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Hr. 114. 39. Aahrzauy. 4 SeilW des Jomätts" ßttlinet KldsM Jollnabeud, 18. Mai 1912. Hus Induftrle und Kandel  . Die Kohleuvorräte Deutschlands  . Der briannte Geologe Dr. Frech, Professor an der technischen Hochschule Breslau  , hat eine neue Abhandlung über.Deutschlands  Steinkohlenfelder und Steinkohlenvorräle" veröffentlicht(Verlag von Schweitzerbart. Stuttgart  ). Frech gab bereits 1900 eine viel be- achtete Studie:.Wann sind unsere Steinkohlenlager erschöpft?" heraus und behandelte dasselbe Thema 1909 in der Wolfschen.Zeit- schrift für Sozialwissenschaft". In seiner neuen Abhandlung berück- sichtigt der Verfasser die Ergebnisse der mittlerweile erfolgten Boh- rungen auf Kohle und die Angaben über die auf Grund sonstiger Aufschlüsse festgestellten oder geschätzten Kohlenablagerungen. Frech mutzte seine früheren Darlegungen in manchen Punkten modifizieren, schon weil die von ihm damals angenommenen Vorratsschätzungen auf voraussichtlichen Fördermengen basierten, die inzwischen teilweise bedeutend überschritten worden sind. Das trifft besonders für Nordamerika   zu. Die dortigen riesigen Kohlenablagerungen werden viel rascher als Frech und andere an- nahmen, erichöpft sein, wenn die Förderung so rapide weiter erhöht wird wie seit 1990 und lein rationeller Abbau stattfindet. Die nord- amerikanische Kohlenförderung ist nämlich im ersten Dezennium des 20. Jahrhunderts von 244 aus 455 Millionen Tonnen gestiegen I Geht es in einem ähnlichen Tempo weiter, dann dürften die nord- amerikanischen Kohlenvorräte in einigen hundert Jahren die größten Pessimisten schätzen nur zweihundert Jahre erschöpft sein. Dagegen steigt die britische Kohlenförderung relativ wenig und da in den englischen Grafschaften neue, un- erwartet große Kohlenvorräte aufgeschlossen sind, so mutz für den britischen Kohlenbergbau eine längere als die früher geschätzte Dauer angenommen werden. Auf Grund eines reichen fachmännischen Materials ist Frech zu folgenden Berechnungen gekommen: Am schnellsten werden in Deutschland   die Kohlenablagerungen im Königreich Sachsen und in Nieder schlesien   erschöpft sein, nämlich in 70100 Jahren. Ebenso schnell geht es mit den mittelfranzösischen und in höchstens 200 Jahren mir den nordenglischen zu Ende. Nach Ablauf von 200500 Jahren sind die Kohlen- flöze im Saargebiet, in Mitielengland und in Nord- frankreich abgebaut. Die voraussichtliche Förderungsdauer im Aachener  . im niederrheinisch- westfälischen Kohlenbecken, in Belgien   und im österreichischen   Schlesien  -Mähren   schätzt Frech auf 8001000 Jahre. Die größten europäischen   Kohleuablagerungen sind die im preußischen Oberschlesien  ; hier werden die Flöze für eine mehr als tausendjährige Abbauzeit ausreichen. Deutschland   ist das weitaus koblenreichste Land Europas  . Es wird in dieser Be- ziehung nur von Nordchina und Nordamerika   übertroffen. Die ge- samten Kohlenvorräte(nur Steinkohlen find gemeint) Deutschlands  berechnet Frech mit 162,22 Milliarden Tonnen! Allerdings sind hierin auch Vorräte in einer Tiefe bis 1500 Meter in Betracht ge- zogen, deren Abbau bei dem heutigen Stande der Technik unter- bleiben mutz. Soziales. Maßnahmen gegenüber den Terraingesellschaften. Die berechtigten Klagen über die hohen Mieten und ihre Steigerungen, namentlich in den zu Grotz-Berlin   und anderen Großstädten gehörigen Vororten, sind in den Versammlungen des Propagandaausschusses mehrfach zu lebendigem Ausdruck gekommen. A.uch ist deutlich darauf hingewiesen worden, daß an diesen Hebel- ständen nicht allein die Hausbesitzer und die Bauunternehmer schuld sind. Es wurde vielmehr schon bestimmt darauf hingewiesen, daß diese allgemeine Verteuerung der Wohnungen und Wohnhäuser auf die künstliche Verteuerung des Bauterrains durch reiche Bodenspekulanten und Terraingesellschaften zurückzuführen ist, die, auf ihre großen Barmittel fußend, es schon frühzeitig verstanden haben, sich durch schlaue Manöver in den sicheren Besitz der später für die Bebauung durchaus benötigten Gelände zu setzen. Das Berliner Adreßbuch führt über 300 solcher Terraingesell. schaften und Geschäfte an. Manche von ihnen sind Tochtergesell- schaffen anderer Gesellschaften. Wir erinnern hier nur an einige bekanntere, wie die Bodenaktien-Gesellschaft Berlin-Nord, die Terraingesellschaft Rittergut Lichtenberg, die Terraingesellschaft Frankfurter   Chaussee bei Berlin  , die Zehlendors-Klcin-Machnower Terraingesellschaft A.- G., die Berlin  -Spandauer   Terraingesellschaft, die Tempelhofer  -Feld-Terrain-A.-G. und die Berlinische Bodengesellschaft. Letztere hat auf ihr eine Million Mark betragendes Aktien- kapital sowohl für das Betriebsjahr 1910, wie für 1911 je hundert Prozent Dividende verteilt. Der verteilbare Reingewinn betrug 1911 1240 014 M.(1910: 1280 075 M.). Auch. andere Ge­sellschaften haben ähnliche kolossale Gewinne erzielt. Solche großen Gewinne bedeuten natürlich ebenso große Belastungen der be- treffenden Grundstücke schon vor der Bebauung. Die Bauunter- nehmer wollen aber auch verdienen, und ihre Abnehmer, die neuen Hauswirte, ebenfalls. Da kann man sich nicht wunder«, daß die Mieten in diesen neuen Grundstücken recht hoch sein müssen, und daß das Gelände beim Bau möglichst ausgenutzt wird; es werden meist so viel wie möglich Wohnräume geschaffen, die dann natürlich oft sehr klein ausfallen. Natürlich gehen fast alle anderen Haus- besitzer, deren Häuser nicht von vornherein mit so großen Terrain- Verteuerungen belastet sind und mit den durch letztere hervor- gerufenen Mietssteigerungen mit, wodurch die Mietssteigerungen allgemein werden. Die Mieter ihrerseits suchen die teuren Wohnungen möglichst auszunutzen, indem sie sich auf möglichst kleine Wohnräume be- schränken oder Aftermieter oder Schlafleute aufnehmen, was alles in gesundheitlicher wie in sittlicher Hinsicht Schädlichkeiten mit sich bringen muß. Spätere Generationen werden es ebenso unbegreiflich finden, daß die Gesellschaft den Privatbesitz   an Grund und Boden duldete, wie heute die Kulturvölker die Sklaverei des Menschen für unmöglich halten. We diese Uobelständ« im heuttgen Wohnungswesen werden ja schon seit Jahren beklagt. Jeder wünscht ihre Beseifigung durch Verhinderung der Manöver der Terrainspekulanten, um damit eine allgemeine Verbilligung und Verbesserung der Wohnverhältnisse herbeizuführen. Aber da dieser Terrainerwerb im großen nur von sehr reichen Leuten oder Großbanken mit sicherem Erfolge durch- geführt werden kann, so ist es nicht so leicht, ihnen ihr Handwerk zu legen. Sie stehen ähnlich da, wie die Großagrarier, die durch ihre Beziehungen zur Regierung und ihre Vertretung in den Parla- menten sich in der Gesetzgebung Vorteil« zu sichern wissen, wie durch die allmählich noch erhöhten Einfuhrzölle auf Getreide und ähnliche Produkte, oder durch schikanöse Verschärfung der Grenzsperre für Schlachtvieh usw., wodurch das von ihnen produzierte Getreide usw. um ebenso viel über die Preise der Auslandsprodukt« verteuert werden können, als die Einfuhrzölle und Einfuhrkosten betragen. Aber während durch die Erhöhung der Getreideeinfuhrzölle die Reichskassen auch eine bedeutende Erhöhung ihrer Einnahmen er- zielen, erzielt weder das Reich noch der Staat durch die Duldung der Manipulationen der Terraingesellschaften eine wesentliche Ver- mehrung der eigenen Einnahmen. Denn die Wertzuwachssteuer- ertrage und Stempelabgaben sind, gegenüber den Einnahmen aus den Einfuhrzöllen, doch nur sehr unbedeutend. Was die Zulässigkeit einer gesetzlichen Behinderung solcher wucherischer Grundstücksauf- käufe im großen in den näheren oder weiteren Umgebungen größerer Städte um solche wird es sich nur handeln betrifft, so würde diese, wenn sie als im Interesse des Gemeinwohles liegend erkannt wird, sicher ebenso berechtigt sein, wie der Erlaß eines Ausfuhr- Verbotes landwirtschaftlicher usw. Produkte im Fall einer fast völligen Mißernte im eigenen Lande. Mus der frauenbewegung. Frauen, Boykott und Fleischermeister. Unsere Notiz über die Teilnahme der Frauen am Fleischer- bohkott in Vjfjesack erregt den Zorn der biederen Fleischermeister so .sehr, daß sie nicht nur denVorwärts", fondern auch Arbeiterfrauen schlechthin beschimpfen. Die Empfindlichkeit derDemschen Fleischer- Zeitung" verstehen wir recht gut; fürchten doch die Fleischer, daß der Boykott in. Neukölln durch die Unterstützung der Arbeiterfrauen einen ebenso erfreulichen Verlauf nehmen könne wie der in Vegesack  . Also pöbelt ihr Organ:Was für Blüten edler Weiblichkeit auf diese Weise gezogen worden sind, kann man in jeder sozialdemo- kratischen Versammlung beobachten. Man kriegt dann einen Respekt vor diesen Genossinnen und kann sich sehr wohl denken, daß der be- kannte Schillersche Vers, der die Frauen in der Revolutionszeit schildert, auch von diesen Damen gelten würde."In der Tat, so eine sozialdemokratische Hausfrau hat ja nicht für Mann und Kinder zu sorgen, zu kochen und reinzumachen, sondern muß der Partei dienen. Der Mann kann in der Destille essen, die Kinder werden in der Schule abgefüttert, dürfen sich auf der Straße herum- tummeln, und die brave Gattin und Mutter steht tagsüber Streik- Posten und geht abends in Versammlungen.".Wir zweifeln gar nicht, daß sich solcher Pflanzen genug finden werden, aber hoffentlich werden die dadurch belästigten Meister und d i e Polizei im Verkehr ihnen gegenüber keine GlacHs anziehen, sondern sie so behandeln, wie sie es ver- dienen." Durch Drohungen haben sich Arbeiterinnen und Arbeiter noch nie einschüchtern lassen. Di« Unterstützung der für ihre Ar- beitsbedingungen kämpfenden Genossen durch strengste Befolgung des Boykotts in Neukölln ist eine Ehrenpflicht der Genossinnen! Die bürgcrltche Frauenbewegung am S�rrnewege. Die Scheidung zwischen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung ist längst vollzogen. Die Klassenlage schafft stärkere Bande als Geschlechtsgemeinschaft. Die Unentschiebenheit der bürgerlichen Frauen gerade in den Fragen, die di« soziale und politische Gleichstellung beider Geschlechter betreffen, zwang uns dabei zu einer Kampfesstellung, obgleich wie lieber nur ein wohlwollendes Verfolgen der getrennt Marschierenden geübt hätten. Inzwischen haben sich innerhalb der bürgerlichen Frauenwelt Gegen- sätze gebildet, die durch das Einströmen der reaktionären Frauen erklärt werden. Heute hat sich die Reakfion mit der Frauenbewegung abgefunden und sucht sie den eigenen Zwecken dienstbar zu machen. Die Frauen kämpfen bereits im eigenen Lager gegeneinander. In der Frage des politischen Mittels werden sich wahrscheinlich auch hier die Geister scheiden. Innerhalb des Frauenstimmtechtsverbandes z. B. soll eine starke Strömung gegen die in den Satzungen erhobene Forderung des allgemeinen Wahlrechts Sturm laufen. So sind uns die wehmütigen Worte der sympathischsten und ehrlichsten unter den bürgerlichen Frauen- rechtlerinnen, Frau Minna Cauer  , verständlich._ In ihrem OrganDie Frauenbewegung"(Nr. 10) knüpft sie folgende Be- trachtungen an unseren Frauentag, der mit der Tagung der natio- nalliberalen Partei zusammenfiel: Am Sonntag, den 12. Mai, fanden zwei Tagungen in Berlin  statt, die eine war der Vertretertag der nationalilberalen Partei, die andere, welche allein in Berlin   und Umgegend 32 Versamm- lungen umfaßte, war der zweite sozialdemokratische Frauentag, der jedoch nicht nur in Deuffchland, sondern auch in Oesterreich  , in der Schweiz  , Holland  , Dänemark   usw. stattfand, also eine internationale Kundgebung bedeutet... Von den Nationalliberalen hin zum sozialdemokratischen Frauentag von den Satten zu den Hungerigen. Von einer Partei, in welche auch seit kurzem die satten Frauen eintreten können, zu jener Partei, welche die Frauen als ihre gleichberechtigte Genossinnen ansehen, um mit ihnen zusammen sich diejenige Macht zu erobern, die ihnen die Möglichkeit gibt, nicht nur von den Brosamen zu essen, die von des Herrn Tische fallen, sondern die mit am Tische sitzen wollen, die für sich und ihre Kinder ein menschenwürdiges Dasein nicht allein zu erringen versuchen, sondern für volle Freiheit und Gleichberechtigung beider Geschlechter im StaatSleben kämpfen, um auch ihrerseits zur vollen Entfaltung all ihrer Gaben und Kräfte kommen zu können. Freie Bahn für alle, lautet dabei die Losung!... Aus zwei Welten!" so sagte ich mir, als ich in den lachenden sonnigen Maientag auS diesen beiden Versammlungen durch die wogende Sonntagsmenge der Millionenstadt hindurchschritt. Da gingen sie an mir vorbei die Menschen, die Satten und Hunge- rigen, die Frohen und die Traurigen, die Sorglosen und die Kämpfenden, die im Luxus Schwelgenden und di« Mühevoll- beladenen! Gedanken eigener Art wollten mich nicht verlassen. Muß diese Welt so voller schreiender Gegensätze sein und muß sie, kann sie so bleiben und wessen Schuld ist das alles? Aber noch eins bannte mich: Die Frauenbewegung hat stolz, einst verkündet in ihrem Anfangdas Recht für alle", und ihre Gründerin, Luise Otto Peters  , sprach den Satz aus: Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen! Wohin ist aber die Frauenbewegung geraten.? Sie vertritt weder das eine noch das andere mit Kraft, noch viel weniger mit Idealen, Festigkeit und Einigkeit. Die bürgerliche Frauenbewegung beginnt sich der Welt der Satten und Gesättigten zuzuneigen, doch die Verhältnisse sind stärker als die Menschen. Es werden Kräfte aus den erwerbstätigen Frauen erwachsen, die von neuem die Ideen der Frauenbewegung vertreten werden in voller Kraft, mit neuen Idealen und mit freudigerer Kampfeslust für Freiheit und Gerechtigkeit. Dann werden manche harte Gegensätze schwin- den, die zwischen diesen beiden Welten bestehen. Die bürgerliche Frauenbewegung aber hat die große Aufgabe, sich auf ihre Grund- sätze und Ziele zu besinnen, wenn sie nicht in sich zerfallen will. Sie könnte leicht, und es liegen Anzeichen dafür vor, das Schicksal der nationalliberalen Partei haben; daß sie nach außen hin scheinbar geeint, ja vielleicht glänzend dasteht, aber innen schon viele? hohl und morsch geworden ist. Mögen dann auch Führerinnen, wie der Führer der National- liberalen, noch so die EinerseitS-AndererscilS-Jmmerhin-Theorie und -Praxis vertreten, und vortrefflich in ihren Reden ausführen der innere Kern ist nicht mehr echt. Die bürgerliche Frauenbewegung steht a» Scheidewege, das muß sie sich klarmachen auch in i h r zeigen sich zwei Welte n." Die alte Stiller-Firma eröffnet heute Sonnabendj nachm. 5 Uhr, eine weitere Verkaufssteile Chaussee-Sfr, 114-15 Ecke Invaliden-Strasse, nahe dem Steftiner Bahnhof. Gegr. 1867