Dr. 95. 30. Iahrgaug.4. KeilU des Jmöirls" Strlinn WlksdlM.Zomabexd, 19. April 1913.Im Hingen um die iirbeiteriugend.Zu einer gründlichen Abrechnung mit den bürgerlichen„Freun.ven der Arbeiterjugend" kam es am Donnerstagabend im„Albrechts-Hof" in Steglitz. Bekanntlich hatt� in der Woche vorher in demselbenLokal eine Versammlung für die Jugendlichen stattgefunden, in derStadtverordneter Dr. Rosenfcld referierte, die aber von denGegnern nicht nur fortwährend gestört, sondern auch durch Poli-tische Tiraden mißbraucht worden war, in der offenkundigen Ab-ficht, die proletarische Jugendbewegung in polizeilichen Mißkreditzu bringen, tvas ja ohnehin schon in ausreichender Weise der Fallist. Tatsächlich konnten denn auch die Herren ungestört politisierenund provozieren, ohne von den überwachenden Beamten behindertzu werden, während unsere Redner, sobald fie auch nurirgendein Wort sprachen, das der Polizei„politisch" schien, sofortunterbrochen wurden. Unter diesen Umständen mußte die Ver-sainmlung vorzeitig geschlossen werden. Die bürgerliche Ortspreffehatte dies als Zeichen der Schwäche ausgelegt, die erwähnte Ver-sammlung am Freitag wird ihr gezeigt haben, daß die Angst nichtaus unserer Seite zu finden ist.Genosse Pieck eröffnete die Versammlung mit einer Rekapi-tulierung dieser Vorgänge und teilte die Bedingungen mit, unterdenen die heutige Veranstaltung vor sich gehen sollte. Dem Refe-reuten, Genossen Heinrich Schulz, sowie dem Korreferenten,Professor S t a h I b e r g, Leiter des Reichsverbandes für die west-lichen Vororte, sollten je eine Stunde, den Diskussionsrednernbeider Richtungen, die abwechselnd zu Worte kommen sollten, je111 Minuten mrd den Referenten danach wiederum je eine Viertel-stunde zu ihrem Schlußwort gewährt werden.Schon lange vor der angesetzten Zeit war der Saal dicht mitMenschen angefüllt. Bald standen und saßen die Besucher ein-gekeilt beieinander, immer mehr strömten noch herbei.Als erster Referent nahm Reichstagsabgeordneter GenosseHeinrich Schulz das Wort. Einleitend betonte er, daß inder Art, wie in der vorigen Versammlung von den Gegnern ver-fahren worden sei, eine sachliche Aussprache nicht möglich wäre.Man möge einer Partei ober Richtung angehören, wie man wolle,das eine stehe fest: die Entscheidung in Zweifelsfragen könne nichtdurch Lärm und Radau herbeigeführt werden, sondern, nur durchdie Güte und Stichhaltigkeit der Gründe. Anstelle der leidenschaft-lichen Erregung müsse heute die ruhige Erwägung treten. Dassei seine und seiner Freunde Absicht und er müsse es den Gegnernüberlassen, ob es anders kommen solle.Ausscheiden aus der heutigen Debatte müßten aber zweiPunkte: nämlich die angebliche Religionsfeindschaft und Vater-landslosigkeit resp. unsere Stellung zu Staat und Monarchie.(Rufe: Ahal) Redner präzisiert in knappen sachlichen Strichen dietheoretische Auffassung der Sozialdemokratie in diesen beidenFragen, wird jedoch fortwährend durch Gelächter und höhnischeZwischenrufe unterbrochen. Aach dem Zwischenruf: Was hat denndas mit Jugendpflege zu tun? erwidert der Referent: die Aus-führung-n seien notwendig, um den Verleumdungen zu begegnen,mit denen die freie Jugendbewegung überschüttet werde.(Stür-Mischer Beifall der übergroßen Mehrheit der Versammlung.) Mitgut gezielten Hieben geißelt Redner den erbitterten Kampf gegenalles, was die Arbeiterklasse unternehme und der besonders seit derEntstehung der freien Jugendbewegung alle Grenzen überschreite.Bittere Wahrheiten bekamen die Gegner zu hören, als GenosseSchulz auf die Erziehungs- und Schulfrage einging. Was hier ausberufenem Munde gesagt wurde, war von erdrückender Wucht, undselbst die allerschlimmsten Schreier konnten sich der Wirkung dieserpackenden und erschütternden Angklagerede nicht entziehen.Die Arbeiter suchen sich gegen eine derartige verwerfliche Be-«influssung ihrer Kinder zu erwehren, indem sie dieselben imHause und besonders nach der Schulentlassung in ihrer Weltan.schauung unterweisen. Erst die proletarische Jugend-dcwegung habe die bürgerlichen Kreise auf dieBeine gebracht, denn die religiösen Vereine, die schon früherbestanden hätten, waren ohne Bedeutung. Kirchliche und staatlicheBehörden werden zu Hilfe gerufen. Peitsche und Zuckerbrot denJugendlichen gegenüber angewendet. Warum dies alles? UnsereJugend soll körperlich und geistig geschult und gekräftigt werdendurch Turnen, Spiele, Wanderungen, auch Einführung in Kunst,Literatur usw. SS Prozent unserer Jugendschriften sind bürger-lichen Ursprungs, Konzerte und Theateraufführungen ebenfalls.Warum«lso die große Erregung? Und wäre es �wirklich soschlimm, wenn einem Vortragenden wirklich einmal eine politischeWendung entschlüpfte? In bürgerlichen Jugendvercincn werde jaoffenkundig und ohne Scheu reine Politik getrieben.(StürmischeZustimmung.) Ein politischer Agitator, der bei der Jugeno statt zulehren, agitiert, erweise sich selbst den schlechtesten Dieirst. Jung«Leute seien mißtrauisch und werden leicht verstimmt. Wir sinddagegen, daß die Jugendlichen zu Miniaturpolitikern gepreßtwerden.(Lebhafter Beifall.) Wir zwingen die Jugend zu nichts.aber wir geben ihr Gelegenheit, sich aufzuklären. Werden diejungen Leute älter, so finden sie schon allein ihren Weg. Dafürhaben wir die..Arbciter-Jugcnd" gegründet. Lesen ist vorläufignoch nicht verboten.(Rufe: kommt noch! Große Heiterkeit.) DieJugendpflege ist eine Machtfrage! Warum sorgen Sie nichtfür die Hebung der Volksschule, wenn Sie es ernst meinen mit derJugendfürsorge? Warum treten Sie mit uns nicht ein für dieEinheitsschule?(Stürmischer Beifall.) Weil Ihnen die Jugend-pflege ein politisches Mittel ist.(Wiederholter Beifall.) Wir mar-schieren weiter und fürchten uns nicht. Ein paar Nachtfröste könnendaS Kommen des Sommers nicht verhindern und die gegnerischenMachinationen den Sieg der freien Jugendbewegung nicht auf-halten. Mögen die Gegner tun, was sie wollen— es kommt dochalles uns zugute. Für sie gilt Freiligraths stolzes Wort:Ihr hemmt uns, doch Ihr zwingt uns nicht,Unser die Welt, trotz alledem I(Tosender, langanhaltenoer Beifall.)Nunmehr betrat der Korreferent Professor Stahlberg das �Podium. Wer jedoch geglaubt hatte, der Herr würde den Spurendes Vorredners folgen und einen sachlichen, auf Tatsachen aufge-bauten und uiit Gründen belegten Vortrag halten, frei von jederpersönlichen und verletzenden Schärfe, der sah fich grausam ent-täuscht. Allerdings, die erfahrenen Versammlungsbesucher hattennichts anderes erwartet, als was aus dem redseligen und zitaten-reichen Mund des reichsverbändlerischen Talglichts entströmte.SSach diesem„Referat" konnte man dem Reichsverbande das tief-yefühlteste, aufrichtigste Beileid nicht versagen. Es ist nicht unsereSchuld, wenn wir von der eingehenden Wiedergabe seiner Aus-Wryngen absehen müssen. Es kann uns beim besten Willen•ieokrnb zumuten, daß wir den Inhalt seines Zitatenwerks•"ftaa Lasern unterbreiten werden. Dos dürftige Gerankeseiner eigenen Gehirntätigkeit war so kläglich und saftlos, daß derMann mit dem Professorentitel bei ernsten, denkenden Zuhörerngeradezu Mitleid erregen mußte. Wie er aber die teutsche, zottigeMannesbrust herausreckte und unter grotesken Körperverrenkungenseine verstaubten Zitate nebst den plattesten Selbstverständlichkeitenhinausbrüllte, da blieb im Saale kaum noch ein Auge trocken.Als der Redner eine angeblich in der„Arbeiter-Jugend" er-schienene Stelle als„bodenlose Gemeinheit" bezeichnet, bricht einSturm der Entrüstung los, der sich nur langsam wieder legt. Als eran die Versammlung gelegentlich eine Frage richtet und eine helleFrauenstimme Nein ruft, ahmt der Redner die Stimmenach und ruft mit dünner Fistelstimme:„Ja!" Diese Kostprobeprofessoralcr Weisheit und rcichsverbändlerischer Umgangsformenwird wohl genügen, um die„sachliche" Kampfesweise dieser Herrenzu kennzeichnen. Den jungen Arbeitern werde beigebracht, daßder Krieg etwas Furchtbares sei.(Stürmische Unterbrechungenund Rufe: Jawohl! Sehr richtig!) Sie machen die Jugend unzufrieden, wir aber wollen die Jugend für den Staat und daS Volkerziehen und nicht für eine Klasse.'(Teilweiser Beifall.)Genossin Luise Z i e tz meldet sich zur Geschäftsordnung undersucht, in dem von dem anwesenden Stenographen aufgenommenenProtokoll auch eine entsprechende Feststellung über die beleidigendenund unanständigen Gesten einzufügen, die der Herr Professor sicherlaubt habe.(Allseitige Zustimmung.)Nunmehr folgten die Diskussionsredner, unter denen GenosseDr. Rosenfeld als erster das Wort-«ahm. Nach dem Ver-halten des Herrn Stahlberg in der letzten Versammlung hätte manerwarten können, daß er etwas zu sagen habe, in seinem heufigenReferat sei aber davon nichts zu merken gewesen.(LebhaftesSehr richtig!) Im übrigen widerlegt Redner einige der von Stahl»berg aufgestellten Behauptungen mit gutem SarkaSmus. Bezeich-nend für die Kampfesweise dieser Herren waren die antisemitischenBemerkungen, die dem Redner entgegengeschleudert wurden. Fest-nageln konnte er aber doch noch, daß Herr Stahlberg erklärt hatte,wenn nichts anderes gegen die freie Jugendbewegung helfe, ebend i e Polizei eingreifen müsse. Ferner stellte er fest,daß der Zwischenruf„Polizeihunde" auf die Tatsache hinweisensollte, daß Jugendliche eben mit Polizeihunden gehetzt worden seien.Der tosende Beifall, den der Redner erntete, konnte durch dieGegenaktion der Reichsverbandsjünger nicht abgeschwächt werden.Pastor Riemer, der sehr sachlich sprach, bedauerte, daßzwischen der bürgerlichen und proletarischen Jugend eine chinesischeMauer bestehe. Wenn Laffalle noch lebte, dann wäre er, Redner,vielleicht heute auch bei der Sozialdemokratie.Redakteur Korn von der„Arbeiter-Jugend" erklärt: Beiden Angriffen auf dieses Blatt sei niemand kälter geblieben, wieer selbst. Wir�schreiben doch nicht für Studenten oder für dieBackfische aus der Tauentzienstraße. Der Herr Professor hat selbstgesagt, daß er die„Arbeiter-Jugend" nicht lese. Er hat den Zu-Hörern eine Eselsbrücke vorgeführt(Große Heiterkeit) und alsWissenschaftler unerlaubte Hilfsmittel benutzt.(Hört! hört!). Mitseiner Stückmethode kann man diel beweisen. ES geht auf keineKuhhaut, waS an Lügen über dieses Blatt vom Reichsverband indie Provinz hinausgeht.(Sehr richtig!) Die angeblichen gemeinen Zitate haben nie in dem Organ gestanden, find glatt er.funden.(Lebhaftes Hört! hört!). Was soll man bloß sagen, wennselbst ein Pastor von einer Kreissynode solche �Fälschungenaustischt. Wir dürfen bei unserer Jugend nicht einmal überSchubart oder Mozart reden, die Bürgerlichen treibenaber offen und frei Politik. Wenn wir der Arbeiter-fugend sagen: Eure Gegner pfeifen auf das Gesetz, so wirkt daSbesser, als theoretische Aufklärungen.(Stürmischer Beifall.)Dr. Brand bemerkt: Die Arbeiter in der Fabrik, wo er tätigsei, ließen fich einen Vortrag, wie Schulz ihn gehalten, nicht ge-fallen.(Gelächter.) Mit Ihrer Jugendpflege erziehen Sie Jugend-flegel!(Lärm und Pfuirufe. Rufe: Das ist Ihre akademischeBildung!)Landtagsabgeordneter P. Hirsch: Nach den letzten AuSfüh-rungen des Vorredners könne man sich vorstellen, welcher Art dieErziehung von diesen Herren ist. Herrn Professor Stahlberg seheich heute zum ersten Male, aber dessen Rede habe ich schon oft ge-hört.(Große Heiterkeit.) Er. Redner, habe erst kürzlich im Land-tage nachgewiesen, daß diese Zitate weder in der„Arbeiter-Jugend"noch im Liederbuch, des Turnvereins„Fichte" stehen. Herr Stahl-berg habe Ausdrücke gebraucht, wie sie in anständiger Gesellschaftnicht üblich sind. Es sei keine Kunst, mit Lsh Millionen Mark dieArbeiterjugend gegen ihre Eltern aufzuhetzen. Unsere Arbeit wirdder Sieg krönen.(Stürmischer Beifall.)H e n n i g, Gründer des evangelischen JünglingSvereinS, erregt durch sein eAusführungen eine solche Unruhe, daß fast nichtszu verstehen ist. Der Sozialismus komme, eS frage sich nur,welcher, der sozialdemokratische oder der christliche. ES gibt nureine deutsche Jugend.(Teilweiser Beifall.)Reichstagsabgeordneter Genosse Henke: DaS also sind unsereGegner. Sie sind ganz so. wie wir sie unS immer vorgestellt haben,nur haben wir uns ein günstigeres Bild von ihnen gemacht.(GroßeHeiterkeit und Zustimmung.) Wer hätte gedacht, daß ein Professor1% Stunde vorlesen würde— aus irgendeiner Broschüre. Wirkönnen aber unseren Gegnern dankbar sein, sie haben unS gezeigt,wie sie nackt aussehen.(Stürmischer Beifall. Rufe: Sehr wahr!)Gemeindediakon Bei er: Ich war früher Sozialdemokrat,habe der Partei aber den Rücken gekehrt, als ich gemerkt habe,was dort los ist.(Große Heiterkeit.) Was wir geschafft haben alsJugendpfleger, ist alles ohne Hilfe geschehen.Professor Stahlberg produzierte sich nunmehr in einemSchlußwort, die Versammlung teils unfteiwillig zu HeiterkeitSauS-brüchen hinreißend, teils Entrüstung auslösend. Lassalle würdeheute an seiner Seite stehen.(Große Heiterkeit. Rufe: So sehenSie aus!)Genosse Schulz rechnete in seinem Schlußwort gründlich abmit diesen Gegnern, ohne dabei in die Sprache und Umgangsformeneinzelner Gegner zu verfallen. Was er sagte, war so sachlich undschlüssig, stand so hoch über den Thraden der Herren, daß selbst dieRadaugarde des Reichsverbandes ihn schweigend anhörte. Donnern-der Beifall lohnte seine von tiefem Ernst und sittlicher Kraft ge-tragenen Ausführungen.Mit einem brausenden Hoch auf die freie Jugendbewegung schloßdie imposante und denkwürdige Veranstaltung.beeinflussung darstelle. In der Kommission wurde seinerzeit dieFrage mit 7 gegen 7 Stimmen verneint. Das Plenum des Reichs-tages stellte sich auf den entgegengesetzten Standpunkt und beschloßBeweiserhebung. In der Sitzung vom Freitag lagen die Ergebnisseder Beweiserhebung vor; sie bestätigten im wesentlichen die An-gaben des Protestes, daß Pfarrer die Kanzel zu Wahl-zwecken mißbraucht haben. Unter anderem hat ein solcher geist-licher Herr in seiner Predigt erklärt: Der Temfel im Para-dies sei der erste Freisinnige gewesen. In einemFalle wurden dem Grafen Oppersdorfs 72 Stimmen abgezogen undin einem zweiten Falle soll nochmals Beweis erhoben wirden, weildie Zeugen nicht vereidigt worden waren.Darauf stand die Wahl des konservg)ivL')'" Abgeordnetenv. M a s s o w(Königsberg-Land— FischhausenZx Hl Prüfung, derin der Stichwahl gegen den freisinnigen Abger.dnetcn Wagnermit einer Mehrheit von 410 Stimmen gewählt wurde. In den vor-liegenden Protesten werden eine große Anzahl Fälle von Stim«�menkäufen, Bedrohungen von Wählern, wenn sie nicht k o n-s e r v a t i v wählten, wie auch grobe Unregelmäßigkeiten in denWahllokalen aufgezählt. In einem Orte sind die Wähler vor derWahl von konservativen Agitatoren derartig mit Schnapstraktiert worden, daß sie ins Krankenhaus ge-bracht werden mußten. Als Zeuge dafür wird die Kran-kenhausleitung angegeben.— Die weiteren Verhandlungen wurdenschließlich auf Dienstag vertagt.Der Militäretat in der Vudgetkommissio«.In der Freitagssitzung kritisierte Genosse Liebknecht dieUnterstützung der sogenannten nationalen Jugendbewegung durchdie Heeresverwaltung und die Ueberlassung von militärischen Ge-bäuden und Ausrüstungsgegenständen. Dazu habe die Verwaltungkein Recht.— Der KriegSmini st er erklärte, eS sei die Pflichtder Heeresverwaltung, die nationale Jugendbewegung zu fördern,eben weil sie nationale Bestrebungen verfolge.— Genosse L ed e-b o u r protestierte ebenfalls lebhaft dagegen, daß die Hecresver-waltung durch ihre Maßnahmen in die parteipolifischen Kämpfeeingreift. Die Verlvaltung habe sich neutral zu verhalten; was sieheute tut, sei ungehörig und müsse bekämpft werden.— GenosseHoch brachte die Typhuserkrankungen bei dem in Hanau garni-sanierenden Eisenbahnregiment zur Sprache, die den Tod von 20Soldaten zur Folge gehabt haben. Die Frage müsse auch besprochenwerden, ob nicht den Angehörigen der verstorbenen Soldaten eineEntschädigung aus Reichsmitteln zu gewähren sei.— GeneralStabs erklärte, wenn die Angehörigen der verstorbenen Sol-baten einen Antrag auf Entschädigung stellen würden, sollte einewohlwollende Prüfung und Erledigung eintreten.Hierauf kam es zu einer längeren Debatte über die Vergeudungvon Steuergeldern durch Besichtigungsreisen der Offiziere. EinAntrag unserer Genossen, rund 90 000 M. von den Reisekosten zustreichen, wurde gegen die Stimmen unserer Genossen abgelehnt.—Genosse Büchner monierte es, daß in Staatsbetrieben Sozial-demokraten und gewerkschaftlich organisierte Ar»beiter nicht eingestellt werden sollen. Hier müßte eineAenderung eintreten, die Verwaltung habe nicht nach dem politischenBekenntnis zu fragen. Büchner rügte auch das Gratifikationswesenkür Meister in Spandau.— General Wandel erklärte. Sozial-demokraten könnten ihrer„staatsfeindlichen Gesinnungen" wegennicht in Staatsbetrieben beschäftigt werden. Die Sozialdemo-kratie propagiere ja sogar den Generalstreik für den Kriegs-fall. Es bleibe also bei der angegriffenen Bestimmung.— GenosseSchöpf! in griff die Haltung der Militärverwaltung scharf anund bestritt ihr das Recht, solche Bestimmungen zu erlassen. OhneSozialdemokraten könne die Militärverwaltung gar nicht mehrin ihren Werkstätten produzieren. Im Plenum werde die Auge-legenheit noch besprochen werden.— Die Abgg. S e m l e r undMüller- Meiningen wandten sich ebenfalls gegen die Haltungder Militärverwaltung. Eine sozialdemokrafische Resolution, diedie Aufhebung der fraglichen Bestimmung forderte, wurde gegendie Stimmen unserer Genossen und der Volksparteiler abgelehnt.— General Wandel gab noch eine amtliche Darstellung derLandung des Zeppelin-Lustschiffts in Luneville.— Die nächsteSitzung findet am Dienstag statt.parlamentarisches.Wahlprüfungskommission des Reichstages.Bei der Prüfung der Wahl des Grafen v. Oppersdorfs(Fraustadt-Lissa) spielte die Frage eine Rolle, ob die mehrfach be-hauptete politische Agitation in der Kirche eine unzuläffige Wahl»?ugenädeirvegung.Der Kampf um die Jugendbewegung in Württemberg.Der Kampf um die Arbeiterjugend führte in der Donnerstag?«sitzung des württembergischen Landtages zu einer fünf-stündigen scharfen Debatte. Im Ausschuß war die Etatposition von10 000 M. für Jugendpflege abgelehnt worden, weil die Forderungdes Zentrums und des Bauernbundes, neben dem Jungdeutschland-bund und anderen hurrapatriotischen Organisationen den konfesfio-nellen Jugendvereinen Beiträge zu gewähren, von der Regierungund der Linken abgelehnt worden war. Bor der Beratung imPlenum kam ein Kuhhandel zwischen der Rechten, den National-liberalen und der Regierung zustande, wonach die Gesamtsummeauf 15 000 M. erhöht wurde, und hieraus auch den christlichenVereinigungen Beiträge gewährt werden sollten. Trotzdem demAntragt von vornherein eine Mehrheit sicher war, gab eS einegroße Auseinandersetzung, in der von unseren Genosien Hey mannund Westmeyer die sogenannte nationale Jugendbewegung.besonders aber der Jungdeutschlandbund mit seinen chauvinistischenTendenzen mit aller Scbärfe bekämpft wurde. Genosie Hehmannwies an der Hand von Tatsachen die innere Hohlheit der auch vomKultusminister aufgefrischten Behauptung nach, daß die Jungdeutsch-landbewegung parteilos sei. Sie sei nicht? weiter als eine Kampf-organisatton gegen die Sozialdemokratie und sie pflege obendreinin der frivolsten Weise rohe kriegerische Gesinnung in den jungenLeuten. Nicht der Schutz gegen Ausbeutung und sittliche verwahr«losung, sondern der nationalistischen GefinnungSpfleae diene die staat-liche Jugendfürsorge. Diesen Tendenzen wurden dre Leistungen derArbeiterjugendorganisationen gegenüber gestellt.— Vom nationalliberalen Abg. v. H i e b e r wurde offen zugegeben, daß derJuiigdeutschlandbund eine Abwehrorganisation gegen die Sozial-demokratie sein solle. Dieser Herr machte sich auch wieder einmaldas Vergnügen, die angeblich nationale ausländische Sozialdemo«kratie gegen die vaterlandslose deutsche Sozialdemokratie auszuspielen,was ihm aber schlecht bekam, als unsere Redner erwiderten. Mitgroßer Entrüstung wandte fich Hieber gegen die proletarische Jugend-bewegung, die die Seele des Kindes durch Einflößung des Klaffen-Haffes vergifte.— Die konservativen und Zentrumsredner Hubenin dieselbe Kerbe, nur mit dem Unterschied, daß da« genrmmneben dem Hurrapatriotismus die konfessionell-religiöse Jugend-verdummung noch mehr gepflegt wissen will.— Die Bollsparteisuchte sich mitten durchzuwinden, indem sie die Erhöhung derSumme ablehnte, einige abfällige Bemerkungen über die Auswüchseder Jungdeutfchlandbewegung machte, zugleich aber auch die proleta-rische Jugendbewegung angriff.— Genosse We st meyer gab einBild von der wirtschaftlichen Not der proletarischen Jugend, über diefich die Regierung und die bürgerlichen Parteien keiu« Sorgenmachen, und erklärte, daß die proletarische Jugenderziehung allerdingsdarauf abziele, die Söhne des Volkes dagegen zu schützen, daß sieihre Haut für die Besitzenden zu Markte tragen müssen. DieDebatte spitzte sich schließlich persönlich zu. DaS Ergebnis war. daßder Antrag auf Erhöhung der ausgeworfenen Summe und auf Be-rücksichtigung der konfessionellen Vereine mit 50 gegen 27 Stimm«der Bollspartei und der Sozialdemokratie angenommen wurde.