Dr. 216. 29. Zahrgaaz.1. JSrilMt!>».Fmiirls" 8trlintt JolMifl»--»»»—»«Noch immer eiendsbllder vor derFreibank.Wird es bald besser werden? So jammerten vor zehnTagen Tausende von Frauen und Männern vor den BerlinerWerkausstellen für minderwertiges Fleisch. Wird die Regie-rung dem durch die Volksnot geborenen Antrage der größtenPartei im Deutschen Reiche Folge geben und den Reichstageinberufen? So fragten Millionen von Notleidenden. Abernichts ist geschehen zur Besserung der Lage, absolut nichts.Ter deutsche Michel wurde abgespeist mit inhaltsleerenRedensarten. Lieber soll das Volk weiter darben. Alsonochmals auf ins Elendsgebiet! Von der Ringbahnstation«ehen wir über die Brücke, die nach dem städtischen Schlacht-Viehhof hinunterführt. Links und rechts sind die sonst so ge-füllten Boxen fast leer. Was war das früher hier für einLeben und Treiben, für ein Gewirr von Tierleibern undTierstimmen! Gelangweilt stehen vor den Häusern undHürden die Treiber, schon kenntlich an dem unvermeidlichenKnüttel und dem bammelnden Messingschild vor der Brust.Das Volk will Fleisch, billiges Fleisch— und es ist überhauptnicht genügend da. Der mächtige Betrieb ist halb lahmgelegt,wie bei einer Seuche, einer Schlachthofsperrung. Eine Seucheist es ja auch, die Seuche agrarischer Volksaus-hungerung.Sonnabend. Das Volk will sorgen für den Sonn-tag. Da stehen sie wieder, wie vor zehn Tagen, die vielen,vielen ausgedörrten, unterernährten Hunderte... undlauern auf die Oeffnung des Paradieses für minderwertigesFleisch. In der Nacht auf Freitag und am Morgen war derAndrang wohl am stärksten. Man wußte, daß am Freitagmehr Fleisch da ist als sonst. Gereicht hat es selbst-verständlich nicht entfernt. Der Sonnabend bringt er-fahrungsgemäß die geringste Fleischmenge. In der FreibankGrünthalerstraße langten nur 250 Pfund an. Auf diese Weiseerklärte sich der etwas schwächere Zustrom, nicht etwa auseiner Abnahme der Not. Viele haben am Sonnabend frühauch gar nicht mehr so viel Geld übrig, um minderwertigesFleisch einkaufen zu können, wissen auch, daß bei dem An-drang schwer anzukommen ist. Von allen Seiten wurdeerklärt, man müsse unbedingt ganz früh auf dem Posten feinund beim Viehhof sogar auf der Straße kampieren, um sicherFleisch zu erhalten. Sollte es unter diesen Ausnahmezu-ständen nicht möglich sein, in dem weiten Viehhof Unter-iunstsräume zu beschaffen oder wenigstens die Vorhalle zurFreibankfürdieNacht zu öffnen? Wo dieSchweine übernachten,muß doch auf für Menschen ein Platz übrig sein. Oder legtman auch bei uns in Berlin an arme Leute den agrarischenMaßstab, daß erst das Vieh und dann der niedere Menschkommt? In der Thaerstraße standen gestern die Vorderstenseit Freitagabend 5 Uhr. In der Vorhalle waren am Sonn-abcnd früh dicht gedrängt mehrere hundert Personen, die alleschon in der Nacht sich sammelten. Von den draußen stehen-den Hunderten haben die wenigsten Fleisch erhalten. DieSchuld daran wird dem Umstände gegeben, daß jeder einzelnebis zu sechs Pfund kaufen darf. Alle Vorstehenden kaufen4 bis 6 Pfund. Dann bleibt natürlich für die anderen nichtsmehr übrig. Das Gewicht von 6 Pfund bringt auch Restaura-teure und Inhaber von Privatmittagstischen auf die Idee,hier ihren Bedarf zu decken. Gekochtes Fleisch muß gekauftwerden. Wer es nicht kauft, bekommt kein rohes. Das isteine Härte. Aber die Freibank, die ein Privatunter-nehmen der Viehkommifsionäre ist. will dasintensiv gekochte, also das finnigste und minderwertigsteFleisch am ehesten los sein. Beim Viehhof bemerkten wir amkleines Feuilleton.Tie Legende vom Moskauer Brand. Der Gedenktag idesBrandes von Moskau, der am 16. September zum hundertstenmalwiederkehrt, hat Anlaß gegeben, dieses für den Ausgang desrussischen Fekdzugs Napoleons so entscheidende Ereignis im Lichtzeitgenössischen Zeugnisse zu betrachten. Die landläufige Dar-stellung schildert die Begebenheit in der Art, daß sie als das ge-wollte Werk eines düstren, dämonisch entschlußgewaltigen Patrio-tismus erscheint. Danach hätte der Gouverneur der Stadt, GrafRostopschin. die Stadt vor dem Einzug der Franzosen von ihrenBewohnern räumen und hernach in Brand stecken lassen. In Wirk-lichkeit verhält es sich mit dem Brand von Moskau wie mit anderenfolgenreichen geschichtlichen Ereignissen, die das Ergebnis zufälligerUmstände waren, aber nachträglich in patriotisch erbauliche Groß-taten umgefabelt wurden. Im Moskauer Fall ist die Wahrheit umso sicherer festzustellen, als Rostopschin selbst schon 1823 in einer inParis veröffentlichten Broschüre der Legende entgegengetreten ist.Den Zeitgenossen erschien offenbar die angeblich zum Seil desVaterlandes vollzogene Brandlegung als keine so rühmliche Tat.daß ihr vermeintlicher Urheber die Verantwortung auf sich sitzenlassen wollte. Aber Rostopschms Erklärungen werden durch einedrei Jahre später erschienene Broschüre des französischen GeneralsNempde du Poyet durchaus bestätigt und durch überzeugendeNach Nempdes Beobachtungen war die Katastrophe der Unord.nung und der Nachlässigkeit ,n der Jnvastonsarmee sowie derPlünderlust gewisser in Moskau zurückgebliebener Elemente derBevölkerung entsprungen. Wenn der Brand nicht sofort gelöschtwurde, so lag das weniger an dem Umstand, daß die Pumpen weg-geführt worden waren, als daran, daß Napoleon keinen Bcfebl.qumLöschen gab weil er meinte, die gefluchteten Einwohner durch dieSorge um die Rettung ihrer Wohnstatten zur Ruckkehr bewegen zukönnen. Die hauptsächlichste Entstchungsursache der Katastropheaber war die leichte Bauart der Backösen rn den Häusern, die fürden starken Betrieb den die Soldaten dort einrichteten, nicht zu-reichte. Auf diese Weise ist ein Teil der Städte und Dörfer beimDurchzug der Armee verbrannt und ebenso Moskau. Als am erstenAbend der Okkupation des Kreml im Bazar Feuer ausbrach undmehrere Häuser einäschert' gelang es. des Brandes Herr zuwerden. Am nächsten Tag begann die Plünderung, an der Russenund Franzosen teilnahmen. Am Abend wurden Nempde zweiBrände in der Nähe gemeldet, darunter einer in einem großensteinernen Haus, wo die Soldaten den ganzen Tag Brot gebackenWM. Lempdcs Bemühungen, zu löschen, scheiterten M der oL-Freitagabend, kurz vor 1V Uhr, unter den auf der StraßeKauernden auch Kinder. Mehrere sollen dort übernachtethaben! Das darf nicht sein. Die Eltern müssen selbst so vielVernunft haben, die Kinder dem traurigen Großstadt-schauspiel fernzuhalten. Auch am frühen Morgen befandensich neben den Müttern wieder zahlreiche Kinder. Die Notsteigt immer höher. Das ärmste Volk möchte finnigesFleisch essen, wenn es nur recht viel hätte,--- und unserReichsphilosoph aus der Wilhelmstraße, der treulicheSchützer agrarischer Freibeuter, läßt es sich in„gottgewollte?Abhängigkeit" wohl fein beim felbsterlegten Gamsbraten.Wie lange noch...?«Auf der Freibank in Frankfurt a. M. spielen sich fast täglich er-regte Szenen ab, weil viele Hunderte von Leuten, die stundenlanggewartet haben, unverrichteter Dinge umkehren müssen. Besondersschlimm ist es neuerdings. Als Freitag früh die Freibank eröffnetwurde, waren die Bestände schon auAwrkauft; der größte Teil desminderwertigen Fleisches war bereits von besser situierten Leutentelephonisch vorausbestellt.*Die Regierung schweigt noch immer.Der aufreizende Zustand hält noch immer an: die Re-gierung schweigt über ihre Absichten in der Teuerungsfrage.Tag für Tag, Woche für Woche verrannen. Die Ministerpflegten noch der Ruhe in ihrem Ferienaufenthalt, währenddie Massen nach sofortiger Hilfe rufen. Jetzt ist auch derKanzler nach Berlin zurückgekehrt: aber noch immer verlautetnichts Sicheres darüber, ob die Regierung überhaupt etwastun will. Schweigt sie aus Scham, weil sie sich wieder unterdas Junkerjoch beugen will? Findet sie nicht den Mut, denFortbestand ihrer Hörigkeit vom Bund der Landwirte einzu-gestchen? Denn, daß die Regierung nichts tun will, weilOertels Knute mehrfach gegen den Kanzler drohend erhobenwurde, scheint so gut wie sicher zu sein. So wird gemeldet,daß auf die Vorschläge des Mannheimer Stadtrats zur Be-kämpfung der Fleischteuerung das badische Ministerium desInnern folgende Antwort gegeben hat: Die Landesregierunghält ein neues Gesuch an den Reichskanzlerwegen Zulassung argentinischen Schlacht-Viehes für aussichtslos. Die„Tägliche Rundschau"meldet'dagegen, daß das Reichsgesundheitsamt um ein Gut-achten ersucht worden ist, ob sich die Einfuhr von Gefrier-fleisch in größeren Mengen ohne Aufhebung oder Abänderungdes s 12 ermöglichen lasse. Erst von diesem Gutachten werdedie endgültige Entscheidung abhängen. Aber bis dahin werdenoch einige Zeit vergehen. Fachleute auf diesem Gebietehaben schon längst ihrer Erfahrung dahin Ausdruck gegeben,daß eine ausgedehntere Einfuhr zu billigen Preisen—und darauf kommt es an— nicht bei Fortbestand des tz 12möglich ii.st, daß dieser Paragraph aus gesundheitliche Grün-den entbehrlich ist. Hoffentlich blamiert sich das Reichs-gesundheitsamt nicht durch ein weniger sachverständiges ent-gegenstehendes Urteil: die Schwerfälligkeit in feiner Arbeitkönnten wir ihm dann vorzeihen.Konservative Frechheit.Nach der„Biebricher Tagespost" äußerte auf der 91.Generalversammlung des Vereins nassauischer Land- undForstwirte der Vorsitzende Bartmann-Lödicke:„Wenn heute die Zeitungen sich füllten mit Klagen überFlcischnot, so könne doch von einer eigentlichen Fleischnot nichtdie Rede sein. Könne doch jeder sein Fleisch er-halten, sofern er nur die Mittel habe, es zubezahle n."Wer nicht zahlen kann, braucht nicht zu essen«! Das istechte Agrarierweisheit Roher kann man die Not der Armennicht verspotten.Bergarbeiterlöhne und Hanshaltskosten.Die Montanindustrie hält gegenwärtig eine reiche Ernte. DiePreise für Eisen und Kohle sind in ständiger AufwärtSbcwegung be-griffen und der Absatz gestaltet sich so lebhaft, daß ihm angeblich dieProduktion gar nicht in gleichem Tempo folgen kann. Die Dividendenwerden im Hinblick auf die erzielten Riesengewinne kräftig erhöhtund die Unterbringung der Betriebsüberschüsse verursacht den Leiternder großen Werke schon ziemliches Kopfzerbrechen. Abschreibungenkönnen kaum noch in höherem Maße als bisher vorgenommenwerden und auch die Reservefonds sind schon überreichlich dotiert-Daß dem„Armeekorps der Kohle" und den Arbeitern der Hütten-und Salzwerke angesichts der herrschenden Teuerung eine höhereBeteiligung am ProduktionSertrage recht wohl zu gönnen sei, willden Schwerindustriellen allerdings noch immer nicht einleuchten.Während die Lebensmittelpreise und die Wohnungsmieten in auf-fallender Weise steigen, erhöht sich das Einkommen der Arbeiter inden Hanptgebieten der Montanindustrie nur in einem recht lang-samen Tempo. Im Steinkohlenbergbau betrug der durch-schnittliche Schichtverdienst im 2. Ouartal 1912 4,58 M. gegen4,30 M. im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Der durchschnittlicheOuartalsverdienst ist gleichzeitig von 313 auf 343 M. gestiegen. Essei bemerkt, daß im Juni 1912 die Kosten des wöchentlichen NahrungS-mittelaufwandes einer vierköpfigen Familie im Deutschen Reiche um1,88 M. höher waren, als im entsprechenden Monat des Vorjahres.Auf das Ouartal berechnet ergibt sich hieraus eine Steigerung derHaushaltskosten um 24,44 M. Da die Kosten des Nahrungsmittel-aufwands nur 50 Proz. des ArbeitereinkommenS absorbieren sollen,hätte der Ouartalsverdienst um 48,88 M. steigen müsien, wenn daSLohnniveau im gleichen Grade sich erhöhen sollte, wie die Kostender Lebenshaltung. Die Bewegung deS Ouartalsverdienstes in denwichtigeren Bezirken des Steinkohlenbergbaus ist in nachstehenderTabelle in Vergleich gesetzt zur EntWickelung der Kosten desNahrungsmittelaufwands:Kosten des Nahrung»«Im I Äot MittelaufwandsIm 2. Ouartal Jm 2 Quartal1911 1912 1911 1912Oberschlesien I. 1 235 254 804 826Dortmund.,». 850 885 306 824Saarbrücken... 278 800 822 838Aachen..... 340 870 842 846Aus dieser Uebersicht geht deutlich hervor, daß e» dem Berg«arbeiter bei normalem Verdienst einfach unmöglich ist, eine Frauund zwei Kinder angemessen zu ernähren. Gehen doch in Ober-schlesien sowie im Bezirk Saarbrücken die Haushaltskosten, die nurdie Hälfte des Einkommens ausmachen sollten, noch weit über denOuartalsverdienst hinaus. In den Braunkohlenrevierenist die Lage der Bergarbeiter nicht günstiger. Im OberbergamtHalle verdiente ein Arbeiter im zweiten Onartal 1912 durchschnitt-lich 278 M., das sind 6 M. mehr als im entsprechenden Zeitabschnitt1911. Die Kosten des Nahrungsmittelaufwands stellten sich imzweiten Vierteljahr 1912 in Halle auf 854 M. gegen 334 M. imVorjahre. Im linksrheinischen Braunkohlenrevier ist der Ouartals-verdienst im letzten Jahre von 294 auf 391 M. gestiegen. DieHaushaltskosten erhöhten sich von 337 auf 351 M. In diesenTagen hat der„Phönix", Aktiengesellschaft" für Bergbau undHüttenbetrieb in Hörde, seinen Geschäftsbericht für das Jahr 1911/12herausgegeben. Der Betriebsgewinn dieser Gesellschaft betrug beieinem unveränderten Aktienkapital von 106 Millionen Mark 37,23Millionen Marl gegen 33,58 Millionen Mar! im Vorjahre. Dem-entsprechend konnte die Summe der verteilten Dividende von 15,90auf 19,08 Millionen Mark erhöht werden. Das bedeutet eineprozentuale Steigerung der Dividende von 15 auf 18 Proz. Derdurchschnittliche I a h r e s l 0 h n der auf den Phönix-Wcrken und-Zechen beschäftigten Arbeiter ist gleichzeitig von 1 529,43 M. auf1 600,91 M. oder um 1,87 M. pro Woche gestiegen. Die Kosten deSwöchentlichen Nahrungsmittelaufwands einer vierköpfigen Arbeiter-familie erhöhten sich aber in Hörde, dem Sitz der Gesellschaft von24,81 auf 25,74 M. oder um 1,93 M. Auch dieses Beispiel zeigt.daß trotz günstiger Konjunktur die L e b e n S h a l t u n g der in derMontanindustrie beschäftigten Arbeiter sich von Jahr zu Jahr v e r«schüchtert.Steigende Fleischnot.Die Fleischteuerung hat auch in Fürth i. B. einen rapiden Rück«gang der Schlachtungen zur Folge, obwohl in den letzten Jahreneine andauernde Abnahme des Fleischverbrauchs auf den Kopf derBevölkerung zu verzeichnen war. Da Fürth keinen starken Fremden-Verkehr hat, der insbesondere nicht in einzelnen Jahren steigt odergemeinen Disziplinlosigkeit. Während der Nacht brachen andereBrände zweifellos unter den gleichen Umständen aus, und amMorgen war das Unheil nicht mehr aufzuhalten. Es ist zweifellos,daß die Moskauer Einwohner nicht davon in Kenntnis gesetzt waren,daß die Stadt angezündet werden würde, und sicher haben sie sienicht selbst angezündet. Nempde, der die Stadt durcheilte, um sienoch vor ihrer Zerstörung zu sehen, berichtet, daß er nirgends einemethodische Brandstiftung wahrgenommen habe. Die Legende wirdschon dadurch widerlegt, daß die russische Armee an 20 000 Krankeund Verwundete zurückgelassen hatte. Auch hätte die russische Re-gierung, wenn sie Moskau auf Grund eines vorbedachten Planesgeräumt hätte, nicht ungeheure Waffen- und MunitionSmassenzurückgelassen. Vor allem aber ist zu bedenken, daß sie die Zer-stövung Moskaus vor dem Einmarsch der Franzosen viel sichererdurchführen konnte. Richtig ist, daß die Pumpen weggeführtworden waren, aber nur die der städtischen Verwaltung, nicht diesehr zahlreichen in den Privathäusern. Trotzdem hätte man ernst-sich ans Löschen denken können, aber Napoleon gab keinen Befehldazu. Indem er Moskan ruhig weiterbrennen ließ, glaubte er dieBewohner zur eiligen Rückkehr veranlassen zu können Darin hater sich getäuscht.Theater.Deutsches Theater:„Don Juan", Tragödie vonKarl Sternheim. Die Geschichte endete mit einem argenTheaterskandal. Das Prcmierenpublikum, dem man heutzu-tage eine Bereitwilligkeit, auf alle möglichen Experimente undSeltsamkeiten einzugehen, gewiß nicht ablprelllen kann, folgte demZickzack deS Dramas«ine gute Strecke aufmerksam und wohlwollend.Der Verfasser der grotesk burleske»„Hose" und der„Kassette" hattevon vornherein einen Stein im Brett. Wenn ein Schriftsteller vonso prononzirt satirischen Tendenzen den Juan d'Austria, den un-ehelichen Sohn Karls V., den Halbbruder Philipps II- und Siegervieler Schlachten zum Helden einer„Tragödie" macht, so— meinteman— wird er in diesem Stoffe etwas Neues, der eigenenironischen Grundstimmung Verwandtes zum Ausdruck bringenwollen. Etwa wie Shaw, wenn er im„Schlachtenlenker",in„Antonius und Kleopatra' Exkurse ins Historische unter-nimmt. Sternheim schleift seinen Don Juan, den erim engsten Anschluß an den der Oper als den ewig unersättlichenVerführer zeichnet, in atemloser Hetze durch ein Tohuwabohu derunglaublichsten Situationen. Man denkt dabei zunächst an Sinnund Absichr, daß er durch dieses Springende impressionistisch wirken,im hastigen Borübereilen farbige Eindrücke suggerieren will. Mager daneben greifen, darum könnte ein Versuch, die strengeübersichtlich klare Folge von Begebenheiten und Handlungen,die man im Drama sonst gewohnt war, in lauter einzelneMomente aufzulösen, dennoch Bedeutung haben. Sodannscheint hier und da bor allem in den Glossen, mit denenRigio, Juans phlegmatischer Diener, die Streiche und Ekstasen seinesHerrn begleitet, eine spezifische Note anzuklingen, die wohl zumLeitmotiv des Ganzen hätte werden können: eine auflösende, über-legene, das Tragische zur Farce verkehrende Ironie. Zmn mindestendie Meisterschaft, mit der Viktor Arnold, der nachdenkliche großeKomiker, die Rolle spielte, legte den Gedanken an solche Möglich-ketten nahe. Aber je weiter der Abend vorrückte, um so mehrschwand jede Hoffnung, um* so klarer wurde es, daß der Verfasserselbst nicht wußte, was er wollte. Die Szenen torkelten am Endewie trunken durcheinander. Juan, der die Mutter seiner angebetetenMarie verführt, ihren Vater ersticht, steckt dann ihr Hang in Brand,um sie im Schlafgemach zu überraschen, findet aber leider nur nochZeit, sie aus den Flammen zu erretten. Plötzlich erinnert sich derDichter, daß der historische Juan dÄustria ein ruhmreicher Feldherrwar, der für den spanischen Philipp kämpfte, und, wie ausden Wolken gefallen, taucht dann auch Philipp in desStückes Mitte ans. Er preist Don Juans„edles" Wesen undschickt ihn zu den Truppen in die Niederlande. Maria wird indesdes Königs Liebste. Eben noch herzinniglich in Don Juan der-schössen, kann sie sich jetzt vor Philipp in deklamatorischen Racheredennicht genug tun. Die Abgeschmacktheit erreicht in diesen SzenenGipfelpunkte, bei denen nnivillkürlich höhnisches Gelächter losbrach;und als der Spanierkvnig einen Brief nnt der unwilligen Bemerkung:„Wer hat denn diesen Unsinn geschrieben" auf den Tisch warf, warddiese ungewollte Selbstkritik mit lautem Jubel im ganzen Hause be-grüßt. Es passiert dann sonst noch allerlei. Schließlich— keinerkonnte wissen, ob's zu Ende sei— fiel dann, freudig alklamiert, dereiserne Vorhang.Das Stück vor mehreren Jahren als Buch erschienen(im Insel-Verlag, Leipzig), ist auf der Bühne abgetan. Man begreift nur nicht,wie Reinhardts Dramaturgen es zu einer solchen von vornhereinvollständig aussichtslosen Probe treiben konnten. Schade um diemalerisch originellen Hintergründe, die Stern entworfen. Schadernn die vergeblich aufgewandte Kraft der Schauspieler und der Regie.Von Viktor Arnold war schon gesprochen. Eine glanzvolle Leistungbot Moissi in der Hauptrolle. Wegners Philipp wirkte inseilten ersten Szenen markig, kraftvoll. Nur die Besetzung der Mariamit einer jungen Darstellerm, deren Stimme in der Leidenschaft denKlang verlor, paßte in die sonst sorgsam abgetönte, von Holländerinszenierte Darstellung nicht hinein. ät.Humor und Satire.Vom erfreulichen Ergebnis. Der„Vorwärts"stellte fest,«daß vor«den Berliner„Freibänken",«wo das gering-wertige, wenn auch noch nicht gesundheitsschädliche Fleisch aus demViehhof abgegeben wich, Tausende die Nacht durch(zum Test»olle