poUtifche GeberfichtTer zweite Krupp Prozeft.Wie nunmehr bestimmt verlautet, ist das Untersuchungs-Verfahren in der Krupp-Angelegenheit gegen Brandt undGenossen und eine große Anzahl Direktoren der s�irmaKrupp in Essen, auch auf den früheren Generaldirektor Land-rat a. D. Rötger, Vorsitzender des Zentralverbandes deutscherIndustrieller, ausgedehnt. Die Anklage ist noch nicht er-hoben. Die Verhandlung vor der ersten Strafkammer desLandgerichts Berlin I dürfte vor November nicht stattfinden.Gegen die„Kölner Korrespondenz".Die hyperkatholische„Kölner Korrespondenz" hatte das Kirmes-treiben auf den Katholikentagen gekennzeichnet und von„Alkohol-bcgeisterung" und verbummelten.Katholikennächten" gesprochen.Das hat die Veranstalter der Mctzcr Kirmes arg verschnupft. Dasamtliche Festblatt der 60. Generalversammlung der KatholikenDeutschlands bringt deshalb in seiner gestrigen Nummer eine scharfePolemik gegen die„Kölner Korrespondenz". Sein Artikel ist überschrieben:»Ein Wort zur„Kölner Korrespondenz"— sie richtet sichselbst". In dem Artikel heißt es:„Das gröbste, was wohl je eine katholische Zeitung geschrieben, leistet in ihrer Nummer vom 15. August die vonDr. Karl Kaufmann in Frankfurt a. M. herausgegebene sogenannte„Kölner Korrespondenz". Diese Nummer bringt eineBeschimpfung der deutschen Katholikentage, wie sie frecher undempörender kaum gedacht werden kann. So wagt einer diedeutschen Katholikentage zu beschimpfen, die seit Anbeginn alsSprachrohr des„integralen Katholizismus" in Deutschland auftreten.Man mochte fast glauben, daß die Sätze der„Kölner Korrespondenz"unter dem Einfluß des Alkohols geschrieben seien. Dieser Artikelzeigt, wohin der wilde Fanatismus führt, welcher ingewissen Ouertreiberblätteen sich austobt. Diese Polemik wirdlehrreich sein für viele, welche bisher direkt oder indirekt diesenQuertreibereien Unterstützung haben angedeihcn lassen, weil sieglaubten, damit dem Katholizismus einen Dienst zu erweisen.ES hat erst solcher Ausgeburt des Fanatismus bedurft, um minderEinsichtigen die Augen zu öffnen und sie einen Blick tun zulassen in die Seelen von Verlretern eines Katholizismus, vordem„alles rettet und flüchtet", dessen Betätigung nur den ein-gefleischtesten Gegner alles Katholischen eine teuflische Freudebereitet."_Zur Charakteristik der Moral klerikaler Blätter., Am S. August(in Nr. 183) veröffentlichte der sich gleichermaßen durch Frömmigkeit wie Verlogenheit auszeichnende klerikale„Aachener Volksfreund" einen angeblich dem belgischenBlatte„Gazette de Liege" entnommenen Artikel, wonach kürzlichder„sozialistische Abgeordnete von Augree in Belgien", Giltay,eine Rede gehalten und darin unter anderem gesagt haben soll:„Meine Herren! Das Geschmeiß muß aus dem Landeverjagt werden! Die ist die Parole der Freidenker. Ich fügemutig hinzu: Verfolgen wir die Klosterfrauen!...Ich habe gesehen, wie das Geschmeiß der Klosterfrauen sich mitder Milde eines Engels über den Kranken beugte, über die Ver»mündeten; wie es die Wunden verband mit einer so feinenZartheit, wie es die Unglücklichen tröstete mit Worten so vollerGüte, daß alle, die dies Geschmeiß bei der Arbeit gesehenhaben, mit einer lächerlichen Ehrerbietung für dasselbe erfülltwurden. Mitbürger, können wir es länger duldsn, daß diesGeschmeiß sich opfert, um die Elenden des Volkes zu trösten undso die Nichtigkei und die Heucheleien unserersozialistischen Behauptungen in ein lebendiges Lichtstellt? Vertreiben wir das Geschmeiß! Es ist für uns einedrohende Gefahr!.... Das Volk wird versagen, wenn wirnicht Ordnung schaffen. Auf der einen Seite sieht es die Kloster-frauen, die es liebt und deren Taten es kennt, während es aufunserer Seite nur übertünchte Gräber sieht, welche unsere Ver«tommenheit bedecken. Vertreiben wir die Klosterfrauen, stellenwir an ihren Platz die weltlichen Wärterinnen, die ihre Krankenruhig sterben lassen, die sich retten, wenn eine Epidemieausbricht, während die Klosterfrauen auf ihrem Posten bleiben."Nachdem der„Volksfreund" diese„Rede" abgedruckt hat, be-kennt er schaudernd, daß er sie wegen ihrer Rohheit nicht in ihrer{anzen Länge wiedergeben könne; er fügte dann aus eigeneminzu:„Man sieht aus dieser Rede den Haß des echten Sozialistengegen die Einrichtungen der katholischen Kirche und das B e-g reden der Sozialdemokraten, alles zu be-seitigen, was das Elend der Unglücklichenlindern kann. Sie weiß ganz genau, daß da, wo denUnglücklichen geholfen wird, die Unzufriedenheit flicht. Wo aberkeine Unzufriedenheit ist, da ist auch kein Boden für die Sozial-demokratic. Genau so ist es auch bei uns in Teutschland, wodie Sozialdemokratie die soziale Gesetzgebung zu verhinderngesucht hat und noch immer zu verhindern bestrebt ist."Unseren Aachener Genossen kam die Rede dieses„belgischenAbgeordneten" Giltay von Augree von vornherein sehr spanisch vor.Sie sandten ihm den Artikel mit einem Begleitschreiben ein. batenaber gleichzeitig die belgische Postbehörde, falls ein solcher Ab-geordneter nicht existiere, den Brief der Redaktion des„Peuple"zu übergeben. Die Vermutung, daß eine gemeine Fälschungvorliege, erwies sich als richtig. Ter Abgeordnete Giltay existiertnicht, die Rede ist nie gehalten worden; sie ist ein Phantasieprodultdes klerikalen Lütticher Preßorgans, loie aus folgendemSchreiben des Internationalen sozialistischenBureaus hervorgeht:„Llmmdre des ReprSsentants.Bruxelles, 13. August 1913.'A Lieber Genosse! Ich erhielt vom„Peuple" das von Ihnenan den Abgeordneten Giltay gesandte, von der Post laut Ver-merk auf der Adresse an die Redaktion des„Peuple" über-mittelte Zentrumsblatt,„Der Volksfreund", Nr. 183. Ich habedas Blatt meinen Kollegen im Abgeordnetenhause gezeigt undIvir haben alle vergeblich einen Abgeordneten Giltay in derKammer und im Abgeordnetenhause gesucht. AbgeordneterGiltay ist eine mystische Persönlichkeit, die dieKlerikalen sich gemacht haben. Was die Rede be-trifft, welche die„Gazette de Liege" veröffentlicht hat oder habensoll, so ist sie, wenn erschienen, von dem Blatte frech er-f u n d e n. Sie wurde einem gewissen Giltay in den Mundgelegt. Dieser Giltay, eine uns gänzlich unbekannte, der Parteinicht angehörige Person, die kein Recht hat, irgendwie im Namender Partei Erklärungen abzugeben, war ein Gemeindeangestelltervon Augree, der mit seiner Frau in Uneinigkeit lebte und vomKorrektionshofe wegen Mißhandlung seiner Frau zu einerGeldstrafe verurteilt wurde. Der Artikel des Zentrumsblattcsist also nur Schwindel. � Mit Parteigrutz!gez. Camille Hu Ys maus, Sekretär."Ter ehrsame„Aachener Volksfreund" hat sich also wieder maleine Lügenmär geleistet. Das ist begreiflich, denn dieses Blattgehört zu den eifrigsten Vertretern der reinen klerikalen EthikKölnischer Couleur. �—-■•(Wucherprofite wollen sie, nicht mästigen Gewinn.Wie wenig eS den Agrariern darum zu tun ist, durch die Schutz-zölle den landwirtschaftlichen Betrieb mäßig lohnend zu ge-stalten, wie sie stets behaupten, sondern daß sie mit Hilfe der ZölleWucherprofite erzielen wollen, zeigt wieder einmal folgenderVorgang: In der„Chemnitzer Allgemeinen Zeitung" hatte jüngstDr. Paul Straumer drei Artikel veröffentlicht, worin er denstärkeren Anbau von Flachs empfahl. Fast hundert MillionenMark würden alljährlich für Flachs an das Ausland gezahlt. Derausländische Flachsbau gehe zurück und erhöhe seine Preise. Dereinheimische aber wolle nicht vorwärts kommen, obwohl sich Bodenund Klima in vielen Gegenden Deutschlands dafür eigneten. DieLandwirtschaft müsse sich überzeugen, daß der Flachsbaulohnend sei.Diese Artikel Dr. StraumerS gaben der„Deutschen TageszeitungVeranlassung, für einen„ausreichenden" Schutzzoll auf Flachseinzutreten. Nur wenn diese„Lücke im Zolltarif" ausgefüllt werde,könne man erwarten, daß die deutsche Landwirtschaft sich in höheremMaße als bisher dem Flachsbau zuwende.Das agrarische Blatt fordert also schon Zollschutz für Flachs.ohne daß es sich vergewissert hätte, ob nicht unter den jetzigenVerhältnissen der Flachsanbau lohnend ist. AuS den ArtikelnDr. StraumerS geht das aber mit ziemlicher Sicherheit hervor.Die Forderung der„Deutschen Tageszeitung" beweist demnach, daßes ihr gar nicht um einen mäßigen Gewinn zu tun ist, sondern daßsie den Flachs anbauenden Agrariern von vornherein Wucher-Profite auf Kosten der Konsumenten sichern will.Erziehungsfrnchte der Pfadfinderbewegung.Es kommt immer besser! Im Namen von.12 000 schlesischenJünglingen", die am Sonntag unter strömendem Regen auf demKatzbachschlachtfelde Feldgottesdienst, Jahrhundertfeier und Parade-marsch„vor dem Vertreter des Kaisers" vollführten, wurde einHuldigungstelegram in an den Kaiser von Ruß-land geschickt,„eingedenk der treuen Waffenbrüderschaft von Russenund Preußen und der gemeinsamen Heldentaten vor hundert Jahren,die unS die Befreiung von fremdem Joch brachten".Die in diefem Telegramm zum Ausdruck kommende Beeinflussungder jugendlichen„Pfadfinder" zu erzreaktionären Zwecken hat geradenoch gefehlt, um nicht nur die Arbeiterschaft, sondern alle Elementeunseres Volkes, die noch nicht in den russischen politischen Zuständenihr Ideal erblicken, gegen die Pfadfinderbewegung aufzubringen.Ter Fiskus als Preisdrückcr.Gegen den von der Regierung in der„Nordd. Allg. Zeitung"unternommenen Versuch, die Klagen über Zurücksetzung der Hand-werker bei Vergebung von Arbeilen als unberechtigl zurückzuweisen,wartet der Landtagsabgeordnete Rahardt mit drei Fällen aus denletzten acht Tagen auf. Sollten sich die Fälle so. wie geschildert,verhalten, dann könnte allerdings die Kritik nicht scharf genug sein.Herr Rahardt schreibt nämlich der Scherlpresse:„Die Werflverwaltung in Kiel hatte für eine Jnneneinrich-tung eine Ausschreibung gemacht. Ein Tischlermeister macht mit2100 M. sein aufs äußerste kalkuliertes Angebot. Und der Erfolgist, daß die Werft fünf Stücke aussucht, einen Kleiderriegel, einenToilettenspiegel usw., die insgesamt 85 M. nach seiner Aufstellungausmachen. Dafür sollte der Meister die Sachen liefern, wofür ersich natürlich bestens bedankte, da er die Preise doch für den Ge-samtauftraq kalkuliert hatte.Fall Nr. 2: Das Bekleidungsamt in München bedarf 8000Waffenröcke. ES hatte für die Anfertigung eines Rockes zuletzt8 M. bezahlt und erklärt nun den Meistern, daß eS jetzt nur noch3.85 M. geben könne. Natürlich lehnen die Meister ab, und in denMiinchener Zeitungen kann man jetzt Inserate lesen, in denen Heim-arbeiter von der Militärverwaltung zur Herstellung der Waffen-röcke gesucht werden!Am krassesten ist wohl der letzte Fall: Die Garnisonen Berlinund Breslau wollen Schränke für die MannschaftSstuben bestellen.Es melden sich die Lieferanten und die Lieferung der Schränkewird ihnen auch zugesagt, wenn sie die Sachen so billig liefernwollen— wie die Gefängnisse!"Die Militärverwaltung sowohl als auch die Marineverwaltungwerden nicht darum herumkommen. Auskunft darüber zu geben, obin ihren Ressorts tatsächlich derartige Preisdrückereien vorgekommenfind. Mit den Mitteln der Steuerzahler muß natürlich sparsam ge-wirtschaftet werden, aber daraus resultiert keinesfalls die Pflichtoder auch nur das Recht, den Handwerksmeistern zuzumuten, zuGesängnispreisen zu liefern._FricdenSkongrest im Haag.Der 20. Friedenskongreß wurde heute mit 950 Teilnehmern eröffnet. Der Präsident Professor Delouter sprach in der Eröffnungs-rede gegen den Gedanken einer supranationalen Organisation in derForm der Vereinigten Staaten der Welt. Der Friede werde nurdurch Entwickelung des internationalen Rechts mit völliger Un-abhängigkeit der Staaten aufrechterhalten. Internationalismus undPatriotismus seien keine unvereinbaren Begriffe. Minister Heemskerkhieß die Kongreßteilnehmer willkommen. Goeman, Bergesius und derbelgische Senator La Fontaine stellten fest, daß der FriedensgedankeFortschritte gemacht habe, protestierten gegen die Balkanereignisse,rächten Carnegie eine Ehrung dar und huldigten dem AndenkenAssers.Unsere schöne Militärjustiz.Zu der ungeheuerlichen Strafe von sieben Jahren und zehnMonaten Gefängnis verurteilte am Montag das Kriegsgericht der7. Division in Magdeburg den Musketier Schmula von der 7. Kom-pagnie des JnfanteriereginieniS Nr. 27 in Halberstadt. Der An-geklagt war beschuldigt, sich eines tätlichen Angriffs aufeinen Vorgesetzten unter dem Gewehr und � vor ver-ammelter Mannschaft schuldig gemacht, sowie einen Vor-fesetzten beleidigt zu haben. Der Angeklagte hat die Tatbegangen am 27. Juli d. I. auf dem Exerzierplatz in Halberstadt.Der Vizeseldwebel Gramann ließ an diesem Tage eine AnzahlMannschaften Einzelmarsch mit Gewehr üben. Verschiedentlichwurden Leute, die nach des Feldwebels Meinung die Hebungnicht korrekt machten, zurückgeschickt, um sie zu wiederholen.Unter den Zurückgeschickten befand sich auch Schmula. Alser wieder einmal vor dem Vizefeldwebel vorbeimarschierte,riß er plötzlich das Gewehr herunter und versetzte demVorgesetzten unter den Worten:„Du AaS willst michchleifen?" mit dem Gewehrlauf einen Schlag vor die Brust. Danndrehte Schmula das Gewehr um und holte zu einem Schlage mitdem Kolben aus, warf aber das Gewehr weg. als er sah, daß derVizefeldwebel seinen Säbel ziehen wollte. Vorher hatte der An-geNagte schon vor sich hin ingrimmig die Aeußerung getan:„Der„Krepel" will mich wohl schleifen!" Vor Gericht war Schmula, dernoch keinerlei Vorstrafen wegen Roheitsvergehen hat. geständig.Das Militärstrafgesetzbuch sieht für die zur Anklage stehendenTaten eine Mindeststrase von fünf Jahren Geiängnis vor.Der Anklagevertreter beantragte jedoch— als abschreckendes"eispiel, wie er sagte— zehn Jahre und zweiivkonate Gefängnis. Der Angeklagte gab als Erklärung füreine Tat nur an, er habe es„in der Hitze" getan. � Alö er denStrafantrag hörte, brach er in Tränen aus. Das Urteil lautete, wieerwähnt, auf sieben Jahre und zehn Monate Gefängnis. Eine Be-rufung wird an der Strafe nicht viel ändern, denn der zur An-Wendung gekommene§ 97 des Militärstrafgesetzbuches gehört nichtzu den kürzlich gemilderten Paragraphen. Eine unüberlegteHandlung hat den jungen Menschen für sein ganzes Leben unglücklichgemacht,»Ein anderer Fall. Wegen Mißhandlung eines Untergebenenstand am Dienstag der Unteroffizier Max Pähl vom 31. Infanterie-regiment vor dem Kriegsgericht der 3. Division in S t e t t i n. P.halle am 21. Juni d. I. mit seiner Kompagnie Fechtübungen zumachen, wobei der Füsilier H., ein als g e i st i g minder-w e r t i g geschilderter Mann, die Uebungen schlecht ausführte.Der aufsichlsfiihrende Leutnant bemerkte das und befahl demUnteroffizier, den Mann in Ruhe zu lassen, da er äugen-scheinlch stark erschöpft sei. Hierüber soll der Füsiliergelacht haben. Diese gewiß berechtigte Freude gab dem Unter-offizier Veranlassung, den Soldaten sofort nach erfolgtem Rückmarschauf seine Stube zu bestellen, wo er ihm dann mit dem Hand-feger einen Schlag vor denKopf versetzte. Der Ge-schlagene streckte seinen Arm vor, um einen zweiten Schlag ab-zuwehren, wobei er von dem Unteroffizier eins über daslinke Handgelenk erhielt. Die Anklage und auch das Gerichtsahen den Fall für einen schweren an, der, wie der Ver-Handlungsleiter ausführte, sehr leicht die Disziplin unter-graben könne, da durch solche Mißhandlungen die Mannschaftenveranlaßt würden, sich an Vorgesetzten zu vergreifen. Das Urteilgegen den prügelnden Unteroffizier lautete aber trotzdem nur auf15 Tage Gefängnis.Neben dem Unteroffizier stand aber auch der Füsilier unter An-klage. Ihm wurde zur Last gelegt, sich tätlich gegen seinen Vor-gesetzten vergangen zu haben! Das Gericht kam schließlich doch zuder Ueberzeugung, daß ein tätlicher Angriff nicht vorliege, sondernnur eine unwillkürliche Abwehrbewegung und sprach ihn des-halb frei.Zum türhifcb-bulgarircbcn Konflikt.Die türkische Diplomatie verbreitet, offenbar um einenDruck auf Bulgarien auszuüben, die Nachricht, daß die Pfortedie Absicht habe, Bulgarien in einem Ultimatum aufzu-fordern, die gegebene Lage anzuerkennen, das heißt, Adria-nopcl an die Türkei abzutreten und auch sonst die neue türki-sche Grenzlinie zu akzeptieren. In der Tat ist ja bereits dieTürkei in altbulgarisches Gebiet eingebrochen, um Bulgarien,das augenscheinlich in völliger Lethargie verfallen ist, dervon der Türkei geforderten Grenzregulierung geneigt zumachen. Weiter wird die Nachricht verbreitet, daß die Türkeimit einer starken Erregung im Heere rechnen müsse, das zueinem weiteren Vormarsch dränge. Es koste die Regierungdie äußerste Energie gegenüber der Armeeleitung, damitnicht der türkische Vorstoß eine Ausdehnung annehme, diediplomatische Verwickelungen bringe. In den letzten Tagensei man bereits wiederholt nur um Haaresbreite von einerKriegserklärung an Bulgarien entfernt gewesen. Vermutlichsoll auch diese Nachricht eine Pression auf Bulgarien aus-üben. Denn an eine so große Kriegslust der türkischen Armeeist kaum zu glauben, zumal ja schon während der erstenPeriode des Kriegs der ganze türkische Verpflegungsapparatderart in Verwirrung geraten war, daß die Soldaten denschwersten Entbehrungen ausgesetzt wurden. Wenn es auchnicht unmöglich ist. daß die in der Türkei zusammengezogenengrößtenteils kleinasiatischen Truppen noch eine Gefahr fürdie türkische Regierung werden könnten, so ist doch nicht an-zunehmen, daß sie allzu sehr auf ein neues Losschlagendrängen.Uebrigens scheint es mehr und mehr, als ob die Türkeiwirklich im Besitz Adrianopels bleiben solle. Nach einerMatin".Meldung aus Petersburg soll Rußland seinenWiderstand in der Adrianopel-Frage gegenüber der Türkeiaufgegeben haben. Dafür hoffe man aber in Konstantinopelzu erreichen, daß das ganze Gebiet am rechten Ufer derMaritza sowie das gesamte Küstengebiet des AegäischenMeeres bulgarisch bleiben werde.— Auch aus LondonerMeldungen Pariser Blätter geht hervor, daß nach AusfassungLondoner Kreise die Frage Adrianopels so ziemlich zugunstender Türkei geregelt erscheine.Nur in Bulgarien selbst scheint man noch auf fremdeHilfe zu rechnen, wenigstens behauptet man in Sofia, daß dieRegierung vertrauliche Informationen erhalten habe, wo-nach Oe st erreich. Ungarn den übrigen Großmächteneinen konkreten Vorschlag genracht habe, auf welchem Wegedie Türkei zur Räumung Thraziens zu zwingen sei. Aucherklärt man in Sofia, daß die bulgarische Regierung keines-wegs die Absicht habe, mit der Türkei wegen Adrianopels indirekte Verhandlungen einzutreten. Da sich aber Oesterreichnach den Erfahrungen der letzten Zeit schwerlich die Fingerverbrennen wollen wird, dürften in der Tat die Chancen derTürkei in bezug auf Adrianopel keine schlechten sein.Bus der Partei.Aus den Organisationen.In einer Kreis konferenz für den 7. Reichstagswahl-kreis(M e i ß e n- G r o ß c n h a i n) hielt der Abgeordnete desKreises, Richard Schmidt, ein die Debatte über den Parteitageinleitendes Referat, in dem er den Militarismus und dieSteuerpolitik behandelte. Die Kritiker der Fraktion urteiltenbei Besprechung der Militärvorlage vielfach falsch, weil sie über»sahen, daß der sozialdemokratischen Minderheit in Militärfrageneine geschlossene Mehrheit gegenüberstehe. Da die Vorgänge inder Fraktion ost wenig objektiv dargestellt würden, wolle er be-sonders betonen, daß die Diskussionen über den Wehrbeitrag unddie Vcrmögenszuwachssteuern wohl lebhaft aber höchst sachlichwaren. Er müsse auch hervorheben, daß, als die Fraktion über dasdcutsch-französische Manifest beraten habe, keine Bedenken erhobenwurden. Die Hauptsache sei. daß der kleine Mann und der Ar-beiter nicht betroffen würden. Das hätte aber auch erreicht werdenkönnen, ohne daß wir unsere Stimmen in die Wagschale warfen.Die Situation lag so. daß wir den Militärparteien und der Regierung zurufen konnten:„Ihr habt die Militärvorlage ohneunseren Willen beschlossen! Holt nun das Geld aus den Ta,cheneurer Gesinnungsgenossen!" Der Parteitag müsse klar Stellungnehmen, ireil die Fraktion bald wieder in die gleiche Situationkommen könne, denn schon jetzt würde für neue MilitärforderungenStimmung gemacht.In der Diskussion sprachen mehrere Redner für die Fraltion,während andere sich gegen die Haltung der Fraktion wandten. EinBeschlutz wurde nicht gesaßt. �.. t,___* nx.In der Frage der Abführung de? M a l b e r t r a g S sprechen sichdie meisten Redner für Wiederherstellung des Nurn-beracr Beschlusses aus. Dessen Aufhebung wird von Horn-Gröba als der Bankrott dcS sozialdemokratischen Idealismus be-zeichnet. Es wird beschlossen, drei Delegierte nach dem Parteitagzu senden.Eine Konferenz für den Reichstagswahlkreis Jauer-Lan-deshut-Bolkenhain tagte am Sonntag in Dietzdorf.Vertreten waren L Ortsvereige durch 18, Delegierte und eine ffie»