Der arme Prinz und seine vornehmen Gäste find zu bedauern!Erst die Hochzeit, dann das Jubiläum am Kaiserhofe und dazudie verschiedenen Hoffeste, das kostet eine schöne Stange Geld fürGeschenke und Toiletten. Und obendrein noch die„freiwillige Opfer-gäbe" der Fürsten. Ja, auch die auf de» Lebens Höhen ThronendenHaben zu knabbern, um über die schlechten Zeiten hinwegzukommen.praktifckes Cbnftentum.Die Herrschenden sind in arger Bedrängnis. Das Volk willnicht mehr geduldig Ordre parieren, dem Kapital nicht mehr Aus-beutungsobfekte in unbeschränkter Zahl liefern. Was Wunder,wenn hier die christlich-katholische Kirche dazwischenfährt und dieBeschränkung der Geburtenzahl mit unter die Todsünden rechnet,für die die armen Schächer ewiger Höllenpein ausgeliefert tverden.Jeder vernünftige Blensch würde nun freilich annehmen, daß Kirch«und Staat, Gläubig« und Gemeinden alles daransetzen, um einergesunden Volksvermehrung die Wege zu ebnen. Soziale Für-sorge für Mutter und Kind, weitsichtige Woh-nungSpolitik find doch die notwendigsten Vorbedingungen,der drohenden Geburtenminderung entgegenzutreten. Doch dassteht nicht im Kalender der Herren.Wie die soziale Fürsorge für Mutter und Kind betrieben wird,hat uns die Beratung der famosen Reichsversicherungsordnung ge-lehrt. Da wurden von den Frommen und ihrem Anhang alle An.träge niedergestimmt, die eine wirkliche Fürsorge für Mutter undKind verlangten. Und eine weitsichtige Wohnungspolitik findetihre schärfften Gegner gerade in den von den Frommen beherrschtenGemeinden. Es heißt zlvar in der Bibel:„Lasset die Kindlein zumir kommen und wehret ihnen nicht." aber in der- Praxis richtensich die Hauspaschas immer noch nach dem Rezept eines frommenWiener Kollegen, der eine in der Lustkandel gasse 44 ab 1. Juni zuvermietende Wohnung von Stube und Küche nur„für christ.liche Parteien ohne Kinder" reservieren will.Wenn Kulder den Arbeitereltern die Lebensführung ungeheuererschweren, wenn sie dem praktischen Christentum als ein gräßlichesUebel erscheinen, dem man kein Obdach gewähren will, ist es dazu verwundern, wenn die Gefahr der Geburtenminderung immerdrohender erscheint?.Bus aller Melt.Geld stinkt nicht.Dreister als die Spatzen sind ohne Zweifel die KriegervereinS-Vorstandsmitglieder von Arnsdorf in der Lausitz. Bei derletzten Landtagswahl wählten sieben Mitglieder des Vereins diesozialdemokratischen Wahlmannskandidaten. Diese„Jnsubordi»Nation" wurde auf der Stelle mit dem Ausschluß aus dem Krieger-verein geahndet, aber mit dem Bemerken, daß die Ausgeschlossenenrecht bald ihre restierenden Beiträge zu bezahlenhaben.Die„Bescheidenheit" deS Kriegervereinsvorstandes ist wirklichrührend. Bei ihnen steht auch der Grundsatz:„Geld stinktnicht!" an erster Stelle.Religion und Geschäft.Eine saubere Verknüpfung von Religion und Geschäft leistetsich die Annoncen-Expedition Jnvalidendank, deren Protektor derevangelische.Fronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen"ist. Sie versendet an schlesische Geschäftsleute das folgende skrupel,lose Zirkular:„Jnvalidendank Annoncen-Expedition.Breslau, den 28. April 1913.W i r wundern uns, daß Sie bei dem Ueberwieaen derkatholischen Bevölkerung in ganz Schlesien nicht einekatholische Zeitung benutzen, sondern Zeitungen, diewegen ihrer Tendenz von keinem guten Katho-liken gelesen werden(!).Wir empfehlen Ihnen als einziges matzgebendes Organ fürIrtfftnljfdfrp(�fFirPliprt hfp �ffiTpfn/TiP Stp />T+/» /nkatholische Schlesien die„Schlesische Volkszeitung", die alte s!)e(!) katholische(!) Zeitung für alle Kreise. Wir bitten er-trtH, eventuell Tarif oder genaue Offerts von uns einzu-SSW. Hochachtungsvollßod jrjgiulD Jnvalidendank.'Nwrt? sl» Abt.„Schlesische VollSzeitung".TaS etwas offene Rundschreiben spricht ebenso sehr dafür, daßdie Zentrumsblätter einer nichtkonfesswnellen Partei dienen, alsfür die Unparteilichkeit einer Annoncen-Expedition, die doch auchmit Zeitungen anderer Richtung ihre Geschäfte machen will. Amsaubersten aber ist die Ausnützung religiöser Ueberzeugung fürirdische Geschästshuberei.Der Tribünen-Einsturz in Kalifornien.50 Tote, übet 300 Verletzte.Wie aus Langbeach in Kalifornien gemeldet wird, sind bis jetztvon den bei dem Tribüneneinsturz verunglückten Personen 50 Toteund über 300 Schwerverletzte geborgen worden. Die meisten Opferder Katastrophe sind Engländer, die sich an dem englischen Ratio-nalfeiertag beteiligen wollten. Von den Verletzten schweben zirka150 Personen in Lebensgefahr. Die Panik, die nach dem Einsturzder Tribüne auf den Piers ausbrach, ist unbeschreiblich. VieleFrauen und Kinder wurden von den entsetzt fliehenden Personenbuchstäblich zertreten.Feuer auf der Genter Weltausstellung.Eine ungeheure Feuersbrunst ist gestern nachmittag plötzlichauS unbekannten Ursachen in der Genter Weltausstellung ausge-brachen. DaS Feuer nahm seinen Anfang in der Restauration„Sillestal"(Zillertal). Da das Restaurant vollständig aus Holzerbaut ist, wurde es im Augenblick ein Raub der Flammen. DasFeuer verbreitete sich mit außerordentlicher Schnelligkeit auf dieindischen Tempel, in denen Kunstwerke von bedeutendem Werteaufgestellt sind. Der englische Pavillon war sehr bedroht, und manbefürchtete, daß das Feuer auch auf ihn übergreifen werde. DieFeuerwehr, unterstützt von zahlreichem Militär, gab sich die größteMühe, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Da die ge-samten Bauten der Ausstellung aus Holz gefertigt sind, so branntendiese binnen kurzem nieder. Die Löschvorrichtungen haben sich alsvollkommen unzulänglich erwiesen. Trotz des Massenbesuchs, dergestern stattfand, ist es unter dem Publikum zu keiner Panik ge-kommen. Da sich das Publikum an den Brandherd herandrängte,so erschwerte es die Löscharbeiten außerordentlich.Explosion eines Pulvermagazins.Ein Munitionsmagazin ist am Sonnabendabend kurz vor12 Uhr auf dem Steinfelde bei Wien in die Lust geflogen. DasObjekt 16, das sich am sogenannten Mittel befindet und zu dengrößeren Munitionsmagazinen gehört, wurde vollständig zerstört.Ter Feuerschein der Explosion war bis zur Eisenbahnstation WienerNeustadt fichtbar. Von der Station Felixberg eilten zahlreicheEisenbahnangestellte an die Unglücksstelle, um die erste Hilfe zuleisten. Auch von Wiener Neustadt wurden sofort Militärmann-schatten zur Hilfe gesandt. Bisher konnte noch nicht festgestelltwerden, ob Verluste an Menschenleben zu beklagen sind.Spiel und Sport.Vernünftiges Marschieren.Bürgerliche Sportvereine glauben etwas Besonderes zuleisten, wenn sie ihre Anhänger im Wettmarschieren üben.Hierbei gerat diese Sorte Sportler auf dieselbe Bahn,welche die passionierten Berufsrennfahrer mit ihrer Kilo-meterfresserei betreten haben. Bei Veranstaltung desArmeegepäckwettmarsches in Jena wurden die Teil-nehmer vor und nach deni Marsche genau ärztlich untersucht.Von 45 sich Meldenden traten 20 zurück, weil man sie gewarnthatte. Bei 16 Teilnehmern wurden wesentliche Verände»rungen nach dem Marsche am Herzen konstatiert: Verlage-rung des Herzens, Kleinerwerden des Pulses, Unregelmäßig-keit und Ungleichmäßigkeit der Herztätigkeit, Erweiterungder Lunge. Viele Teilnehmer klagten Aer Muskelschmerzenund Krämpfe in den Beinen. Einzelne Teilnehmer warentrainiert, andere hatten den Marsch Unvorbereitet angetreten.Es ergab sich aber, daß daS Training nicht ohne weiteres miteiner Erhöhung der Leistungsfähigkeit auch eine Besserungder Verfassung nach so ausgesprochener starker körperlicherBetätigung hervorbringt. Die Vegetarier schnitten sehr gutab. Doch betont Prof. Grober, daß damit diese Lebensweisekeineswegs körperlich schwer arbeitenden Menschen empfohlensei. Alle Veränderungen bei den Teilnehmern waren vor-übergehender Natur, nur in einem einzelnen Falle nahmen dieAlemannia— Berliner Adler« Halbzeit L: 0,Erscheinungen einen bedenklichen Charakter an. Prof. Grober.Jena, hält es für notwendig, daß Leute, welche an einersolchen Sportleistung teilnehmen wollen, sich vorher auf die-selbe trainieren, auch sollte die Eignung jedes einzelnen Teil-nehmers vorher ärztlich einwandfrei festgestellt werden.Richtiger ist schon, wenn auch beim Marschieren Ziel undMaß gehalten wird._Volkstümliche Wctttämpfe fanden am gestrigen Sonntag auSAnlaß des 20jährigen Bestehens deS Arbeiter-TurnerbundeS u. o.auch auf dem Turnplatz Treptow vom Turnverein„Fichte" unterstattlicher Beteiligung vor einer zahlreichen Zuschauermenge statt.Am„Dreikampf", Kugelstoßen, Hochspringen und Hüroenlauf,beteiligten sich 110 Turner.— Als Sieger gingen hervor: Fuhrig(8. Männer-Abt.) mit 52)4 Punkten, Schöneberg(7. Männer-Abt.)mit 49 zi Punkten, König(14. Männer-Abt.) mit 49 Punkten,Genske(7. Männer-Abt.) mit 47)4 Punkten, Schulze(7. Männer-Abt.) mit 47 Punkten, M. Schmidt(1. Männer-Abt.) mit46 Punkten, Gunst(8. Männer-Abt.) mit 45)4 Punkten.Beste Leistungen waren im Hochsprung 23 Punkte(Fuhrig,8. Männer-Abt.), Hürdenlauf 20 Punkte(Schwarz, 8. Männer-Abt.), Kugelstoßen 16'A Punkte(Neumann, 10. Männer-Abt.)-Ein fesselndes Bild boten hierauf die Stafettenläufe derMänner-, Jfcanen- und Lehrlings-Abteilungen über 1000 Meterin der Gasse. Im Endlauf siegten die 3. Manner-Abt. mit 2 Min.15 Sek., 5. Frauen-Abt. mit 2 Min. 48 Sek., 3. Lehrlings-Abt. mst2 Min. 21% Sek.Fußball.Schluß 9: 0.Radrennen zu Treptow» 2 5. Mai. Dem Dauerrennen umdaS Goldene Rad von Friedenau, das in drei Läufenüber je 50 Kilometer von sechs Fahrern bestritten wurde, wargoldener Sonnenschein und daher guter Besuch beschieden. DasGoldene Rad, das in Friedenau am 22. Mai 1393 zum ersten Maleausgefahren wurde, hat in den 15 Jahren fast alle Größen unsererDauerfahrer vereint, und eS ist in allen Rennen zu spannenden.Kämpfen gekommen.So auch in diesem Jahre. Schon sab der kleine FranzoseMiquel wie der sichere Sieger aus, als es vem Berliner Jankegelang, seinen Gegner in der letzten Runde zu überholen und eine::knappen Sieg zu erringen. DaS Rennen verlief in semen dreiLäufen wie folgt:Preis von Treptow. 50 Kilometer. 500, 300, 200 Mark.1. Demke in 44 Min. 36% Sek.; 2. Hall, 1890 Meter; 3. Günther3040 Meter zurück. Hall nimmt die Spitze vor Demke undGünther; letzterer bleibt zurück und wird schon in der 25. Rund«von Hall überholt, bald darauf auch von Demke. Günther kannden anderen keinen Widerstand leisten, bis zum Schluß hat er zehnRunden eingebüßt; dagegen unternimmt Demke wiederholt An-griffe auf den führenden Hall; nachdem dieser bis zum 42. Kilo-meter die Spitze behaupten konnte, verliert er bei einem neuenVorstoß Demkes den Anschluß und büßt bis zum Schluß noch sechsRunden ein.Preis von Friedenau. 50 Kilometer. 500, 300, 200Mark. 1. A. Stellbrink in 42 Min. 44% Sek.; 2. Miquel30 Meter; 8. Janke 280 Meter. Alle Fahrer erweisen sich alsgleichwertig: sie enden in kurzen Abständen. Stellbrink geht alsErster ins Rennen, gefolgt von Janke uyd Miquel. Der Franzosegeht bei dem 25. Kilometer vor und kann bis zuletzt den zweitenPlatz hinter Stellbrink behaupten.Das Goldene Rad von Friedenau. Endlauf(50 Kilometer).Dem Sieger eine goldene Medaille und 1500 M., dem Zweiten900 M., dem Dritten 600 M. 1. Gustav Janke in 44 Min.44% Sek., 2. A. Stellbrink 50 Meter, 3. Jules Miquel 60 Meterzurück. Bruno Demke aufgegeben. Miquel, Stellbrink, Janke,Demke ist die Reihenfolge, die lange die gleiche bleibt. Demke fälltzuerst zurück, er hat Reifenschaden und büßt meKrere Runden ein,da nachher auch sein Motor versagt, gibt er nach dem 30. Kilometeraus. In den letzten 10 Kilometer Ersuchen Janke sowohl wieStellbrink an Miquel vorbeizugehen, sie fallen dabei von ihrerFührung ab und verlieren jeder eine Runde. Doch Janke ist uner-müdlich, ein Neuer Vorstoß glückt ihm, er holt die verlorene Rundeauf, und ist Miquel dicht auf den Fersen, den auch Stellbrink über-holen kann. Die letzte Runde kommt; Janke legt sich noch einmalins Zeug; er überholt den Franzosen und geht unter dem tosendenBeifall der Zuschauer als Erster durch das Ziel, dicht gefolgt vonStellbrink, hinter dem Miquel als Dritter endet. Janke fährt miteinem Lorbeerkranz geschmückt eine Ehrenrunde. Die Nennenverliefen ohne Unfall. Fliegerrennen wurden nicht ausgefahren.'••InsäsMParis.?sthode hat. Nun scheint's"�hie Methode haben die-id'er und Modistinnen dertschelnden bourgeoisendiejenigen, die sich die ge-TSIanS�i Feuilleton.""Ä-U V'Tie Mode ist etil Äaauf den ersten Blick so bejenigen, die die Mode machen—Kokotten, Weltdamen und derGänseherde, und den Wahnsinn$quälten Erfindungen der Belletdungsiechniker als Gesetz ihresöffentlichen Erscheinens einreden lassen. Aber ganz so ist'S denndoch nicht. Mit all ihren exzentrischen Sprüngen bleibt die Modedoch auf soziologischem Boden. Wie die Aesthetik der Kunst ist auchdie ihre ein Teil der Gesellschaftspsychologie. In keiner frOrdnung mache» Kleider Leute wie in der bürgerlichen,�zuletzt machen doch die Leute die Kleider. Und die Unterlag)Kleider: den Körper, den Ideologen für ei» Stück Natur halten.In Pari» trägt man jetzt Bäuche.Ein Bauch war etliche Jahre lang ein Unglück. BäuiHerren älterer Jahrgänge gingen nach Marienbad. JünHerren und Damen kletterten auf Gletscher, ruderten, fuhrenSchneeschuhen, trieben Zimmergymnastik. Ueppige Salonsteft�eließen sich von Masseusen die Fettschichte abhobeln.Das ist vorbei. Mau trägt jetzt Bäuche. Sonst kommt mat:in Gefahr, zur Canaille gerechnet zu werden.Manchmal will die Natur freilich nicht. Da hilft die Industrieaus. Man bekommt Bäuche in Kautschuk und anderen dehnbarenStoffen zu kaufen. Bäuche in allen Größen. Fertig und nachMaß. Die Damen haben einen neuen Gesprächsstoff:„Sie habenkeinen Appetit, meine Liev«? Gehen Sie doch zu X in der Nuesoundso. Seine Fabrikate sind täuschend... sehen Sie sichselbst..Natürlich ist's geschlechtliche Zuchtwahl— der Kampf um denMann, um die Männer. Geschlechtliche Zuchtwahl ist ja auch derZweck der anderen SchönhcitSsurrogatc. Der Äohlenstift gibt inter-essante Augen, gefärbte Lippen zeigen sinnliches Temperament an.Künstliche Busen sind ein alter Artikel.Auch der Bauch gehört zum Lockapparat. Wer die Zuchtwahlist da sozial kompliziert.Warum gilt der Bauch jetzt als schön? Vor fünfzehn Jahrenwar Magerkeit Mode. Die Damen waren Aesthetinnen, sprachenüber Ibsen, besuchten anarchistische Zirkel. Sie tränierten, ihrenBourgeoissdeck ab und schwebten mit schwcrloser Geistigkeit überden Klaffen.Gott sei Dank! heute kennt man wieder Unterschiede. Magersein kann jeder Hungerleider. Und man ist stolz, daß man keinHungerleider ist. Ein ungavSIbter Unterleib verrät Nihilismus.Will nicht schon Cäsar wohlbeleibte Männer um sich sein lassen?Auch konservative Frauen wollen wohlbeleibt sein..Ein Bauch zeigtBesitz an. Und Seßhaftigkeit. Magere Menschen lausen vielherum, gehen über Grenzen. Bäuche sind patriotisch. lMan trägt jetzt Bäuche.'Hösisches. Wenn ein gewöhnlicher Sterblicher es auf der be-kannten sozialen Hühnerleiter recht weit gebracht hat und schließ-lich auch ein Jubiläum feiern kann und außerdem noch ein an-ständiger und natürlich empfindender Kerl geblieben ist, so pflegter von dem mehr oder weniger aus eigener Kraft verdienten Mam-mon ein Weniges in„Stillungen" anzulegen. Für Waisen, fürWitwen, für Berufsinvaliden, für gefallene Jungfrauen, fürChinesenkinder oder Kriegervereine. Je nach Geist und Gaben undGusto. So wenig diese liebung auch nur im entferntesten an dersozialen Not unserer Zeit etwas Wesentliches korrigieren kann—das vermag nicht einmal die private Wohltätigkeit in ihrer Gesamt-heit— so ist sie doch ein hübscher menschlicher Zug, mit dem manich wohl abfinden kann, wenn solche„Stiftungen" einigermaßenui p a r t e 1 1 s ch verteilt werden. So konnte in jüngster Zeit diesenparteilichkeit einem schwerreichen, bürgerlichen Zeitungsverleger1 attestiert werden.Gespannt wird man nun sein dürfen, ob auch WilhelmII.,ja demnächst erheblich jubiliert, diesem Brauche folgen und, wie es mit seiner Unparteilichkeit stehen wird. Tiezollern— man weiß das— gehören ja nicht zu den Reichstenden Hüten: des„Gottesgnadentums" und deshalb kann man'"it II. an„Stiftungen" nicht soviel zumuten, wie die Waffen-:ten oder großkapitalistische Äaufleute— machen könnten.'iließlich, arm ist er gerade auch nicht. Aber wenn wirklichin der Schatulle knapp sein sollte— wie wäre es denn,ilhelm II. in diesem„Opferjahr" einmal das Opferauf die großen unendlich teuren Massenschietzereien mitGefolge zu verzichten? Das würde schon eine ganz hübsche- an Ersparnissen ausmachen, die er viellercht— denerb eitern überweist!Und noch etwas wäre interessa:>t. Die bürgerlichen Blätterbringen eine längere Notiz über die Aussteuer der PrinzessinViktoria Luise, die im ganzen eine Reklame für die beschäfiigtenFirmen darstellt. Darin findet sich auch die Mitteilung, daß„Stickereien und Zeichnungen sowie andere kleine Arbeiten" vonden Heimarbeiterinnen in Berlin und in Potsdam ausgeführt wur-den. Konnte das Hausmarschallamt oder wer sonst die geschäftlicheSeite dieser Angelegenheit erledigt, nicht mitteilen, wie diese Heim-arbeiterinnen bezahlt worden sind? Hat man eS etwa bei den sonstin dieser erbarmungslos gedrückten Branche üblichen Schund-preisen belassen, über die die Mutter der Braut, wie eS hieß,vor einigen Jahren in der ersten Heimarbeiterausstellung Tränenvergosse:i haben soll?Eine„Deutsche Gesellschaft sür angewandte Entomologie". Aufder diesjährigen Tagung der„Deutschen Zoologischen Gesellschaft",die vom 12.— 15. Mai in Bremen stattfand, hat sich die„DeutscheGesellschaft sür angewandte Entomologie"(Insektenkunde) gebildet.Die Gründung erfolgte auf Anregung von Professor Dr. K. Escherich.Tharandt, der auf die gänzlich unzulängliche Organisation der an-gewandten Entomologie in Deutschland hinwies. Diese Wissenschaft befaßt sich mit der Bekämpfung schädlicher Insekten und istvon großer Bedeutung sür Land- und Forstwirtschaft, Handel undIndustrie usw., wie für die öffentliche Gesundheitspflege; sie hatbisher in anderen Ländern weit mehr Würdigung gefunden alsbei uns. Die neue Gesellschaft erstrebt daher vor allem: Durch-führung einer zweckdienlichen, staatlichen Organisation, kritischeSichtung des vorhandenen Stoffes aus dem Forschungsgebie:.Hebung deö Verständnisses im Volk. Die Gesellschaft wird ihreArbeiten möglichst in Verbindung mit der„Deutschen ZoologischenGesellschaft" durchführen. In den Vereinigten Staaten und inFrankreich sind solche Vereinigungen seit Jahren mit Erfolg tätig.Gibt es Radium auf der Sonne? Nach einer Anwesenheit vonRadium auf der Sonne ist mit besonderem Eifer geforscht worden.da sie vielleicht manche Eigenschaft unseres Muttergestirns erklärenkönnte. Namentlich sind die Spektra der Chromosphäre, wie sie be:Gelegenheit von Sonnenfinsternissen beobachtet oder auch photogra-phiert werden können, zur Aufklärung dieser Frage benutzt worden,aber zu einer Enffcheidung war man bisher noch nicht gekommen.Jetzt hat der Astronom der Sternwarte zu Kodaikanal in Indienalle früheren und eigene Beobachtungen zusammengefaßt, um zueinem Schluß zu gelangen. Danach bekunden die besten Spektral-aufnahmen und die neuesten Messungen der in ihnen auftretende::hellen Linien mit voller Sicherheit, daß weder Radium noch diesogenannte Emanation in der Chromosphäre der Sonne vorhandenist. Dieselbe negative Folgerung wird mit Bezug auf daS vermuteteVorkommen von Argon und Neon, diesen Edelgasen der indischenAtmosphäre, behauptet. Ebenso ist die Forschung nach den nochselteneren Bestandteilen unseres LufimeereS, Krypton und Zenon,auf der Sonne ergebnislos verlaufen.Theater.LustspielhanS.»Der lustige Kakadu" ist nämlichgar kein Vogel, sondern ein Berliner Nachtcafe. Besagte Sektbude ent-puppt sich hinwiederum als Vaudeville, das die Herren Jakoby-Lippschitz textlich und Heinz Levin musikalisch auf dem Gewissenhaben. Erinnern wir uns recht, so hieß die Chose vor einigenJahren etwas anders. Da aber die Verfasser die Idee von denzwei„Ichs" in einer Person, oder vom„Ober, und Unterbewußt-sein" travestierend bis zur Bewußtlosigkeit verarbeiteten, so istleicht zu vermuten, daß sie von der Existenz des ersten Stückes keineAhnung mehr haben. Daran wäre nur der.Dämmerungszustand"ächuld, den sich ihr Held, der gegen Nachtcafes als ein andereriitter Sankt Georg zu Feld« ziehende Abgeordnete und Vizekonsulvon Guatemala in dem Augenblick zunutze macht, wo ihm„derlustige Kakadu" als Erbschaft zufällt. Nun spielt er einfach den„Andern", daS heißt: er kennt niemand mehr, um nicht als schein-heiliger Hammel entlarvt zu werden. Eigentlich geht in den dreiAkten nichts vor. als tolle Wackeltanzerei in den unglaublichstenVariationen. Und die komische Musik illustriert den Höllenspektakeldementsprechend. Man kriegt den Eindruck, als habe sich der Blöd-sinn verschiedener„Vergnügungslokale" das Lustspielhaut zursommerlichen Heimstätte erkoren. Tiefer geht? kaum noch. Indessen— Ulk gemacht, verrückt die„Trude" gewackelt und auch brav ge-sangen oder gekrischen wird trotz alledem. Dazu hat das Stück denVorteil, daß man am Tage darauf nach der Aufführung»ich:?mehr davon wissen wird— von UnteichewutztseinS wegen. c.