Un, den Standpunkt der spanischen Regierung und naincutlichihres Führers CanalejaS beurteilen zu können, mufc gesagt werden,daß die monarchistischen Streitkräfte, die die Stadt ChaveZ an-griffen, sich aus 1300 Mann und drei Geschütze beliefen und dabdie Mannschaften mit Mausergewehren, einige mit Riflebüchsen be-Waffnet waren.Diese Mannschaften hatten außerdem Packtiere. Munition undExplosivmaterial.Wie fich diese Verschwörer organisierten, erzählte der Fahnen-träger der unter Paiva Couceiro gelierenden Emigranten den, Arztein Berin, der viele verletzte Monarchisten pflegte:»Wir sammelten uns in einem Orte bei Tuinzo. Dort er»hielten wir Waffen und gingen durch spanisches Gebiet bis nahe andie portugiesische Grenze. Da kam ein Schar spanischer Gendarmen,die uns zu zerstreuen suchten. Wir schössen ein paar Male in dieLuft und die spanischen Gendarmen liefen davon I*Obwohl die Vorbereitungen dieser monarchistischen Streitkräfte,ganz ungehindert vor sich gehen konnten, war der Einfall in Chavcseine Katastrophe. Die Zahl der Toten wird auf 100 gezählt und dieder Verletzten und Gefangenen auf mehr als 300.Natürlich hat diese vollständige Niederlage der Monarchisten dasportugiesische Volk mit Freude erfüllt. Aber stärker als die Sieges-frcude ist die Erbitterung des Volkes gegen die spanische Regierungwegen ihrer zweideutigen Haltung.Dies erklärte die offiziöse Note, die die portugiesische Botschaftin Madrid der Presse zugehen ließ. Sie greift die spanische Regie-rung scharf an, und mit Recht.Canalejas hat, um einzulenken, verlangt, daß der Gouverneurder Provinz OrenseS seine Entlassung nimmt und hat verschiedeneMaßnahmen gegen die portugiesischen Emigranten, die an dem Putschbeteiligt waren, getroffen.Was die portugiesische Note betrifft, so hat CanalejaS nicht ge-wagt, sie zu beantworten. Sein Schweigen wird dadurch gerecht-fertigt, daß er die Lage nicht verschlimmern, einen diplomatischenKonflikt vermeiden will.Ueberzeugt, daß sein Benehmen niemand täuschen kann—die Konservativen selbst haben eS getadelt und ihn ungeschickt gc-heißen— versucht er jetzt die Erbitterung der Portugiesen aus-zunutzen, indem er in einigen Zeitungen die Behauptung verbreitenläßt, daß das portugiesische Volk gegen Spanien feindlich gesinnt sei.Dieser Betrug kann ihm nichts nützen. Die große Mehrheitder Portugiesen greift nicht die Spanier an, sondern nur diespanische Regierung wegen ihres Benehmens bei dem Putsch. Unddas mit vollem Recht. Aus demselben Grunde wird sie nicht nurvon spanischen Sozialisten und Republikanern angegriffen, sondernauch von allen bürgerlichen Parteien mit Ausnahme der Karlisten.Die sozialistisch-republikanische Koalition hat das Benehmender Regierung bei verschiedenen Gelegenheiten verurteilt, undnoch ganz bor kurzem zeigte sie einem Minister die Gründe ihresProtestes auf.Die sozialistisch- republikanische Minderheit des MadriderMagistrats hat eine Protestnote an den Vertreter Portugals inMadrid gesandt, und die gleiche politische Gruppe des Parlamentsder Provinz hat sich ihr angeschlossen.Die portugiesische Republik kann ganz sicher sein, daß die großeMehrheit des spanischen Volkes auf ihrer Seite und gegen diespanische Regierung ist.Regierungen wie die des Ministerpräsidenten Canaleja», die ininternationalen Angelegenheiten so perfide handeln, gereichen keinemLande zur Ehre._Der Krieg.Die türkische Krise.Genosse Parvus schreibt uns aus Konstantinopel:Das„Komitee" ist gestürzt. Damit ist aber noch keines-tvegs das Jungtürkentum gestürzt worden. Durchaus nicht!Weder als geistige Richtung, noch als soziales Element, nochselbst als politische Organisation ist das Jungtürkentum beseitigt worden, es wird vielmehr in der Geschichte dieses Lan-des noch eine große Rolle spielen. Beseitigt ist bloß dieOligarchie, die aus einigen Personen innerhalb der Regierungund einiger neben der Regierung sich zusammensetzte, und sieist beseitigt worden, weil sie auf a l t t ü r k i s ch e A r t regie-ren wollte und tatsächlich regiert hatte.Der Sturz dieser Leute ist vollständig. Obwohl sie zuKompromissen bereit waren, war doch die Gegenbewegung sostark, daß sie auch nicht das geringste Zugeständnis machenwollte. Kein einziger Platz im Ministerium! Mehr noch—es ist das nicht bloß ein Kabinettswechsel, es ist ein Regie-rungswechscl auf amerikanische Art: denn schon wurden eineReihe höherer Beamten aus dem Ressort des Ministeriumsdes Innern entfernt, um durch Offiziere ersetzt zu werden,und andere, auch aus anderen Berwaltungszweigcn, werdenihnen vermutlich nachfolgen. So schwer es dem„Komitee"war, die früheren Beamten durch eigene Leute zu ersetzen,denn es besaß nicht genug Menschenmaterial, so leicht kannjetzt dieses, vorzüglich von Talaat Bey geschaffene Werk zu-sammrnbrechen. Denn das„Komitee" kam nach und nachdazu, da ihm die Anhänger fehlten, um wichtige Beamten-Posten zu besetzen, durch Vergebung von Beamtenposten sichAnhänger zu schaffen.Das„Komitee" hielt sich ja erst von der Regierungs-gewalt zurück. Aber das ging auf die Dauer nicht. Es wardas eherne Muß der Revolution, das sie zwang, ein Mini-sterium der Jungen zu bilden. Einmal soweit gelangt, be-sorgte die opportunistische Taktik, die sie von Anfang ananwandten, den Rest. Denn es liegt im Wesen des Oppor-tunismus, daß er sich dem Bestehenden bis zur äußerstenMöglichkeit anpaßt. Darin liegt seine Stärke und auchseine Schwäche. Denn, wenn es auch eine Kinderei wäre,die politischen Potenzen, die in der Regierungsgewalt stecken,zu ignorieren, so ist es andererseits eine Narrheit, die großenVolksfaktoren einer Revolution gegenüber der Regierungs-gewalt zurücktreten zu lassen.Man muß es den Komileeleuten lassen: sie haben dieRegierungsgewalt bis zum letzten Tropfen ausgenützt. Siehaben sich auf alles gestützt, worauf man sich überhaupt hatstützen können.— darum haben sie denn auch schließlich allesverloren. Da waren vor allem zwei Faktoren, mit denenman zu rechnen hatte: die Hochfinanz und die Diplomatie.Die neue Negierung suchte, sich beiden zu akkomodieren. Aberda war auch die Steuerfrage, der blutige Zehent, dessen Ab-» schaffung man dem Bauerntum versprochen hatte,— dieseSache durfte nunmehr nicht angetastet werden, denn dieHochfinanz duldete es nicht. Da waren ein allgemeinesStürmen und Drängen, das die Revolution entfesselte, Meetings, in denen sich ein Freiheitsrausch austobte, Zeitungs-schreiber, die überall sich einmischten und das politische Lebenaufwühlten, und dann— die Arbeiterstreiks. Das allessahen sowohl die Hochfinanz wie die Diplomatie nicht gern.Diese Bewegung mußte also eingedämpft werden— darumder Belagerungszustand, die reaktionären Gesetze. Es isteine geschichtliche Tatsache, daß die Komiteeleute durch dieHochfinanz und die europäische Diplomatie zur Konter-revolution ermuntert und angetrieben wurden. Das kannnicht nachdrücklich genug betont werden. Das Fiasko desKomitees ist zugleich ein Fiasko der Politik, die das kapita-listische Europa im Orient anwenden möchte.Der letzte Stützpunkt des Komitees war der Sultan.Er verfeindete sich mit den Volksmassen; es verlor seinePopularität unter den fortschrittlichen Elementen und es ge-lang ihm nicht, die rückschrittlichen Elemente zu versöhnen,obwohl es ihnen reichlich Zugeständnisse machte: eS verlorseine parlamentarische Mehrheit, und als es mit Gewalt eingefügiges Parlament zusammentrommelte, büßte das Par-lament seine Macht ein; es verlor seinen Ruhm, sein An-sehen, seine Autorität: mußte deshalb schließlich auch seineAnhängerschaft im Offizierskorps verlieren. Was nochschlinimer ist, in der Soldatenmasse selbst gärte es. Ichweiß aus guter Quelle, daß man Schwierigkeiten hatte mitden Rebifs, den türkischen Reservisten, daß die Bauern aufden Dörfern erklärt hatten:„Es ist genug, wir wollen unsnicht mehr abschlachten lassen, wir machen nicht mehr mit."Und was war denn der Sultan? Ein verweichlichter, willens-schwacher Mensch, der erst vom Komitee auf den Thron gesetztwurde und stets dessen Gefangener blieb! Dadurch, daß dasKomitee, das durch den Sturz des Absolutismus seinenTriumph einleitete, sich schließlich auf den Willen des Sultansgegenüber dem Willen der Gesamtbevölkerung stützte, führtees seine eigene Taktik ad absurdum, zu deutsch: geriet insAlberne. Als der Sultan Schwierigkeiten machte, stellteman die Frage seiner Abdankung— und er fügte sich.Die Offiziersrevolte siegte auf der ganzen Linie. Dieverhafteten Offiziere werden freigelassen: Offiziere, die min-bestens mit den Aufständischen sympathisiert hatten, kommenan leitende Beamtenstellen. Das war aber eine Bewegungaus der Mitte des Jungtürkentums selbst, zum Teil die-selben Leute, die die Revolution gemacht hatten.Das neue Ministerium setzt sich aus Staatsmännern zu-sammen, die dem alten Regime angehörten. Es beginnt aberseine Tätigkeit damit, daß es den Belagerungszustand auf-hebt und größere politische Freiheit verheißt, d. h., es be-ginnt mit einer jungtürkischen Politik. Es kann nichtanders, denn sonst würde es sich keinen Augenblick haltenkönnen. Und das beweist, daß, trotz aller Schwierigkeitenund Hindernisse, der Parlamentarismus in der Türkei Bodengefaßt hat.Der Umsturz ist in der Bevölkerung mit großer Genug-tuung aufgenommen worden. Es war, wie wenn man voneinem Alp befreit wäre, man sah überall freudige Gesichter,in den Couloirs des Parlaments, in den Cafäs, auf den Bos-porusdampfern, überall, es war ein Volkstriumph, beinahwie nach dem Sturz Abdul Hamids.Aendernngen im Ministerium.Konstantinopel, 28. Juli. Der ehemalige Großwesir Ferid istzum Präsidenten des Senats ernannt worden. Der FinanzmtnisterZ ia Pascha hat das Ministerium des Innern übernommen. Anseine Stelle im Finanzministerium ist das Mitglied der Finanz-reformkommission Abdur, Rahman getreten.Die Vorgänge in der Kammer.Konstantinopel, 20. Juli. In der heutigen Sitzung der De-putiertenkammer verlas der Präsident eine Anzahl vonTelegrammen der Bürgermeister und Notabeln von Adrianopel,Koniah, Brussa, Dedcagatsch und Adalia. Die Telegramme wendensich lebhaft gegen die Umtriebe der der Liga angehörenden Offi-ziere, besonders gegen ihre Forderung nach Auflösung der Kammer,welche ein Eingriff in die Verfassung und in die Rechte des Sultanssei. Die Adrianopeler erklären in ihren Telegrammen, sie seienbereit, diese Leute zu vernichten. In einer Depesche heißt eS, wenndie Offiziere wahrhaft Retter seien, müßten sie an die Grenze vonTripolis gehen. Alle diese Kundgebungen wurden mit lebhaftemBeifall aufgenommen.Vier Majore überreichten dem Kammerpräsidenten ein Mani-fest unterzeichnet: Militärkomitee zur Verteidigung der Verfassung.In dem Schriftstück erklärt das Komitee sich bereit, die Kammergegen jeden Angriff zu verteidigen.Die Mitglieder des Wahlkollegiums von Trapezunt haben andie Regierung ein Telegramm gerichtet, sie würden niemals dieAuflösung der Kammer zugeben. Das jungtürkische Komitee ver-anlaßt bei seinen Klubs und Parteigenossen in gleichem Sinnegeholtene Kundgebungen.Aufhebung der Dcpeschenzensur.Konstantinopel, 29. Juli. Die militärische und zivile De-Peschenzensur wurde aufgehoben.Der Aufstand in Albanien.Konstantinopel, 28. Juli. Wie die Blätter melden, ver-sammelten sich gestern in der Ebene von Kossovo 60 000 Albaner,die an die Regierung ihre bekannten Forderungen richteten.Die albanische Mission, deren Führer Ibrahim Pascha,der ehemalige Wali und Kommandant von TripoliM ist außerAkif Pascha, der. angeblich krank ist, in Pristina eingetroffen. Siewurde auf allen Stationen begeistert begrüßt. Das Lager der Ar-nauten erstreckt sich bis drei Kilometer vor Pristina.Saloniki, 28. Juli. Malissoren haben in der Gegendvon Skui Urel zwei Bataillone angegriffen, die zweiGeschütze mitführten. Der Kampf war heftig; auf beiden Seitengab es Tote und Verwundete. Die Malissoren besetzten die Uferdes Mati und marschieren gegen Kruja, von wo dringend Ver-stärkungen gefordert werden.Ein Bombardement im Roten Meere.Massaua, 28. Juli.(Meldung der Agenzia Stcfani.) Gesternbombardierten zwei italienische Kriegsschiffe dasfeindliche Lager und die um dasselbe liegenden befestigten Schanzennördlich von Ho d ei da. Die am nördlichsten gelegene Schanzewurde zerstört. Die mittlere Schanze wurde in Brand geschossenund die dort lagernden Munitionsvorräte explodierten. Das feind-liehe Lager wurde mit gutgezielten Schüssen aus einer Entfernungvon bis zu 8000 Metern aufs wirksamste beschossen, und ein Schußverursachte sogar die Explosion eines anderen Pulverlagers, das indieser großen Entfernung gelegen war. In der Stadt selbst und inden Petrolcumlagern wurde kein Schaden angerichtet.politilcke Oebcrlicbt.Verlin, den 29. Juli 1912.Die Reichseinnahmen.Die Jsteinnahme an Zöllen, Steuern und Gebühren imersten Viertel des laufenden Rechnungsjahres hat 383 Mil-lionen Mark betragen. Im Etat für 1912 war diese Ein-nähme für das ganze Jahr zuerst auf 1561,7 Mill. Mk. ge-schätzt, Durch den Ergänzungsetat wurde der Betrag umrund 52.3 Mill. Mk. gesteigert, so daß im Etat?es lckusendenJahres aus dieser Einnahmequelle rund 1614 Mill. Mk., fürein Vierteljahr im Durchschnitt also 403,5 Mill. Mk. erwartetwerden. Die Jsteinnahme ist also um rund 20 Mil-lionen Mark hinter dem Voranschlag zurück-Hinter dem Voranschlage sind die Zölle mit 13,1 Mill. Mk.zurückgeblieben. Die Tabaksteuer mit 0,8, die Zuckersteuermit 1,1, die Branntweinverbrauchsabgabe mit 2,1, die Brau-steuer mit 0,8, die Loosesteuer mit 2,4, die Personenfahrkarten-steuer mit 0,6, der Grundstücksübertragungsstempel mit 0,3,die Zuwachssteuer mit 1,0, die Erbschaftssteuer mit 1,5 Mil«lionen Mark. Dagegen haben Mehrerträge abgeworfen dieZigarettensteuer mit 1,1, die Leuchtmittelstem!? mit 0,3, dieZündwarensteuer mit 0,9, der Wechselstempel mit 0,4, dieBörsensteuer mit 0,5, die Kraftfahrzeugsteuer mit 0,4, dieTantiemesteuer mit 1,0 Mill. Mk.Bischofskonferenz und Zentrnmsstreit.Ueber die am 7. August in Fulda stattfindende Bischofs«konferenz hatte die»Kölnische Zeitung" auf Grund von Jnfor«mationen geschrieben, daß dort der klerikale Gewerkschaftsstreitzur Beratung gelangen und dabei die Berlin. Trierer»Richtung einen„inoral-theologischcn" Sieg erringen werde.daß aber die„moral-theologische" Ablehnung des M.-GladbacherGewerkschaftsprinzips mit dem Ausspruch praktischer Dul«dung und Anerkennung der christlichen Gewerkschaften verbundensein werde. Der zu erwartende Sieg der„Berliner" werde inWirklichkeit ein Pyrrhussieg sein. � iDie antibachemitische„Kölner Korrespondenz" läßt in ihrerNr. 36 vom 20. Juli durchblicken, daß die„Kölnische Zeitung" gutunterrichtet sei. Auch der Streit über den Zentrums-ch a r a k t e r soll in Fulda auf der Bischofskonferenz verhandeltwerden; diesem Streit werde i n hohen und höchsten kirch-lichen Kreisen sogar mehr Gewicht beigelegt als dem Gewcrk-schaftsstreit. Man wisse in diesen wie auch in leitenden Zentrums-kreisen,„daß der Streit zwischen der Kölner Richtung und derOsterkonferenz eine Gefahr für die Partei ist, und zwar einewachsende Gefahr, ferner, daß der Fortbestand und dieStärke des Zentrums für die Kirche von noch viel größerer Bedeu-tung ist wie die Frage,„ob christliche Gewerkschaften oder katho«tische Fachabteilungen".Die Hauptschwierigkeik, so fährt die„Köln. Korrespondenz" fort, liege nicht auf dem prinzipiellen Gebiet(Papst undMehrheit der deutschen Bischöfe ständen auf feiten der Trier-Berliner), sondern sei die:„Wie kann man den M�Gladbacherntaktisch beikommen, ohne daß ein Eklat entsteht?Man hat es nämlich mit Elementen zu tun, die auch den kirchlichenAutoritäten die Zähne zeigen und in der Lage sind, den Bischöfenzuzurufen: Vis hierher und nicht weiter!— Da gilt es, demFeinde goldene Brücken bauen, über die er sich langsam und schein-bar in allen Ehren zurückziehen kann. Die Bischöfe werden sagen.was Roeren sagt, und Herr Bachem wird sagen, dashabe er immer gesagt."Zu dem bevorstehenden Katholikentage in Aachen ver-öffentlicht die„Kölner Korrespondenz" eine Zuschrift, die fordert,daß der Katholikentag sich mit dem Zentrumsstreit befassen solle;denn gerade die„Generalversammlung der Katholiken Deutsch«länds" sei der berufenste Ort. diese„Frage aller Fragen im katho-tischen Deutschland" zu erörtern; der Streit drehe sich doch geradedarum,„ob die Weltanschauungsorganisationen der deutschenKatholiken im Einklang mit der katholischen Weltanschauung bleibenmüssen".Die„Köln. Korresp." bezweifelt, daß der Katholikentag ausdiese Anregung eingehen werde, denn:„Zu solchen Erörterungensind die Katholikentage gar nicht da; sie sind keine Waschanstalten,sondern Bcgeistcrungsinstitute; es gilt die katholischen Massen fürdie katholische Sache und damit fürs Zentrum zu begeistern.Das ist der Zweck der Katholikentage.Die Taktik deS preußischen WahlrechtskampfeS.Genosse Eisner hat bekanntlich vor einigen Wochen den Vor«schlag gemacht, unter den bürgerlichen Kreisen deS preußischen Ab«geordnetenhauses dadurch Verwirrung und Zwietracht zu stiften, eineschärfere Scheidung zwischen Rechts und Links herbeizuführen unddamit einer gründlicheren Wahlreform vorzuarbeiten,'daß die Sozial-demokratie überall(von den Wahlkreisen, in denen sie selbst einMandat erringe» zu können hofft, abgesehen) schon bei den Ur-wählen für die Liberalen eintrete. Nichi'nur für die Fortschrittler,sondern auch für die N a t i o n a l l i b e r a l e n.Wie unseren Lesern bekannt, hatte Genosse LandtagsabgeordneterHirsch diesem phantastischen Vorschlag unter Beibringung deSBeweismaterials entgegengehalten, daß erstens dank derSchönheiten des DreiklassenwahlshstemSl und der WahlkreiSgeometriedie dem Liberalismus zugedachte Unterstützung durch die Sozial-demokratie bei weitem nicht den Einfluß auf das Wahlergebnishaben könne, wie Eisner aufs Geratewohl hin anzunehmen beliebte,und daß zweitens die preußischen Nationalliberalen so bösartigeReaktionäre feien, daß sich die Sozialdemokratie durch ihre Unter-stützung selbst die Rute schneide, durch die sie dann gezüchtigt werde.Der einzige Effekt der Vermehrung deS nationalliberalen Einflussesfür die Wahlreform selbst könne nur der sein, daß womöglich durchdie Beseitigung der Drittelung nach UrWahlbezirken, wie siedie Nationalliberalen so heiß ersehnten, die Sozialdemokratie auchnoch um die paar Mandate gebracht werde, die sie zurzeit zu erobernvermöge.Darauf antwortet nun Eisner in einem langen Artikel in derChemnitzer.Vollsstimme", dessen weitaus größten Teil fteilich per-sönliche Reminiszenzen und allgemeine Betrachtungen einnehmen,die für die Sache selbst völlig belanglos sind. Aber auch das, wasEisner zum strittigen Thema selbst vorbringt, ist leider so allgemeinund nichtssagend wie nur möglich. So. wenn er sagt:„Hirsch bestreitetjdannjdie Möglichkeit, die MehrheitSverhältniffezu sprengen. Darüber könnten wir sehr lange drSkutteren.und sehr erfolglos, weil jede rechnerische Grund«läge, angesichts der vollständig neuen Wahl-situation, fehlt. Die geschichtliche Erfahrungund die heutige soziale Struktur Preußens sprichtfür'meinejAusfassung. Den Beweis kann nur die Probe führen."Das ist alles total unrichtig. Denn Hirsch hat gerade statistischnachgewiesen, daß Eisncrs Spekulationen auf die stärkere Wahl-beteiligung auf unrichtigen Annahmen beruhten I Auch ist eS wirklicheine etwas naive Zumutung, auf die phantastischsten Annahmen hinder Partei eine„Probe" zu empfehlen, während doch bei einigemSitzfleisch wenigstens leidlich zuverlässige An-Haltspunkte zu gewinnen wären. Besitzen wft dochin der detaillierten amtlichen Reichstags- und Landtagswahlstatistikdie Unterlagen für eine vergleichende Uebersicht, die noch durch eineweitere Enquete in den nicht allzu zahlreichen Wahlkreisen, die nachder ersten sichtenden Auslese schließlich nur noch in Frage kommenwürden, ergänzt werden könnten. Aber wir geben gern zu, daß e»bequemer ist, in den Tag hinein zu reden und die abenteuerlichstenProjekte auszuhecken, als erst einmal ein wenig die Stattstik zu Rate