und getreue Restdenzstadt ein— ein neuer Monarch von GottesGnaden im Strahlenkranz der deutschen Bundesfürsten.Nachdem in der letzten Zeit die preußische Regierung mit de-kannter Umsicht alles für den Akt der Anerkennung im Bundesratvorbereitet hatte, ging heute die einstimmige Annahme des preußUschen Vorschlages im Bundesrat glatt vonstatten. Um der Sacheeine gewisse Feierlichkeit zu geben und die von Besorgnissen ge�plagten preußischen Ueberpatrioten zu besänftigen, hatte diepreußische Regierung sich nicht damit begnügt, einen kurzenformellen Antrag auf Aufhebung des bundesrätlichen Beschlussesvom 2. Juli 1883 zu stellen und die Anerkennung des cumber-ländischen Prinzen als braunschweigischen Thronfolger zu fordern,sondern sie hatte in ihren Antrag noch eine lange Begründung hin-eingearbeitet. Nochmals wird in aller Ausführlichkeit auf die Be-schlüsse des Bundesrats vom 2. Juli 1883 und 28. Februar 1301hingewiesen, durch die damals erklärt wurde, daß die Regierungdes Herzogs von Cumberland in Braunschweig mit„d e nGrundprinzipien der Bündnisverträge und derReichsverfassung nicht vereinbar se i". Seitdemaber, so wird dann versichert, hätten sich die Beziehungen zwischenden hohenzollcrischen und cumberländischen Fürstenhäusern gründ-lich geändert, so daß heute die Thronfolge des Prinzen ErnstAugust nicht mehr gegen die ehemaligen„Grundprinzipien" der-stoße— und zwar wird diese Veränderung folgendermaßen ge-schildert:„Durch die Vermählung des Prinzen mit Ihrer KöniglichenHoheit der Prinzessin Viktoria Luise von Preußen sind zwischendem preußischen Königshaus und dem Herzoglich braunschweigisch-lünsburgischen Hause enge Familienbeziehungen geschaffen war-den. Seine Königliche Hoheit hat außerdem mit Zustimmungseines Herrn Vaters seine Anstellung als Offizier im Königlichpreußischen Heere nachgesucht und Seiner Majestät dem Kaiserund König Treue und Gehorsam eidlich gelobt. Er erblickt indiesem Eide, wie er dem unterzeichneten Reichskanzler undKöniglich preußischen Ministerpräsidenten gegenüber schriftlich er-klärt hat, zugleich das Versprechen, daß er nichts tun und nichtsunterstützen werde, was darauf gerichtet sei, den derzeitigen Be-sitzstand Preußens zu verändern. An dieses Versprechen erachteter sich für immer gebunden, da es eine Verpflichtung enthalte,die stch für einen deutschen Bundesfürsten von selbst ergebe.Unter diesen Umständen kann nicht mehr behauptet werden, daßSeine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland und seinHaus sich zu dem Bundesstaate Preußen in einem Verhältnisbefinden, das dem reichsverfassungsmäßig gewährleisteten Friedenunter Bundesgliedern widerstreite."Deshalb fühlt sich die preußische Regierung veranlaßt, folgen-den Antrag zu stellen:Der Bundesrat wolle beschließen:1. die Ueberzeugung der Verbündeten Regierungen dahin aus-zusprechen, daß die Regierung Seiner Königlichen Hoheitdes Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braunschweig undLüneburg, in Braunschweig im Hinblick auf die in-zwischen eingetretene Veränderung der Sach- und Rechtslagemit den Grundprinzipien der Bündnisverträge und derReichsverfassung vereinbar sein würde;2. die braunschweigische Landesregierung hiervon zu ver-ständigen.Der Bundesrat wußte diese wichtigen Gründe Preußens natür-lich vollauf zu würdigen. Nachdem der Vertreter der HerzoglichBraunschweig-Lüneburgischen Regierung, Staatsminister Hartwig,uytcr Vorlegung der Verzichtsurkunde davon Mitteilung gemachthatte, daß Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland aufden Thron Braunschweigs verzichtet habe, beschloß derBundesrat ein st immig, dem Antrag Preußenswegen der Thronfolge in Braunschweig zuzu-st i m m e n.Damit war der rührende Akt beendet; doch hatte sie imBraunschweiger Landtag noch ein kleines landespatrioti-sches Nachspiel. Bald nach 3 Uhr wurde in der Residenzstadt Braun-sckiweig die außerordentliche Landesversammlung im Sitzungssaaledes Landwirtschaftlichen Hauses eröffnet. Minister Radkau verlasfolgende Ansprache:„Meine Herren Abgeordneten? Auf Höchsten Befehl habe ich- Ihnen den Willkommen Seiner Hoheit des Herzogs JohannAlbrecht zu Mecklenburg, unseres Gnädigsten Regenten, zu ent-bieten. Seitens des Staatsministers Hartwig als Ersten Be-vollmächtigten des Herzogtums zum Bundesrat ist soeben ausBerlin eine Depesche eingelaufen, welche lqutet: Der Bundesrathat soeben in seiner außerordentlichen Plenarsitzung in derbraunschweigischen Thronfolgefrage gemäß dem Antrage Preu-ßenz einstimmig beschloffen: 1. die Ueberzeugung der VerbündetenRegierungen dahin auszusprechen, daß die Regierung Seiner Äö-niglichen Hoheit des Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braun-schweig und Lüneburg, in Braunschweig im Hinblick auf die in-zwischen eingetretene Veränderung der Sach- und Rechtslagemit den Grundprinzipien der Bundesverträge und der Reichsver-fassung vereinbar sein würde; 2. die Braunschweigische Landes-regierung hiervon zu verständigen.Die Erwartung dieses hochbedeutsamen Beschlusses hat dieEinberufung dieses außerordentlichen Landtages veranlaßt.Erfüllt von hoher Freude und tiefbewegt stehenwir somit nach 28 jähriger Wirksamkeit des Regentschaftsgesetzesunmittelbar vor der Thronbesteigung Seiner Königlichen Hoheitdes Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braunschweig und Lüne-bürg. Es mutz dem leitenden Minister vorbehalten bleiben, inder nächsten Sitzung die einschlägigen Vorgänge, soweit solches� zurzeit möglich ist, darzulegen und zu würdigen. Schon heuteist aber hervorzuheben, daß die Landesregierung in formeller undsachlicher Uebereinftimmung mit dem Standpunkte Seiner Kö-niglichen Hoheit es für angezeigt erachtet, die Regelung derlandesfürstlichen Rente in Höhe der jetzigen Bezüge des er-lauchten Regenten durch die dem Ausschusse der Landesversamm-lung bereits zugegangene Vorlage noch vor dem Regierungs-antritt Seiner Königlichen Hoheit herbeizuführen. Weitere sach-lichc Vorlagen kommen für die Zeit bis zum Regierungswechselvoraussichtlich nicht in Betracht. Für die Zeit nach dem Re-gierungswechsel muß alles Weitere naturgemäß vorbehaltenbleiben. Hiernach erkläre ich Höchstem Befehle gemäß denaußerordentlichen Landtag für eröffnet."So haben denn die Braunschweiger wieder einen angestammtenLandesvater von Gottes Gnaden, ohne daß sie danach gefragt wor-den sind, ob sie ihn haben wollen. Einige Personen, die Jnter-esse an einer größeren und reicheren Hofhaltung haben, als sie bis-her der Regent, der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg,führte, mögen sich freuen; denn ihnen stellt die Dhronfolge descumberländischen Prinzen allerlei schöne Titel, Orden, Stellungenund Einkünfte in Aussicht; der Masse des Volkes ist die ganze Ge-schichte höchst gleichgültig; denn ob es von einem mecklenburgischenHerzog oder von einem eigenen Landesvater aus dem HauseCumberland nach preußischem Rezept unter preußischer Aufsichtregiert wird, das ist gehopst wie gesprungen. Dem braunschweigischenProletariat ist denn auch die ganze Thronfolgefrage mit ihremkuriosen Drum und Dran höchst gleichgültig. Der Glaube an dieMonarchie ist der Masse, soweit sie politisch denken gelernt hat,längst flöten gegangen. Mochte sie einst von neuen Monarchenallerlei segensreiche und wohltätige Wirkungen erwarten, heuterechnet sie nicht mehr darauf, sondern baut auf sich selbst; und obder Monarch August, Johann oder Fritz heißt, ist ihr ganz einerlei.Deutlich zeigt sich darin, wie sehr das Ansehen des ganzen Mon-archismus auf die Neige geht.Nahlsbltommen der Cinkspartelenin Baden.Zwischen dem Zentralwahlkomiiee unserer badischen Partei, denFortschrittlern und Nationalliberalen ist, wie wir bereits in derSonntagsnuminer des„Vorwärts" meldeten, für den zweiten Wahl-gang der badisiden Landtagswahlen nach längeren Verhandlungenein Wahlabkommen geschlossen worden, um zu verhindern, daßbei der Nachwahl die klerikal-konservative Koalition die ihr noch ander absoluten Mehrheit fehlenden drei Abgeordnetenmandate unddamit im badischen Landtag die Herrschast erlangt.Folgende Vereinbarungen sind getroffen worden:Die Sozialdemokraten ziehen ihre Kandidaturen zurück:1. Mannheim Hl. wo Nationalliberale und Fortschrittlersich gegenüber- und wir mit unserer Stimmenzahl an dritter Stellestehen. Die Stellungnahme zwischen den Kandidaten bleibt denWählern überlassen. Der Kreis war volksparteilicher Besitz.2. Lahr-Stadt. Sozialdemokraten und Nationalliberaleziehen ihre Kandidaten zugunsten des Fortschrittlers zurück. Stimmenhatten erhalten: Nationalliberale 973, Sozialdemokraten 783,Fortschrittler 314. Der Kreis war sozialdemokratischer Besitz.3. Karlsruhe IV. Die Sozialdemokraten ziehen ihre Kan-didatur zugunsten des Fortschrittlers zurück. Stimmen harten er-halten: Fortschrittler 2197, Sozialdemokraten 1377, Reichspartei undZentrum 1101. Der Kreis war sozialdemokratischer Besitz. Durchdie Neueinteilung der Wahlkreise wurde er für uns schlechter.4. Schopfheim-Schönau. Sozialdemokraten und Fort-schrittler ziehen ihre Kandidaturen zugunsten der Nationalliberalenzurück. Stimmen hatten erhalten: Nationalliberale 2033, Sozial-demokraten 831, Zentrum 1484, Bund der Landwirte 113. DerKreis war sozialdemokratischer Besitz. Er wurde uns beim Groß«blockabkommen 1909 überlassen, weil wir damals mit 1492 Stimmenan erster Stelle standen.3. Heidelberg II. Die Sozialdemokraten ziehen ihreKandidatur zugunsten der Nationalliberalen zurück. Stimmen hattenerhalten: Nationalliberale 1439, Sozialdemokraten 739, Zentrum 344,Konservative 221.Die Unterstützung der Nationalliberalen und Fortschrittlererhalten die Sozialdemokraten in folgenden fünf Kreisen, die sämtlichin sozialdemokratischem Besitz waren:Stimmen erhielten:Soziald. Natl. Fortschr. Kons. u. Zentr.1. Mannheim-Land. 1402 337 232 12892. Schwetzingen.. 2211 382 713 21033. Bruchsal- Durlach-Land..... 2539— 880 21764. Freiburg n..... 1153 816.— 18105. Lörrach-Stadt.. 1133— 798 467Die Fortschrittler erhalten außer in Lahr und Karlsruhs II auchin Konstanz und Triberg-Villingen die sozialdemokratische Unter-stützung.Die Nationalliberalen erhalten sozialdemokratische Unterstützunggegen Zentrum und-Konservative in folgenden Kreisen: Donau-eschingen-Engen, Freibürg III, Baden-Stadt, Bretten-Bruchsal undHeidelberg II.Ausgekämpft werden zwischen' Nationalliberalen und Sozial-demokraten die Kreise:Stimmen hatten:Natl. Soz. Kons.I. Weinheim..... 2330 2202 9702. KarlSruhe-Land... 1635 1824 1278Nach dem Blockabkommen vom Jahre 1909 erhielten wir dieUnterstützung der Nationalliberalen und Fortschrittler in 3 Kreisen,von welchen uns 3 zufielen. Dagegen unterstützten wir die Fort-schrittliche Volkspartei in 3 und die Nationalliberalen in 12 Kreisen,von welchen den Fortschrittlern 3 und den Nationalliberalen 8zufielen.Ausgefochten wurden damals zwischen Sozialdemokraten undNationalliberalen und Fortschrittlern 11 Kreise, von welchen wir 5eroberten.Unser Stimmenverlust ist am stärksten im Oberland und in denländlichen Bezirken. Aber auch in den Städten haben wir meisteinen absoluten, in allen Fällen aber einen relativen Rückgang zuverzeichnen.Das Stimmenverhältnis stellt sich im Vergleich mit 1909 so:1313 1909reiburg.......-. 2 632 3 336arlSruhe mit dem 39. Landkreis 9 497 10 088Pforzheim mit dem 49. Kreis.. 7 268 7 037Mannheim mit dem 37. Kreis. 13 711 13 523Heidelberg....... 1 389 1 414♦Im Aufruf, in dem das Zentralwahlkomiiee unserer Partei daSobige Abkommen mit der nationalliberalen und Fortschrittsparteiveröffentlicht, heißt es:Am 21. Oktober hat daS Zentrum mit seinen konservativenSchleppträgern 34 Sitze erobert. Nur noch drei Abgeordnetefehlen zur absoluten Mehrheit, um welche sie seit Jahren gekämpfthaben. Die Nähe und die Größe der Gefahr muß und wird jetztjene Tausenden von Gleichgültigen und Wahlflauen aufrütteln,die ihre Pflicht nicht getan hüben. Soll unserLand eiu zweites Bayern werden? Wollt ihr, daßdurch die drohende schwarze Schreckensherrschaft, derenrücksichtslose Unduldsamkeil sich schon im Wahlkampf gezeigt hat,das Koalitionsrecht der Staatsarbeiter, die Wahlfreiheit der Be-amten, die weltliche, gemischte Volksschule vernichtet werden? Weraber diese Grundrechte verteidigen und das Schulhaus nicht unterkirchliche Oberaufsicht stellen möchte, der muß alles daran setzen,damit im zweiten Wablgang kein einziger Kreis mehr an dieKlerikalen und deren Helfershelfer verloren geht. Dazu müssenalle Kräfte zusammengefaßt und alle Mittel aufgeboten werden.Die Leitung des Zentrums in Baden veröffentlichte ebenfallseinen Wahlaufruf für den zweiten Wahlgang:„Wie für die Hauptwahl, so gilt auch für den zweiten Wahl-gang die Parole: vor allem Kampf gegen die Sozialdemokratie.Leider ist es uns unmöglich gemacht, in diesem Kampfzwischen Sozialdemokraten und Demokraten oder Freisinnigeneinen Unterschied zu machen. Wo Kandidaten dieser Parteienmit einander um ein Mandat ringen, muß für die Zentrums-Wähler strengste Wahlenthaltung die Parole sein. Woaber nationalliberale und sozialdemokratische Kandidaten mit-einander ringen und die Gefahr eines sozialdemokratischen oderlinlSliberalen Sieges droht, da verlangt die Rücksicht auf dasInteresse der Allgemeinheit, daß wir über daS hinwegsehen, wasvon der nationalliberalen Partei uns scheidet, wie auch über das.was sie an Leid und Unrecht uns schon zugefügt hat. Eine AuS-nahine wäre nur zu machen, wenn ein nationalliberaler Kandidatdurch sein persönliches Verholten dem Zentrumswähler es unmög-lich machen würde, ihm die Stimmen zuzuwenden."Sie Antwort der Kranhenltassen.Auf die von uns bereits mitgeteilte Kampfansage derAerzte antworten die Krankenkassenverbände mit folgenderErklärung:1. Auf dem Aerztetage am Sonntag haben die Aerzte-organisationen beschlossen, keine Verträge mehr mit denKrankenkassen einzugehen. Sie wollen die erkrankten Ver«sicherten nur noch als Privatpatienten behandeln, und esempfahl der Vorsitzende des Leipziger Aerzteverbandes sogar,diese nur gegen Vorausbezahlung zu tun.Dieses Vorgehen bedeutet den allgemeinen Kampf gegendie Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und denGeneralstreik diesen gegenüber. Es wird jetzt das aus-geführt, was bereits am 18. Februar 1912' die Aerzte-organisationen offiziell beschlossen haben:„Zur erfolgreichenDurchführung der Beschlüsse des Stuttgarter Aerztetagessind die bisherigen Einzelkämpfe zu vermeiden. Es ist viel-mehr ein gleichzeitiges, geschlossenes, gleichmäßiges und ein-heitliches Vorgehen aller kassenärztlichen Lokalorganisationenunerläßlich."2. Es entspricht nicht der Wahrheit, daß den Aerzten derKampf von den Krankenkassen aufgedrungen worden ist. DieKrankenkassen haben keine Forderungen an die Aerzte gestellt,wohl aber die Aerzteorganisationen sehr viele und ganz unan-gemessene an die Krankenkassen. Die Kassen befinden sichlediglich in der Abwehr. Einigungsverhandlungen sind ge-scheitert, weil die Aerzteorganisationen allgemein dieDurchführung der freien Ärztwahl bei den Kassendurchsetzen und das Kassenarztsystem nur noch ausnahms-weise und für eine kurze Uebergangszeit bestehen lassen wollen.Der Arzt selbst sollte nach den Vorschlägen der Aerzte nurdurch die Organisationen zur Kassenpraxis zugelassen werden.Die Abstufung der Honorare sollte nach der Höhe der Ein-nahmen der Versicherten erfolgen; alle Arztverträge solltenzum gleichen Zeitpunkte ablaufen. Diese Forderungen derAerzteorganisationen wurden als Mindestforderungen be-zeichnet. Bei dieser Regelung würde den nach dem Gesetzverantwortlichen Kassenvorständen der Einfluß auf die Kassen-Verwaltung genommen werden.Die Kassen würden schließlich nur noch Beiträge auf-zubringen haben, um die durch die Aerzte verfügten Ausgabenzu decken. Für eine Gestaltung der Verhältnisse, die die Kassenden Aerzteorganisationen so ausliefert, kann kein Kassen-Vertreter die Verantwortung übernehmen.3. Wenn behauptet wird, daß die Krankenkassen mit denAerzteorganisationen nicht verhandeln, diese vielmehr zer-trümmern wollten und den sogenannten Herrenstandpunkt ein-nehmen, so entspricht nur das Gegenteil der Wahrheit. DieKassen haben bei den Einigungsverhandlungen Vorschläge ge-macht, die unzweideutig ergeben, daß sie im Interesse desFriedens in weitestgehender Weise Beschränkungen in ihrengesetzlich gewährleisteten Rechten zugnnsten der Aerzteorgani-sationen vornehmen wollten. Bezeichnend ist, daß diese Vor-schlüge der Kassen nicht nur glattweg abgelehnt, sondern fasttotgeschwiegen werden.4. Die Vertreter der Krankenkassen sind in Anerkennungder hohen Bedeutung des Arztberufes den Aerzten soweit ent-gegengekommen, als es die ihnen auferlegte Verantwortungund die Wahrung der ihnen anvertrauten hochwichtigenInteressen der öffentlichrechtlichen Krankenversicherung zuließen.Die Krankenkassen sprechen deshalb die Erwartung aus, daßsich die Behörden und der Gesetzgeber durch die Aerzte-organisationen nicht einschüchtern lassen und unangemesseneForderungen der Aerzteorganisationen ablehnen werden. Eshandelt sich um die Entscheidung, ob die Interessen eineseinzelnen Berufsstandes über das Wohl von Millionen vonVersicherten gestellt werden sollen.Berlin, den 27. Oktober 1913.auptverband deutscher Ortskrankenkassen, Dresden.auptverband deutscher Bctriebskrankenkassen, Essen.esamtverband deutscher Krankenkassen, Essen-Köln.Allgemeiner deutscher Knappschaftsverband, Berlin.Verband deutscher Jnnungskrankenkassen, Hannover.englische Klaflenluiflz.Verurteilung Larkios.Dublin, 27. Oktober. In dem Prozeß gegen den Arbeiter-führer L a r k i n, der wegen Aufruhrs und Anreizungzum Aufruhr angeklagt ist, führte der General-staatsanwalt, der die Anklage erhoben hat, aus, Larkinwürde nicht als Streikführer gerichtlich verfolgt, sondernweil er sich gegen das Gesetz vergangen hätte und einböswilliger, gefährlicher Verbrecher sei. Larkin wurde fürschuldig befunden, aufrührerische Reden geführt zu habenund zu sieden Monaten Gefängnis verurteilt.Noch ein Opfer der Klassenjustiz.Aus London wird uns geschrieben: Unter der ArbeiterschaftGroßbritanniens herrscht zurzeit die größte Aufregung über dieVerurteilung des Lokomotivführers C a u d l e. den man wegen fahr-lässiger Tötung auf zwei Monate ins Gefängnis geschickt hat.Nicht nur von den Eisenbahnern, sondern von allen Arbeitern wirdder Fall lebhaft besprochen und das Urteil scharf kritisiert. Caudleist der Lokomotivführer des Expreßzuges, der Ansang Septemberbei Aisgill in Nordengland mit einem auf den Gleisen stehendenExpretzzuge zusammenprallte, wobei 16 Personen getötet und vieleandere verletzt wurden. Hätte sich unter den Getöteten nicht einMitglied der Aristokratie befunden, so wäre das Nachspiel, das mitder Verurteilung Caudles endete, wohl ausgeblieben. So abermußte man einen Sündenbock haben. Man fand ihn in demLokomotivführer des in Bewegung befindlichen Expreßzuges, derfreimütig gestand, daß er das auf Gefahr stehende Signal nichtbeobachtet hätte. Aber seine Verteidigung war so einleuchtend undsein Ruf als unbescholtener und zuverlässiger Arbeiter so gut, daßsich» die Geschworenen in zwei Totenschaugerichten weigerten, ihnschuldig zu befinden. Erst in einer dritten Leichenschau, bei derwesentliche Zeugen nicht geladen waren, wurde der Schuldspruchbejaht. Während der Untersuchung stellte es sich heraus, daß dererste Expreßzug auf der Station Carlisle eine Extralokomotiveverlangt hatte, um mit dem zu schwer beladenen Zug über dieSteigung bei Aisgill zu kommen. Diese Extralokomotive wurdenicht gestellt, und der Zug kam, da auch die Kohle schlecht war. aufder Steigung zum Stillstand. Auch Caudle und sein Heizer hattenmit der schlechten Kohle zu kämpfen. Dazu hatte der Lokomotiv-führer noch beständig mit dem Oelen und den Injektoren zuschaffen, um seine Maschine arbeitsfähig zu erhalten. So ist esdenn leicht erklärlich, wie das überanstrengte Lokomotivpersonaldie Signale bei dem Orte Mallerstrang nicht bemerkte und wie dieKollision entstand. Wenn jemand an dem schrecklichen Unfallschufö war, so waren es die Personen, die die Borbedingungenfür das Unglück schufen: die den ersten Expretzzug zu schwer be-lasteten und ihm die Extralokomotive vorenthielten, so daß er zumStillstand kam, die die schlechten Kohlen lieferten und den Lokomotiv-führer zwangen, seine ganze Aufmerksamkeit seiner Maschine zuzu-wenden, damit er diese vor Schaden und sich selbst vor der Strafe'schütze. Das ist wenigstens die Ansicht der arbeitenden Massen des