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Fortschrittliche Bolkspartei und Mittelstand. Hierzu lag von beiden Referenten, Reichstagsabgeordneten Bachnide und Bartschat folgende Resolution vor:

" Der Parteitag der Fortschrittlichen Volkspartei   fordert, durchbrungen von der Bedeutung des Mittelstandes für Voltewirt fchaft und Staat: Pflege aller Zweige des gewerblichen Unter­richtswesens, Ausdehnung des Fortbildungsschulzwanges auf Stadt und Land, Mitwirkung erfahrener Handwerker im Schul­borstand; Vergebung öffentlicher Arbeiten au angemessenen Preisen, Zuziehung von Fachmännern zur Prüfung der Vor­anschläge; Berlegung in fleinere Lose; Buteilung auch an Hand­werkervereinigungen( Submissionsgesellschaften). Ferner fordert der Parteitag die Abgrenzung von Fabrik und Handwerk durch Instanzen, die fachkundig beraten, von Fall zu Fall entscheiden; Beiträge der Fabritbetriebe zu den Kosten der Lehrlingsaus Beiträge der Fabrikbetriebe zu den Kosten der Lehrlingsaus bildung; Einschränkung der Konkurrenz der Gefängnisarbeit; Sinigungsämter zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Gefeß über unlauteren Wettbewerb; Bekämpfung der Borgwirt schaft und schließlich Altersrente aus der Invalidenversicherung mit dem 65. Lebensjahre." Nach der Begründung der Resolution durch beide Referenten und furzer Debatte wird die Resolution mit einem nebensächlichen Zusaz angenommen.

Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die Arbeiterfrage. Bierzu lag vom Referenten Naumann folgender Antrag vor: " Der Parteitag begrüßt den Reichsverein liberaler Arbeiter und Angestellten und erwastet, daß Parteileitung und parlamen tarische Vertretungen der Partei sich bei Agitation und Gefeß­gebungsarbeit in beständiger Fühlung mit diesem Verbande halten. Der Parteitag verlangt eine baldige allgemeine Durch arbeitung der Gewerbeordnung und dabei die Herstellung eines allgemeinen deutschen sozialen Arbeits- und Angestelltenrecht mit Sicherung der Gleichberechtigung beider vertragsschließenden wirtschaftlichen Parteien."

Ferner legte der zweite Referent Arbeitersekretär Erkelenz- Berlin   hierzu folgende Resolution vor:

" In der Erwägung, daß der Arbeitsvertrag für fast drei Viertel der deutschen   Bevölkerung die Grundlage ihrer wirtschaft­lichen, politischen und geistigen Lebensäußerungen ist, in der Er­wägung, daß der Arbeitsvertrag und die aus ihm fließenden Ab­hängigkeitsverhältnisse fast noch völlig der rechtlichen Regelung und Bereinheitlichung entbehren, in der Erwägung, daß es vor allen Dingen Aufgabe des Liberalismus ist, die Persönlichkeits­rechte und Freiheiten der Minderbesigenden im Zeitalter der Ma­schinen und des Großbetriebs zu schützen, beschließt der Parteitag: Die Partei wird mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln ein­treten für den Ausbau und die Vereinheitlichung des Arbeits­rechte für Arbeiter, Angestelle, Beamte und alle übrigen minder bemittelten Bevölkerungsschichten vor allem durch Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein geordnetes Rechtsverhältnis im Sinne des Antrages Ablaß   und Genossen."

Weiter lag hierzu vor der soeben erwähnte Antrag Dr. A bIa ß, Dr. Flesch und Genossen, betreffend die Arbeiterfrage. Verbunden hiermit wird ein Antrag des Abg. Dr. Müller- Meiningen auf Schaffung von Sonderprogrammen für Landwirtschaft, Handwerk

und Arbeiter.

Reichetagsabg. Dr. Wiemer: Ga ist Bon einer großen Stunde| Die mangelnde Borbereitung der Sachen ergebe fich auch wohl aus gesprochen worden. Sorgen wir dafür, daß diese große Stunde kein der ungewöhnlich großen Zahl der Freisprechungen. Die Richter fleines Geschlecht findet.( Beifall.) Wir sind im Grunde auch in seien im allgemeinen den Darstellungen der Belastungszeugen ge­dieser Frage alle einig. Wir wollen, daß es auf diesem Gebiete vor- folgt, auch wenn ein solcher allein mehreren Entlastungszeugen wärts geht, und wir schlagen freudig in die uns von den Arbeitern gegenüberstand. Wenn er( Dr. Herzfeld) Richter gewesen wäre, so gebotene Hand ein. Der geschäftsführende Ausschuß ist bereit, den wirde er in den meisten Fällen wohl anders judiziert haben. Reichsverband liberaler Arbeiter finanziell zu unterstüben. Auch ich empfehle in der Hauptsache die Annahme der Anträge Erkelenz­Landtagsabg. Dr. Flesch zog hierauf zugunsten des Antrags Erkelenz   seinen Antrag zurüc

In derselben Weise sagte auch der Duisburger   Rechtsanwalt Dr. Martwis aus. Die meisten Angeklagten, die auf Vorstellung der Gefängnisbeamten auf die Fristen verzichteten, hätten gar nicht gewußt, was sie unterschrieben. An einem Tag hätten 7 von 8 An­geklagten erklärt, sie hätten feinen Verzicht unterschrieben, trotzdem Zur Abstimmung gestellt wurde der Teil des Antrags Naumann, wurde gegen die Leute verhandelt. Bei früheren Streits seien die der die Gründung des Reichsverbandes liberaler Arbeiter freudig Strafen erheblich geringer gewesen. Er habe es in feiner Bragis begrüßt. Dieser Teil des Antrags wurde einstimmig angenommen. noch nicht erlebt, daß, wie bei der Streifjuftiz, unbescholtene fünfzig­Gleichfalls angenommen wurde der Antrag Erkelenz  , in dem jedoch jährige Angeklagte wegen Verbal- Beleidigung mit Gefängnisstrafe im letzten Satz die Einzelforderungen gestrichen und durch allgemeine bestraft wurden. Eine Duisburger Kammer habe er in einer Forderung eines Ausbaues und einer Vereinheitlichung des Ar- Streiffache abgelehnt, weil er das Gefühl hatte, daß die Richter den beiterrechts durch Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein ge- Streitfachen nicht unbefangen genug gegenüberstanden. Diese Ana ordnetes Rechtsverhältnis ersetzt wird. Ginstimmig wurde ferner ficht sei in den Kreisen der Rechtsanwälte weit verbreitet gewesen, eine Resolution des Rechtsanwalts Dr. Berndt- Stettin ange­Rechtsanwalt Dr. Rawiski- Bochum sprach sich in der gleichen nommen: Der Parteitag erklärt, aufs entschiedenste eintreten zu Weise aus. Die ersten Strafen seien allgemein als sehr hart emp­wollen für die Befreiung der Landarbeiterklasse von dem Druck des funden worden. Auffallend jei auch gewesen, daß die Haftbefehle Juntertums, für die Gleichstellung der Landarbeiter mit den ge- in sehr vielen Fällen erlassen wurden, in denen die gesetzlichen werblichen Arbeitern und für die Hebung der Arbeiten in wirtschaft- Vorbedingungen für diese Maßnahmen nicht gegeben waren. Der Staatsanwalt beantragte gegen den Rechtsanwalt Dr. Levy licher und sozialer Beziehung. Der Parteitag fordert die Partei­genossen auf, zum Zweck der Aufklärung und Organisierung der 400 M., gegen den Genoffen Neumann 200 M. und gegen den Rea Bandarbeiter überall eine zielbewußte, eifrige Agitation zu ent- batteur Schored 100 M. Geldstrafe. Sehr sonderbar berührte es, daß ein preußischer Staatsanwalt in dem Saal, in dem im Effener falten." Meineidsprozeß das eklatanteste Tendenzurteil über unschuldige Bergleute gefällt wurde, die Existenz der Klassenjustiz abzuleugnen wagt.

Schließlich wurde angenommen der Antrag Tailfingen   über den Bergarbeiterschub und der Antrag Müller- Meiningen auf Schaffung von Spezialprogrammen für Handwerk, Landwirtschaft und Arbeiter.

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Mannheim  , 7. Oktober.  ( Telegraph. Bericht.) Auf der Tagesordnung des dritten Tages steht die Frauenwahlrechtsfrage.

Die Verhandlung wurde nach dem Plaidoyer des Rechtsa anwalts Heine um 10 Uhr abends auf Montag vertagt.

Soziales.

Seydebrands Zuchtrute im Kreise Militsch  .

Für den Geschäftsführenden Ausschuß spricht Mommsen= Den Konservativen ist von jeher überall dort, wo sie noch un­Berlin. Der Parteiausschuß wünscht, es soll in der Stellung der verfälscht nach eigenen Herrenprinzipien die Politik und den ab­Partei zur staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Frauen eine gestempelten Staatsglauben kommandieren können, der schamloseste programmatische Aenderung nicht eintreten. Mit Rücksicht auf die Terrorismus selbstverständliches Zuchtmittel gegen Auffässige ge= starke Meinungsverschiedenheit in der Partei muß die Entscheidung wesen. Daß in so regierten Gegenden die Sozialdemokraten keine noch hinausgeschoben werden. Jeder Fortschrittler aber soll das Säle zu Versammlungen bekommen, ist nicht weiter verwunderlich, Recht haben, über das Programm hinaus für die staatsbürgerlichen daß die Asphaltliberalen kaum in diese Gebiete hinein dürfen, auch Rechte der Frau zu wirken. Schon der Wahlkampf in Preußen üblich. Daß aber die Stockkonservativen ihre reformkonservativen" zwingt uns in Rüdsicht auf die ländlichen Wähler nicht die radikal- Bauernbundesbrüder mit gleichem Maße wie die Sozialdemokraten sten Forderungen zu vertreten. meffen, ist in Heydebrands Reichstagswahlkreis selbstverständlich! Der ganze Deutsche   Bauernbund ist für die" Dertelisten" ein Berbrechen am heiligen Geist- ins Agrarische übersetzt: am Schreien, Schreien, Schreien! Daran hat sich auch dadurch nichts ge­ändert, daß die Reformbauern jest ebenso energisch und wütend für den Fleischwucher eintreten wie ihre landwirtsbündlerischen Erstgeborenen auf der fetten Weide des deutschen   Staatsfädels und Die Verhandlung über dieses Referat verläuft teilweise sehr Volkswohles. Ist da in dem Dorfe Groß- Tschuntawe( Kreis Militsch) erregt. Der Umstand, daß insbesondere viele Führer der Volts- ein Gastwirt Weihrauch nebenei bemerft. in Klein- Tschunfawe partei Gegner einer Programmänderung find, führt dazu, daß ist der Herrensis Heydebrands!-, ein nüchterner, ruhiger, fleißiger schon zu Beginn der Verhandlungen viele darauf bezügliche Anträge und ordentlicher Mensch, wie der Deutsche Bauernbund", die Ber zurüdgezogen werden. Haußmann Stuttgart   will deshalb bandszeitung des Deutschen Bauernbundes, in ihrer eben era feststellen, daß der Streit über die Rechte der Frauen in ein afa- schienenen Nr. 39 feststellt. Des Wirtes Bruder, einer der ersten demisches Stadium eingetreten sei. Es handele sich nur noch um Bauern im Dorfe, ist eifriger Vertrauensmann des Deutschen  Es wird ihm aber vielseitig ein Bauenbundes. Daher fand auch fürzlich ein Kränzchen des Deuta eine Sympathiekundgebung. schen Bauernbundes bei dem Gastwirt Weihrauch   statt.

Fräulein Bäumer- Berlin   als Korreferentin verlangt die grundsäßliche Anerkennung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung de Frau. Die wirtschaftliche Entwicklung dränge zur Durch fehung dieser Forderung, und wenn die Volkspartei der Frauen­bewegung nicht entgegenkommt, dann haben die anderen politischen Parteien den Vorteil davon.

frätiges Nein entgegengerufen. Für das Frauenstimmrecht liegt fein zwingender Grund vor," sagt er, die Wesensart der Frau zwingt zu anderer Beschäftigung als der mit Politit." Müller- Meiningen   erklärt: es befinden sich viele fogar führende Genossen in einem Gewissenskonflikt, und dem solle man Rechnung tragen. Erst muß die Bildung der Frauen in neue Wege geleitet werden, sonst haben von der Gleichberechtigung nur die Sozialdemokraten und der Klerikalismus einen Vorteil.

Der Amtsvorsteher der in Frage kommenden Heydebrandschen " Krondomäne  " ist ein sicherer Rittergutsbesizer und Landesältefter Schrape in Ober- Wiesenthal. Natürlich ist er auch ein Hasser des Deutschen Bauernbundes, der seinem Herrn Heydebrand und seinem ihm wohl noch näherstehenden Bund der Landwirte ja nur ins edle Handwerk pfuscht.

Wir laffen einen Bericht aus dem" Deutschen Bauernbund" Frau Helene Lange   gibt den Frauenrechtsgegnern bittere folgen. Er zeigt, wie die Agrarier ihr eigen Fleisch und Blut nicht Wahrheiten zu hören und wirft den Liberalen ihre Infonfequenz bor. fchonen, wenn es um die Heiligkeit der fonservativen Kroninfignien Reichstagsabgeordneter aas- Karlsruhe spricht zuerst sehr Schnapsflasche, Zoll- und Fleischwucher, Landratsherrschaft und Im Deutschen Bauernbund" überzeugend für die staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Frau, System Heydebrand- geht. aum Schluß aber ersucht er doch, eine Programmänderung zu ber meiden und die dahingehenden Anträge zurückzuziehen. Daraufhin werden die Anträge auf Programmänderung zurüd­gezogen und folgende Resolution angenommen:

Die wirtschaftliche und soziale Entwickelung hat die Zahl der berufstätigen Frauen außerordentlich vermehrt; diese Ent widelung, die fich aweifellos fortsetzt, und die wachsende Teil­nahme von Frauen aller Schichten am öffentlichen Leben führt mit innerer Notwendigkeit zur politischen Gleichberechtigung der Frau. Der Parteitag fordert deshalb die Parteigenossen auf, die Frauen in ihrem Kampfe um politische Rechte bis zur völligen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung zu unterstützen." Nach dem blamablen Ausgang der Frauenrechtsdebatte wird Organisationsfragen

Friedrich Naumann  , mit Beifall begrüßt, sprach als erster Redner: Die großindustrielle Entwidelung Deutschlands   ist nicht das Wert der preußischen Junker oder der bayerischen Kleri­talen. Die Entwickelung bajiert vielmehr auf dem alten deutschen  Liberalismus. Die Industrie wächst und die Arbeiterklasse wächst, und dieses Wachstum ergibt eine neue politische Situation. Coll der große Sturm gegen Rechts gelingen, dann muß der Arbeiter dabei sein.( Lebhafter Beifall.) Aber ebenso richtig ist, daß der Arbeiter allein es auch nicht machen fann. Hier gehört alles zu sammen, der freie Landwirt, der freie Handwerker, Techniker, der Unternehmer und die Angestellten, die Berufsintelligenz und das große. Riesenheer der Arbeiter. Wenn das alles zusammenhält als eine große Masse, dann können die Heydekrande und Hertlinge be­seitigt werden.( Stürmischer Beifall.) Das ist der Hintergrund, von dem aus wir an die Arbeiterfrage herangehen. Es muß die politische Linte in eine andere Form gebracht werden, und zwar sowohl bei der Sozialdemokratie, die ihre Haltung zum Staat und zu nationalen Fragen ändern muß, als auch beim Liberalismus, der ein Gutteil feiner Stimmung und Haltung zur Arbeiterklasse ändern muß.( Lebhafte Zustimmung.) Die Menschenrechte müssen auch im modernen Industriebolt als liberaler Gedanke Blaz greifen.( Beifall.) Wir wollen uns nicht verlieren in Zu­funftsutopien, wie es einmal werden könnte, wenn es anders wäre.( Seiferkeit.) Wie sieht denn die Arbeiterschaft heute aus? Die Hälfte aller Arbeiter sind Großbetriebsarbeiter. Mit der Großindustrie entsteht eine neue Herrschaftsform. Es ist eine Phantasie, zu glauben, wir fönnten z. B. in der Montanindustrie jemals zum Kleinbetrieb zurück. Die Zusammenballung der großen Betriebe geht weiter, der einzelne Arbeiter ist nur noch eine leicht über ersehbare Nummer. Gibt es für den Arbeiter heute den Begriff verhandelt. Es liegen eine Reihe Anträge vor zur Wahl des Freiheit? Ist die Persönlichkeit des Arbeiters im Großbetrieb noch geschäftsführenden Ausschusses. Ueber Jahresbeiträge, Einberufung vorhanden oder nicht vorhanden? Das sind die Probleme des des Parteitages, Borlegung eines gedrudten Jahresberichts usw. Liberalismus. Gegenüber der heutigen Entwickelung und der Die Stellung des Parteiausschusses zu diesen Anträgen präzi­Beseitigung der effektiven förperlichen Notstände steht die Frage: fiert Abg. Kopsch, der dafür eintritt, daß alle Anträge dem Zen Wo bleibt der Mensch in dieser Entwickelung, der uns im Leben tralausschuß überwiesen werden. Der Parteitag beschließt dem­als Staatsbürger gleichberechtigt aur Seite steht, der aber in den gemäß. Weiter wird beschlossen, eine preußische Landesorgani­Betrieb eingespannt ist und in diesem Betriebe das Gefühl, Bürger fation zu gründen. Abg. Kopsch teilt dann noch mit, daß der zu sein, nur von einer sagenhaften Ferne aus tennt? An Stelle Antrag auf Schaffung eines fommunalen Wahlprogramms gleich des Einzelvertrags ist der Kollektivvertrag getreten.( Sehr richtig!) falls dem Parteiausschuß überwiesen ist. Der gesündeste Anfang der Selbstverwaltung ist der Tarifvertrag. Als lehtes Referat folgt das des Abg. Wiemer über die Eine gejegliche Regelung des Tarifvertrags fäme heute nach meiner staatsbürgerliche Gleichberechtigung. Meinung noch viel zu früh.( Sehr richtig!) Wir sollten uns Er legt Verwahrung ein gegen einen Ausspruch, der im letzten vor dem Glauben hüten, daß nun durch die gesetzliche Regelung Jahre gefallen ist, und nach welchem Staatsämter nur mit tonser­des Arbeiterrechts alles geregelt werden fönnte. Das Schicksal des vativen Beamten besetzt werden können. Arbeiters hängt nicht von geschriebenen Paragraphen, sondern von realen Rechtsverhältnissen, vom Gedeihen und Zurückgehen des Ge­schäfts und von hundert anderen Faktoren ab. Eine gute Handels­politik bleibt die beste Sozialpolitik.( Beifall.) Landtagsabg. Dr. Flesch- Frankfurt a. M.: Die Gefeß­gebung hat bisher die Augen davor verschlossen, daß der Stärkere mehr Recht hat als der Schwächere. Wir müssen auf dem Gebiet

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Ein Antrag auf Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat, und ein weiterer Antrag, die Frage der Trennung der Kirche vom Staat auf die Tagesordnung des nächsten Parteitages u feben, wird angenommen. Damit sind die Arbeiten des Partei­tages zu Ende.

heißt es:

Ein Tag vor Himmelfahrt war bei dem Gastwirt Weihrauch Gemeindegebot. Nach dem Gebot saßen die Bauern noch bergnügt beisammen, bis zur Polizeistunde der Gastwirt Weihrauch sie zum Verlassen des Lokals aufforderte. Sie gingen bei dem schönen Abend, patriotische Lieder singend, dann noch ins Nachbardorf Klein- Tschunkawe, wo sie mehrmals einkehrten.( Trotz der nun eingetretenen Polizeistunde! Red. d. V.".) Der Amisvorsteher hörte hiervon etwas und ließ alle Teilnehmer, gegen 12, eins laden, um festzustellen, ob sie nicht etwa noch nach der Polizei ftunde bei Gastwirt Weihrauch   waren. Da inzwischen einige Zeit vergangen war, so konnten die Vorgeladenen nur aussagen, daß sie an dem Abend vergnügt gewesen sind und nicht nach der Uhr gesehen haben, als' fie herausgingen. Nur in dem Protokoll des einen Zeugen( Steubel) steht ,: er gibt an, es fönne gegen 12 Uhr gewesen sein. Dieser Zeuge bestreitet aber auf das energischfte, eine solche Aussage gemacht zu haben. Kurz und gut, der Gastwirt Weihrauch wird daraufhin zu der höchsten Strafe, die es gibt, nämlich 30 Mart, vom Amtsvorsteher vers urteilt. Der Gastwirt in Klein- Tichuntawe, bei dem die Lustige Gesellschaft später als bei Weihrauch war, wird nicht bestraft.

Der Gastwirt Weihrauch   erhebt Widerspruch. Die Sache geht ans Schöffengericht und dieses läßt sich die Akten vom Amts­borsteher fommen. Der Amtsvorsteher macht in den Akten einige Notizen, von denen das wesentlichste hier folgt. Man höre und staune: Ich habe deshalb das Strafmaß so hoch gewählt, weil nach meinen Informationen Weihrauch stark zum Trinken ani­mieren soll und weil seit seiner Niederlassung in Groß- Tschun fawe sonderbarer Unfrieden im Dorfe besteht. Bei der polizeis lichen Vernehmung vor mir haben sowohl Weihrauch, wie fämt­liche Zeugen auf das dreisteste gelogen; nur Steubel hat in der Funteschen Sache wahres über die vorliegende Sache bekundet, würde aber bei einer neuen polizeilichen Vernehmung ganz ficher mit der Wahrheit zurückhalten. Das ist offenbar alles Gastwirt Weihrauchs Werk." Und weiter: Jch bitte daher, die Zeugen alle eidlich gerichtsseitig zu vernehmen. Mir liegt an einer Be

des Arbeitsvertrages zu Rechtsnormen tommen. Wir wollen ein Die Streikjuftiz auf der Anklagebank.trafung des Weihrauch sehr viel, weil mir burch seinen verderb

Arbeitsrecht von unten auf,( Lebhafter Beifall.)

Reichstagsabg. Dr. Müller- Meiningen  : Es ist nichts leichter, als in einer gewissen Hurrastimmung Anträge annehmen zu lassen( Unruhe.) Mit einem guten Herzen und mit noch so glänzenden Reden löst man derartige schwierige legialatorische Fragen nicht.( 8uftimmung und Unruhe.) Jch warne davor. Man darf nicht in den Arbeitern durch eine unreife Bhraseologie falsche Hoffnungen weden.( Lärm und lebhafte Zurufe.) Mit dem Wort: " Schaffung eines Arbeitsrecht" ist nichts getan."

Reichs- und Landtagsabg. Justizrat Waldstein- Altona: Wir sind einig darin, daß wir eine entschlossene Politif sozialer Reformen treiben wollen. Wir stehen mit beiden Füßen auf dem Boden einer liberalen Sozialpolitik und lehnen die utopistischen und margistischen Umwälzungen in der Sozialdemokratie als Alheil­mittel gegen wirtschaftliche Schäden ab.

Essen, den 5. Oftober 1912.

lichen Einfluß das moralische Niveau des Dorfes zu sinken scheint."

Aber

In dem Prozeß gegen den Rechtsanwalt Dr. Levy und die So schreibt der Amtsvorsteher über einen ruhigen und ordent lichen Mann, dem feiner was nadysagen kann. Der Mann wird Redakteure Neumann von der Effener Arbeiter- Zeitung" und hingestellt als ein Ausbund moralischer Verkommenheit. Schored vom Allgemeinen Beobachter" wiederholte Rechtsanwalt auch allen 12 Zeugen wird ohne weiteres unterstellt, daß sie auf seine zunächst sämtliche im Vorverfahren abgelehnten Beweis­das dreisteste gelogen haben. Ginge dem Amtsvorsteher das durch, anträge. Das Gericht befchloß die von den Angeklagten direkt so hätte der Gastwirt Weihrauch jetzt die Bestrafung, bei nädyſter geladenen drei Rechtsanwälte Dr. Herzfeld- Effen, Dr. Markwis Duisburg und Dr. Nawiski- Bochum zu vernehmen. Die anderen Gelegenheit würde er aber die Kongeffion verlieren und für sein Leben unglüdlich gemacht sein. Interessant ist dabei, daß der Anträge wurden abgelehnt. Das Gericht unterstellte hierbei, daß Schreiber des Amtsvorstehers bereits erklärt hat, er wird dafür sowohl vom Oberlandesgerichtspräsidenten als auch vom Land­forgen, daß der Gastwirt Weihauch seine Rongeffion verliert." gerichtspräsidenten auf Wunsch des Justizminifters dahin gewirkt worden ist, daß die Rechtsprechung in Streiffachen beschleunigt Zum Schluß dieser Schilderung des fonfervativen Terrorismus wurde. Weiter unterstellte das Gericht, daß der Landgerichts- heißt es dann: Sorgen wir dafür, daß das Wahlrecht in Breußen direktor Wanjura- Dortmund sich mehrfach über die mangelnde anders wird, dann werden wir endlich auch dahin kommen, die Vorbereitung der Streifsachen durch die Staatsanwaltschaft be- Institution der Amtsvorsteher, die in den Händen der Großagrarier fchwert hat und daß er die Urteile der 1. Dortmunder   Streit ein Mittel ist, den Bauernstand zu tnebeln, zu drüden und au fammer, die grundfäßlich anfangs nur auf Gefängnisstrafe er- fchikanieren, zu ändern; dann wird der Bauer im Osten Preußens endlich freier atmen können." tannte. vielfach als zu hart empfunden hat.

Reichstagsabg. Dr. Ablaß: Dr. Müller- Meiningen hat es für angebracht gehalten, zu sagen, daß wir unfern Antrag mit unreifer Phraseologie begründet hätten. Dieser Vorwurf ist unbegründet, deur die Begründung war durchaus nicht unreif, sondern ihr liegt Rechtsanwalt Dr. Herzfeld- Effen, der in vielen Streifprozessen Will der Deutsche Bauernbund" ernsthaft eine Wenderung des zugrunde der Gedankengang, des lebten deutschen   Juristentages. ( Lebhaftes Hört! hört!) Wir benten auch an die Kehr- Berteidiger war. befundete als Zeuge, daß er das Empfinden gehabt preußischen Wahlrechts, so darf er nicht im Fahrwasser der National feite und wollen, daß auch die Arbeitgeber gegen habe, daß die Urteile gegen Streifende durchweg härter waren, als liberalen segeln, sondern muß dem Kurs der Sozialdemokratie jebe Willfür geschüßt werden.( Lebhafte Zustimmung.) die Effener Straffammern sonst urteilten. Die Untersuchungshaft folgen. Wir wollen, daß die Arbeitnehmerverbände sei in sehr vielen Fällen verhängt worden, in denen sie nach der eventuell für frivole Streiks verantwortlich gemacht werden Fräulein Dr. Marie Baum   Düsseldorf  : Jm Intereffe der erwerbstätigen Frauen empfehle ich die Annahme des Antrags Erkelenz.  

fönnen.

Gerichts- Zeitung.

Unverfroren.

Später sei in Strafprozeßordnung nicht au rechtfertigen war. völlig gleichliegenden Fällen, in denen zuerst nur Gefängnisstrafen verhängt wurden, nur auf Geldstrafe erkannt worden. Es sei vor­Das Katholische St. Josephs- Hospis zu Perlin   hat die Unver= gekommen, daß Ladungen mit einer Frist von 2 Tagen ergingen. obwohl die Angeklagten auf die Labungsfrist nicht verzichtet hatten. I corenheit gehabt, im Rechtswege in drei Instanzen für sich Kapital