Ar. 9. 30. Iahrgavg.2. Keilqe Ks Jotmärff Kerl« BullislilatlZonnabtud, 11. Januar 1913.Hus aller CHelt.Das verpaßte Btaatshteid.Die„Diiinchener Post" erzählt:Mit dem schwungvollen Gange, den sich der Herr Minister-Präsident seit neuerer Zeit angewöhnt hat, durchschreitet eram Donnerstag früh die Halle des HauPtbahnhofeS. An seinerLinken mit flättternden Rockschößen, daS EinglaS inZ Auge geklemmt, der unentbehrliche LegationSrat. Hinter ihm mit demKoffer in der Hand der neue Kammerdiener aus Italien. In derNähe des Gepäckschalters halten Seine Exzellenz den schwebendenSchritt an und geruhen dem Kammerdiener zu befehlen:.GebenSie das Gepäck auf. auf Freikarte nach Stuttgart, es kostetnichts t" Eine tiefe Verbeugung und der Kammerdiener trägt diekostbare Last, den Koffer mit der Staatsuniform und denschimmernden Vertrauensbeweisen des Regenten, an die Gepäck-bcförderungsstelle..Auf Freikarte nach Stuttgart", näselt er den Beamten an undgeht stolz davon, jeder Zoll em Kammerdiener eines großen Herrn.„A�f zwei Karten nach Stuttgart", sagt der Mann in der Ab-fertigung und schiebt dein Beamten im Schalter den Schein zurAbrechnung hin.S. 52, Abfahrt 8 Uhr 22 nach Stuttgart, steht bereits am Perron.Exzellenz und Herr LegationSrat belieben noch nicht Platz genommenzu haben.Herr Legationsrat schwänzelt um seinen erhabenen Chef wie eingirrender Täuberich um seine Erwählte.In ehrerbietigem Abstand stehen, mit weißen Baumwoll-Handschuhen an den Händen, die Gewaltigen deS Bahnhofes, dieVerfrachtung der hohen Personen höchstselbst zu überwachen...Bitte, einsteigen erschallt's längs der Wagenreihe. Da kommtein Mann aus der Gepäckabteilung schnaufend an den Packwagenund schreit:.Das Koffer! da aus Stuttgart muß heraus! Der Lalihat sein' Gepäckschein net abgeholt I'Und der Koffer Seiner Exzellenz fliegt mit elegantem Schwungwieder aus dem Packwagen heraus. Die Schiebetür rasselt zu.8. 52 pfaucht davon.Einer der Bahnhofobersten sieht den schwitzenden Mann mitdem Koffer vorbeigehen und hält ihn an.„Was haben Sie da?"„Ein Kofferl, für das die ExpeditionSgebühr nicht bezahltworden ist."Der Bahuhofalleröberfte tritt hinzu. Käieweiß schreit er:.UmGotte» willen, das ist ja der Koffer Seiner Exzellenz des Minister-Präsidenten mit der Staatsuniform für die Beisetzung Kiderlen«WaechterZ!"Händeringen, schweißtreibende Aufregung, Herbciholung desEisenbahnpräfidenten. Der hat die erlösende Idee..Sofort mußein Differenzbeamter mit einem Auto nach, nach Ulm telegraphieren,8. 52 stellen, bis Auto da ist."Der Differenzbeamte langt sich da? erste beste Auto am Bahn-hofplatz und fort geht'S mit dem Stadtchauffeur zur Fernfahrt. BisAugsburg geht's in leidlichem Tempo. In der Fuggerstadt lassendie geographischen Kenntnisse des Münchener Chauffeur» au». Nachlanger Irrfahrt sind die Gepäckbeförderer Seiner Exzellenz endlichauf die Ulmer Straße.(In Ulm wartet 8. 52 auf telegraphischen Anhieb 20 Minutenüber die Abfahrtszeit.Kein Auto kommt..Das ischt wieder so ä boherische Sauerei," schimpft derStatiouSchcf.„ES Zügele derf net länger warte."Die Paffagiere schimpfen auch. Der LegationSrat renkt sich denSchwanenhals nach dem verpaßten Kofferl aus.Kein Auto kommt, kein Kofferträger.Die Reisenden schimpfen lauter. Weitere zwanzig Minutenvergehen.Fünf Viertelstunden vergehen. Die Passagiere drohen Hand-gemein zu werden mit dem Personal.„Jetzt goht mir die Geduld auS!" brüllt der StationSchcf",„mag dem Minischterle sei' Kofferte beim Teufele sei'."8. 52 dampft ohne den Koffer Seiner Exzellenz fort.Es ist 12 Uhr 8.Um 1 Uhr hinkt ein krankes Auto in Ulin an. Der Differenz-beamte rast mit dem Koffer an den Perron. 8. 52 natürlich fort.Was nun? Da» Münchener Auto streikt: Also mit einem UlmerAuto nach Stuttgart. Grinsend cinpfängt der Ulmer Schnauierl«lenker den fetten Auftrag. Und los geht'S. Aber nicht lange,denn an der GeiSIinger Steige erklärt der Wagenführer aus Ulm,daß es ihm nicht einfalle, den saudummen Berg wester zu fahren.Inzwischen ist'S 2 Uhr geworden und der Differenzbeamte gibt daSRennen auf.Jm Leichenzug in Stuttgart aber schreitet ein kleiner, alter Herrim einfachen schwarzen Anzug und zum Leid über den Verstorbenengesellt sich die innige Trauer über den Verlust des im Kofferleruhenden RepräsentationSglanzeS. Der LegationSrat aber nimmtgerade das achte Taschentuch in die Hand. Seine Seele ist auf-geweicht in Betrübnis wie eine Semmel in der Milch.Abends Konserenz in der Eisenbahndirektion München. Gegen-stand der Verhandlung: Wer trägt die Kosten? Beschluß: DemStaatsministerium des königlichen Hauses und des Acußern anheim-zustellen, die angefallenen Beförderungskosten im Betrag von293 Mark 17 Pfennig aus dem sozialen Fonds der»Staatszeitung"zu decken.Die Entscheidung darüber erfolgt im nächsten Ministerrat unterdem Borsitz Seiner Exzellenz des Staatsministers des königlichenHauses und des Acnßcrn Dr. Freiherrn Georg v. Hertling.Zur Bluttat iu Orttvig.Bisher ist man über die Person des wegen deS dreifachenMordes verhafteten Knechtes noch völlig im Unklaren. Beiden Vernehmungen hält sich der Mörder sehr zurück und vermeideteS, das über seine Person schwebende Dunkel zu lichten. Wie fest-gestellt worden ist, hat der Mörder auf verschiedenen Gütern derGegend gearbeitet, jedoch konnte über seine Herkunft nichts ermitteltwerden, da er auf den einzelnen Arbeitsgelegenheiten stets untereinem anderen Namen Stellung nahm.Im Laufe des Freitag fand in Gegenwart des Mörder» amSchauplatze seiner Untat ein Lokaltermin statt, der die Ver-mutung bestärkte, daß das Verbrechen von mehreren Täterngemeinschaftlich begangen worden ist. Freitag nachmittag wurdenin L e t s ch i n drei junge Männer festgenommen, weil sie unter demdringenden Verdacht standen, an dem Morde beteiligt gewesen zusein. Später mußten sie aber wieder auf freien Fuß gesetzt werden,da eine Gegenüberstellung mit den Kindern des ermordeten Ehepaares nichts Belastendes ergab.Ein frommer Sittlichkeitsvcrbrecher.In Vaterstetten(Oberbayern) wurde der verheirateteBahnwärter Albert R e i ß l, der sich an Schulkindern schweresittliche Verfehlungen hat zuschulden koinmen lassen, verhaftet. Ge-legentlich der Recherchen gegen einen anderen Sittlichkeitsverbrechermachten zwei Schulkinder über Reißl schwerwiegende Angaben; dieEinzelheiten sind so haarsträubender Natur, daß sie nicht einmal an-gedeutet werden können. Eigentümlicherweise blieb Reißl auf freiemFuß und erst als unser Parteiorgan, das„Bahr. Wochenblatt", aufdiese ungeheuerliche Tatsache aufmerksam machte, verstand man sichdazu, den Schweinekerl hinter Schloß und Riegel zu fetzen. Damithat man dem Pfarrherrn seinen Liebling, der Gegend deneifrigsten Rosenkranzhaspler und dem Kindheit-Jesn-Vereinseinen eifrigsten Vorstand genommen. Ob die schwarzePresse auch diesen neuerlichen Fall totschweigt?Die Ware Adel.Einem Schwiegersohn des verstorbenen BaronS Rothschild, demHerrn Siegmund Springer, ist, wie schon gemeldet, der öfter-reichische Freiherrntitel verliehen worden. Man motiviert die Adels-Verleihung mit einer Halbmillionenspende für das Rote Kreuz. InWahrheit aber ist hier wieder einem der jüdischen Millionäre, diefür die Finanzierung des..... hochheiligenEucharistischen Weltkongresses, der internationalenPfaffcnparadc, vereinbarte Gegenleistung des knickerigenkatholischen Hofes und Hochadels ausgefolgt worden. Die„WienerArbeiterzeitung" hat diesen köstlichen Handel aufgedeckt und diejüdischen Protektoren der Eucharistie unter der treffenden Ge-sellschaftSfirma der„Fünf Frankfurter" der Ocffentlichkeitvorgestellt. Daraufhin mußte man eben den Herren noch größereWohltätigleitSspenden abverlangen, um die Nobilitierung dochirgendwie anders als mit der Ermöglichung des Pfaffen-kongresseS durch alttestamentarische Geldmenschen motivieren zukönnen. Selbstverständlich blieb aber.dabei auch der Dispositions-fonds der Regierung für Preßkorruption, Spitzelet und politischeIntrigen nicht vergessen. Auch er hat sein Teil unbeschnittenenJudengeldcs erhalten, und so sind alle zufrieden: Die Pfaffen, derAdel, die Wohltätigkeit und die fünf Frankfurter.Treue Freunde.Durch englische Zeitungen macht, wie die„Franks. Ztg." schreibt,jetzt eine Anekdote die Runde, die auch außerhalb ihrer Heimat auflächelndes Verständnis stoßen wird. JenkinS ist jung verheiratet undwohnt auf dem Lande. Neulich morgens küßt er feine junge Frauzum Abschied, erklärt, uin 6 Uhr zum Essen wieder daheim zu sein,steigt in sein Auto und fährt in die Stadt. Um 6 Uhr ertönt keinHupensignal und die Gattin wird unruhig. Als die Mitternachts-stunde schlägt und der Gemahl noch immer nicht gekommen ist, ver-mag sie ihre Nervosität nicht länger zu bezähmen. Sie steht auf,weckt ihren Vater und schließlich schickt man fünf Tele-g r a m m e an die fünf besten Klubfreunde des Verschollenen. Die Telegramme enthalten die Anfrage, ob der Ver-mißte vielleicht bei einem seiner Freunde die Nacht ver-bracht habe. Als der Morgen graut, fehlt noch jede Nachricht.Um 5 Uhr fährt ein Bauernwagen vor, darauf sitzt an der Seitedes Bauern der Vermißte: der Wagen schleppt die Neste seinesAutos. Aber im selben Augenblick bringt der Postbote ein Tele-gramm und in kurzen Pausen vier weitere. ES sind die Antlvortcnder Klubftennde. Und alle fünf Telegramme-lauten:»Jawohl,John übernachtete heute bei mir..."AuSKleine Notizen.Rettungsaktion für die deutsche Spitzbergcn-Expcditio».Spitzbergen ist nach Kristiania gemeldet worden, daß eineExpedition zur Rettung der Teilnehmer derdclltschen Spitzberge n-Expeditioi: von Advents Bahnach Wijde Bucht abgehen werde. Daraufhin hat dasMinisterium des Aeußern nach Spitzbergen telegraphiert, dienorwegische Regierung garantiere die A u s r ü st u n g s I o st c neiner derartigen Expedition.Folgenschwerer Schifiszusammenstoß. Auf dem Morscyfluß inEngland stieß in vorvergangener Nacht der Dampfer„Asbrose">mtzwei kleineren Schiffen zusammen. Die Kollision war so heftig, daßdie beiden kleinen Fahrzeuge, der Fischdampfer„Fleetwing" und derSchleppdampfer„Beta" sofort sanken. Zwölf Mann derBesatzung sind ertrunken, während vier aufgefischt werdenkonnten.Wieder ein betrügerischer Bankier. Der Bankier Schellhornin Mindelheim hat sich Donnerstag der Polizei gestellt unterder Angabe Depotunterschlagungen begangen zuhaben. Nach vorläufigen Feststellungen betragen diese Unter-schlagungcn 50 000 bis 100 000 Mark.- Die Höhe der Passivenmuß erst festgestellt werden. Auch dieser Zusammenbruch wird, wiedie Blätter melden, in Verbindung mit dem KaufbeurcrBankkrach gebracht.Wasserstands-Nachrichtender Landesanstalt für Gewässerkmide, mitgeteilt vom Berliner WetterbureauWasserstand«Kemel, TilsttP r e g e I, JnsterburgWeichsel, ThornOder, Ratibor, Krassen, FrankiurtWarthe, Schrimm, LandSbergNetze, VordammElbe, Leitmerltz» Dresden» Barbh, Magdeburg')-P bcdeulctff Treibeis.— Fall.—') Unterpegel.— Eisfrei.—Dr.SimmelSpezial-Arztfür Haut- und Harnleiden.Prinzensir. 41, ÄS,,»,,0— 2. 6—7. Sonntaxs 10— 12. 2— 4Vorwärts- BibliothekDer PrinzipienreilerKine Erzählung* aus dem Jahre 1840Von Wilhelm BiosPreis gut gebunden 1 II.Der neue Band.ZentralbausmoOerreDliekleiiiuiiiiI.: Xcne Friedrlchatr. 35an der Zcntral-MarkthalleII.: 07, I. Etage,liefert an jedermann eleganteSerreo-vsrllerobellIMS nach Nl a v-HWunter Garantie für tadellosen Sitzgegen wöchentleche Teilzahlungv°n I Mark««Zuschneiderci u. Werkstatt im Hause.Aus Wunsch Besuch de? 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