcteiligungs-Ziffern besitzen, jetzt darin einig sind, daß in ihren westfälischenHerrschaftsgebieten den Arbeitern kein Pfennig Lohnerhöhungund keine Minute Arbeitszeitverkürzung zukommen darf.Krefelder Pferde sind schon im Kampfgebiet, die dazu-gehörigen Reiter und Maschinengewehre werden, wenn esnach diesen Leuten geht, nicht lange mehr.auf sich wartenlassen. Der Staat hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen!Wenn es aber an das Zahlen geht, an den praktischenPatriotismus, da— ziehen die Montanunternehmen lieberüber die Grenze in bedenkliche Nähe des„Nationalfcindcs",N e h m e n ist ihr alleiniges Evangelium!Das Stichwahlabkommen.•Ein bürgerliches Blatt veröffentlicht das Rundschreiben deSParteivorstandes an die Wahlkreisleitungen über das Stichwahl-abkommen. Das Zirkular, das zur Zeit der Versendung ver-traulichen Charakter trug, hat folgenden Wortlaut:Zwischen den Fortschrittlern und uns haben Verhandlungenüber die gegenseitige Unterstützung bei den Stichwahlen statt-gefunden. Nach dem Ausfall der Hauptwahlen sind die Fort-schrittler von ihrem Standpunkt aus in einer mißlichen Situation,und eS bestand die Gefahr, daß sie Anschluß nach rechts suchenund damit nicht nur die Zahl unserer Mandate verringern, son-dern auch das Ziel, den schwarzblauen Block zu zertrümmern,vereiteln würden. Unter diesen Umständen erschien eS unszweckmäßig, Verhandlungen nicht abzulehnen. Dabei haben wires entschieden zurückgewiesen, irgendeine Kandidatur zurückzu-ziehen, oder durch unser Verhalten auch nur dort eine Kandi-datur preiszugeben, wo wir aus eigener Kraft einen Sitz zuerobern hoffen können, oder auch nur einen ehemaligen Besitz-stand mit Erfolg behaupten zu können glaubten. Wir habenferner verlangt, daß bei dem Abkommen volle Gegenseitigkeitgewährleistet wird.Die Fortschrittlcr haben sich verpflichtet, uns in den folgenden Wahlkreisen zu unterstützen:Landkreis Danzig: Westpriegnitz; Ruppin-Templin; Pots-dam-Osthavelland; Zauch-Belzig; Landsberg-Soldin; Königs-berg-Ncumark; KottbuS-Spremberg! Kalau-Luckau; Ueckermünde--Usedom; Striegau. Schweidnitz; Grünberg-Freistadt; Sagan.Sprottau; Landeshut-Jauer; Rothenburg-HoyerSwerda; Jerichow;«itterfeld; ManSfeld; Mühlhausen- Langensalza; Bielefeld-Wiedenbrück; Eschwege-Schmalkalden; Stadt Köln; Elberfeld-Barmen; Düsseldorf; Heilbronn; Gießen-Nidda; Hagenow;Güstrow; Jena; Altenburg; Straßburg-Land.(81.)Dagegen haben wir außer der selbstverständlichen Unter-stützung der Fortschrittlcr gemäß dem Jenaer ParteitagSbeschlußin denjenigen Wahlkreisen, in denen sie mit unS in Stichwahlstehen, folgendes zugebilligt: Wir dämpfen den Wahlkampf innachstehenden Wahlkreisen, die wir dann, wenn die gorttschrittlernoch rechts Anschluß nehmen würden, nach unserer Meinungnicht gewinnen können, nämlich:Oberbarnim, Liegnitz, Schönau-Hirschberg. FlenSburg-Apen-rade, Lauenburg, Merseburg-Ouerfurt, Hagen, Dithmarschen,Calw. Balingen, Meiningen, Schaumburg-Lippe, Lippe-Detmold,Oldenburg I und II, Nordhausen.(16.)Die Erklärung der fortschrittlichen Kandidaten zu unserenStichwahlen ist als ausreichend anzusehen, wenn sie dahin geht,daß die von uns gestellten Bedingungen dem Programme derFortschrittlichen Bolkspartei entsprechen, daS der Kandidat alsfür sich verbindlich erklärt. Die Zentralinstanz der Fortschritt-lichen Volkspartei wird öffentlich dazu auffordern, daß ihreAnhänger unter keinen Umständen einem Konservativen, einemReichsparteiler, einem ZentrumSmanne oder einem Mitgliededer Wirtschaftlichen Vereinigung ihre Stimme geben dürfen,daß es vielmehr die politische Notwendigkeit gebiete, bei derStichwahl mit aller Kraft auf die Zertrümmerung des schwarz.blauen Blocke» hinzuwirken. Die Fortschrittliche Voltsparteiwird ferner in einem vertraulichen Zirkular die lokalen Instanzenauffordern, für uns in den vorher zuerst genannten Kreiseneinzutreten. Wir haben uns dagegen verpflichtet, in den vorherbezeichneten IV Wahlkreisen bis zur Stichwahl keine Versamm-lung abzuhalten, kein Flugblatt zu verbreiten, keine Stimm-zcttel den Wählern zuzustellen, und am Wahltage selbst keineSchlepperdienste zu verrichten, wogegen es uns freisteht, amWahltage vor den Wahllokalen Stimmzettel zu verbreiten. Wirsind überzeugt, daß dieses Abkommen im Parteiinteresse und imallgemein-politischen Interesse gelegen ist, und bitten deshalb.die in Frage kommenden Kreise Ihres Bezirkes sofort zu infor-mieren und für besten entschiedene Durchführung unter allenUmständen einzutreten.Unseren Lesern ist durch unsere Artikel der sachliche Inhaltdes Rundschreibens bekannt bis auf, die Aufzählung der Wahl-kreise, in denen die Fortschrittler uns Wahlhilfc leisten sollten.Eine neue Methode des Militürboykotts.Bisher ging die Verrufserklärung sozialdemokratisch gesinnter Geschäftsleute durch die Militärbehörden in d e r Formvor sich, daß den Soldaten eine Liste überreicht wurde, aufder alle GeschäftSlellte(namentlich Zigarrenhändler und Gastwirte) verzeichnet standen, bei denen sie nichts kaufen odernichi verkehren durften. Diese im Reichstage oft kritisierteMethode der Verrufserklärung scheint aber den Militär-behördcn noch nicht zu genügen. Darüber wird aus Barmenein sehr charakteristischer Fall mitgeteilt. Der StadtverordneteGenosse S t e i n b o r n. der seit Jahren in Barmen eineGastwirtschaft betreibt, erhielt dieser Tage folgendes amtlicheSchreiben zugestellt:Bezirkskommando Barmen. 4. 8. 12.J.-Rr. 1205. I.». ,, �Herrn Hermann Steinborn sen., Schankivirtickaft Barmen.Das Bczirkskommando teilt Ihnen mit, daß der Besuch IhresLokals den Militärpersonen verboten ist.(Uiiterschrist.)Der Zweck dieser Mitteilung ist nicht offen ersichtlich.Anzunehmen ist aber, daß die Militärbehörde den in Verruferklärten Gastwirten usw. jetzt auch noch zumutet, bei ihneneinkehrende Soldaten sofort hisiauszuwersen. Das wäre allerdings eine prächtige neue Errungenschaft im RechtsstaatcPreußen._Portugal.Der Prozeß gegen die politischen Gefangenen.Paris, 9. März. Aus Lissabon wird gemeldet: In demgegen die Meuterer vom September v. I. angestrengten Pro-zesse sprachen die Geschworenen die meisten An-geklagten frei. Als der Freispruch verkündet wurde, drängteeine Volksmenge in den Gerichtssaal und wollte die Geschworenen.die Richter und die Rechtsanwälte mißhandeln. Der Polizeiwachegelang es schließlich, die Angreifer zu zerstreuen. Im Hand-gemenge wurden mehrere Personen verletzt.foißland.Landtagseröffnung und Präsidentenwahl in Munland.Unser finnländischer Mitarbeiter schreibt unS:Am 1. März trat die finnische Volksvertretung in Heising-forS zu einer neuen Session zusammen. Die Sessionseröffnungmußte um einen ganzen Monat verschoben werden, weil der.Säbelsenat" mit seinen Vorlagen nicht rechtzeitig fertig wurde.— Am 2. März fand die Präsidentenwahl statt. Trotzdem dieSozialdemokratie 86 Sitze von 266 inne hat, wurde sie diesmalvon der Teilnahme am Präsidium ausgeschlossen. DieBürgerlichen vergewaltigten die sozialdemokratische Fraktion mittelseines geheimen Abkommens. Der Fungfinne S w i n h u f-W u d wurde im ersten Wahlgange mit 69 Stimmen zum Präsi-dcnten gewählt. Es waren 67 weiße Zettel abgegeben worden. DieStell« des ersten Vizepräsidenten beanspruchte nach bisher geübtemBrauch die Sozialdemokratie. Die Wahl mußte dreimal wieder-holt werden. Der Sozialdemokrat Sulo Wuolijoki erhieltim ersten Wahlgange 86. im zweiten 89 und im dritten 92 Stim-men. Bor dem dritten Wahlgange setzte der Vorsitzende einePause an, während welcher die Bürgerlichen den Kuhhandel zu-Ungunsten der Sozialdemokratie abschlössen. Es wurde der SchwedeSoderholm mit 98 Stimmen gegen 92, die unser Genosse er-hielt, zum ersten Vizepräsidenten gewählt; zum zweiten wurde derAltfinn« Listo mit 94 Stimmen gewählt, während 66 weißeStimmzettel abgegeben wurden.Der Vorsitzende Swinhufwud sagte in seiner kurzen Be-grüßungSansprache folgende»:.Verehrte Volksvertreterl Seit derletzten Session sind viele neue Ereignisse hinzugekommen, viel Bc-trübendes ist geschehen. Wir erlebten Beschränkungen derBürgerfreiheiten und Angriffe auf die Volks-Vertretung. Gesetze und Maßnahmen sind erlassen worden,die unsere Gesetzgebung bedrohen. Wir haben zu befürchten, daßunser Land und unser Volk zerrissen wird. Wohin daS führt, istnicht schwer zu sehen; aber das Volk hat die Pflicht,seiner politischen Autonomie die Treue zu be-wahren uird sichder Unterdrückung nicht zu unter-werfen. DaS finnische Volk bildet ein Ganzes und beanspruchtals solches daS Recht deS Daseins, der EntWickelung und des Wachs-tumS unter dem Schutze seiner eigenen Gesetze, die zu verteidigenein jeder Volksgenosse, namentlich aber die Volksvertretung ver-pflichtet ist. Werte Volksvertreterl Ich heiße Sie willkommen zuden neuen Arbeiten de» Landtags und danke Ihnen für das mirgeschenkte Vertrauen."Em der Partei.Die Trennung der Angestellte« von der Arbeft erbewegmig.Genosse Lange« Hamburg schreibt unS:.Die Trennung der Angestellten von der Arbeiterbewegung.Unter dieser Spitzmarke brachte der.Vorwärts" vom 6. März eineNotiz, daß nacki den ihm zugegangenen Informationen kein zwingenderGrund für mich vorgelegen habe, den Beamten des Bundes derlechnisch-industriellen Beamten, Herrn Erich Kuttner. in Hamburgstatt in Berlin zu verklagen. Ich bemerke dazu, daß mir HerrKuttner und seine Freunde kurz vor der Klage wegen einer ganznebensächlichen Bemerkung in der.HandlungSgehilfen-Zeitung"sieben Berichtigungen auf Grund de« Preßaesetzes geschickt hatten,wobei jede Berichtigung im Grunde nur eine Wiederholung deranderen war. Ich habe diese Berichtigungen sämtlich in der„HandlungSgehilfen-Zeitung" gebracht. Dieser grobe Mißbrauch dcSBerichtigungSparagraphen war— von allein anderen abgesehen—für mich Grund genug, die Klage in der anderen Sache an meinemWohnort Hamburg anzubringen. Ich gehöre nämlich nicht zu den-jeuigen, die die linke Wange hinhalten, wenn sie auf die rechte ge-schlagen werden, sondern mein Grundsatz ist: Wie Du mir. soich Dir. Paul Longe."Auch diese Darstellung deS Genossen Lange kann unsere Auf-fassung über den fliegenden Gerichtsstand der Presse nicht ändern.HpnbmanS Geburtstag.London, 8. März.(Eig. Ber.) Am 7. März wurde GenosseH h n d m a n 70 Jahre alt. Die Londoner Genossen beschlossen.diesen Tag festlich zu begehen, und arrangierten für den Abend deS7. März eine Geburtstagsfeier, an der mehrere Hundert VertreterdeS Sozialismus in England teilnahmen. Das Fest, das zu Ehrendes alten Kämpen des Sozialismus in Großbritannien gegebenwurde, gestaltete sich zu einem der schönsten und genutzreichsten,das die sozialistische Organisation je veranstaltet. Aus Deutsch-land kamen Grüße von Bebel und Ledebour, aus Oester-reich schickte Viktor Adler seine Grüße. Schier endlos wardie Liste der Genossen deS Auslandes und des Inlands, die demVeteranen Glück zu seinem siebzigsten Geburtstag wünschten. Be-soirderS schön war ein Brief del alten Wissenschaftlers Dr.Alfred Russell Wallac«, de! Mitarbeiters und Busen-freundes Darwins, der trotz feiner 90 Jahre den Enthusiasmusfür den Sozialismus nicht verloren hat.Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß die Blüte, der eng.tischen Kunst und Wissenschaft auf dem Feste vertreten war. DenVorsitz führte Walter C r a n e, der berühmte Zeichner, und derHauptredner des Abends war Bernhard Shaw. GenosseShaw war in seiner besten Laune und behandelte mit sprühen.dem Witz die Lage in Großbritannien und die Tage, als er mitH y n d m a n und William Morris den„Rubikon über-schritt", d. h. an den Straßenecken die Ideen deS Sozialismus ver-breitete.Von allen Rednern wurden die Verdienste Hhndmanv umden Sozialismus in England gewürdigt und darauf hingewiesen,daß er vor allen trotz aller Versuchungen und Enttäuschungen dieFahne des Sozialismus seit 39 Jahren in Großbritannien hoch-gehalten. Möge dem Jubilar beschieden sein, noch die Frücht« der?lrbeit zu genießen, die er so aufopferungsvoll für die Emanzipa-tion des Proletariats geleistet hat.Personassen. In die Redaktion der„V o l k S w a ch t" in Biele-feld wird im April Genosse Karl Severing eintreten.poUreillrstes» Gerichtliches ufw.Preßprozeh.Aus Halle a. S. berichtet man uns unterm 8. März: Vordem hiesigen Schöffengericht fand ein PrivätbeleidigungsprozeßdcS nationalen Arbelterfekretärs Theodor Franke von Eilen-bürg gegen den Genossen Redakteur Kafparek vom„Volks-blatt" statt. Im Wahlkampf war im.Bolksblatt" eine kleineNotiz erschienen, nach der Franke in einer Nacht seine Ehefrau aufdem Nachhauseweg« mißhandelt haben sollte. Tatsächlich warKrankes Frau in jener Nacht von einer anderen Person belästigtworden. Die Frau hatte auch Hilfe gerufen, war dann aber vonihrem Manne beruhigt worden. Dieser Vorgang war aber vondem Gewährsmannc des„Volksblattes" falsch aufgefaßt und irrigberichtet worden. Der Privatkläger schätzte seine Ehre derartighoch ein, daß er als„Sühne" im Vergleichswege 1999 M. für dieKasse des nationalen Arbeitervereins verlangte. Darauf wurdeaber nicht eingegangen. Obwohl das Gericht feststellte, daß unserGenosse diese Notiz im guten Glauben veröffentlicht hat und vonseinem Gcwährsnianne mystifiziert worden ist, kam es doch zurVerhängung der hohen Strafe von 699 M.Haussuchung in ber Breslauer„Lolkswacht".Am Sonnabendpormittag durchsuchte ein ganzes Heervon Kriminalpolizisten unter Führung von mehrerenKriminalkommissaren sämtliche Räume der Redak-tion, Expedition uno Druckerei unseres BreslauerBruderblattes. Kein Winkel, selbst die Klosetts blieben davon nichtverschont. Jedes Stück Papier wurde genau auf seinen staats-gefährlichen Inhalt geprüft und einer eingehenden Durchsicht unter-zogen. Nach zweistündiger mühevoller Arbeit zogen diePolizisten, es waren nicht weniger wie achtzehn Mann,ab, ohne daß ihre Arbeit von Erfolg gekrönt ge.Wesen wäre. Nicht einmal die Nummern mit dem inkrimi-nierten Artikel wurden gesunden. Gesucht wurde nach dem Manu-skript eines Leitartikels vom 2. Februar dieses Jahres„KeineWahlreform in Preußen", der sich gegen die Landtagsrede deSpreußischen Polizeiministers v. Dallwitz wendete, in der derMinister die Beamten, die bei der letzten Wahl sozialdemokratischgewählt haben, Lügner und Eidbrecher nannte.Da die Haussuchung gerade in die eigentliche RedaktionSzeitfiel und die Redakteur« dadurch erheblich an der Ausübung ihrerArbeit gehindert wurden, sahen sie sich unter Freilassung einerganzen Seit« zu folgender Erklärung veranlaßt:„18 Polizei-beamte durchsuchten heute Sonnabend vormittag die Redaktions-räume und die Expedition der Volksmacht nach dem Manuskripteines Leitartikels vom 2. Februar. Ihre stundenlangen Bemühun-gen waren zwar vergeblich, hinderten aber die Redaktion an derFertigstellung der heutigen Nummer. Deshalb müssen sich unsereLeser mit diesem weißen Raum begnügen t"Soziales.Die„unentgeltliche" Stellenvermittelung der Handelsschule au ihreSchüler als gewerbsmäßige Stellenvermitteluug.Eine wichtige Entscheidung fällte da» Kammergericht. Vieleprivate Handelsschulen und ähnliche private Lehrinstitute verschaffenihren Schülern, ohne dafür eine besondere Gebühr zu erheben,nach Lbsolvierung der Lehrkurse Stellungen. Darauf wird in denAnzeigen, durch die sie Schüler werben, gleich hingewiesen. Dashatte auch Herr Rosenthal getan, welcher in Berlin eine Handels-schule betreibt. Die Behörde sah ihn auf Grund dieses Tatde-standes als gewerbsmäßigen Stellenvermittler an, der sich nachden Bestimmungen des Stellenbermittlergesetzes und der dazu cr-gangenen Ausführungsbestimmungen zu richten habe. Nach diesendürfen die gewerbsmäßigen Stellenvermittler in ihren Anzeigennur Angaben machen, daß und für welche Berufe sie Stellen ver-Mitteln. Herr R. wurde angeklagt, weil er in seinen Anpreisun-gen darüber hinaus gegangen sei. DaS Landgericht stellte fest,daß er nur das Lehrgeld von den Schülern erhebe und besondereGebühren für die Vermittelung der Stellen nicht nehme. Essprach ihn frei, indem es annahm, daß er nicht zu den gewerbS«mähigen Stellenvermittlern zu rechnen sei.'DaS Kammergericht hob aber dieser Tage birS Urteil auf undverwie« die Sache zn nochmaliger Verhandlung und Entscheidungan das Landgericht zurück. Begründend wurde ausgeführt: Aller»dingS fetze die Anw�dung des StellenvermittlergesetzeS voraus,daß der Vermittler in besondere Beziehungen zu den Arbeitgeberntrete. ES sei nun aber durchaus nicht ausgeschlossen, daß schonallein durch die Anzeigen des LehriustitutS, worin den SchülernStellen versprochen würden, solche besonderen Beziehungen zu denArbeitgebern entständen. Was aber die Gewerbsmäßigkeit derStellenvermittelung angehe, so sei für die Annahme einer solchennicht erforderlich, daß direkt für die Vermittelung eine Gebührerhoben werde. Auch in der dauernden Erzielung indirekter Vor-teile könne die Gewerbsmäßigkeit gefunden werden. Zum Bei-spiel darin, wenn der Inhaber einer Handeisschule oder einesähnlichen Lehrinstituts diesen Gewerbebetrieb dauernd dadurchgünstiger stelle, daß er den Schülern Stellen anbiete und ver-mittele, indem er so einen größeren Zuspruch erfahre. Das Land-gericht müsse darum feststellen, ob dies der Fall sei und ob durchdie Annoncen besondere Beziehungen zu den Arbeitgebern hättenentstehen können und entstanden seien. In diesem Falle sei R. alsgewerbsmäßiger Stellenvermittler anzusehen, auf den daS Stellen-Vermittlergesetz usw. anzuwenden sei.Zweierlei Recht für Arbeitswillige und Vtreikenbr?In Halle a. S. beschäftigte sich die Strafkammer mit einemnach mehreren Richtungen hin interessanten Streikproseß. Ge-legentlich deS Streiks bei dem Steinbruchsunternebmer Schillerin Alsleben war eS stark aufgefallen, daß die Arbeitswilligen aufdem Nachhausewege von der Arbeit eine Bahnbrücke benutzte«, diedem öffentlichen Verkehr nicht erschlossen war. Der UnternehmerSchiller chatte sich an die Bahnverwaltung gewandt mit dem Er-suchen, seinen Arbeitswilligen doch zu gestatten, die verboteneBrücke zu passieren, damit die Arbeitswilligen mit den Streikendennicht in Berührung kämen. Der Vertreter de» Eisenbahnfiskushatte allerdings gemeint, er könne das nicht so mir nichts dir nichtsgestatten, wenn die Arbeitswilligen aber die Brücke passierten, ohnedabei erwischt zu werden, dann werde keine Anzeige erfolgen. Aufgut deutsch: Man werde ein Auge zudrücken. Die Arbeitswilligenüberschritten dann regelmäßig die Brück«. Ueber diese Handhabungde? zweierlei Rechts waren die Streikenden und auch das Publikumüberhaupt, sehr ungehalten. Auch am Abend deS 24. November v. I.begleitete der Unternehmer Schiller Arbeitswillige über die Brücke.Die Streikenden Kühnau, Thriene, Wäsche und andere Arbeiterhatten diesen Vorgang genau beobachtet und waren zu diesemZwecke ziemlich bis an den verbotenen Uebergang mitgegangen,Natürlich hatten sie sich aus ganz naheliegenden Gründen wohlgehütet, die Brücke zu betreten. Wie erstaunten die drei Streiken-den aber, als sie sobald nach jenem Vorgänge Strafmandate vonje 6 M. erhielten, weil sie am betreffenden Abend die Brücke«n-erlaubt betreten haben sollten. Auf ihren gerichtlichen EinspruchIvurden sie auch tatsächlich verurteilt, da der Unternehmer Schillervor dem Schöffengericht mit aller Bestimmtheit beschwor, dir dreiBeschuldigten hätten die Brücke betreten. In der Berufungsinstanzbekundeten vier einwandfreie Zeugen daS direkte Gegenteil: Essei gänzlich ausgeschlossen, daß die Beschuldigten die Brücke bc-treten hätten. Schiller hielt jedoch seine Behauptung aufrecht. DieStrafkammer kam zur Freisprechung der drei Streikenden.Auffällig in dem Prozeß erscheint das liebenswürdige Eni-gegenkommen der Bahnvertvaltung betreffs Freigabe der Brückefür den Unternehmer und feine Arbeitswilligen. Noch auffälligererscheint aber, daß das angebliche Ueberschreiten der Brücke zumAnlaß strafrechtlichen Einschreitens nur gegen Streikende genommenwurde, die die Brücke sogar gar nicht betreten hätten, während dieArbeitswilligen und der Unternehmer, die unzweifelhaft die Brückebeschritten haben, von einer Anklage verschont blieben. Gilt dasStrafrecht nicht auch gegen Arbeitswillige und Unternehmer?