schon die bloße Möglichkeit einer solchen Verkuppelung bringt da'Patriotische Herz der, wenn auch nicht nach Bildung,so doch nach Besitz maßgebenden Kommerzienrätc. Bankiersund Großindustriellen in Wallung; denn gar zu gern würdensie sehen, wenn zunächst die Heeresvorlagen mit Jubel an-genommen würden und eS dann den bürgerlichen Parteien über-lasten bleibe, in aller Gemütlichkeit die Steuern zu.verteilen",das heißt einen möglichst großen Prozentsatz den änneren Volks-klassen aufzuladen. So läßt sich denn die.Köln. Ztg." aus Berlintelegraphieren:„An der Militärvorlage wird im Kriegsministerium mit Hoch-druck gearbeitet, jedoch wird immerhin noch einige Zeit vergehen,bis sie an den Bundesrat gelangt, wo die Frage der Kostendeckunggleich mit zur Beratung gebracht wird. Dem Reichstag wirddie Borlage, wie es jetzr den Anschein hat, noch vor den Oster-ferien zugestellt werden können und es gewinnt an Wahrscheinlich-keit, daß sie dann mit dem Etat für die Verwaltung des Reichs-Heeres auf das Rechnungsjahr 1313 gemeinschaftlich behandelt wird.Eine derartige Zusammenziehung beider Vor-lagen hat insofern einen erheblichen Nachteil, alsdie für den 1. April 1913 beabsichtigten Neu-formationen nicht rechtzeitig zurch Durch-führung gebracht werden können, wenn sich die Ver-abschiedung des Etats über diesen Zeitpunkt hinaus verzögert. Esist selbstverständlich, daß die MUitärvorlage bei ihrer Heber-Weisung an den Bundesrat gleichzeitig die Angabe der erforder-lichen einmaligen und dauernden Kosten enthält, über die sich ge-naue Angaben zurzeit nicht machen lassen, während das Reichs-schatzamt wegen der Kostendeckung die erforderlichen Vorlagengleichzeitig bereitstellt."Und noch unbefriedigter fühlt sich die ehrsame nasionalliberale»Verl. Börsenzeitung":„Die eigenarsige Zusammensetzung des gegenwärtigen Reichs-tages läßt diese Behandlung der Militärvorlage und ihrer Deckungzweckmäßiger erscheinen, weil man von vornherein damit rechnenmuß, daß an den Forderungen des Kriegsministers mannigfacheAbstriche vorgenommen werden dürften. Wollte man die Regelungder Deckungsfrage vorwegnehmen, so würde man damit vor dieQuadratur deS Zirkels gestellt werden, Deckung für Ausgaben zubeschaffen, deren Höhe noch lange nicht feststeht. Das heißt, manwürde entweder eine ungenügende Deckung beschaffen, wenn dieAbstriche geringer sind, als man angenommen hatte, oder manwürde Steuern auf Vorrat bewilligen, wenn die Streichungeneinen größeren Umfang annehmen sollten. Beides aber wäregleich unerwünscht."Das Zentrum und die Heeresvorlage.Die„Rheinisch-Westfälische Zeitung" meldet, daß der Kriegs-minister mit einem führenden ZentrumSabgcordneten eine Unter-redung über die HecreSvorlage gehabt habe. Der Kriegsministersoll über die Gründe gesprochen haben, die ihn jetzt zu bedeutendweitergehenden Forderungen bestimmen, als er im Vorjahre gestellthabe. Der betreffende Zentrumsabgeordnete hätte darauf durch-blicken lasten, daß seine Partei keinerlei Schwierigkeiten machenwerde. Ob sich dicS auch aus eine Nachgiebigkeit in der ErbschaftS-steuerfrage beziehe, sei nicht erörtert worden.Der Aachener. Volksfreund" bestätigt, daß nach einer ihm aus ersterQuelle zugegangenen Mitteilung die Meldung der. Rhein.-Westfälischen Zeitung" vollständig richtig sei.Das Interesse des Vaterlandes erfordere ge-bieterisch einen ausreichenden Schutz, und dieZentrums Wähler würden daSVorgehen der Parteiv e r st e h e n u n d b i l I i'g e n.Das genannte Aachener ZentrumSblott gehört zu den Zentrums-organen, die, als die ersten Meldungen über die Heeresvorlage auf-tauchten, sich sehr kühl verhielten und die Zumutung, schon ttsi- Vreine Vorlage bewilligen zu sollen, energisch ablehnten. Wenn scuondieses Blatt, daS so gern den christlichen Demokraten mimt, so plattauf dem Bauch liegt, genügt dies, um vorauszusagen, daß schließlichdas Zentrum den.Heeresbrei" nach allerlei kleinen AbstreichungS-versuchen bewilligen wird.Noch am 11. Februar schrieb der erwähnte.Aachener Volks-freund":.Erst muß über die Deckungsfrage volle Klarheit herrschen,ehe an die Bewilligung der militärischen Forderungen gedachtwerden kann. ES geht nicht mehr an, daß ins Blaue hineingewirtschaftet wird, und daß man nachher nicht mehr ausnoch ein weiß. Die Deckungsfrage muß zuerst und zwarin befriedigender Weise gelöst werden. ES bedarf keinergroßen Erörterung mehr, daß zur Deckung der entstehenden Kostenkeine indirekten Steuern, die vor allem die schwächerenSchultern belasten würden, geschaffen werden dürfen, und daßauch die Erbschaftssteuer unannehmbar sei."Im Gegensatz dazu rechnet das zweite Aachener Zentrumsblatt,das„Echo der Gegenwart", schon heute damit, daß die kommendeBesitzstcuer nicht mehr wie 50 Millionen einbringen wird. Dazukäme vielleicht eine Kalisteuer, die 19 Millionen liefere. Dasübrige— so ungefähr 129 Millionen Mark pro Jahr— würde manwohl aus den Reichskassenüberschüssen nehmeil.Man sieht: Das Zentrum ist wandlungsfähig. Am 1. Februarabsolute Ablehnung, am Iki. Februar halber Umfall und am21. Februar glatte Bauchlage._Einheitliche Wahlurnen.Der Bundesrat scheint sich endlich gleichfalls mit dem wiederholtund einstimmig gefaßten Beschluß des Reichstags, einheitlicheWahlurnen für die Wahlen vorzuschreiben, befassen zu wollen.Nach Meldungen der halboffiziösen Preste scheint es. als od nun-mehr der Widerstand des preußischen Ministers des Innern beseitigtiei und Vorkehrungen getroffen werden sollien, um das geheimeWahlrecht zum Reichstag auch den gesetzwidrigen Schnüffeleien.ordnungssreundlicher" Wahlvorstände zu entziehen. Daß dieWähler so lange auf den Schutz des Wahlgeheimnistes wartenmußten, ist kennzeichnend für die Terrorismusgelüste unserer.Staats-erhaltenden".Eine Lehrermahregelung.Anfang April vorigen Jahres ging die Mitteilung durch diePreste, daß die Bremer Schulbehörde den Lehrer Sonnemann, dervielen Lesern der Parteipresse unter dem Namen Jürgen Brand be-kannt, ist. vom Amte suspendiert habe Seit dieser Zeit hat derBremer Staatsanwalt svviel Anklagestoff zusammengetragen, daß ihnjeder preußische Kollege darum beneiden könnte. Sonnemann hattesich am Montag im neuen Bremer Rathause vor der D i s z i p l i n a r-kammer zu verantworten. Die Anklageschrift macht ihm zumVorwurf, daß er im Jahre 1911 in Düsseldorf, Barmen, Gevelsberg,Remscheid, Köln. Duisburg und Elberfeld in.sozialdemokratischenJugendversammlungen als Hauptredner für die gegen die bestehendeStaatsordnung gerichtete sozialdemokratische Bewegung aufgetretenund damit die ihm als Staatsbeamten obliegenden Pflichtengröblich verletzt" habe. Es wird dann weiter darauf hin«gewiesen, daß in den Jahren 1999—1912 schriftstellerischeBeiträge des Angeschuldigten in der Zeitschrist-.Arbeiter-jugend" unter dem Namen Jürgen Brand erschienen seien. DerInhalt der Reden in Düsseldorf, Barmen und Köln sei genaubekannt, der Inhalt der übrigen Vorträge habe nicht genau wieder-gegeben werden können. Als Zweck seiner Vorträge in Düsseldorfund Barmen habe Sonnemann bezeichnet, den Solidaritätsgedankenu<r Arbeiterjugend zu fördern, und anschließend habe erresümiert: Vorzüglich habe sein Vortrag die Jugend an-feuern wollen, an der eigenen Vervollkommnung weiterzuarbeitenund besonders alle BildungSmittel, die sich ihr darböten, aus-zunutzcn. Der Angeklagte habe ferner erklärt, mit der Sozial-demokratie habe diese Sache nur insofern etwas zu tun, als dieSozialdemokratie die Ziele billige und die Bewegung unterstütze. Dieinnere Organisation sei ihm unbekannt, er wisse aber, daß die Be-wegung in größere Bezirke gegliedert sei, an deren Spitze ein Bezirks-leiter stehe. Diese Angaben seien wertvoll, meint der Verfasserder Anllageschrist, besonders wegen ihrer Anerkennung einesindirekten Zusammenhanges.dieser Sakhe", das heiße, der Ver-sammlungen, in denen der Angeschuldigte redete, wie der Agitationunter der Arbeiterjugend überhaupt mit der Sozialdemokratie, alsowegen ihrer nur bedingten Verneinung der Kausalität zu der Parteiund der freien Jugend. Die Angaben Sonnemanns wirkten auchklärend durch dte Bestätigung, daß die freien Gewerkschaften(!) eineUnterstützung leiste»Die Ansprache in Düsseldorf sei auf den Grundgedanken derGegensätzlichkeit des Kapitalismus und der Arbeiterschaft aufge-baut. Sie ironisiere die der„sozialdemokratischen freien Jugend"abgewandten Jünglingsvereine, kritisiere die Leistungen der Volks-schule und klinge aus in der Aufforderung an die Arbeiterjugend,pflichtgemäß, lvie es Pflicht der Eltern sei, den Kampf gegen diemörderische Ausbeutung und Unterdrückung aufzunehmen. Auchdie Vorträge in Barmen und Köln hätten politischen Inhalt, be-hauptet der Ankläger. Zum Beweise dafür führt er Entscheidun-gen deS Amtsgerichts Barmen, der 4. Strafkammer des Land-gerichts in Elberfeld und der betr. Revisionsinstanz an, die sichsämtlich mit diesem Vortrage zu beschäftigen hatten und zu derAnsicht kamen, daß der Zweck des Vortrages gewesen sei, Unzu-friedenheit mit den staatlichen Einrichtungen zu erregen und zuLArbeit gegen die bestehende Ordnung aufzufordern. In Rem-scheid soll Sonnemann versucht haben, der Jugend die Ueberzcu-gung einzuimpfen, daß es Recht und Pflicht jedes Menschen sei,nicht in Unterwürfigkeit zu verharren, sondern den in jedem Lebe-Wesen lebendigen Willen zur Macht zu betätigen.»Bremen, 24. Februar.(Privattelegramm des„V o r>v ä r t s".) In dem Disziplinarprozeß gegen denLehrer Sonnemann wurde auf D i e n st e n t l a s s u n gerkannt. Die Hälfte des Ruhegehaltes wurde auf ein Jahrbewilligt._„Kamerad" Kloedeu.Auf dem hessisch-nasiauischen BerbandStag deutscher Militäranwärter, der am Sonntag in Hanau stattfand, wurde auch daSVerhalten deS früheren Ehrenvorsitzenden LandtagsabgeordnetenGeneralmajor v. Kloeden erörtert. Die Denunziation Kloedenswurde von verschiedenen Seiten bestätigt und scharf verurteilt.Kloeden habe sich, wurde erklärt, durch sein Verhalten selbst außer-halb des Bundes gestellt. Der Piovinzialverband Hessen- Nassaubeschloß denn auch, daS Amt des Generalmajors vonKloeden als Ehrenvorsitzender für erloschen zuerklären._Die Sozialdemokratie als treibende Kraft.In Königsberg i. Pr. hat die Stadtverordnetenversammlungbereits zweimal beschloffen, die Einkommen von 699—990 M. vonder Kommunalsteuer frei zu lasten. Der Magistrat aber weigertsich beharrlich, diesem Beschlüsse beizutreten. In dieser Airgelegen-heit hat nun- der Berein liberaler Arbeiter und Bürger für Ost-Preußen den bürgerlichen Stadtverordneten folgendes Schreibengesandt:..Königsberg i. Pr„ den 17. Februar 1913.Sehr geehrter Herr Stadtverordneter!In der Angelegenheil der Befreiung der Zensiten der unterstenSteuerstufe von der Verpflichtung, in diesem Jahre ihre Steuer zubezahlen, haben wir uns mit einem Schreiben an den Magistratgewendet und gebeten, gemäß dem Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung, an dem wir sie bitten, unbedingt festhalten zuwollen, die Betroffenen von der Steuer frei zu lasten. Bei denhohen Preisen für Lebensmittel und Mieten ist eS gerade denArbeiten: und kleinen Leuten außerordentlich schwer, allen An-forderungen gerecht zu werden. Auch würde die Erhebungder Steuer in der untersten Steuerstufe die U n-Zufriedenheit vermehren und der Sozial-demokratie bei den kommenden Stadtverord-netenwahlen ein willkommenes Agitationsinittel darbieten. Die Sozialdemokratie hofft auf eineVerdoppelung der Anzahl ihrer Mandate in der StadtverordnetenVersammlung und würde dadurch im nächsten Jahre viel leichterin der Lage sein, eine Mehrheit für Wegfall der Steuern deruntersten Stufe zu bilden. Ein solcher Beschluß würdespäter als ein überzeugender Erfolg dieserPartei agitatorisch verwandt werden.Nicht nur aus taktischen, sondern vor allem auS sozialenGründen bitten wir dringend, dahin wirken zu wollen, daß dieSIcuern der untersten Slufe nickt erhoben werden.Hochachtungsvoll und sehr ergebenstDer Verein liberaler Arbeiter und Bürgerfür Ostpreußen.Der Borstand. I. A.: Der Vorfitzende. Stoltz.Ohne Sozialdemokratie kein sozialer Fortschritt! DaS beweistwieder einmal so recht eindringlich daS.sehr ergebenste" Schreibender liberalen Arbeiter. Die Furcht vor weiteren Erfolgen derSozialdemokratie zwingt die Leute zu Zugeständniffen an dieArbeiierklaffe, die sie ihr sonst nie gewähren würden.Diktatur und Meuchelmord in JMexiho.Das Schicksal des besiegten Präsidenten M a d e r o istsehr schnell entschieden worden. Kreaturen des DiktatorsHucrta haben Madero niedergeknallt, da er dem neuenTyrannen zu gefährlich erschien und offenbar noch zahlreichenAnhang im Lande hatte. Huerta und Diaz spielen dabei nochein elendes Heuchelspiel, sie wollen der Welt glauben machen.daß sie an dem Tode Maderos schuldlos seien.Der Mord.Mexiko, 23. Februar. Der frühere Präsident Madero undder frühere Vizepräsident S u a r e z wurden heute erschossen, als manbei ihrer Ueberführung nach dem Gefängnis den Versuch machte, siezu befreien. Boa den Angreifern wurden bei dem Kugelwechsel zweiMann erschossen.— Bon Huerta wird diese Nachricht bestätigt.Feige Ausreden.Ueber den Tod Maderos und Suarez' äußerte sichHuerta folgendermaßen: Um Mitternacht griff eine Scharvon fünfzig Mann die aus hundert RnralcS bestehende Eskorteder Gefangenen an. Diesen wurde befohlen, die Wagen zuverlassen, lvorauf sie von einer Wache von 30 Mann umgebenwurden, während die übrigen Rurales das Feuer erwiderten.Der Kampf dauerte 20 Minuten. Nach seiner Beendigungwurden Madero. Suarez. zwei Rurales und ein Bürger totaufgefunden. Die Angreifer ergriffen die Flucht.Mexiko, 24. Februar. Die genauen Umstände des TodesMaderos und Suarez' sind noch unbekannt. Huerta erklärt,Madero und Suarez seien durch Zufall bei dem Zusammen-stoße der Wache mit Maderos Parteianhängern gefallen, dieden Versuch machten, die Gefangenen zu befreien. De la Barraerklärt, die Gefangenen seien getötet ivorden, als sie zu cnt-weichen versuchten. Keiner von beiden sagte indeffcn, wer dietödlichen Schüsse abgegeben habe; vielleicht ist cS beiden unbekannt. Das Volk steht in seiner Mehrheit den amtlichenBerichten skeptisch gegenüber. Sonntag war die Stadt ruhig.Die Regierung versichert weiter, sie werde die Umstände desTodes Maderos und Suarez' untersuchen und die Schuldigenbestrafen._Ungarn.Die Rache der Pauamisteo.Budapest, 24. Februar.(Eig. Bcr.) Die Regierung desHerrn v. Lukacs hat der Wiener„Arbeiter-Zeitung" denPostvertrieb in ganz Ungarn entzogen, so daß die Zeitung in-folge der Monopolisierung auch des privaten Zeitungsvertriebsdurch Regierungsprovisionisten nur in geschlossenem Kirvertwird bezogen werden können.Uebrigens erfährt man jetzt, daß das Budapestcr Gerichtin dem Prozeß LukacS gegen Dafy zuerst die Zulasiung desWahrheitsbeweises beschlossen und ihn erst, nachdem gewissewichtige Zeugen sich geweigert hatten, den Lukacs zu entlasten,abgelehnt hat._Vor dem Wahlrechtsstreik.Nach dein bekannten belgischen Beispiel appellieren dieungarischen Genossen an die Oesterreicher, ihre Kinder währenddes kommenden Generalstreiks in Obhut zu nehmen.frankreicd.Die dreijährige Dienstzeit.Paris, 24. Februar.(Privattelegramm des„V o r w ä r t s".) Der„Tenips" beharrt darauf, daß derKriegsminister eine allgenreine Rückkehr zur dreijährigenDienstzeit ohne das Einjährigenrecht der Studierendenfordern werde.Ein Berliner Korrespondent zitiert aus dem„FreienWort" einen Artikel Maure nbrcchers(ausgerechnetMaurenbrecher als Wortführer der Sozialdemokratie) DerKorrespondent hat keine Ahnung von der Rolle, die dieserVielschreiber in der deutschen Partei spielt. Die Red. des„Vorwärts".) und versucht nachzuweisen, daß die Sozial-demokratie dadurch, daß sie für die Emführung der Vermögens- und Erbschaftssteuer stimmen lverde, an der Re-gierungsvorlage positiv mitarbeite.Belgien.•Die Bürgermeister und der Generalstreik.Brüssel, 23. Februar.(W. T. B.) Die Bürgermeister der neunProvinzialhauptstädtc waren heute auf dem hiesigen Rathause ver-sanimeli, um über die durch den drohenden Generalstreik ge-schaffene Lage zu beraten. Es wurde beschlossen, eknen Appell andie Arbeiter zu richten, in dem sie ersucht werden, im Interesse desFriedens auf den Generalstreik zu verzichten; ferner wurde beschlossen, eine Audienz beim Ministerpräsidenten zu erbitten, umihn zu ersuchen, bei Verzicht der Arbeiter auf den Generalstreikin voller Freiheit an die Lösung der Wahlrechtsfrage hervnzutreten.Zwei katholische Bürgermeister enthielten sich bezüglich des letztenWunsches der Abstimmung.?apan.Ein Sieg der Opposition.Tokio, 24. Februar. Der Landtag tritt am Dienstag zu-sammen. Baron Osaki und seine Anhänger sind aus der Sciyukwai-Partei ausgetreten und stellen selbst ein Parteiprogramm ans, indem sie eine strikte Parteiregierung fordern. Die Seiyukwai hieltengestern nachmittag eine Generalversammlung ab. Alle Ministerwaren anwesend und die Minister der Finanzen, des Ackerbausund des Verkehrs traten formell der Partei bei. Der Premier-minister sagte in einer Ansprache, er habe der Partei seit ihrerGründung durch den Fürsten Jto sympathisch gegenübergestanden.Er würde ihren Grundsätzen und ihrem Programm und der Politikdes Kabinetts Saionji folgen.8o2iales.Das rote Gespenst in Chemnitz.Einen starken Tiefstand sozialer Gesinnung dokumentierte inder letzten Stadtverordnetensitzung die Hausbesitzermehrhcit inChemnitz durch geschlossene Ablehnung des Erbbauvcrirages, dender Rat mit der Allgemeinen Bau-Genossenschaft abzuschließen be-reits beschlossen hatte.Schon vor zwei Jahren wurde von derselben Mehrheit einErbbauvertrag abgelehnt, den der Rat mit der bürgerlichen Gar-tenstadt-Genossenschaft abschließen wollte. Diesmal war der Ver-trag mit Rücksicht auf die Zusammensetzung des Kollegiums soformuliert ivorden, daß für die Hausbesitzer jegliche Angriffsflächevermieden war. Der Baugenossenschaft waren nicht die geringstenErleichterungen oder Vorteile eingeräumt, so daß die Stadt beiAbschluß des Vertrages noch ein Boinbeugeschäft machen mußte.Trotzdem die Ablehnung. Der antisemitische LandtagsabgeordneteBäckerobermeister Biencr und sein Anhang stellten das rote Ge-spenst in den Saal und machten selbst bei Antisemiten wegen ihresUnsinns auffallende Ausführungen. So sprach Biener mit Rück-ficht auf die gesunden Bestrebungen der Baugenossenschaft von—sozialdemokratischen Bestrebungen, nannte das Erbbaurecht einfremdes Gewächs, das sich für den hiesigen Boden nicht eigne,machte dein Rat den Vorwurf, daß er niit der Vorlage den seß-haften Hausbesitz, den er als besten Steuerzahler bezeichnete, schä-dige. Sein Freund Springer nannte das Erbbaurecht einen Rück-schritt; wenn die Stadt es der Baugenossenschaft gebe, werde manbald die Herrschaft über die Massen verlieren. Jetzt verlange manGrund und Boden von der Stadt für Wohnungen, nächstes Jahrwerde man Versorgung der Kinder verlangen. Der Dritte imBunde der Hausbesitzer, Baumeister Hcidrich, bemerkte, daß voneiner Wohnungsnot erst gesprochen werden könne,— wenn esüberhaupt keine leerstehende Wohnung in der Stadt mehr gebe.Unsere Genossen und die Mitglieder des Rates befürworteten dieGenehmigung des Vertrages, da auf dem Gebiete der Wohnungs-reform und Beschaffung guter Arbeitcrivohnuugen etwas geschehenmüsse, zumal die Stadt eine» jährlichen Zuwachs von 19 999Menschen habe, die private Bautätigkeit aber nur für den fünftenTeil Wohnungen herstelle. Auch auf das Vorgehen anderer Städteund Gemeinden wurde hingewiesen, die die besten Erfahrungenmit der Hergabe von Land in Erbpacht gegeben haben. Die Stadtlverde sich vor ganz Deutschland blamieren, wenn sie auf diesemGebiete nicht mitgehe und die von den Hausbesitzern befürworteteRückständigkeit zeige. Es half alles nichts. Hier stand Zahl gegenZahl. Die auf Grund eines schmachvollen Sechsklassenwahlrechtsgewählte mittelständlerische Mehrheit pochte auf ihre Macht undließ die Ratsvorlage unter den Tisch fallen. Sie hat die ganzeSache auf das politische Gleis geschahen und den schon früher ge-gebcnen Anstoß verstärkt, der dazu führen muß, die Beseitigungdieses mittelalterlichen Wahlrechts durchzusetzen. Zunächst wirdbei den kommenden Stadtverordnetcnwahlen mit dieser rückständigen Gesellschaft abgerechnet werden.(Sichc auch erste Beilage.).