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Die Kartonnagearbeiter bilden in Lahr   die stärkste Arbeiter- grnppe. Mit großer Spannung beobachtet die Lahrer   Arbeiterschaft daher diesen Streik. Es besteht die begründete Hoffnung, die Fa- brikanten, die infolg« der Bescheidenheit ihrer Arbeiter fast durchweg zu erheblichem Wohlstand gekommen sind, eines Besseren zu belehren, wenn die Arbeiter nicht wankelmütig werden und wenn Streikarbeit in anderen Plätzen verweigert wird. Auf Zuzug von geübten Ar- bcitern und Arbeiterinnen ist nicht sehr zu rechnen, weil die Lahrer  Löhne als sprichwörtlich niedrig bekannt sind. Allerdings versuchen die Fabrikanten die leeren Plätze mit Arbeitswilligen aus der Land- bevölkerung zu besetzen, allein dadurch dürfte ihnen mehr Schaden als Nutzen entstehen._ Ucberprodüktion Arbeitslosigkeit. Ab 18. Oktober d. I. sollen sämtliche Polierwerke der GlaS- schleifereien Bayerns   auf vier Wochen stillgelegt werden. So diktierten die Herren Unternehmer in der Glasindustrie. Die über- aus schlecht bezahlten Arbeitssklaven in der Glasindustrie<die eisigen Arbeiter) mögen sehen, wie sie über diese Zeit hinweg- kommen. Laut Tarifvertrag müssen die Unternehmer den zur Untätigkeit verdammten Arbeitern Feiergeld bezahlen; dies kommt jedoch nur einem Teil der Feiernden zugute. Außerdem ist das Feiergeld sehr gering; es reicht nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Die Ursache der Stillegung der Werke ist der Um- stand, daß durch den Balkanwirrwarr der Export sehr stark leidet und insbesondere, daß die letzten zwei Sommer infolge der reich- lichen Regensälle keine Betriebsstörungen brachten! Die Polier- werke der Glasschleifereien haben zumeist Wasserkraft. Der regel- niäßige Betrieb, der infolge der beiden letzten regenreichen Sommer üblich war, brachte eine Ueberproduktion mit sich. Weil also zu viel Werte erzeugt sind, müssen die Arbeiter, es kommen deren etwa 2000 in Betracht, feiern und somit darben. HioitimuDale Achldemgung. 31. Kommunal-Wahlbezirk. In Süßmilchs Festsälen, Bornholmer Straße, sprach vor stark besuchter Bersammlung Genosse Fritz Zubeil  . In großzügiger Rede verstand es der Referent, den Erschienenen ern Bild sozial- demokratischer Kommunalpolitik zu geben. Besonders ausführlich behandelte er die Schulfrage, die Lieferung unentgeltlicher Lehr- und Lernmittel und alles mit diesen leidigen Angelegenheiten in Zusammenhang Besindliche. Bedauerlich ist es, daß die verschie- densten Lehrer, getreu der Kaiserorder, die die Sozialdemokratie schon in der Schule bekämpft wissen will, die Schule dadurch zu einem politischen Tummelplatz machen. Aenderungen im reaktiv- nären Kurs des Berliner   Kommunalfreisinns sind nur durch hart- nackiges Drängen der Sozialdemokratie geschaffen worden. Durch die Vetternherrschaft im Roten Hause find alle großzügigen Ver- kehrSpläne gescheitert. Nichts ist geschehen, die Straßenbahnen und die Elektrizität zu verstadtlichen, im Gegenteil, alles, was zur Uebernahme in städtische Regie führen konnte, ist hintertrieben worden. Nun beweisen aber die im städtischen Betrieb befindlichen Bahnen, daß nicht nur die Zinsen gedeckt, sondern auch em er- klecklicher Uebcrschuß gemacht werden kann. Z u b e i l s kernige Worte fanden den ungeteilten Beifall der Versammelten. 32. Kommunal-Wahlbezirk. Durch sein instruktives Referat über daS Wesen der sozial- demokratischen Gemeindearbeit fesselte in den Mila-Sälen Karl L e i d die Zuhörer. Mit kritischem Blick beleuchtete er die einzelnen Gebiete der städtischen Verwaltung. So ist es als unerhört zu bezeichnen, daß der Stadtrat Ka lisch in dieser Krifenzeit die Armenvorsteher usw. zusammenrief, um ihnen den Rat zu geben, recht knapp mit den Unterstützungen umzugehen. Durch die Jni- ftaftpe der Fraktion ist eS gelungen, die wahrhast skandalösen Zu­stände im Armenbestattungswesen zu beseitigen. In der Waisen- pflege sind durch unser stetiges Drängen manche Fortschritte zu buchen. In Punkts Fürsorgeerziehung muß der Geist der Humani- tät einziehen. In der Frage de» Wohnungsamtes ist daS fort- gesetzte Drängen unserer Genossen endlich von Erfolg gewesen. Die Verschandelung der Schönhauser Allee   machte einen Ersatz für die den Anwohnern genommene Promenade notwendig. Nach schwerem Kampfe gelang es, den Exerzierplatz für Erholungszwecke zu sichern. Nach hartem Kampf; denn schon lagen drei Bebauungs- Pläne für diesen Platz vor. Daß die Fleischversorgung in der ge- mischten Deputation jetzt erneut ihre Annahme gefunden hat, ist leicht zu erklären; denn die Stadtverordnetenwahlen sind in Sicht. Dafür versagte Berlin   bis jetzt in der Arbeitslosenfürsorge. Nur zaudernd wurde etwas zur Milderung unternommen. Am V. No- onf der Seelenwanderung vor Jahrtausenden erlebten Aden« teuer vorfabuliert. Aber er verliert im weiteren Verlauf seden Schein lebendig eigenartiger Individualität, wird ein bloßer Spiel« ball für des Dichters Laune, der sich damit vergnügt, ihn die un- möglichsten Torheiten reden zu lassen. Sebald soll ein weicher weltfremder Träumer sein und gibt sich dabei als ein abgeschmackter Idiot. DaS poetisch Bedeutsame der Intention geht in der inallig-grellen, flüchtigen AuSfübrnng zu Grunde. Eine feiner ge- zeichnete Gestalt, die einzige, die Teilnahme erwecken könnte, ist Fanny. An einen pedantischen, kränkelnden und kindisch egoistischen Jammermann ist sie gebunden, und sie trägt dessen Grillen mit un- erschöpflicher Geduld. Die Kraft dazu fließt ihr auS dem geheimen heiter-stillen Liebesglauben an irgendeinen berrlichen Unbekannten, den sieBatder* nennt. Da ist manch Rührende? und Zarte». Vor allem in der Wendung, daß, al» der Gemahl au« einem ein- gebildeten zu einem wirklich Kranken wird, als er dem Tod ins Auge sehen muß, ihr Herz zu ihm zurückkehrt, ihn zärtlich in den Schimmer des Erträuinten einhüllt. Indessen Fannys Schicksal, um das als Mittelpunkt sich ein dramatisches Gebilde hätte kristallisieren können, bleibt bloße Episode. In den Vordergrund rückt eine schlecht erfundene, belanglose Aben- teurergeschichte. Ein Glücksritter, der einmal die Gunst Barbaras, Sebalds älterer Schwester, besessen, ist von ihrem orglosen, in der Leitung der Eorneliusscheu Fabrik sich aufreibenden Gatten bei den Verwandten eingeführt. Gegen den Willen des kranken VaterS setzt der Mitgiftjäger seine Verlobung mit der jüngsten Cornelius durch. Barbara erklärt plötzlich, sie habe dem Gemahl gebeichtet, daß sie ihn betrogen; indes sie sagt nicht: mit wem. Dies Geheimnis läßt sie sich, zur Erhöhung der Tragik, erst in der Stunde der Trennung von ihrem Manne entreißen. So trag die Handlung schleppte, in so sensationellem Eilzugstempo saust sie nunmehr vor- wärts. Der Betrogene übt exemplarische Rache. Er speit dem Be- trüger ins Gesicht. Die Braut, in Kenntnis gesetzt, eilt stumm davon, der schuftige Bräutigam hinterdrein; er sieht aber nur noch, wie sie sich von der Zinne in die Tiefe stürzt. Und der Gatte, nachdem sich alles programmäßig so weit erledigt, erklärt, er müsse fort, jenseits der Schwelle dieses Lebens neue Wellen aufzusuchen, Kein Mittel grober Theatralik ist bei diesem Aufräumen von Eulen- berg verschmäht. Die Aufführung(abgesehen von Herrn Heinz Salfner  , der zur Rolle des gelähmten Alten gar nicht paßte) verdiente alle« Lob. K a y ß l e r setzt« sich für die undankbare Rolle des Ehemannes mit starker Innerlichkeit ein. Erich Walter brachte das Schwärmer- Wesen Sebalds, Steinrück die unruhige Verschlagenheit des Aben­teurers zu mimisch zum Ausdruck. Die Korneliusschen Töchter waren durch Helen« Febdmer, Lina Lossen   und das junge Fräu­lein Irmgard v. H a n s o n gut vertreten. ät. Notizen. Büchner und die Berliner   Bühnen. Die Feuilletons schwelgen in Büchnerbegeisterung: er war da» stärkste Talent, die größte Hoffnung der deutschen Bühne, der schlagkräftigste vember heißt es, der freisinnigen Politik der verpaßten Gelegen- Helten die gebührende Quittung zu geben. Dem mit reichem Beifall entgegengenommenen Referat folgte eine kurze Debatte, in der gewünscht wurde, daß derVorwärts" die Tagesordnungen der Stadtvcrordnetensitzung bringen möge. Ferner solle man einen städtischen Arbeiter mit ins Rote Haus ent- senden, oa ein solcher Wohl am besten die einschlägigen Verhältnisse kenne. Vom Referenten wurde erwidert, daß die Interessen der städti- schen Arbeiter von unseren Genossen stets wirksam wahrgenommen worden sind. Für den 38. Kommunal-Wahlbezirk, der nach der Neueinteilung der Wahlbezirke einen unlängst ver- storbenen bürgerlichen Vertreter hatte, war die Wählerversammlung nach dem Cafe Gärtner am Holsteiner Ufer einberufen worden. Hier referierte Stadtverordneter D u p o n t. Er stellte fest, daß in den 30 Jahren, während welcher sich die Sozialdemokraten an den Stadtverordnetenwahlen beteiligten, sich manches im kommu- nalen Leben geändert habe. Ganz unverkennbar sei der Einfluß der sozialdemokratischen Vertretung, der ständig gewachsen sei mit der Verstärkung der Fraktion. Die Mehrheit könnten wir nach Lage des Wahlrechts und der Bevölkerungsgruppierung in Berlin  nicht erlangen. Aber die uns noch fehlenden Mandate der dritten Abteilung müßten wir noch erringen, dazu gehöre auch der 38. Wahl- bezirk, der bei eiftiger Agitation zu gewinnen sei. Die Tätigkeit der Sozialdemokraten in der Berliner   Stadtverordnetenversamm- lung und in Deputationen und Kommissionen, über die Redner dann im einzelnen sprach, gab ihm Gelegenheit, das sozialdemokratische Kommunalprogramm zu entrollen. Seine Ausführungen fanden lebhaften Beifall. Der Vorsitzende Genosse P a e r s ch teilte dann mit, daß die organisierten Genossen den Genossen Hugo Poetzsch al» Stadtver- ordnetenkandidaten für den Bezirk nominiert hätten. Der Kandidat Hugo Poetzsch nahm darauf daS Wort zu einer Ansprache. Er legte dar, daß die Kommunalwahlen eine weit größere Bedeutung hätten, als ihnen von den Massen beigemessen würde. Das werde schon gekennzeichnet durch den Etat von mehr als dreihundert Millionen Mark, der größer sei als der Etat für da? ganze Königreich Sachsen  . Der Ernfluß, den die Sozialdemo- kraten«m Sinne ihres Kommunalprogramms geltend machen könnten, durchfließe in Dutzenden von Kanälen und Kanälchen die ganze Verwaltung, ohne daß dies immer in der Oeftentlichkeit Aus- druck finde. Unter der Zustimmung der Versammlung ersuchte Redner die Anwesenden, bis zum Wahltage eifrig zu agitieren. Der Vorsitzende P a e r s ch gab ebenfalls diesem Wunsche AuS- druck, indem er die Erwartung aussprach, daß dann auch dieser Be- zirk den Freisinnigen entrissen und durch die Wahl des Genossen Poetzsch da» rote Banner auch über dem 88. Bezirk entrollt werde. Sie Kölner   Meitsloieuverlkheruugs- kaife. Die Kölner   Kasse ist die erste Kasse, die auf die Beitragsleistung der Versicherten aufgebaut wurde. Die Versicherten werden in zwei Arten: die Rückversicherten und die unmittelbar Versicherten, ein- geteilt. Rückversicherte sind diejenigen, die durch die Gewerkschaften versichert werden, und unmittelbar Versicherte nennt man die Ein- zelversicherten. Um eine gerechte Beitragsleistung zu ermöglichen, sind alle Versicherten nach Ristken in drei Gefahrenklassen eingeteilt. DaS zweite Geschäftsjahr war im wirklichen Sinne ein Probe- jähr, denn es war das erste Jahr der UnterstützungSauSzahlung; da die Mitglieder 62 Wochen der Kasse angehören mußten, um Unterstützung beziehen zu können. Alle durch die Gewerkschaften. versicherten Mitglieder erhielten vom siebenten Tage der Arbeits- losigkeit an 80 Tage lang pro Tag 7b Pf. ES gehörten der Kasse im zweiten Geschäftsjahr 1b fteie Gewerk- schaften mit 8622 Mitgliedern, b christliche Gewerkschaften mit 2085 Mitgliedern und 2 Hirsch-Dunckersche Gewerkschaften mit 418 Mit- gliedern an. Ferner noch 189 unmittelbar Persicherte. Mitglied kann jeder Arbeiter werden, der ein Jahr in Köln   wohnt oder arbeitet. Die Gewerkschaften haben daS Recht, für Mitglieder, die diese Vorbedingung erfüllt haben, die Beiträge in einer Summe zu zahlen und werden dadurch die Mitglieder sofort bezugsberechtigt. An Beiträgen zahlten die freien Gewerkschaften vom 1. August 1912 bis zum 1. Juli 1918, also in 11 Monaten, 1b228,19 M.; dafür erhielten sie an Unterstützungen 21 917,60 M.-Die christlichen Ge- Dramatiker usw. Und die Berliner   Bühnen, die jeden unqualifizier- baren Possenschmarrn herausbringen, kennen Buchner nicht. Die Verwalter der deutschen   Kulturgüter setzen un? diese Woche ein reichhaltiges Potpourri von Goethe bis zu Sternhetm vor aber an.Dantons Tod  ' und.Wozzeck" traute sich keine. Dabei haben wir neue Direktoren, neue Theater und einträgliche Possen, die Experimente ermöglichen. Herr Reinhardt ist offenbar so mit Zirkusaffären beschäftigt, daß er die Verlockungen, die Büchner jedem Regisseur bietet, gar nicht gewahr werden kann. Zusammenkunft der Arbeiter-Bibliothekare. Die erste Zusammenkunft im beginnenden Winterhalbjahre findet am kommenden Montag, abends 8 Uhr, im Saal 5 des Gewerkschafts- Hauses, Engeluser 15. statt. Max Jakobsen wird über den Stand der Arbeiterbibliotheken in Berlin   nach dem Jahresbericht 19l2 sprechen. Theaterchronik. Im Deutschen   Theater erlebt demnächst Karl SternheimS neues Stück.Der Snob' die Uraufführung. Es gehört zu dem Zyklus seiner Komödien aus dem bürgerlichen Heldenleben. Die bisherigen Werke.Die Hose',.Die Kassette' und.Bürger Schippel' befaßten sich mit dem Kleinbürger und Proletarier. Snob bringt die Auseinandersetzung de? hoch» gekommenen Bürgers mit dem Adel. Die Hauptrolle, den Snob, spielt in der Uraufführung im Deutschen   Theater, die für die zweite Hälfte de» Januar geplant ist. Albert Bassermann.   Wilhelm Schmidtbonns Legendenspiel.Der verlorene Sohn' ge- langt am Donnerstag, den 23. Oktober, in den Kammerspielen de« Deutschen Theaters   ,ur ersten Aufführung. Im Komödien- h a u S wird gegenwärtig Heiiry Naihansofins SchauspielHinter Mauern' vorbereitet. Die Aufführung soll noch Ende de» Monats stattfinden. M u s i k ch r o n i k. Der Komponist Dr. Edgar Jstel wurde al« Nachfolger de« verstorbenen Professors William Wolf zum Dozenten der MusikSsthetii an der Berliner   Humboldt-Akademie ernannt. Vorträge. In der Freien Hochschule(Ntederwall- ftraße 12, Aula) beginn! Freitag, de» 17. Oktober, abends 3 Uhr pünktlich der Vortragszyklus von Dr. Bruno Wille über Goethe«Faust  ". Ferdinand Hodler  . lieber diesen nun sechzigjährigen Führer der modernen Malerei wird in nächster Zeit im Verlag R. Piper u. Co. in München   eine Reihe groß angelegter Publi- kationen erscheinen; eine Mappe mit vier Heliogravüren und ein Textwerk von Ewald Bender  , da« Hodlers Entwickung schildert. Rinder m i t drei Hörnern. In Senegambien gibt es Hausrinder mit drei Hörnern, daSEos triceros", die man al« eine besondere Raffe hingestellt ha». Das sind sie aber nicht. Wie jetzt nachgewiesen wurde, ist da« dritte auf der Nase befindliche Horn ganz einfach eine Anomalie. Die Eingeborenen impfen nämlich ihre Rinder zum Schutz gegen die Lungenentzündung, tndem sie in die Knochenhaut der Stirne Teilchen einer von der Krankheit befallenen Lunge einführen; e««msteht daraufhin eine Deformierung des Knochen«, die häufig eine sehr beträchtliche Erhöhung zur Folge hat. Die Schwellung überzieht sich mit einer Hornhaut, und so entsteht da« merkwürdig« Rind mit den drei Hörnern. werkschaften zahlten 3 453,60 M. und erhielten 1 689,75 M. Die Gewerkvereine(Hirsch-Dunckersche) zahlten 488,34 M. und erhielten 190,50 M. Die unmittelbar Versicherten zahlten 5123,78 M. und erhielten 6001 HO M. Die Stadt Köln   leistet auf den Kopf der Versicherten einen Zuschuß von 5,20 M. im Jahr, im zweiten Geschäftsjahr betrug der Gesamtzuschutz 60 377,20 M. Die Arbeitslosigkeit war, trotzdem man im Kölner   Industriegebiet durchaus noch keine all- gemeine Krise hatte, in den 11 Monaten des Geschäftsjahres schon ziemlich hoch. Bei den freien Gewerkschaften kamen auf 100 Mit- glieder im Durchschnitt 5,29 Arbeitslose, bei den christlichen Gewerk- schaften ebenfalls 5,29, bei den Gewerkvereinen(Hirsch-Dunckersche) 1,73 und bei den unmittelbar Versicherten 9,03. An Tage der Arbeitslosigkeit kamen bei den fteien Gewerkschaften auf jedes Mitglied 0,52, bei den christlichen Gewerkschaften 0,28, bei den Gewerkvereinen 0,17 und bei den unmittelbar Versicherten 2,19. Das Vermögen der Kasse beläuft sich nach zweijährigem Be- stehen auf über 250 000 M. Der günstige Stand der Kasse ver- anlaßte den Gesamtvorstand, vom Beginn des dritten Geschäfts- jahres an folgende Statutenänderungen in Kraft treten zu lassen. Um unterstützungsberechtigt zu werden, wurde die Karenzzeit von 52 auf 30 Wochen heruntergesetzt. Der Unter- stützungssatz wurde für die rückversicherten Vereine von 75 Pf. auf 1,20 M. pro Tag erhöht. Die Zahl der Gefahrenklassen wurde um eine erhöht, so daß deren jetzt vier bestehen. Nach den bisherigen Erfahrungen kann wohl gesagt werden, daß die Kölner   Kasse bestrebt ist, im Interesse der Arbeitslosen Nennenswertes zu leisten. Hoffentlich gelingt es unseren Genossen auch in der Zukunft, Mängel, die sich herausstellen, zu beseitigen. Der Vorsitzende der Kasse, Dr. Rademaker, wandte sich in der Hauptversammlung am Montag, den 13. Oktober, in scharfer Weise gegen die Behauptungen der Unternehmer und anderer Jnter- essenten, nach der eine kommunale oder staatliche Arbeitslosenver- sicherung den Kampf der Gewerkschaften gegen das Unternehmer- tum fördere, sie weiter auch die Landflucht begünstige. Weder das Genter System, noch die Versicherungskasse entlaste die Gewerk- schaften. Die Einrichtung in Köln   habe die Leistungen der Ge- werkschaften noch um 19 000 M. erhöht. Keineswegs würden die Gewerkschaften durch eine kommunal oder staatlich unterstützte Arbeitslosenversicherung in ihrer Kampffähigkeit gestärkt. Andern- falls müsse man sich zu der unhaltbaren Ansicht bekennen, daß jede Arbeiterfürsorge, jede Lohnerhöhung die Gewerkschaften fördere und daher zu bekämpfen sei. Da ein übersättigter Arbeitsmarkt eine größere Zahl arbeitsfähiger Menschen nicht festhalten könne. falle auch der Einwand von der Förderung der Landflucht durch die Arbeitslosenfürsorge. Ob's was nützt? » In Nürnberg   nimmt das Elend der Arbeitslosigkeit täglich zu. Trotz der mit Händen zu greifenden Not können sich die maß- gebenden Körperschaften nicht zu ernsthasten Maßnahmen auf- schwingen, weil der Rathausfreisinn sich mit der bequemen Aus- rede zu saldieren sucht, daß zuerst der Staat voranzugehen habe. DaS Statut einer Arbeitslosenversicherung liegt schon seit einigen Jahren fertig vor, 80 000 M. find für Arbeitslosenunterstützung in den Etat eingesetzt, aber sie werden für ihren Zweck nicht eher ver- wendet, als bis der Staat erklärt, daß er ebenfalls etwas tun will. Da« einzige, was der Nürnberger RathauSfteisinn in Aussicht ge­nommen hat, ist außer den üblichen Notstandsarbeiten eine Natural- Unterstützung an Arbeitslose im kommenden Winter. Um dazu Unterlagen zu gewinnen, wird demnächst eine Arbeitslosenzählung (durch Meldung an bestimmten Amtsstellen) veranstaltet. Am Montag fanden nun in verschiedenen Stadtteilen sieben große V.r- sammlungen statt, die sich mit der Frage befaßten und die zum Teil überfüllt waren. In einer einstimmig angenommenen gleich- lautenden Resolution wurde dem Beftemden über die Untätigkeit der StaatSregierung, insbesondere aber auch der Gemeinde AuS- druck gegeben. Verlangt wird rascheste Vergebung aller Arbeiten und ihre sofortige Inangriffnahme, Ausführung aller in Aussicht genommenen Projekte der staatlichen und gemeindlichen Körper- schaften bei Bezahlung der tarifmäßigen Löhne, ferner die Er- gänzung der Arbeiterversicherung durch eine ArbeitSlosenversiche- rung durch daS Reich, die Erfüllung derVersprechungen de« Prtnzregenten Ludwig in seinem Handschreiben vom 27. Juli und bi» zum Inkrafttreten der ReichSarbeitSlosenverfiche- rung Bereitstellung gemeindlicher Mittel für Arbeitslosenunter- stützung und Arbeitslosenversicherung durch die Gemeinde Nürnberg  . » Die Stadtverordnetenversammlung in Zwickau   i. S. bestimmte eine Kommission zur Vorberatung folgenden Antrage» des dortigen Gewerkschaftskartells: 1. Sofortige Bereitstellung von Notstands- arbeiten; schleunige Inangriffnahme der bereits vorbereiteten öffentlichen Austräg«; systematische Einwirkung auf den Arbeits- markt durch Vorbereitung nichtdringlicher Arbeiten, die in den Zeiten wirtschaftlicher Depression in Auftrag gegeben werden. 2. Errichtung eine? öffentlichen, paritätischen, neutralen und un- entgeltlichen Arbeitsnachweises. 3. Einführung der Arbeitslosen- Versicherung nach dem Genter System; Bereitstellung einer Summe von 2000 M. als Arbeitslosenbeihilfe der Berufsvereine in diesem Jahre und 8000 M. zu demselben Zwecke im Jahre 1914. Rus der Partei. Zum Fall Rädel. Am Dienstag wurde in der zweimal vertagten Mitglieder» Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins Bremen die Debatte über den»Fall Rädel' zu Ende geführt. Vor Eintritt in die Verhandlungen wurde von der Bremer   Parteileitung ein Antrag eingebracht, in dem diese der Versammlung empfiehlt, ledrglicki au« Gründen der Disziplin dem Beschlüsse de« Parteitages Folge zu geben und den Genossen Rädel aus der Mitgliederliste zu streichen. Von Rädel lag eine schriftliche Erklärung vor, in der er zum Ausdruck bringt, daß er sich nach dieser Slellunqnahme des Bremer ParteivoritandeS zum Jenaer   Parteitagsbeschluß genötigt sehe, seinen Austritt auS der Bremer   P a r l e t o r g a n i» sation zu erklären. Vom Genosien Henke ging sodann folgender Antrag ein: Die Versammlung nimmt den Austritt deS Genossen Rade» auS ber bremischen Parteiorganisation zur Kenntnis und erachtet damit die Resolutionen, die sich mit seiner Mizgliedschast befassen, für erledigt. Die Versammlung erbebt jedoch ihren schärfsten Protest gegen die Art und Weise, in der vom Jenaer   Parteitag diese Angelegenheit behandelt worden ist; gegen die Annahme de« Antrages 45, sowie vor allem dagegen, daß diesem Antrage rückwirkende Kraft' auf die Aufnahme Rädels in Bremen   gegeben worden ist. Indem die Versammlung schon jetzt die Aufhebung der vorerwähnten Jenaer   Beschlüsse fordert, beschließt sie, dem nächsten Parteitage einen entsprechenden Antrag umerbreiten zu wollen. Dieser Antrag wurde nach längerer Debatte angenommen. Ferner stimmte die Versammlung mit 182 gegen 131 Stimmen folgendem Antrage Pannekoek zu: .Die Versammlung spricht ihre Anerkennung über die Tätigkeit Rädels für die.Bremer Bürger- Zeitung' aus und erklärt, daß ungeachtet der Entscheidung über die Mitgliedschaft der weiteren