politische deberficbt.Berlin, den 2. Juli 1912.Ein Mhler tIn Mülheim am Nhein hat am Sonnabend der bekannterheinische Zentrumsführer Oberlandesgerichtsrat Marx eineRede gehalten, die insofern besonderes Interesse beanspruchenkann, als der Redner bestätigte, datz zwischen dem Zentrumund den Konservativen zurzeit eine gewisse Spannung bestehtund deshalb die Zentrumsleitung nicht abgeneigt ist, mit denNationalliberalen eine Verständigung zu suchen. NachdemHerr Marx seine Rede nach altem Rezept mit allerlei ein-fältigen Anrempelungen der Sozialdemokratie eingeleitet hatte,leistete er sich nach dem Bericht-der„Köln. Ztg." folgendeAusführungen:Mit auffallender Schärfe stellt der Redner dann fest, daß sichdas Verhältnis zu den Konservativen der-schlechtert habe. Es seien Fragen der gemeinsamen Welt-�anschauung, die beide Parteien seinerzeit zusammengeführt hätten.ES habe sich jetzt aber immer mehr der gewallige Einfluß gezeigt,den die Hetze in konfessionellen Fragen bei den Konservativen hervor»gerufen habe. Die Konservativen hätten eS anscheinenddirekt darauf abgesehen, das Zentrum zu ver-letzen. Bei der Debatte über die Zulassung der Ehen zwischenWeißen und Schwarzen hätten sich die Sozialdemokraten christlichergezeigt als die Konservativen; durch das Verhalten der Konservativenin der Ansiedelungspolitik seien konservative Grundsätze gefährdet.Die Nattonalliberalen, mit denen in früherenJahren segensreich zusammengearbeitet wurde,hätte» bei de» letzten Wahlen eine„Beklommenheit" gezeigt,durch die das Gefechtsfeld gegenüber den Sozialdemokraten ver-dunkelt fei. Und dabei habe doch gerade das Zentrum in Duisburgden Nationalliberalen herausgehauen. DasZentrum sei jeder-zeit bereit, wieder mit den Nationalliberalenzum Wohle des Staates und der G e sell s ch a ft z u-s a m m e n z u a r b e i t e n, unter der Voraussetzung, daß erstensdie Zentrumspartei bei wichtigen Beschlüssen nicht ausgeschaltetlvcrde, wie eS zur Zeit der Blockbildung geschehen sei, und daßziveitenS ihre Weltanschauung und ihre religiösen Gefühle unberührtblieben und die Nattonalliberalen.unmoderne' Bestrebungen, wiesie früher in diesen Dingen dort vorgekommen seien, ausschieden.Das Schönste aber ist, die im ganzen zu den Bassel-männern haltende„Köln. Ztg." weist dieses eigenartige Liebes-werben des Herrn OberlandeSgerichtsrats Marx keineswegszurück, sondern findet eS ganz nett und rührend. Wörtlichmeint sie:„Die vorstehenden Ausführungen bestätigen, wa» man allerdingsschon seit einiger Zeit weiß, daß der Draht zwischen dem Zentrumund den Konservativen endgültig zerrissen ist. Und sie bestätigenferner, daß auch die alte Verbindung mit der roten Partei sich beider heutigen Konstruktion deS gentrums nicht wiederherstellen läßt.ES bleiben also, wenn daS Zentrum praktisch mitarbeiten will, nurdje Nationalliberalen übrig. AuS diesem Grunde sind die„De-diugungen, die Herr Marx für ein Zusammengehen mit dernationalen Msttelpartei formuliert, von hohem Interesse. D i eNattonalliberalen ihrerseits haben natürlichkeinen Anlaß, die Mitarbeit des Zentrum« daabzulehnen, wo nationale und liberale Zieledadurch gefördert werden. DaS ist aber auch die Grund-bedingung, die sie ihrerseits stellen müssen. Und wir glauben,es genügt, diese Grundbedingung zu nennen, um zu zeigen, daßder Spielraum für ein Zusammengehen nicht gerade allzu großsein wird."Die Anttvort zeigt, wie sich die polltische Situation seitden Reichstagswahlen im Januar geklärt hat. Mag heuteauch noch der„Spielraum für ein Zusammengehen" nichtgerade groß sein, so werden sich doch voraussichtlich dieKlerikalen, Konservativen und Nationalliberalen bald wiederzum schönen politischen Jnteressenbund zusammen finden.Verwandte Seelen finden sich zu Wasser und zu Lande—besonders aber leicht in der Gosse.Liebet euch untereinander tDas Schtveigegcbot des PapstcS hat zwar die klerikalePresse dazu veranlaßt, vorläufig ihre vom Geist christlicherLiebe getragenen Erörterungen über die Frage der christlichenGewcrkschastsorganisation einzustellen; aber die katholisch-kirch-liche Gesinnung hat allzu tief das innerste Wesen der klerikalenBlätter erfaßt, als daß sie ganz ohne gegenseitige Befeindungund Verdächtigung zu existieren vermöchten. Wütender alsjemals dreschen die Blätter und Blättchcn der Bachem-schen und der Oppersdorffschen Richtung aufeinanderlos und sagen sich die schönsten Schmeicheleienin ihre Dnldergcsichter. Nachdem jüngst erst Herr GeheimratDr. Porsch den Grafen v. Oppersdorfs als Krakeler be-handelt hat, kommt nun Graf v. Oppersdorfs undcharakterisiert voller christlicher Liebe den Vorsitzenden desZentrums als einen an Größenwahn krankenden eitlen Gerne-groß. Nachdem der Herr Graf in seiner Wochenschrift„Wahrheit und Klarheit" dem Gcheimrat Porsch vor-geworfen hat. daß ihn erst„vor noch gar nicht langer Zeit einfrüher hochangesehenes katholisches Blatt vom Heiligen Stuhlöffentlich wegen ehrabschnetderischen Treibensgegen einen hohen kirchlichen Würdenträger" in die Schrankenweisen mußte, entwirft er von den: Oberleiter der Zentrums-Partei folgendes schöne Charakterbild:„Wir sind im katholischen Lager nachgerade zu Sitten gediehen.die man im deutschen Parteileben zum zweiten Male vergeblichsucht. Wir haben einen PcrsonenkultuS großgezogen, und dieGroßgezogenen treiben mit sich selber einenKultus, daß im Interesse sachlicher Arbeit endlich dagegen Ein-spruch erhoben werden muß. Seit über einem Jahre hören wirjetzt, so oft Herr Porsch vor die Oeffentlichkeit tritt, ein Stöhne»und Jammern über die Schwere deS Loses, daß heutzutageeinem Parteiführer beschieden sei. AIS ob wir an der Spitzekeine Männer mehr hätten! Wir hören ein ewiges Reden vonAmtsmüdigkeit, hören, daß man lieber heute wie morgen dieso schrecklich schwere Führerpsiicht abgeben möchte, und daß nur daSBewußtsein der Un e r s e tz Ii ch keit einem auf so ange-fochtenem Posten noch halte. Diese Tonart ist ein Novnm und nichteinmal ein schönes. Die anderen Parteien, die ja schließlich auchihre Führer und, wie wir, auch ihre Gegensätze und„Richtungen"haben, kennen diesen neuesten Typus der sentimentalen Gewalt«naturrn jedenfalls nicht. Die Herren Hehdebrand und Zedlitz,Baffcrmann und Bebel Pflegen ihren innerparteilichen Kummerjedenfalls nicht auf offenem Markte bloßzustellen oder beijeder Gelegenheit an da» Mitgefühl ihrer engerenParteigeiloffenschaft zu appelliere». Und doch hattensie, wenn mir schon von der Sozialdemokratie absehen,alle mindestens ebenso viel Grund. Vielleicht noch mehr. Dennbei keiner Partei herrschen so wie im gegen-wältigen Zentrum dt«.Maschinenpolitiker';funktioniert so prompt, was man in Amerika die„Dampfwalze" nennt. Was gar Herrn Porsch anbelangt,so wüßte ich im ganzen Deutschen Reich keinen Parlamentarier oderParteiführer, der so viel Weihrauch und Lob gespendetbekäme; der von hundert Zeitungen Tag für Tag so unermüdlichseine Eminenz bescheinigt erhielte. Und da Herr Porsch noch nie einihm gespendetes Lob, mag es auch noch so unberechtigt sein, mag esauch aus noch so trüber Quelle kommen, abgelehnt hat, so wäre esvielleicht nicht aus dem Rahmen der Konsequenz fallend, wenner die ihm so oft, von Berufenen und Unberufenen, attestierte Größeauch in der Hinnahme von Tadel(und namentlich von berechtigtemTadel) dokumentiert hätte. Ueberall in der Welt, ausgenommenallein vielleicht die orientalischen Machthaberstaaten, unterliegenheute die Führer dem öffentlichen Urteil. Und nicht nur dem Urteilder Gegner. Nur bei uns ist eS anders, anders geworden. Dawird jeder, der sich eine, und fei es auch noch so höfliche, kritischeBemerkung gestattet, gefemt und geächtet und aus hundert Blättern,Blättchen, Korrespondenzen, unter dem wohlmeinenden Schweigender Eidgenvffen, mit mehr oder weniger massiven Beleidigungentraktiert."Das Konterfei ist sicherlich im ganzen gut getroffen; aberum so weniger wird von solcher Leistung auf dem Gebieteder Porträtkunst Herr Porsch in seinem wundekl Herzen ge-rührt sein.Gleichzeitig mit der Oppersdorffschen Wochenschrift schießtauch die„Köln. Korrespondenz" los. Unter der Ueberschrift„Die Infamie" schreibt sie:„Unter den Organen der Kölner Richtung steht neben der„Neisser Zeitung" das Jnseratenblatt„Essener Volks-zeitung'auf niedrigster Stufe. Aus dem MusterländleBaden, wo das Zentrum einen päpstlichen Erlaß öffentlich„be-dauerte", bringt das Blatt am SS. Juni 1912 eine längere Zuschrift,worin die deutschen Bischöfe aufgefordert werden, Herrn Dr.Kaufmann aus ihren Diözesen zu vertreiben,Wir halten zum Zentrum, aber wir stehen nicht an zu erklären,daß keine andere Partei eine solche Infamie jemalserlebt hat! Ist denn der Mensch, der das geschrieben hat und ist dasBlatt, das sich zur Verbreitung seiner Infamie hergibt, wirklichnicht im stände einen sachlichen Kampf zu führen? Sie wehrensich mit Händen und Füßen gegen die von uns vertretene Behauptung, daß das Zentrum„im Einklang mit den katholischenGrundsätzen" bleiben muß, und da sie sich anders nicht helfen können,kora mieren sie den deutschen Episkopat, den hohen Vertreterder katholischen Weltanschauung, und verlangen von ihm die Ver-nichtung eine» Gegners, der den katholischen Standpunkt vertritt ISie sind immerfort daran, die wichtigsten Weltanschauung?-organisationen der deutschen Katholiken zu entklerikalifieren und diekirchliche Autorität daraus zu vertreiben, tritt ihnen aber ein Geist-licher entgegen, so verlangen sie von denselben kirchlichen Autoritätendie Vertreibung dieses Geistlichen an? seinem Vaterlande I"Man sieht die reine klerikale Ethik zettigt ganz niedlicheBlüten!Deutschlands KulturanSgaben.Der freifinnige Landtagsabgeordnete Schepp hat in der„Voss. Ztg." eine Berechnung darüber aufgemacht, was Deutschlandjährlich an„KulturanSgaben" ausgibt.Die Ausgaben des Deutschen Reiches für Kulturzwcckeim engeren Sinne— nämlich für BildungSzwecke— sindaußerordentlich gering. Sie belaufen sich insgesamt auf noch nicht20 Millionen Mark, wobei aber nicht nur die Ausgaben für dieKunst und für Schulen, sonderen auch die für die M i l i t ä r-geistlichkeit und die Kirche mitgerechnet werden, also di-verse Millionen von Ausgaben, die eher gegen als fürKulturzwccke verausgabt werden.Dann rechnet Herr Schepp zusammen, was an BildungSauS-gaben in sämtlichen deutschen Bundes st aaten zusammenim Jahre 1908 verausgabt wurde. Das waren zusammen itO'AMillionen Mark. Auch darunter aber befand sich ein ganz erheb-licher Prozentsatz von Ausgaben für die Kirche; Ausgaben, dieallein für Preußen die Höhe von mehreren DutzendMillionen erreicht haben.'Die Ausgaben der Kommunen endlich für das BildungS-Wesen variieren nach Herrn Schepp außerordentlich. Sie schwankenzwischen 2,3 M. pro Kopf der Bevölkerung und 3S Ml. Demgegenüber stellt Herr Schepp die Ausgaben für da» Heer, die. außer-ordentliche und ordentliche Ausgaben zusammengerechnet, 190710,3 M. betragen hätten.Nach der Aufstellung, die der neueste halbamtliche„NautikuS"veröffentlicht, betragen die Ausgaben für Heer und Marinepro Kopf 21,17 Mark. Wvllte umn dazu auch die Kosten für dieKolonien, den Militärinvalidenfonds, den PcnsionsfondS und diefür militärische Zwecke gemachten Schulden hinzuzählen, sokäme man auf mindestens 2S Mark pro Kopf. Und ver-gleicht man die Summen, die insgesamt von Staat und 5wm-mnne für alle wirklichen BildungSzwecke, für Volksschulen, höhereSchulen, Universitäten, sowie für Kunst und Wissenschaft aus-gegeben werden, mit den Ausgaben für den Militarismus,so ergibt sich, daß unser Mlitarismus mindestens das Dreifachealle» dessen verschlingt, was im ganzen Deutschen Reiche für Bil-dungSzwecke aller Art ausgegeben wird! So stellten wir bereitsim Januar d. I. fest, daß die gesamten(auch kommunalen usw.)Aufwendungen für die Volksschule, einschließlich der Bau-kosten, in Preußen sich 1905 auf 328 Millionen, also pro Schülerauf 08 M. bcliefen; während an Rüstungsausgaben voninsgesamt 960 Millionen(durch die neuen Flotten- und Heeres-vorlagen ist inzwischen die Ausgabe für den Militarismus nochwesentlich gewachsen) auf den Kopf der 420 000 preußischenSoldaten eine jährliche Ausgabe von 2300 M. entfiel.Diese sehr interessanten Gegenüberstellungen vorzunehmen,hat leider der freisinnige Landtagsabgeordnete Schepp unterlassen.Wie er denn überhaupt seine Darlegungen keineswegs in jene ernst-hafte Kritik unserer traurigen BildungSzustände ausklingenläßt, die man bei ihm wegen seiner Doppeleigenschaft alsLehrer und Freisinnsmann hätte erwarten sollendDer Kampf der Mittelstandsvereinigung gegen dieKonsumvereinsbewegnngkommt in einer Petition an den preußischen Landtag zum Aus-druck, worin daS Verbot des Handels der Beamten sowie der Be-schäftigung in Konsumvereinen und die Unterlassung jeder be-hördlichcn Unterstützung der Beamtenkonsumvereine und der Be-amtenbaugenossenschaften gefordert wird. Die Kommission fürHandel und Gewerbe hat über diese Petition einen ausführlichenschriftlichen Bericht erstattet. Die gleiche Petition ist von der Kom-Mission bereits im vorigen Jahre beraten, aber infolge Schlussesder Session vom Plenum nicht mehr erledigt worden.Es handelt sick im ganzen um sechs Wünsche der Mittelstand-ler. Zustächst verlangen sie ein gesetzliche» Verbot für Beamtealler Kategorien und deren Familienangehörige, den gemeinschaft-lichen Einkauf von Waren im großen und Ablaß im kleinen zubetreiben. Ueber diesen Wunsch ist die Kommission zur Tages-ordpung übepgegangen, weil ein gesetzliches Verbot picht zu recht-fertigen fcv da dfn Beamtin nicht vkWehrk rderen gemeinschaftliche Einkäufe zu machen.Der zweite Wunsch betrifft ein gesetzliches M/,irgendwelche Nebenbeschäftigung während des Dubcn, sowie die kostenlose Benutzung staatlicher Räu �richtungen für außerdienstliche Zwecke. Soweit die P>..gesetzliche Regelung fordern, hat die Kommission Ueber�Tagesordnung, im übrigen aber Ueberweisung zur Berückst�beschlossen.Drittens wird ein gesetzliches Verbot der Betätigung von tvamten in Konsumvereinen gegen irgendwelche Entschädigung ver-langt. In der Debatte hierüber machten die Vertreter des Hau-delsministers, des Ministers des Innern, des Finnnzministers unddes Ministers der öffentlichen Arbeiten Mitteilung von einer Reihevon Erlassen, di« sich auf die Beteiligung von Beamten an der Ver-waltung von sogenannten Werkskonsumvereinen und dergleichenbeziehen. Der wesentliche Inhalt dieser Erlasse ist der, daß füodie Konsumvereine durch den Einfluß der Werksverwaltungendahin Vorsorge getroffen werden solle, daß nur Waren zum Ver«kauf freigehalten werden, die für den Haushalt und die Bedürf«nisse des Arbeiters und der gering besoldeten Beamten von Wertsind. Eine materielle behördliche Unterstützung der Vereine soll)unterbleiben.„Die zuständigen Bergverwaltungsbehörden habenihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß jede Geschäftsverbin«dun» der Werkkonsumvereine mit der unter sozialdemskrattschcmEinfluß stehenden GrotzeinkaufSgesellschaft in Hamburg oder ähn«lichen derartigen Vereinigungen unterbleibt." Eo heißt es wärt«lich in einem Erlasse des Handelsministers vom 7. November 1911/In der gleichen Richtung bewegen sich Erlasse der übrigen beteilig«ten Minister. Ein Teil der Kommissionsmitglieder wollten nochdarüber hinausgehen, sie klagten darüber, daß die Beamten sotaktlos seien, in Konsumvereinen zu kaufen, und wünschten, daßauf die Beamten in dieser Beziehung eine gewisse Einwirkung auS-geübt werde. Die Vertreter der Regierung erklärten, daß sie nichtin der Lage seien, eine bestimmte Zusage zu geben, inwieweit eineEinwirkung auf die Beamten ausgeübt werden könne. Die Kom-Mission beschloß schließlich, auch über diesen Punkt der Petition,insoweit eine gesetzliche Regelung verlangt wird, zur Tagesordnungüberzugehen, im übrigen aber ihn zur Berücksichtigung zu über-weisen, unter speziellem Ausdruck des Wunsches, daß die„dankenS-werten" Erlasse m der Praxis durchgeführt werden.Punkt 4 der Petition:„Unterlassung jeder behördlichen Untek«stützung der Beamtenkonsumvereine, NichtÜberlassung von Lager-räumen usw." wurde durch diese Beschlußfassung für erledigt er«klärt.Ueber den fünften Punkt:„Gesetzliches Verbot der gewinn-bringenden Nebenbeschäftigung der Baubeamten, Bautechniker undLehrer an Baugewerks-, Kunstgewerbeschulen usw." ging die Kom-Mission, soweit es sich um ein gesetzliches Verbot handelt, zur Tages-ordnung über, im übrigen überwies sie den Punkt als Material,mit dem Wunsche, daß die nötigen Rücksichten auf die gewerblichenStänoe innegehalten werden. i i«Der sechste und letzte Punkt fordert die Unterlassung jeder be«hördlichcn Unterstützung der Beamtenbaugenossenschaften, fallsnicht ein Wohnungsmangel tatsächlich festgestellt wird. Nachdemdie Regierungsvertreter erklärt hatten, daß die Petenten offeneTüren einrennen, weil in jedem Falle der staatlichen Unterstützungeiner Baugenossenschaft die Bedürsnisftage geprüft werde, ging dieKommission über diesen Punkt zur Tagesordnung über.Das Plenum des Abgeordnetenhauses wird im Herbst zu dettWünschen der Rittelständler Stellung nehmen.Das Kommunalwahlrccht iu SchleSwig-Holstein.Den Bürgervcreinlern, die vor einigen Wochen auf ihrem Ver«dandStage in Glückstadt die Frage der Aenderung deS schleSwig«holsteinischen Kommunalwahlrechts berieten, sind jetzt die schleSwig«holsteinischen HauS- und Grundbesitzer gefolgt. Auf ihrem Verbands«tage, der am letzten Sonntage in Schleswig stattfand, waren aberdi« Meinungen über das Wie dxr Aenderung genau so geteilt, wieauf dem Verbandstags ihrer Klassengelwssen in Glückstadt. Dieeinzige Möglichkeit, den Vormarsch der Sozialdemokratie auf dieDauer zu hemmen, liegt nur in der Einführung der Klassenwahl.Alle anderen Vorschläge: Zensuserhöhung, wo er noch nicht denhöchsten Satz erreicht hat, Einführung der Bezirkswahlen uslv., sindDämme, die nur auf gewisse Zeit die steigende rote Flut aufhaltenkönnen. Aber mit der Dreiklassenwahl werden den Bürgern auchwichttge Rechte genommen und deshalb schreckt man noch vor derForderung zurück. Herr Köster« Altona machte auch hie? Propa«ganda für sein reaktionäres Dreiklassenprojekt mit ungleicher Ver«treterzahl in den einzelnen Klassen, aber er fand nicht die nötigeGegenliebe. Der Herr hat übrigens neben der sozialdemokratischenGefahr noch eine zweite entdeckt, und die droht von der Beamten-und Lehrerschaft, die zur Vertretung ihrer Interessen oft geneigtseien, Sonderkandidaturen aufzustellen und dadurch die EinigkeitdeS Bürgertums gegenüber der Sozialdemokratie zu gefährden.Natürlich erscheint den Herren die Gefahr einer sozialbemo«kratischen Mehrheit in den Großstädten Kiel und Altona größer, alsin den Mittel« und Kleinstädten. Darum ist auch die Zahl derDreiklassenwahlrechtSfreunde in den beiden Großstädten am stärksten.Ein ganz Schlauer machte sogar den Vorschlag, eS müsse eine besondere Städteverfassung für die Großstädte und eine für dieMittel« und Kleinstädte geschaffen werden. Zu einem bestimmtenVorschlage kam der Verbandttag jedoch nicht. Er wählte eine fünf-gliedrige Kommission, die gemeinsam mit dem Verband der Bürger«vereine weiter darüber beraten soll, wie das schleSwig-holsteinscheWahlrecht mit möglichst wenig Schaden für das Bürgertum ver»schandelt werden kann.— Beachtung verdient eine Mitteilung desWandsbeker Stadtverordnetenvorstehers Sproessel, daß amtlicher«seits bereits Erhebungen über eine eventl. Aenderung deS Wahlrechtsin SchleSwig-Holstein angestellt worden seien.Ende der Extra-Ttreikjustiz.Am 13. Juli werden die am Landgericht Bochum eingerichtetenGonderkammern zur Aburteilung von Streikvergehen und die damitverbundenen Kommissarien, die zur Herstellung von Maffenanklagencingerichtet waren, aufgelöst werden. Was bis dahin noch ansteht,wird vor den gewöhnlich tagenden Strafkammern verhandelt.Rußland.Wie die Geheimpolizei politische Propaganda treibt!Wie der sozialdemolratische Dumaabgeordnete Genosse Ge«getschkori in einer seiner jüngsten Reden mitteilt, wurden insämtlichen Arbeitervierteln Petersburgs Zehntausende von Flug«blättern verbreitet, die die Arbeiter aufforderten, gegen die sozial«demokratischen Abgeordneten zu protestieren, die dem Marineressortdie„für die Arbeiter so nützlichen' Flottenkredite verweigerten. Di«Flugblätter trugen die Unterschrift einer geheimen revolutionärenOrganisation. In Wirklichkeit aber waren sie— wie GenosseGegetschkori mitzuteilen in der Lage war— in der Petersburger„Ochrana" hergestellt!Amerika.Schluß der Wahlkomödie in Baltimore.Baltimore, 2. Juli. Auf dem demokratischen Konvent istWilson zum Präsidentschaftskandidaten nomt»niert worden.