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®{ft6 eigenartige Situation I Täten wir das, dann könnten wir allerdings Lauban  -Görlitz   von den vereinigten Konservativ- Nationalliberalen für die Fortschrittler erobern und Jauer- Bolkenhain-Landeshut den Konservativen abnehme! und den Nationalliberalen zuschanzen. Wäre es da nicht viel richtiger, in Lauban  -Görlitz  , wo drei Abgeordnete zu wählen sind, ein Mandat von den von uns zu unterstützenden Fortschrittlern zu verlangen und in Jauer-Bolkenhain-Landeshut zu sehen, was wir aus eigener Kraft herausholen können? Für ausgeschlossen halte ich die Stärkung des Liberalis- mus in dem vom Zentrum und Polen   beherrschten Kreise Oppeln  . Im Bezirk Magdeburg könnten wir vielleicht aus eigener Kraft Wanzleben   für uns erobern, in den Bezirken Merseburg   und Erfurt  , wo wir vereinzelt wieder konservativ-nationalliberalen Kompromissen begegnen, dürfte ein Wechsel im Besitzstand kaum zu erwarten sein. In Schleswig-Holstein   wird aller Wahrschein- lichkeit nach durch das Verhalten der Nationalliberalen, die ein Bündnis mit den FortschrUtlern abgelehnt haben, die jetzige Anzahl Konservativer wiedergewählt werden, gleichviel welche Taktik wir einschlagen. Aussichtsvoll für uns ist hier Altona  , aber wenn es uns gelingen sollte, zu siegen, wer- den nicht die Konservativen oder das Zentrum, sondern die Fortschrittler die Leidtragenden sein. In den Bezirken Hannover   und H i l d e s h e i m wäre die Möglichkeit gegeben, den einen oder den anderen Lionservativen zu verdrängen, aber nicht etwa durch einen Fortschrittler oder gar durch einen Sozialdemokraten, sondern höchstens durch einen Nationalliberalen, auf den sich die ge< samte Linke vereinigt. Weit weniger Aussicht bieten die Be zirke Stade. Osnabrück   und A u r i ch. Die Wahlkreise iin Bezirk Münster   vollends sind, mit Ausnahme des konservativ vertretenen Kreises Tecklenburg  , sichere Zentrums domänen. Anders liegt es im Bezirk Minden  . Hier hätten wir zunächst unser Augenmerk auf den Kreis Herford  -Halle  - Bielefeld   zu lenken, der drei Abgeordnete wählt. Durch unser Eintreten fiir den inzwischen verstorbenen Volksparteiler Lorentz gegen den Christlichsozialen Mumm haben wir bereits 1908 einen der drei Sitze den Fortschrittlern verschafft: alle drei der Reaktion zu entreisten, wäre durch ein Bündnis mit den Liberalen, wobei uns ein Mandat eingeräumt werden müstte, ein leichtes. Vielleicht würde ein solches Bündnis auch den Verlust von Minden-Lübbecke   mit zwei Abgeordneten auf Kosten der Konservativen zur Folge haben. In den übrigen Bezirken ist eine wesentliche Verschiebung nicht zu erwarten. Höchstens könnte der Landkreis Kassel   und der Kreis Oberlahnstein   mit unserer Hilfe von den National liberalen gewonnen werden. Ebenso könnten wir die mit unserer Hilfe gewählten sogenannten Arbeitervertreter des Zentrums aus Dortmund  , Bochum   und Mülheim   a. d. Ruhr verdrängen. Aber das wird auch dann geschehen, wenn wir in der Stichwahl Gewehr bei Fust stehen. Nach dem ver- räterischen Gebaren des Zentrums sind diese Kreise der Linken sicher: es liegt für uns kein Grund vor, auf ein selb- ständiges Vorgehen zu verzichten. Im Gegenteil, ein selb- ständiges Vorgehen ist sogar direkt geboten, weil in einem dieser Kreise die Wahrscheinlichkeit besteht, dah wir diesmal an die erste bezw. zweite Stelle rücken und dadurch zum min- besten ein gutes Austauschobjekt erhalten. Es blieben schliestlich noch die Bezirke Köln  , Trier  , Aachen   und Sigmaringen  , jene schwarze Gegend, aus der wir die dort gewählten 29 Zentrumsvertreter, denen meist keine Kandidaten gegenüber standen, wohl schwerlich verdrängen werden. Meine Berechnung macht keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit. Es handelt sich natürlich nur um eine Wahr- scheinlichkeitsrechnung. aber sie dürfte der Wahrheit näher kommen als die Bernsteinsche Vermutung, dast wir den Kon- servativen samt Anhang 30 bis 40 und dem Zentrum 10 bis 15 Prozent ihrer Mandate abnehmen werden. Wo sind also die 80. Mandate, um die wir nach Ansicht Bern st eins durch die Eisnersche Taktik die Reaktion schwächen können? Schlösser, die im Monde liegen! Alles in allem dürfte es uns, wie ich bereits früher be- tont habe, gelingen, durch ein taktisches Zusammengehen mit den Fortschrittlern die Reaktion um 20 bis 30 Mandate zu schwächen. Viel mehr können wir auch durch die Eisner-Bern- steinsche Taktik nicht erreichen. Hiernach stellt sich die Frage nicht so, ob wir bei der nächsten Wahl die Zusammensetzung des preußischen Drei- klassenhauses ändern sollen, sondern ob wir es k ö n n e n, und da muß ich zu meinem Bedauern resigniert eingestehen, dast wir der Reaktion allzu großen Abbruch nicht tun können. Es liegt auch nicht so, daß wir bei der Bernstein-Eisnerschen Taktik nichts zu verlieren haben. Wir würden dadurch, wie erst kürzlich Arons betont hat, auf eine in hohem Grade organisationsfördcrnde Arbeit verzichten, wir würden aber auch in agitatorischer Hinsicht Schaden leiden, unser Wahlrechts- kämpf würde abgeschwächt werden, wenn wir Anhängern eines plutokratischen Pluralwahlrechts zuliebe auf die Auf- ftellung eigener Kandidaten verzichten wollten. Zum Parteitag. II. ffen Hauptgegenstanv, der das größte Interesse fccS Partei- lagcs auf sich lenken dürfte, wird die Reorganisation der Partei, vor allem des Parteivorstandes bilden, eine Froa« die weit weniger die Theoretiker als die Praktiker angeht. llnsere Partei ist an Mitgliederzahl enorm gewachsen, ihre Wahlerfolge sind außerordentlich: dabei aber scheint es nicht wenigen Genossen, als ob ihre Aktivität nicht in gleichem Maße wüchse, vielmehr abnähme. DaS ruft eine ziemlich weiwerbreitete Unzufriedenheit hervor, die sich naturgemäß in eister Linie gegen den Parteivorstand richtet. Man wirft ihm Mangel an Initiative und an Fühlung mit den Massen vor. Der Reorganisationsplan soll diesen Uebeln abhelfen.. Inwieweit das zu erwarten ist. soll hier mcht weiter erörtert werden. Ob der vorgeschlagene Ausschuß daS beste Mittel ist. die Fühlung des Vorstandes mit den Massen zu vermehren; ob die Konferenzen der Bezirkssekretäre dazu besser geeignet; ob andererseits die Vermehrung der Zahl der Beisitzer ein Mittel ist, den Vorstand aktiver oder schwerfälliger zu gestalten. das sind Fragen, die ausreichend nur von Genohen beantwortet 'werden können, die im OrganisationLleben reiche Erfahrungen ge- sammelt haben....~ Nur eine Bemerkung über die geforderte Vermehrung der Zahl her Beisitzer sei hier vorgebracht. Nach dem jetzt geltenden§ 14 des OrganifationsstatutS besteht der Vorstand u. a. aus drei Beisitzern, von denen zwei durch die Kontrollkommission gewählt werden. Wenn nun gewünscht wird, diese Zahl zu erhöhen, so wäre eine Bestimmung w.ohl zu begrüße� die es dem Parteitag ermöglichen würde(und zwar ohne den Umweg der Kontrollkommission), auch einmal mehr als drei Beisitzer zu erwählen. Ich will nicht behaupten, daß die Arbeit im Partei- bureau den Blick mehr beenge und zur Leitung der Partei weniger befähigte, als etwa die Arbeit im Parlament oder in einer Redaktion oder einem 5tonsumverein. �Aber jedenfalls kann es Kräfte geben, die entweder durch ihre Fähigkeiten oder durch ihren Beruf auf anderen Gebieten tätig sind als in der Parteiverwaltung, und die doch die Leitung der Partei in wertvollster Weise verstärken dürften. Solche Kräfte können heute nur in beschränktem Maße in den Parteivorstand gewählt werden. Es erschien« mir von Vorteil, wenn dem Parteitag di? Möglichkeit gegeben würde, ohne Beschränkung, ganz nach seinem Ermessen den Vorstand durch Hin- zufügung derartiger Elemente zu verstärken und zu bereichern. Dazu genügte es, wenn die jetzige Bemessung der Zahl der Beisitzer aus drei wegfiele und es einfach hieße:den Beisitzern". Die Zahl der Schriftführer ist ja im Statut auch nicht begrenzt. Wird dagegen eine bestimmte Zahl der Beisitzer festgesetzt fünf, sieben, sogar neun werden vorgeschlagen, so setzt man damit an Stelle des Rechtes des Parteitags, dem Parteivorstand wertvolle Kräfte hinzuzufügen, die Pflicht, eine gewisse Anzahl neuer Elemente unter allen Ilmständen in den Vorstand zu wählen, auch dann, wenn keine Kandidaten vorhanden sind, die ihm«in neues, noch nicht in ihm vertretenes Element von Bedeutung zuführen würden. Nun ist aber eine ausführende Körperschaft um so schwer- fälliger, je zahlreicher sie ist. Ohne Not soll man den Vorstand über das jetzige Ausmaß nicht erweitern. Bei jedem weiteren zusätzlichen Mtglicd sollte man die strengste Prüfung walten lassen, bloß außerordentliche Kräfte hinzuzwählen. Nur in diesem Falle wird eine Erweiterung des Vorstandes auch eine Verbesserung bedeuten. Mit anderen Worten, die Frage der Beisitzer ist eine P e r- sonenfrage. Man gestalte das Organisationsstatut so. daß es die Möglichkeit gibt, den Vorstand zu erweitern, wenn Personen vorhanden sind, deren Hinzufügung zu den jetzigen wünschenswert ist. Aber man hüte sich, einen Zwang auszusprechen, dem Vorstand auf jeden Fall eine bestimmte Zahl Beisitzer hinzuzugescllen, auch wenn keine Kandidaten von überragender Bedeutung in Frage kommen. Die Vermehrung der Zahl der Beisitzer wird zwar meist anders motiviert: nicht mit dem Wunsche, auserlesenen Kräften, die nicht in der Parteiverwaltung tätig sind, den Zutritt in höherem Maße als bisher zum Vorstand zu ermöglichen, sondern mit dem Wunsche, den nicht direkt an der Parteiverwaltung beschäftigten Mitgliedern des Parteivorstandes die Mehrheit in ihm zu geben. Man nimmt an. daß dieParteibureaukraten" von Natur aus bremsen, die anderen Genossen von Natur aus vorwärts treiben. Durch das Zusammenwirken beider käme das richtige Tempo heraus. Dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen. Wenn die verwaltenden Mitglieder des Vorstandes Beschlüsse durchsühren sollen, die sie nicht selbst gefaßt haben, die sie für falsch halten, die ihnen aufgezwungen wurden, wird es mit der Energie und der Einheitlichkeit dieser Durchführung gewaltig hapern. In den Parteivorstand selbst würde ein Moment innerer Zerrissenheit ge- tragen die schlimmste Bedingung für energisches konsequentes Handeln. Wem die jetzige Tätigkeit des Parteivorstandes nicht gefällt, der mutz an Stelle der jetzt in ihm sitzenden Personen andere in ihn hineinwählen. Auch insofern ist die Frage des Parteivorstandcs eine reine Personenfrage. Tie Wahl von Beisitzern zu dem Zwecke, den Vorstand durch Majorisierung seiner jetzigen Mitglieder zu einer anderen Art der Tätigkeit zu veranlassen, als er bisher geübt, wäre der unglückseligste Weg, der zu diesem Zwecke eingeschlagen werden könnte. Ehe man über alle diese Punke entscheidet, müßte man vor allem die Frag« klarlegen: was wir von einem Parteivorstand zu verlangen haben; was ein Parteivorstand leisten kann und leisten soll. Man wirft dem Vorstand mangelnde Initiative bor. Soviel ich sehe, bezieht sich der Vorwurf bloß auf unzureichende Initiative bei Massenaktionen. Zu einer konkreten Anklage hat er sich aber nur verdichtet gelegentlich der vorjährigen Marokkoaffäre. Da wurde dem Parte ivorsfond der Vorwurf gemacht, er habe nicht rechtzeitig Massendemonstrationen gegen die Kriegsgefahr veranlaßt. Eine große Zahl Genossen(zu denen auch ich gehörte) war damals der Meinung, es wäre besser gewesen, der Vorstand hätte früher die Demonstration angeordnet. Aber wenn er es nicht tat, so geschah es nicht aus Schläsrigkcit oder Aengstlichkeit, sondern weil er die Situation anders auffaßte als wir. Es lag da eine Verschiedenheit der Auffassungen vor, über die sich streiten ließ, kein Versäumnis. Das ist der einzige konkrete Fall von Bedeutung, in dem der Vorwurf mangelnder Initiative zu Massenaktionen gegen den Parteivorstand erhoben wurde. Das geschah schon im vorigen Jahre. Gegen den seitdem neuverstärkten Vorstand ist irgend ein greif- barer Vorwurf einer Versäumnis überhaupt nicht erhoben worden. Was sich gegen ihn wendet, ist nur allgemeiner Unmut darüber, daß wir zwar immer stärker werden und die Erbitterung der �Massen wächst, daß aber trotzdem Aktionen der Massen nicht mit gewünschter Intensität einsetzen. Dieser Unmut ist begreiflich, und wenn es schon in der Natur der Sache liegt, die Schuld an allem, womit man nicht zufrieden ist, im Staat der Regierung, in der Partei dem Parteivorstand zu- zuschieben, so wird das in den letzten Jahren noch dadurch gefördert, vaß die alten Vorstandsmitglieder, die sich in Jahrzehnten ununter- brochenen Vorkampfes unter den schwierigsten Umständen bewährt, eit 1900 einer nach dem anderen dahinstarben oder doch ihre Tätig- keit einschränken mußten, so daß die Mehrheit deS Parteivorstandes heute aus Genossen besteht, die als Leiter der Gesamtpartei noch keine Gelegenheit hatten, auch nur annähernd so grenzenloses Ver- trauen zu erwerben, wie es die Liebknecht und Bebel, Auer und Singer seit einem Menschenalter gewonnen hatten. Damit sei nicht gesagt, daß die Geschäftsführung der Genannten nie eine Kritik fand. Im Gegenteil, der Parteivorstand ist seit jeher auf unseren Parteitagen den lebhaftesten Kritiken ausgesetzt gewesen._ Aber allerdings wurde meist nur bemängelt, wäs er tat. Heute wird ihm dagegen gerade das vorgeworfen, was er nicht tat, aber ohne daß bestimmte Taten gefordert werden mit Ausnahme, wie gesagt, des Marokkofalles. Nur im allgemeinen wird mehr Initiative ver- langt, und die soll ihm jetzt durch die Reorganisation beigebracht werden. Diese Reorganisation mag sehr nützlich sein, sie mag den Vor- stand in engere Fühlung mit den Massen bringen, ihm neue Kräfte zuführen. Aber man glaube nicht, daß es davon abhängt, ob sich das Tempo unsepes Vormarsches oder die Art des Agierens der Massen ändern werden. Diese hängen von keinem Parteivorstand ab, und wenn sie sich ändern, wird eS durch Verhältnisse geschehen, deren Eintreten nicht von uns bestimmt werden kann. Kein Parteivorstand kann den Massen den Willen zu großen, stürmenden Aktionen einflößen. Die Initiative auf diesem Gebiet gehört nicht zu seinen Aufgaben. Die Masse wird nur durch große historische Ereignisse bewegt, und je mehr die Sozialdemokratie eine Massenpartei, je mehr die sozialistische Bewegung eine Massen- bewegung wird, desto geringer der Einfluß, den die Initiative einer leitenden Parteibehörde auf ihre umfassenden Aktionen üben kann. Ihre Aufgabe ist es nicht, den Willen zur Aktion zu schaffen, sondern ihn dort, wo er sich geltend macht, fruchtbringend zu leiten. Man hat diese Auffassung als passiven Radikalismus verhöhnt. Sie ist aber nichts als historischer Materialismus, als die Auf- fassung, daß es unser gesellschaftliches Sein ist, das unser Bewußtsein bestimmt, und nicht umgekehrt. Aber wird dadurch der Fortgang unserer Bewegung nicht vom Zufall abhängig gemacht? Davon, ob eben Ereignisse eintreten, die die Massen aufrütteln oder nicht? TaS wäre allerdings der Fall, wenn die Verschärfung der Klassengegensätze ein bloßer Zufall wäre itpd sich nicht mit Notwendigkeit vollzöge. Mt sie mit Not« ivendigkeit Bät sich, dann müssen auch früher oder spLker Sikua« tionen oder Ereignisse einircten-, die die Vol�Sma�selr nodTtu.. regen als heute und sie noch gewaltiger in Belvegung.etzen. Und find die Volksmassen nicht heute schon uberall aus da-- tiefste erregt? Wir brauchen nur auf die Riesenstreiks in England. in Budapest  , in Zürich  , die Vorbereitung des Generalstreiks in Belgien   hinzuweisen, um zu zeigen, welche Erregung die Massen überall durchzittert, wie leicht sie sich exploiiv Luft macht. Keine einzige dieser Bewegungen aber entsprang der Jn-nanve eines Parteivorstandes. Auch wo die leitenden Jni.anzen von Partei und Gewerkschaft sie anordneten, geschah es unter dem Druck der empörten Proletaricrmassen. Und nur wo dieser.rrur! ub-r- mächtig ist, kann eine Massenaktion, die über eine bloße Demon» stration binausgebt, jene Wucht erlangen, ohne die sie ersolglo-, zusammenbrechen muh. Eine Massenaktion dieser Ar» ist von vorn- herein zum Scheitern verurteilt, wenn ihr erst der Parieivorstand Leben einzuflößen hat..,. Dieselben Ereignisse aber, die auf die Massen wirken, sie kühner und aktionslustiger machen, beeinflussen auch die leitenden Personen. die ja auS keinem anderen Stoffe gemacht sind. Dentl-cd tonnte man das zum Beispiel erkennen an der Stimmung, ir.z auf dem Jenaer   Kongreß von ISOS herrschte, den die russische Revolution an- feuerte, und der Stimmung des Mannheimer Parteitags im nächsten Jahre, der unter dem niederdrückenden Eindruck der siegreichen Konterrevolution stand. Wenn aber unser Wille nicht frei ist. und wenn es nicht vom freien Willen eines Parteivorstandcs, sondern vom Gang der Er- eignisse abhängt, ob unsere Bewegung lebhafter oder flauer, kuhner oder vorsichtiger ist, wieso kommt es dann, daß in so vielen Lau- dern, in denen unsere Partei schwacher ist als in Deutschland  , die Bewegung in den letzten Jahren lebhaftere und energischere Formen angenommen hat als bei uns? Diese Frage ist nicht mit zwei Worten, zu beantworten, dazu wäre eine tiefergehende Untersuchung der Verhältnisse in den ver- schicdenen Ländern notwendig. Nur auf zwei Momente sei hier hingewiesen. Das eine ist die Größe der Partei selbst. Nicht bloß in der Mechanik, sondern auch in der Politik gilt daS Gesetz, daß eine Masse um so schwerer in Bewegung gesetzt werden kann, je größer sie ist, daß aber auch die Wucht ihres Anpralls um so gewaltiger wird, wenn sie einmal in Bewegung gerät. Desto tiefer gehender ihre Wirkungen, sowohl im Falle des Sieges wie der Niederlage. Und unsere Partei überragt nicht bloß an Mitglicderzahl die Bruderparteien, sondern die meisten auch an Geschlossenheit, was ebenfalls ihr Gewicht vergrößert. Außerdem besteht in letzter Zeit eine ihrer Eigentümlichkeiten(die auch der Gewerkschaftsbewegung eigen ist) in dem raschen Vordringen in die Kleinstädte, ja selbst auf das flache Land. Das vermehrt nicht bloß die Masse der Partei und macht es schon dadurch schwerer, sie in eine umtassende Be- wcgung zu versetzen, sondern führt ihr auch Mitglieder zu. die unter ganz anderen Bedingungen leben als die der Großstädte. DaS kann unter Umständen zu argen Reibungen zwischen beiden Elementen führen wir haben bereits darauf hingewiesen, daß sich die unerfreulichen Partciverhältnisse in Württemberg   wohl zum Teil dadurch erklären. die Rücksichtnahme auf die kleinstädtischen und ländlichen Elemente wird von den Genossen der Großstädte auch oft als arge Hemmung ihrer politischen und gewerkschaftlichen Betätigung empfunden. Dem steht jedoch der Vorteil gegenüber, daß jeder Fortschritt, der von den Arbeitern in Groß- und Kleinstadt, in Städt und Land gemeinsam errungen wird, viel fester steht alS ein Erfolg der Großstädter allein. Die Rückschläge, die ehedem durch das Aufgebot der unorganisierten und unaufgeklärten Elemente der Kleinstädte und des Flachlandes herbeigeführt wurden, werden jetzt seltener. Das zweite Moment aber, das den Drang nach Massenaktionen bestimmter Art zeitweise im deutschen   Proletariat weniger stark erwachsen läßt als bei Proletariern anderer Länder, liegt in seiner energischen und erfolgreichen Teilnahme an der Massenaktion der Reichstagswahlen. Man vergesse nicht, daß die Teilnahme an einer Wahl namentlich bei allgemeinem, gleichem und direktem Wahlrecht, auch eine Massen- aktion ist. und zwar eine der umfangreichsten und eindringlichsten. Hätten die. belgischen Genossen einen Wahlsieg errungen wie die deutsche Sozildemokratie, sie würden kaum zum Generalstreik rüsten. Und die Genossen Budapests hätten wohl auch von ibrem Demon- strationsstreik abgesehen, wenn sie das deutsche Wahlrecht besäßen. Was als mangelnde Initiative zu Massenaktionen in der deut- schen Sozialdemokratie erscheint, ist also im wesentlichen ein Pro- oukt unserer besondere-, Verhältnisse. Es liegt nicht an den Führern, aber auch nicht an den Massen, und es ist ganz unangebracht, den einen oder den anderen Vor- würfe darüber zu machen, weil es nicht so schnell vorwärts geht, wie wir es wünschen. Aber haben wir denn überhaupt zu wünschen, daß die großen Kämpfe, die aus der Zuspitzung der Klassengegensätze auch für Deutschland   entspringen müssen, rascher kommen, als es der Fall ist? Sicher müssen wir wünschen, daß die Lage der Proletarier sich rasch bessert. Es ist wohl begreiflich, daß sie erklären, nicht länger warten zu können. Und längeres Warten wäre auch zwecklos. wenn es ein tatloses Warten wäre. Aber ist denn die Zeitmangelnder Initiative" wirklich eine Zeit der Tatlosigkeit? Arbeiten wir nicht unermüdlich am Ausbau der Organisation, an der Vervollkommnung und Verbreitung unserer Mittel der Aufklärung, der Presse, der Bildungskurse. der Buchliteratur usw.? Sind wir nicht ständig bemüht, die Zahl unserer Vertreter im Reichstag, den Landtagen, den Gemeindever- waltungen zu vermehren? Sind diese nicht eifrig darauf bedacht, die Interessen der gesamten ausgebeuteten Volksklassen zu wahren?. Zeigen sie ihnen nicht aufs eindringlichste durch ihre Tätigkeit in Sachen der Teuerung, der Wohnungsnot, der Steuergesetzgebung. der Zollfrage, des Wettrüstens usw., daß die Ausgebeuteten alle nur einen Freund haben, auf den sie bauen können, die Partei der Arbeiter, daß alle anderen Parteien ihre entschiedensten Feinde sind und die paar Menschenfreunde unter den bürgerlichen Ele- menten nur machtlose und meist auch unzuverlässige Freunde?) Und haben die deutschen   Arbeitermassen nicht auch ausreichend ver- standen, durch machtvolle Demonstrationen das politische Gewicht zu vergrößern, das sie selbst bei Wahlen oder durch ihre Vertreter bereits einzusetzen haben? Haben wir irgend eine Ursache, diesen Prozeß, der mS von Tag zu Tag stärker macht, aus eigener Initiative zu unterbrechen? Sollen wir die Initiative ergreifen und den Gegner zum Entschei- dungskampf herausfordern, solange wir noch in der Lage sind, unter den gegebenen Umständen rascher zu erstarken als unsere Feinde? Sicher ist es verkehrt, zu glauben, der Prozeß unserer Er- starkung werde ohne jede Störung durch unsere Gegner so lange ge- duldet werden, bis wir friedlich die herrschenden Klassen expropriiert hoben, ohne daß sie es merkten. Aber es ist nicht minder verkehrt. aus Ungeduld zu verlangen, daß wir'inseren Gegnern zuvorkommen und den Prozeß unserer Erstarkung selbst auS eigenem Antrieb stören sollen... Regstes Leben auf allen den eben berührten Gebieten ist drin- gendste Notwendigkeit für die Erstarkung des Proletariats. Aber nichts schlimmer als ein� Initiative von Parteibehorden, die über diese Gebiete hinausgeht. Hier müssen wir die Ereignisse an uns herankommen lassen.... Machen die Ereignisse eine weitergehende Aktion notwendig und macht die Stimmung der Masse sie ausstchisreich, dann aller- dings ist es Aufgabe deS Parteivorstandes, an ihre Spitz« zu treten und sie zu leiten.. Es kann nicht seine Aufgabe sein, den Willen und die Kraft zur Aktion zu schaffen, wohl aber soll. er. wo»dieser Wille und diese Kraft durch den Gang der Ereignisse hervorgerufen werden, sie zu einheitlichem, planmäßigem Handeln zusammen- fassen, denn nur unter dieser Bedingung wftd die proletarische Kraft daS Maximum ihrer Leistungsfähigkeit erreichen und so viel zu erringen imstande sein, als unter Ken gegebenen Nachtverhält- Visses zu«ringen möglich ifi,