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Er weiß von nichts. Die neuen Opfer in Algatsche drängen durch die Kraft ihrer Wien  , 12. Dezember. Das Neue Wiener Tagblatt" veröffent- grauenvollen Tragik der europäischen   Gesellschaft die Notwendig­licht ein Interview mit dem neuen Chef des Generalstabes feit neuer und energischer Proteste auf.

b. Höhendorff, welcher das Bestehen einer Kriegspartei Alle deutschen   Parteiblätter werden ersucht, diesen Notschrei in Oesterreich- Ungarn   in Abrede stellt und alle Nüdschlüsse, die aus den Folterkammern des barbarischen Zarismus abzudrucken. aus seiner Berufung gezogen würden, als bloße Mutmaßungen be­zeichnet.

Die österreichischen Militärgesetze.

Politische Ueberlicht.

Berlin  , den 12. Dezember 1912. Eine kurze Sihung.

Wien  , 12. Dezember. Abgeordnetenhaus. Das Haus nahm die Regierungsvorlage betreffend den Unterhaltungs­beitrag für Angehörige von Mobilisierten an und Aus dem Reichstage, vom 12. Dezember. Der begann die zweite Lesung des Refrutenkontingents für 1913. Das Subfomitee des Budgetausschusses erledigte die Vorlage Reichstag   hatte sich für Donnerstag eine lange Tagesordnung betreffend eine italienische Rechtsfakultät und nahm gefeßt. Damit er aber auf alle Fälle heute fertig werden cinstimmig einen Antrag Bugatto an, Triest   als Siß zu bestim- und in die Weihnachtsferien gehen konnte, war die Situng Die Regierungsvorlage schlug als provisorischen Gis schon auf 11 Uhr angesetzt worden.

Wien   vor.

Die Cholerafälle in Konstantionpel. Konstantinopel  , 12. Dezember. Die Zahl der seit dem 5. November vorgekommenen Cholerafälle beziffert sich auf 1551. Davon nahmen 717 einen tödlichen Berlauf. Ain 7. Dezember wurden 101, am 8. Dezember 103 und am 9. Dezember 94 Choleraerkrankungen festgestellt.

der

Das Märtyrertum

Es kam aber zu feiner eigentlichen Sitzung. Wegen des Todes des Prinzregenten von Bayern   war der Senioren­fonvent in aller Frühe zusammenberufen worden, der sich da­hin geeinigt hatte, daß die Donnerstagsizung nicht abgehalten, sondern daß sofort die Vertagung bis zum 8. Januar ausgesprochen werden solle. Präsident Saempf widmete dem verstorbenen Brinzregenten einige ehrende Worte des Ge­denkens und vertagte sodann der Vereinbarung gemäß den Reichstag.

politischen Sträflinge in Rußland  . einen Monat später zur Erörterung, als es bei ungehindertem

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führungen dargetan, daß in der Enzyllifa ein gefes. widriger Eingriff in das Koalitionsrecht und insbesondere ein Verstoß gegen§ 153 der Gewerbeordnung und§ 1 des Reichsvereins. geseges nicht liege. Er hat dann ausgeführt, daß wie auf vielen anderen Gebieten so auch hier die Beschäftigung der Kirche und ihrer Organe mit allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Fragen von eminenter politischer Bedeutung für den Staat werden könne, dieser aber hiergegen, solange die Kirche sich in den gesetzlichen Grenzen halte, nicht mit Gewaltmaßregeln vor gehen könne, sondern auf diplomatische Einwirkung angewiesenjei.

Im Anschluß daran hat der Staatssekretär ausdrücklich fest­gestellt, daß eine derartige Einwirkung aus Anlaß des Gewerk schaftsstreites in Rom   erfolgt sei, die Reichsleitung erachte die Entwicklung der interkonfessionellen chriftlichen Gewerkschaften in den Bahnen, in denen sie sich bis jetzt bewegt habe, als dem Staatswohle nüglich und wünschenswert, sie habe dieser Auffassung auch Ausdruck gegeben; nach dem jedoch die Gewerkschaften felbst einen Modus gefunden hätten, der nach ihrer Auffassung zurzeit be.. friedige, liege Peine   Veranlassung mehr bor, sich mit dieser, wie anzuerkennen fei, ernste n und wichtigen Angelegenheit weiter zu befassen. Es ist hiernach verfehlt, die Nede des Staatssekretärs in Zusammenhang mit der durch die Jesuitenfrage gefchaffenen politischen Situation zu bringen oder gar aus ihr auf fachliche Differenzen zwischen dem Reichskanzler und dem Staatssekretär em Staatssekretär des Innern zu schließen.

Leider kommt unter diesen Umständen die sozialdemo­fratische Interpellation über den Wagenmangel erst Gange der Geschäfte der Fall gewesen wäre. Seit mehreren Die Notiz ist besonders insofern interessant, als sie er­Aus Rußland wird uns geschrieben: Tagen schon stand die Interpellation auf der Tages­Es find kaum zwei Wochen vergangen seit den Massenselbst- ordnung. Sonderbarerweise konnte man sie hier bald neut bestätigt, daß die preußische Regierung morden und dem Verweigern von Nahrungsaufnahme seitens der bor der fortschrittlichen Interpellation über die Koalitions in Rom   zugunsten der christlichen Gewert finden. Ob bei dieser politischen Katorgafträflinge*) in Kutomara, und schon wieder freiheit, bald hinter ihr schaften gewirtt hat, da sie diese als dem preußischen Staatswohl nühlich und wünschenswert" bringt der Telegraph die Nachricht von den Selbstmorden und dem mehrmaligen Verschiebung eine kleine präsidiale Nebenabsicht Hungerstreik der politischen Sträflinge in Algatsche.( Das Ge- die Hand im Spiele hatte, möge in diesem Zusammenhange betrachtet. Der Vatikan   hat sich freilich um diese preußische - wahrscheinlich fängnis Algatsche bildet samt Kutomara, Zerentni, Atatnj und zwei Sicher ist, daß die Verschiebung der Regierungsmeinung recht wenig gefümmert noch anderen Gefängnissen die sogenannte Nertschhnst- Katorga.) Interpellation um volle vier Wochen sehr zu bebauern ist. in richtiger Würdigung des Gewichts solcher Meinung. Wenn Im September dieses Jahres als Protest gegen die Gleich. Die mangelhafte Ausrüstung der preußischen Eisenbahnen er den katholischen Arbeitern nicht furzweg die Zugehörigkeit stellung der politischen mit den Kriminalsträflingen und gegen die mit dem notwendigen Betriebsmaterial hat zu Zuständen zu den christlichen Gewerkschaften verboten hat, so mur deshalb, Brügelstrafe versuchten neun Gefangene der Automarer Katorga, geführt, die für den Verkehr und für die beteiligten Arbeiter weil ein großer Teil des preußischen Episkopats für das Nicht­sich durch Gift umzubringen: Puchalski, Mosztin, Michailom, bon Tag zu Tag unerträglicher werden. Es wird deshalb berbot eintrat. Nyszkow, Lejbason, Maslow, Czertwow, Adyncem und Kozlow. Man höchste Zeit, daß in diese Weißwirtschaft einmal mit dem Die Reichstagserfahwahl in Stolp- Lauenburg.

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unerörtert bleiben.

Und

hatte sie gerettet: sie litten unendlich, doch starben sie nicht. hellen Licht der sozialdemokratischen Kritik hineingeleuchtet Der Aufmarsch der Parteien zu der Reichstagserfahwahl am Darauf öffneten sich Ryszkow, Leibason und Maslow die Adern, wird. Vorläufig aber kann Herr Breitenbach noch mit der 23. Dezember ist beendet. Die Konservativen, die bisher den Kreis diesmal mit Erfolg. Puchalski ist auf dem Wege ins Kranken- hehren Gemütsruhe eines unfehlbaren Bureaukraten Weih- inne hatten, stellten in einer Generalversammlung am 10. Dezem haus gestorben, Michajlow ist wahnsinnig geworden. nachten und Silvester feiern. ber den Landtagsabgeordneten Rittergutsbefizer v. Bochn- Dtsch. Die Kunde von dem Entseßlichen in Kutomara ist noch nicht auch die Reichstagsabgeordneten fönnen be Budow auf. Für die Fortschrittliche Volkspartei   kandidiert deren verklungen und schon bringen die letzten Depeschen die Nachricht: friedigt in die Weihnachtsferien ziehen. Haben sie doch nach bisheriger Kandidat Direktor Peter Schwuchow- Steglitz, für die Wegen Anwendung der Prügelstrafe gegen den politischen Sträf- einer beinahe siebenmonatigen Sommerpauſe wieder ganze Sozialdemokratie kandidiert wieder Gewerkschaftsbeamter August ling Brodzki in Algatsche nahmen seine Gefängnisgenossen Greczka, zwei Wochen gearbeitet! Solche Anstrengung verdient Sidfeldt- Danzig  . Die Nationalliberalen, die in der Hauptwahl Ryszkow und Malinowski Gift, und Ogorodzow, Fralon, Timo- ihren Lohn!

faento öffneten sich die Adern."

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In der Zeitung Wiezien polityczny  "(" Der politische Sträf= ling") find drei Briefe aus Algatsche abgedruckt worden, die die Selbstmorde voraussagen, als eine unvermeidliche Folge der neuen Gefängnisverhältnisse, die durch Siemientowski( Inspektor der Hauptverwaltung des Gefängnisses) und Kiaszko( Gouverneur der Provinz Babajtalje) eingeführt wurden. Die letzten Worte eines dieser Briefe lauten:

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Furcht vor der eigenenen Kourage.

den Telegraphensekretär Ohlsberg- Steglit aufgestellt hatten, vera zichten auf eine Kandidatur und haben beschlossen, gleich für den Fortschrittler einzutreten. Könnte das preußische Dreillassenparlament an Ansehen bei der Bevölkerung überhaupt noch Einbuße erleiden, so war die Sitzung bringen, denn eine Volksvertretung, die sich selbst nicht achtet, die am Donnerstag geeignet, es um den letzten Rest von Achtung zu ohne Zögern ihre Rechte preisgibt, hat leinen Anspruch auf die Achtung anderer.

aufgerafft, es hatte von dem Artikel 60 in der Verfassung Gebrauch ge­Vor einigen Tagen hatte sich das Haus einmal zu einer Tat"

Daß die Liberalen die größten Anstrengungen machen, um Den Kreis zu crobern, geht schon daraus hervor, die Fortschrittler bereits vier Sekretäre herangeholt

daß

haben, von denen je einer in den Städten Stolp   und Lauenburg  

sowie in den Badcorten Stolpmünde   und Leba   seinen Sitz hat. Ferner ist eine Anzahl Wanderredner engagiert worden, um auf dem flachen Lande die Agitation zu betreiben. Auch hat die liberale

Wir haben schon feine Kraft mehr, um zu kämpfen. Wir erwarten jeden Tag den Tod, denn man fann ja uns gegenüber macht, und die Anwesenheit des Ministerpräsidenten Parteileitung weitreichende Unterstüßung zugesagt.

die Prügelstrafe anwenden. Das wird der letzte Stoß sein.. Wir sind zu allem bereit.." Moralisch sind wir stark," schreibt man in dem anderen Briefe, und wir werden nicht auf hören zu kämpfen. Aber wie?.... es sei denn nur durch Selbstmorde." In diesen Tagen erhielt die Redaktion des Wiczien polityczny" wieder einen Brief aus dem Gefängnis in Kutomara, in dem es " Der mit den Selbstmorden im Zusammenhang stehende Hungerstreit der Sträflinge in Automara dauerte 15 Tage und nahm erst dann sein Ende, als man die halbbewußtlosen Sträf­linge nach dem Krankenhaus brachte und mit der Anwendung

heißt:

der künstlichen Ernährung drohte."

In Kutomara wurden allen Fesseln angelegt, in Gornhi Zerentnh wurden einem Teile der Sträflinge Hand- und Fuß­fetten angelegt( eine Gesezwidrigkeit, denn die Handfeffeln sollen nur den auf Lebenszeit Verurteilten angelegt werden; in diesem Falle handelte es sich aber um Sträflinge, die in einigen Monaten

cntlassen werden sollten).

Der Gouverneur Kiaszko bereiste die gange Katorga in Nerchnst und redete überall die politischen Sträflinge provozierend mit Du" an. Die Provokation der Sträflinge erstreckte sich aber aus der Katorga Alexandrowsk( Gouvernement Irkutst) wird mit nicht nur auf die Katorga in Rerchusk. In einem anderen Briefe

geteilt:

und des Kriegsministers bei der Beratung eines bestimmten herangezogen. Außerdem arbeitet für sie der ganze amtliche Die Konservativen haben ebenfalls einen Stab von Sekretären Gegenstandes verlangt. War der Anlaß auch ein ziemlich gering­fügiger, so hatten die Dreillaffenleute" doch wenigstens gezeigt, daß fie fich apparat. Daß tros der Siegeszuversicht, die in den konservativen ab und zu auf ihr Recht befinnen können. Es war ein Schauspiel für Blättern zur Schau gestellt wird, den Agrariern nicht ganz woht Götter, den sonst so zahmen nationalliberalen Friedberg   in der 8u Mute ist, ergibt sich deutlich daraus, daß der konservative Ber­Rolle des rasenden Ajax zu beobachten und den Hochkonservativen cin die Feier seines 75jährigen Bestehens am 18. Dezember ver­Strosser in einer Weise gegen die Regierung vom Leder ziehen schoben hat. zu sehen, von der die Sozialdemokratie noch manches lernen fann. Von sozialdemokratischer Seite wird mit aller Zähigkeit daran Man schrie über Mißachtung der Regierung, über schlechte Behand gearbeitet, unsere Stimmenzahl zu vermehren. Auf eine beträcht­lung, über Zurücksetzung und was derlei schöne Rebensarten mehrliche Zunahme ist jedoch kaum zu rechnen, da uns in dem ganzen find. Und heute nach kaum acht Tagen? Heute hat das Drei- Wahlkreis, der in räumlicher Beziehung der größte in Deutschland  Regierung auteil werden läßt, eigentlich eine viel zu gute ist. tlassenparlament dokumentiert, daß die Behandlung, die ihm die sein dürfte, nur ein Lokal in Stolp   zur Verfügung steht. Im vorigen Wahlkampfe glüdte es uns, in drei Orten Versammlungen Arbeit ab. Am Sonntag, den 15. Dezember, findet im ganzen unter freiem Himmel abzuhalten; ob es diesmal gelingen wird, ist fraglich. Doch schreckt dieses Hindernis die Genossen nicht von der Wahlkreise eine Flugblattverbreitung statt.

anwesend, aber nur, um zu erklären, daß er sich nicht zur Sache Allerdings war Herr von Bethmann Hollweg   im Hause äußern wolle, um dann demonstrativ den Saal zu verlassen. Der Kriegsminister glänzte überhaupt durch Abwesenheit, für ihn scheint weder der Beschluß der Abgeordneten, noch der Artikel 60 der Verfassung zu egiſtieren. Jedes andere Parlament hätte auf diese neue Herausforderung der Regierung die gebührende Antwort er­teilt. Das Dreiflassenparlament aber nahm den Fußtritt nicht nur auf Antrag Heydebrand den Antrag auf Erwerb des Nachbar schweifwebelnd hin, sondern es bedankte sich noch dafür, indem es grundstückes ohne jede Debatte an die Budgetfonunission verwies. " Die Gefängnisadministration ruft absichtlich Konflikte her- Bergebens protestierten die Abgg. Dr. Pachnicke und Lipp­vor. Der Inspektor der Hauptverwaltung der Gefängnisse, Siemiontowski, der die Ursache der Selbstmorde in Kutomara mann von der Fortschrittlichen Volkspartei   und unsere Genossen war und der Inspektor unseres Gefängnisses( ein ehemaliger iri und hoffmann gegen die Annahme eines solchen An­Arat daselbst) hatten absichtlich bei der legten Gefängnisvifitation trages, fie vermochten nichts auszurichten gegen die kompakte anstatt der gebräuchlichen Begrüßung den Sträflingen brutal zu- Majorität der Rechten und des Zentrums, zu denen sich die National­geschrien: dorobo"(" Tag"). liberalen gesellten, deren Führer Abg. Friedberg sich als Sie wollten einen Protest von unserer Seite hervorrufen, lautester Rufer im Streite für die Schmälerung der Barlaments­um die Gelegenheit zur Anwendung von Gewaltmaßregeln zu rechte erwies, gleichsam um Ablaß   dafür zu bekommen, daß er türz­haben. Wir betrachteten diese Brutalität als einen Versuch einer lich einmal, wenn auch nur auf Sekunden, Spuren von Mut an den Provokation, wir wußten, wie die Folgen eines Protestes der Tag gelegt hatte. Sträflinge in Automara gegen ähnliche Brutalität waren. Mit

schwerem Herzen haben wir uns des Protestes enthalten und Vorher hatte das Haus das Schleppmonopolgefeg antworteten mit der gebräuchlichen Begrüßung:" 3drawstwujte" in dritter Lesung angenommen. Den Schluß der Sigung bildete ( seid begrüßt"). eine freitonservative Interpellation über die Finanznot der Wir sind überzeugt, daß nur dies unser Verhalten uns Kommunen, deren Besprechung am Freitag beendet werden soll. bon tragischen Ereignissen, ähnlich denen in Kutomara, gerettet hat. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß Siemiontowšti uns mit Absicht provozierte. Die Konflikte in den Gefängnissen sind ihm doch zu seiner weiteren Laufbahn nötig.... Auf wie lange unsere Geduld reichen wird, ist schmer zu sagen. Wir sind doch Menschen!

Als vor zwei Jahren der bekannte russische Revolutionär Sazonow und seine Katorgagenossen Selbstmord begingen, ant­wortete die ganze zibilisierte Menschheit mit einem lauten Protest. In einer Anzahl Städte wurden Protestversammlungen abgehalten. Berühmte politische Führer, Gelehrte, Schriftsteller, Dichter, Künst­Ier fast aller europäischen   Staaten unterschrieben den Protest, der das Abschaffen der Prügelstrafe in den russischen Katorgas forderte. Den Ereignissen in Automata sah man in Europa   schon gleich­gültiger zu. Sollte denn das Gewissen der europäischen   Kultur­völker für das mittelalterliche Märtyrertum, das die russischen Revolutionäre in den zarischen Katorgas zu ertragen haben, ge­fühllos geworden sein?

*) Katorga( russisch  )= Bezeichnung der russischen Festungs­Strafgefängnisse, die meistens im weilen Sibirien   gelegen sind und in denen fait ausnahmslos das Prinzip der Zwangsarbeit der Sträf­Linge herrscht,

Die Regierung und die christlichen Gewerkschaften. Die Regierung fühlt sich veranlaßt, die Wirkung der schönen Rede, die der Staatssekretär Delbrück   im Reichstage über das Koalitionsrecht gehalten hat, etwas abzuschwächen und zu diesem Zweck der Nede eine Art Kommentar folgen zu lassen. Vielleicht ist dem Reichskanzler doch etwas schwer geworden, das Lob zu verdauen, das Herrn Delbrücks Notau vor der römischen Kurie in der Kaplanspresse gefunden hat.

Die Nordd. Allgem. 3tg." veröffentlicht nämlich auf ihrer ersten Seite folgende Erklärung:

Die Ausführungen, die der Staatssekretär des Innern am 10. b. M. im Reichstag zur Enzyllifa Singulari quadam ge= macht hat, haben zu allerhand haltlosen Kombinationen geführt. Sie sind gemacht im Rahmen längerer juristischer Darlegungen über die Grenzen der Koalitionsfreiheit und waren provoziert durch den Abg. Müller- Meiningen, der behauptet hatte, die Reichsleitung habe es unterlassen, gegen die Enzyllifa einzuschreiten, obwohl sie einen schweren Eingriff in das Koalitionsrecht der Arbeiter enthalte. Um diesem Vorwurfe, der auch schon vorher in der Presse erhoben worden war, zu begegnen, hat der Staats­sekretär im engen Anschluß an vorausgegangene juristische Aus- 1

In der Geschichte Deutschlands   hat der Wahlfrcis eine gewisse

Berühmtheit erlangt, die bis zum Jahre 1848 zurückreicht. Be­anntlich wurde Lothar Bucher  , der Vertraute des eisernen Kanz­lers, von Stolp   aus in die preußische Nationalversammlung ge­erhielt. In Stolp   war ferner der Siz und das Hauptquartier schickt. Später vertrat den Wahlkreis der frühere Minister von Buttkamer, der unter der Regierung Friedrichs III. den Abschied der sogenannten Kreuzzeitungs- Deklaranten", die erst bittere Feinde des Kanzlers waren, dann aber zu Kreuze krochen,

Zentralverband deutscher   Industrieller. Im Hotel Adlon   hat wieder mal eine Delegiertenversammlung des Zentralverbandes deutscher   Industrieller getagt. Der Vorsitzende, der frühere Landrat Rötger, hielt den üblichen Begrüßungsspeech. Er betonte, daß trop der Kriegswirren und Kriegs­gefahr sich die deutsche Industrie einer Konjunktur erfreut, die man ohne lebertreibung als eine glänzende bezeichnen fönne.

Dann erstattete der Geschäftsführer des Verbandes, der Re­gierungsrat Schweighofer einen sogenannten Geschäftsbericht. Er schimpfte nach Schema F über die revolutionären Umtriebe, die Ausschreitungen und den Terrorismus der Sozialdemokratie und forderte dann wiederum den Schutz der Arbeitswilligen". Er meinte:

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Meine Herren! Es ist ein eigentümlicher Zustand, daß bei uns im Deutschen   Reiche der religiöse Friede und der politische Friede in jeder Weise geschützt sind, daß dagegen der wirtschaft­liche Friede einen solchen Schuß nicht genießt. Auf den Standpunkt, ein direttes Verbot bes Streif posten stehens zu verlangen, hat sich bei uns die Mehrzahl der bom Deutschent Handelstage befragten Handelskammern ge­stellt, und zwar in der lleberzeugung, daß nur durch ein strafrechtliches Berbot des Streitpostenstehens der ungeheure, bei den Arbeitskämpfen gegen die Arbeitswilligen ausgeübte Terroris mus wirklich gebrochen werden könne. Es muß daher mit Recht wundernehmen, daß es wiederum einem mit dem Zentralverband bei jeder Gelegenheit in Konkurrenz tretenden wirtschaftlichen Verbande borbehalten geblieben ist, in dieser die Intereffen der gesamten deutschen  Industrie so gleichmäßig berührenden Frage einen Sonderweg ein zuschlagen. In einer vor einiger Zeit von diesem Verbande bekannt gegebenen Erklärung wird ein gefeßliches Verbot des Streifpoften ftehens als ein gegen die Arbeiter gerichtetes Ausnahmegefeß" charakterisiert. Es berührt eigenartig, daß Führer einer industriellen Vertretungskörperschaft, die auf dem Boden der bürgerlichen Rechtsanschauung stehen, ein auf Verbot des Streitpostenstehens

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