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Ich glaube, wenn der Brüsseler Kongreß(Brüssel 1874, eln- berufen zur Regelung der allgemeinen Kriegsgebräuche und Krieg?- gesetze. D. R.  ) sich mehr mit der Frage einer allgemeinen angemessenen Abrüstung beschäftigt hätte, würden ihn die Sympathien der Völker ebensosehr geleitet haben, wie jetzt seine Abmachungen der allgemeinen Vergessenheit und Gleichgültig- keit verfallen." Und solche Worte sprach das Zentrum wenige Jahre nach dem Nationalkrieg, der jeden Reserveoffizier noch zehn Jahre danach zu einem Gott machte, und in einer Zeit, als wir von Kriegsrüstungen in dem heutigen Umfange überhaupt noch nichts ahnten I Es war im Jahre 1882, da kam Reichensperger wieder auf die Abrüstung zu sprechen. Deutlich und scharf umrissen skizzierte er das Programm einer allgemeinen Ab- r ü st u n g. Am 24. Dezember 1892 sprach der P a p st L e o XIII- vor seinen versammelten Kardinälen feierlich über die Not- wendigkeit, eine internationale Abrüstungs- konferenz zusammentreten zu lassen! Recht in- tcressant ist dazu der Kommentar, welchen Fürst Hohenlohe  , der Memoirenkanzler, in dem nichtveröffentlichten Teile seiner Auf- Zeichnungen gegeben hat. Wie bekannt wurde, stellte eine Tage- buchaufzeichnung Hohenlohes   zur Militärvorlage von 1893 fest, daß der Papst Leo XIII  . von Wilhelm II.   ein Geldgeschenk von 500 000 Frank wünschte dann würde die Militärvorlage durch das deutsche Zentrum im Reichstage angenommen werden. Hohen- lohe, um seine Meinung befragt, war so klug, vorzuschlagen, vor- läufig das Geld zu versprechen und es erst zu geben, wenn die Militärvorläge wirklich angenommen wäre. Das Zentrum lehnte trotzdem die Mlitärvorlage ab. Darauf kam es zur Reichstags- auflösung; bei der Wiedereinberufung und nochmaligen Abstim- mung wurde die Vorlage angenommen. Auch mit Zentrums- stimmen! Und Leo XIII.  ? Er sagte im Juni 1894 wieder in einer Enzyklika:Schon durch viele Jahre lebt man mehr dem Scheine nach im Frieden als* in Wirklichkeit. Der bewaffnete Friede, wie er jetzt besteht, ist fast unerträglich ge« worden. Und das sollte der naturgemäße Zustand de? sozialen Zusammenlebens fein?" Seitdem sind sogar die schönen Friedensworte für das Zen. trum ausgegangen. Sie haben nur dafür gesorgt, daß dem Kriege das christliche Mäntclchen umgehängt werde. Im übrigen sind die ZentrumSmannen zur konsequenten Hertlingerei umge­schwenkt. H e r t l i n g, die neueunparteiischste" Glanznum- mer der Partei, sprach im Hottentottenreichstag im Mai 1907 zum ersten Male öffentlich, offiziell und höhnisch über den .Friedensunsinn": Er meinte: Ich halte die Abrüstung bestenfalls für eine akademische Doktorfrage, und es würde meiner Ansicht nach für den europäischen   Frieden sehr dienlich sein, wenn diese Frage auf Jahrzehnte hinaus von der Tagesordnung gänzlich verschwinden würde." Das ist kurz und prägnant da? jetzige ZentrumSprogromm zum Militarismus! Die Organisation des Lustflottenrummels. Der gegenwärtig grassierende LuslflottenfanatismuS soll noch uns einige Grade gesteigert werden. ES ist kein Geringerer als der Graf PosadowSky, der das Geschäft organisieren will. Die »Leipziger Volkszeitung" erhielt Kenntnis von folgendem vertrau- lichen Schreiben: Nationale Flugspende. Geschäftsstelle: Berlin  «. Luiienstr. 38/84. Berlin  , den 16. April 1912. Unter dem Protektorat Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen   und meinem Vorsitz ist ern Komitee in der Bildung begriffen, welches es sich zur Aufgabe gestellt hat. die in Deutschland   vorhandenen Sammlungen und anderweiten Be- strebungen zugunsten des Flugwesens zu einer einheitlichen Organisation unter dem NamenNationale Flugspende" zusammen­zufassen. DaS Komitee beabsichtigt, in allernächster Zeit mit einem Aufruf an die Oeffentlichkeit zu treten. Nachdem ich in dieser Frage mit dem Verbände der ZeitungSverleger bereits Fühlung genommen und mich deren Zustimmung versichert habe, beehre ich mich, auch die geehrte Redaktion um die Mitarbeit an dieser nationalen Aufgabe zu bitte». Am Donnerstag, den 18. April 1912, nachmittags 2 Uhr, findet eine Besprechung in dieser Angelegenheit im Reichstags- gebäude, Zimmer l, Obergeschoß, Eingang Portal Y, statt. Ich beehre mich, die Redaktion mit der Bitte einzuladen, sich bei der Besprechung vertreten zu lassen. Um die Wirkung des Aufrufs nicht zu beeinträchtigen, darf ich bis auf weiteres um vertrauliche Behandlung ergebenst ersuchen, lieber das Ergebnis der Bc- sprcchung wird der Redaktion Mitteilung gemacht werden. _ gez. Graf PosadowSky. Zentrumsparade. Die 59. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands fiirdct vom 11. bis 15. August dieses Jahres in Aachen  , der Stadt mit den heiligen Windeln Christi, statt. Die drei Ehrenpräsidenten, der Ehrenausschuß und der Vorstand des Lokalkomitees erlassen zu dieser Festveranstaltung folgende geschraubte, phantasiereiche Einladung: Zum dritten Male hat unsere alte Kaiscrstadt die Freude und hohe Ehre, die Generalversammlung der Katholiken Deutsch- lands in ihren Mauern zu bergen; im Jahre 1862 war eS die 14.; im Jahre 1879 die 26. Generalversammlung, die der Bürger- schaft festliche Tage der Freude und der Erhebung bereiteten, auf welche die ältere Generation noch heute mit freudiger Genugtuung zurückblickt. Seit Jahren schon machte sich in steigendem Maße der lebhafte Wunsch in der katholischen Bürger- schaft gelte, id ein drittes Mal Deutschlands   Katholiken in ihrer Mitte begrüßen zu dürfen. Die 58. Generalversammlung in Mainz   trug diesem Wunsche Rechnung, und nunmehr gehen wir bereits mit schnellen Schritten dem langersehnten Zeitpunkt entgegen, an dem die Wogen treukatholischer Gesinnung und Begeisterung durch die allzeit treu deutsche und allzeit treu katholische urds rexslis fluten werden. Hunderte von rührigen Händen find feit Monaten an der Arbeit, um euch, ihr katholischen Brüder aus allen deutschen   Gauen, soweit die liebe deutsche Zunge klingt, und euch alle, die ihr die traute Sprache unserer teueren geistigen Mutter, der heiligen katholischen Kirche ver- steht, in Freundschaft und Liebe zu empfangen; Tausende Herzen schlagen den willkommenen katholischen Brüdern freudig bewegt entgegen. Wir wollen tagen, wir wollen raten in alter katholischer Treue. Stürme brausen und umtoben Altar und Thron; in hellen Scharen drängen die Gegner heran, um die Axt anzulegen an die Wurzeln von Autorität, Ordnung und Religion. Kritiksuckt, Spott und Hob» in Wort, Schrift und Bilo unter dem trügerischen Teckmantel wissenschaftlicher Ge- barung sind die Massen, mit denen der Kampf geführt wird. Da ist die Mahnung nicht überflüssig, uns immer fester zu* fammenzufckaren und das Gelöbnis unwandelbarer, kindlicher Liebe zu unserem Heiligen Vater in Rom   und unerschütterlicher Treu« zu unserem angestammten Herrscherhaus zu erneuern. Der Aachener Katholikentag soll wieder ein Jungbrunnen setn, an dem wir neue Kraft schöpfen, um den drohenden Stürmen Trotz zu bieten und mutig und kraftvoll einzutreten für das Wohl unserer heiligen Kirche und für das Heil unseres geliebten Vaterlandes. Eine besondere Bedeutung und Weihe erlangt die dies- jährige Tagung durch die hundertste Wiederkehr des Geburts- tages unseres großen, unvergeßlichen Windthorst, der in unserer Vaterstadt im Jahre 1879 zum ersten-Male an einer General- Versammlung der Katholiken Deutschlands   teilnahm und seitdem auf keiner Versammlung fehlte. Hier in Aachen   ritz er die Teil- nehmer durch flammende Worte der Begeisterung hin, als er den Zweck der Generalversammlungen und deren soziale Be- deutung kennzeichnete; hier richtete er die dringende Viahnung zur Einigkeit an die deutschen   Katholiken. Wir wollen das An- denken an den treuen Sohn der katholischen Kirche und den warmherzigen Freund unserer Generalversammlungen festlich begehen und daS Versprechen wiederholen, bfl§_ einst Kardinal und Fürstbischof Kopp an dem frischen Grabeshügel des großen Toten ablegte:Wir werden die Einigkeit untereinander hüten als ein kostbares Vermächtnis, daS du uns hinterlassen." Auf denn, ihr Glaubensbrüder aus nah und fern, zur frohen Fahrt nach Aachen  , zu dessen berühmten Heiligtümern von alters her so viele Tausende gepilgert sind. Die geschichtliche Ver- gangenheit Aachens   verknüpft ihre Fäden mit den fernsten Teilen des Reiches. Karl der Große  , der gewaltige Herrscher, hat einst in seiner Pfalz   oftmals Heerschau gehalten über seine Getreuen, die aus allen Gauen des großen Reiches zusammengeströmt waren. Möge die diesjährige Heerschau der Katholiken Deutsch- lands aufs neue viele Tausende hinführen zum Grabe des groß«, Kaisers, der in dem altehrwürdigen, von ihm erbauten LiebMauenmünffcr seine letzte Ruhestätte gefunden hat!" Roerens Nachfolger! Die Anhänger der Berliner   und Kölner   Richtung der Zentrums- Partei rühren sich im früheren Roerenschen Wahlkreise Saarburg« Merzig  -Saarlouis  . Die Kölner   Richtung hat als Kandidaten den Duisburger   Landtagsabgeordneten, den gegen Bassermann durch- gefallenen Sauermann ins Auge»gefaßt, Trier   präsentiert einen Schulmann der Berliner   Richtung. Jetzt kommt gar dieStände- ordnung" und propagiert die Wiederanfstellung RoerenS! In Heft 3 des Blattes liest man: Auf ganz anderem Boden als die Kölner   Führer mit dieser Erklärung steht folgende Zuschrift, die wir soeben aus Merziger  Zernrumskreisen erhalten.Hier sind", so heißt eS darin,die Zentrumsleute aus dem Volke erstaunt, daß Herr Roeren aus solch einem Grunde ausgetreten ist; denn die Zentrumswähler im hiesigen Wahlkreise betrachten mit ganz verschwindenden Ausnahmen da§ Zentrum als eine kalholische Partei, fassen also den Begrf deS Zentrums nach der katholischen Seite hin viel klarer und schärfer auf. als selbst Roeren eS tut. WaS halten Sie von einer Neuwahl Roerens?" Die in Koblenz   erscheinendeStändeordnung" ist kein Partei- blatt, aber sie hält es für ihre Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, daß die Wähler bei der Neuwahl absolut nicht an den schon deutlich kundgegebenen Willen einiger Herren gebunden sind, daß sie viel- mehr gerade in der heutigen Zeit der Verwässerung der Grundsätze im Gewissen verpflichtet sind, einen streng katholischen Mann, aber keineninterkonfessionellen" AllerweltSmann zu wählen, der eS auch den Konservativen Protestanten und selbst den Liberalen recht machen kann." Mit Drill nnd Polizei gegen die Slrbeiterjngend. Die Zweite Kammer deS sächsischen Landtages be« sÄäftigte sich am Freitag mit dem Kapitel 101 deS Etats, in dem die 100 000 M. für die nationale Jugendköderung eingestellt sind. Gleichzeitig damit stand ein konservativer Antrag zur Vorberalung, der besagte, die Regierung solle in ver- schärftem Maße über die Jugendorganisationen wachen, damit diese her Einwirkung vaterlandsfeindlicher Be- strebung est entzogen werde und gleichzeitig erwägen, in welcher Weise auf dem Wege der Landesgesetzgebung die Vater- ländische Erziehung drr FortbildungSschüler besser als bisher sicher gestellt werden könne. Den Antrag begründete der Freiberger Land- gerichtsrat Dr. M e n g l e r, dessen tolpatschige Art zu reden oder richtiger vorzulesen, zwar oft so komisch wirkte, daß alles lachte; doch war der Geist dieser Rede von Denunziationen und gehässiger Hetze gegen die Arbeiterjugend erfüllt. Mit auS dem Zusammenhange gerissenen Zitaten und schiefen Schilderungen einzelner Vorgänge versucht« er der Arbeiters ugendorganisation politische Tätigkeit anzudichten. Der Zweck sei, den Klassenhaß bei den jungen Leuttln zu schüren, sie zu Vaterlandsfeinden und Anti- mililaristen zu erziehen. Dagegen müsse die sächsische Regierung nach preußischen, Mu st er vorgehen. Dort habe man das wunderbare und sicher wirkende Mittel derAuf« lösung angewendet. DaS müsie man auch in Sachsen   so machen. Alle Arbeiterjugendorganisationen müßten aufgelöst werden. auch wenn sie sich mit Wandern, Turnen und sonstigen löblichen Hebungen beschäftigten, denn irnS geschehe ja nur zum Schchn. Schließlich rief er in seinen Scharfmachereien zu den Regierungsbänken hin:»Nur etwas Mut und eine starke Hand gehört dazu. Probieren Sie eS nur Herr Mini st er; das Oberverwaltungsgericht steht hinter ihnen." Schließlich beschwerte er sich noch darüber, daß in sächsische Lehrerseminare auch Söhn« sozialdemokratischer Führer aufgenommen würden.- Der Mini st er des Innern von Vitzthum versucht zu« nächst darzulegen, daß die sächsische Polizei gegenüber der Jugend- bewegung nicht müßig gewesen sei, wie überhaupt Regierung und Schulverwalmng die Jugendorganisationen scharf beobachtet hätten; In einen Falle hatte man ja auch zu einer Auflösung schreiten wollen, aber die betreffende Jugendorganisation in Deuben sei dieser Maßnahme zuvorgekommen und habe sich selbst aufgelöst. Die Regierung sei der Ansicht, daß die Auflösung nur in besonderen Fällen angebracht sei. Von einem lediglich Polizei- tichen Einschreiten gegen die Arbeiterjugend- o r g a n i s a ti o n e n verspreche sich die Regierung nichts. Diese Vereine hätten auch gelernt, sich den gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Dagegen werde die Regierung alles aufbieten, die sozialdemokratische Jugendbewegung durch na- tionale Gegenarbeit zu bekämpfen. Der nationalliberale Redner, Abg. W a p p l e r, ver- spricht sich ebenfalls nicht? von der polizeilichen Bekämpfung der Arbeiterjugend, will aber die nationale Jugendköderung nach alle» Kräften fördern. Von sozialdemolratischer Seite übte Genosie Keimling scharfe Kritik an dem nationalen Jugendfang mit dem Gelde der Steuer« zahler, gleichzeitig beleuchtete er die denunziatorischen Tiraden deS konservativen Antragstellers. Schließlich wurde der konservative An- trag einer Deputation überwiesen, wo er wahrscheinlich ein stilles Begräbnis finden wird. Die 100 000 M. für nationale Jugend- köderung wurden, natürlich gegen die sozialdemokratischen Stimmen bewilligt._ Die Erhöhung der Mannschaftslöhnung. Da? Zentrum will bei der Beratung des MilitäreratS den An- trag stellen, die Erhöhung der Mannschaftslöhnung, die nach der neuen MMärborlage für den 1. April 1918 vorgesehen ist, bereits am 1. Oktober d. I. eintreten zu laffen. Wir haben schon vor einigen Tagen darauf hingewiesen, daß die sozialdemokratische Fraktion cinen solchen Antrag einbringen wird. Das scheint für die bürgerlichen Parteien ein Ansporn gewesen zu sein, nunmehr in der gleichen Weise vorzugehen. Konservativer TerrorismuS. Eine recht charakteristische Illustration zu dem von konservativen Blättern immer wieder gegen die Sozialdemokratie erhobenen Vor- wurf der gewaltsamen Einschüchterung, deS sogenannten TerroriSmuS, bietet folgendes humoristisches Extrablatt deS in Gardelegen   er- scheinendenAltmärker Tageblatts zur Vertretung der Interessen des Mittel st andeS in Stadt und Land" vom 17. April 1911: »Nnd willst Du nicht mein Bruder fein, So schlag ich Dir den Schädel ein!" Der Schildspruch der Sozialdemokratie sagt man, wäre eS, aber das ist längst veraltet; von sozialistischem TerroriSmuS hört man nimmermehr etwas, doch konservativ« Zwang«- verfahren gehen immer und immer wieder durch den deutschen   Blätterwald. So ist heute wieder ein Stückchen aus unserem eigenen Betriebe zu diesem Kapitel zu ver- zeichnen: Die»Altmärkische Ueberlandzentrale' schreibt, daß nian uns nicht als Mitglied aufnimmt und schickt mit dieser Botschaft zugleich zwei Mann, welche uns den Strom sperren wollen. Statt sich unseren wohlgemeinten Tadel hübsch zu merken und Besserung im Betriebe herbeizuführen, sperrt man die Leitung und hofft, uns das Lebenslicht auszublasen. Eine feine Rache! Aber Sie haben fehlgeschoffen, meine Herren! Heute haben Sie freilich da« Vergnügen, unser« ZeLung mu w kleinem Format zu sehen, aber von morgen ab wird unser Blatt wieder in der gelvöhnlichen Größe erscheinen und wird sich erlauben, nach wie vor allen auf die Finger zu gucken, welche nicht so arbeiten, wie es wünschenswert ist Unsere verehrten Leser müssen wir wieder, jetzt aber zum letzten Male, der Ueberlandzentrale um wegen Entschuldigung bitten. Ts soll nimmermehr geschehen. Wir sind jetzt auch in bezug aus die Kraft nur noch auf uns selber angewiesen! Redaktion und Verlag de«»Altmärker Tageblatt". Die Wahlen für den RndolstSdter Landtag  . Die Neuwahlen für den aufgelösten Rudolstädter   Landtag flnd auf den 7. Juni angesetzt._ Christlicher SltreikterroriSmuS f Wie haben die Christlichen gegen den angeblichen TerroriSmuS der streikenden Bergarbeiter im Ruhrrevier gewütet! ES hieß, an den Zusammenstößen mit der Polizei seien lediglich die Strei» kenden schuld. Nun haben in der ostpreußischen, rein katholischen Stadt Bischofsburg die christlich organisierten Maurer die Arbeit eingestellt, weil die Unternehmer ihre Forderungen ablehnten. Die ostpreußisch« Zentrumspresse muß jetzt mitteilen: Der Maurerstreik ist noch nicht beendet. Die Streikenden versuchen, die von auswärts gekommenen Maurer an der Arbeit zu hindern. Es kommt vielfach zu Aufläufen und Zusammen- stößen, so daß die Polizei mehrfach Verhafwngen vornehmen mußte." In dieser guten, frommen Stadt ist et also zu ähnlichen vor- gangen gekommen wie im Ruhrrevier. Werden dte Christlichen diese Zusammenstöße nun auch lediglich auf daS Konto ver Aus­ständigen setzen? Geistig minderwertig und dienstuntauglich, aber doch iu Uniform! Die Fälle, daß geistig minderwertige junge Leute beim Militär eingestellt, aber hinterher, nachdem das Unglück über sie herein- gebrochen ist, wegen Dienstunbrauchbarkeit entlassen werden, mehren sich in erschreckender Weise. Mit lakonischer Kürze erklären fast regel- mäßig in der Verhandlung gegen solche bedauernswerten Geschöpfe die ärztlichen Sachverständigen, der Angeklagte ist zwar geistig minderwertig und dienstuntauglich, aber für sein Vergehen beim Militär verantwortlich! Also erst ins Gefängnis und dann wieder ins Berufsleben! Vom Dresdener   Kriegsgericht wurde dieser Tage der Soldat Frach vom Jnfanterie-Regiment Nr. 102 wegen Fahnenflucht zu der gesetzlich geringsten Strafe von sechs Monaten Gefängnis und Versetzung in die zweite Klasse deS Soldatenstandes verurteilt! Er hatte sich krank gemeldet; der Arzt hielt ihn aber für gesund und schrixb ihn zum Dienst! AuS Aerger darüber lief er fort und wollte nach dem Ausland, aber schon nach 24 Stunden wurde er verhaftet. Der ärztliche Sachverständige bc- zeichnete F. alSeinen haltlosen geistig minderwertigen Menschen, der an einem krankhaften Wandertrieb leidet und deshalb d i e n st u n b r a u ch b a r sei. Bei seiner Entfernung sei F. vermindert zurechnungsfähig ge« wesen, aber im allgemeinen verantwortlich! ffantand. Neue Gewalttaten. Unser finnländischer Mitarbeiter schreibt uns: Die finnische Sozialdemokratie hat alljährlich sogenannte Maiabzeichen verkauft, die gewöhnlich guten Absatz fanden und der Parteikasse einige Einnahmen lieferten. Man benutzte diese Abzeichen zu Agi- tationszwecken, um den Maifeiergedanken in den Massen zu ver- breiten. Nun hat der Generalgouverneur plötzlich gefordert, sie überall von den Vertrauensleuten fortnehmen zu lassen. Diese Maßnahme verursacht in den Kreisen der organisierten Arbeiter heftige Erbitterung, denn gesetzlich ist gegen den Vertrieb der» artiger Abzeichen nichts einzuwenden. » Der frühere Redakteur unsere? Wyborger Parteiblattcs Työ", Landtagsabgeordneter Genosse Airola, der im Winter auf Befehl des Festungskammandanten aus Wyborg   ausgewiesen und bald daraus wegenMajestätsbeleidigung" zu 6 Monaten Ge- fängnis verurteilt wurde, entging dieser Strafe vorläufig dadurch, daß der Landtag Anfang März zu seiner jetzigen Session zu- sammentrat. Bisher war eS auch in Finnland   Brauch, daß Volksvertreter während ihrer Amtsausübung den Gerichten gegen- über eine Immunität bewahren. Bei dem Genossen Airola ver- richten die Behörden diesen allgemein gültigen Grundsatz brutal zu durchbrechen. Eines Morgens fanden sich Polizisten bei ihm ein, die ihn ins Gefängnis schleppen wollten. Er konnte noch den Landtagsvor sitzenden rechtzeitig in SVeniltpiS setzen und auf dessen Eingreifci« unterblieb vorläufig die Verhaftung. Indessen ist Ge- nossc Airola noch heute nicht davor sicher. Eine derartige Brutalität hat die Zarenregierung sogar den Duinaabgeordneten gegenüber nicht zu unternehmen gewagt.