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Dtr Kampf gegen die Aahrhelt! Wenn der Z e u g e v. Mctzen nicht starke Nerven hat, so muß die Art, wie er am Dienstag vor Gericht behandelt worden ist, ihn aufs schwer st e einschüchtern und geradezu abhalten, seiner Zeugnispflicht entsprechend, die volle Wahrheit zu sagen. Die Krupp-Presse stimmt ihre Besprechung der Vorgänge vom Dienstag geradezu auf eine Pression gegen den Zeugen v. Metzen ab, mit der deutlich erkennbaren Absicht, ihn von der Wahrheit abzuschrecken. Metzens Material richtet sich nach seiner Auffassung in erster Linie gegen Brandt und eine Anzahl Krupp-Direktoren. Als An- gcschuldigter stand er zunächst vor dem Richter. Als Angeschuldigter war er n i ch t verpflichtet, alles in seinen Händen befindliche Ma- tcrial vorzubringen. Nachdem er außer Verfolgung gesetzt war und nur noch als Zeuge in Betracht kam, befand er sich allerdings in einer anderen Position. Wenn er jetzt sein Material ohne zwingende Veranlassung der Staatsanwaltschaft überlieferte, so be- lastete er damit die anderen früheren oder noch jetzt Angeschuldigten oder Angeklagten. Eine Verpflichtung, diese Personen zu belasten und dem Staatsanwalt ans Messer zu liefern, hatte er gerade vom Standpunkt derer aus nicht, die ihn jetzt so wütend an- fallen. Er scheute denn auch den Eklat und behielt sein Material für sich. Daraus, daß er, solange es für ihn möglich schien, die anderen schonte, daraus, daß er sich nicht zum Denunzianten gegen seine früheren Kollegen und Untergebenen machte, wird ihm aber jetzt ein Strick gedreht! Der Oberstaatsanivalt scheint eine Denunziations- Pflicht des Herrn v. Metzen anzunehmen. Nur von dem Stand- Punkt aus, daß Metzen verpflichtet gewesen sei, die anderen zu denunzieren und nach Kräften hineinzulegen, konnte ihm wegen der Vorenthaltung des Materials ein Vorwurf gemacht werden. Erst nachdem v. Metzen in der Oeffentlichkeit von den von ihm Geschonten ans das a l l e r s chw e r st e angegriffen worden war, entschloß er sich nach seinen Erklärungen in der Presse, nun- mehr die Rücksicht auf diese anderen fallen zu lassen und ohne fernere Schonung sein Material aufzudecken. Das war sein gutes Recht. Aber das schönste ist: Staatsanwalt und Verteidi- gung sprechen von einemplötzlichen lieber fall" durch Herrn v. Metzen. Dabei hat Herr v. Metzen bereits vor einigen Wochen in der Oeffentlichkeit auf das in seinen Händen befindliche Material ganz unzweideutig hingewiesen. Jeder, auch der Ober- staatSanwalt und die Angeklagten und dir Verteidiger, waren also längst vor dem Termin darüber unterrichtet, daß Herr v. Metzen im Besitze bisher nnveröffentlichten Materials sei! Warunu haben sie denn keinerlei Versuch unternommen, sich schon vor der Verhand- hing dies Material zu beschaffen? An Möglichkeiten dazu hätte es ihnen doch wahrhaftig nicht gefehlt. Es ist also ihre Schuld, daß sieüberrumpelt" wurden. Die Pose derU e b e r f a l l e n e n" steht ihnen aber s e h r s ch l e ch t! Herr v. Metzen hat in seinen Veröffentlichungen, über die man im übrigen urteilen mag, wie man will, seine Karten bereits längst vor dem Verhandlungstermin offen jedermann aufgedeckt. Wir wiederholen: Die Staatsanwaltschaft hatte die Möglichkeit, bereits vor dem Termin sich mit v. Metzen wegen des Materials in Verbindung zu setzen. Auch dem Gerichtshof war die Mög- lichkcit gegeben, für die Beschaffung dieses Materials zum Ver- Handlungstermin Sorge zu tragen. Das ist unterblieben; weshalb, bleibt unerfindlich! Noch niemals dürfte in einer Gerichtsverhandlung ein so unmotivierter Vorwurf gegen einen Zeugen erhoben worden sein, wie im vorliegenden Fall. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht werden sich nicht �rüjbcr zw wundern brauchen, wenn die Art der Behandlung des Zeugen v. Metzen, der als Zeuge die Gesamtheit seiner Kenntnis dem Gericht zu unterbreiten im Begriff war, als eine A b- schrcckung für jeden Zeugen wirkt, seine Aussagen zu ergänzen und zu erweitern. Eine schwere Gefährdung des Zweckes der Wahrhcitsermittelung bedeuten also die Vorgänge am Dienstag. Einschüchterung und Abschreckung der Zeugen, die Wahrheit zu sagen, ist das ungeeignetste Mittel zur Aufhellung des wahren Sachverhalts! Und geradezu peinlich und verwirrend müssen die Vorgänge vom Dienstag wirken, wenn man ihnen gegenüberstellt, die Be- Handlung der der Mitschuld verdächtigen Krupp- Direktoren!_ fielst fahre. iZ u m Z n s a m m e n t r i t t der Duma.) Man hat die russische Revolution mit der preußischen von 1848 vielfach verglichen. Nun will es aber scheinen, daß in Rußland   der Reaktion eine kürzere Lebensdauer als der preußischen beschieden ist. DaS Eis der gesellschaftlichen Reaktion taut auf, die Wellen der revolutionären Bewegung beginnen nach acht Jahren wiederum hoch zu gehen.... Die Hauptstütze der russischen Reaktion war der Adel. Auf sein Geheiß wurden die zahlreichen Staatsstreiche vom eidbrüchigen Zaren ausgeführt; seinem Wunsche entsprechend wurde das Wahlgesetz ge» ändert. Cr war auch schließlich, wie der bekannte Soziologe M. KowalewSkh festgestellt hat, der Vater derAgrarreform", die die Bauernftagelösen" sollte. Der Adel trat an die Spitze der Schwarzen Hundert  ", jener reakttionären Organisation, die vom Zaren zur Verteidigung de? Thrones aufgefordert und vom Adel ge- bildet wurde.Wir fordern alle Wohlgesinnten auf, sich zusammen- zuschließen, um die Rebellion in unserem Lande auszurotten", so sprach der Zar am 18. Februar 1305, und eine Flut von Pogroms ergoß sich über Rußland  . Der Zar, höhere Beamte und die Führer der Adelsorganisation blieben die ganze Zeit hindurch offen Mitglieder dieser verbrecheri- scheu Banden und unterstützten sie auch mit Geldmitteln. Auf das Betreiben des Zaren ist auch der Beilisprozetz zurückzuführen. Aber gerade dieser Prozeß bedeutet für den Zaren und seine Partei eine uugewöhnliche Schlappe. Er hat vor aller Welt Augen auf- gedeckt, wer die Bundesbrüder deS Zaren sind: Wjera Tscherberjak, SingajewSki und ähnliche gemeine Verbrecher erzielten und spielen noch heute im Verbändeechtrussischer Leute" die Hauptrolle. Im Hause der Tscheberjak, wo JnstschinSki ermordet wurde, waren auch Pogroms vorbereitet worden.... In der Tat, die Reaktion muß sich in diesen Elementen ihre Stütze suchen. Der Adel verschwindet wie der Schnee vor der Frllhlingssonne. Noch 1305 besaß der Adel 51 Mill. Deßjatinen Land, während den Bauern 152 Deßjatinen gehörten. Von ihrem Besitz haben die adeligen Herren seitdem rund 7 bis 13 Millionen Deßjatinen veräußert, so daß ganze Gegenden adelsrein geworden sind. In manchen Orten kommen zu den Wahlen weniger adelige Grundbesitzer als sie Deputierten zu wählen haben. In Erkenntnis dieses unaufhaltsamen Prozesses deS Unterganges des russischen AdelS suchte die Regierung sich eine neue Stütze in den wohlhabenderen Bauern zu schaffen. Sie löste zwangs- weise die Gemeinde auf. Damit war aber weder der Bodenmangel aufgehoben noch die wirtschaftliche Betriebsweise gebessert worden. Der Regierung ist aber die Teuerung zur Hilfe gekommen, die die Lage der landreichen Baueruschichten gebessert und so die Differentierung auf dem platten Lande gefördert hat. Der reiche Bauer ist nun tatsächlich im Enlstehen begriffen; sicher wird er abe die Hoffnungen der Reaktion ebenso täuschen, wie er eS schon in der ersten und in der zweiten Duma getan hat. Der Bauer kann und wird nicht eine Stütze für das feudalistisch-bureaukratische System werden. Selbst die vom Adel gewählten Bauernvertreter der vierten Duma rücken immer mehr nach links ab. Noch bedeutender ist die Aendernng in der Stadt. Die Be- völkerungsbermehrung der russischen Städte geht mit amerikanischer Geschwindigkeit vor sich; die Zuwachsquote beträgt nach dem Volks- Wirt Oganowsky etwa 24 Proz. pro Jahr. Die gesamte städtische Bevölkerung stellt sich heute auf 28 Millionen Personen, hat sich also gegen 1837 fast verdoppelt. Noch mächtiger ist der Aufschwung des Kapitals. 1336 waren in Rußland   nur 1413 Aktien- gesellschaften mit einem Kapital von 3,1 Milliarden Rubel und 1313 1557 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von 3,7 Milliarden Rubel. Die Ausgabe von Aktien und Obligationen betrug 1336 bis 1311 2651,2 Millionen Rubel. Da? russische   Kapital steht heute viel mächtiger als vor acht Jabren und fordert seinen Anteil an der Regierung. Auf der Nishni-Nowgoroder Messe und noch schäricr und ausgesprochener auf der Städtetagung in Kiew   erhob das Kapital seinen Protest gegen die Allherrschaft des Adels und der Bureaukratie. Der veränderten Stimmung dieser Kreise entsprechend schlagen auch die russischen.Fortschrittler", diese ausgesprochene Groß- kapitalistenpartei, energischere Töne an. Sie wollen jetzt in der Duma einen Oppositionsblock mit den Kadetten bilden. Aber auch dieOktobristen", diese konterrevolutionäre Partei des beängstigten Großgrundbesitzes und Großkapitals, macht Miene, oppositionell zu werden. Hat doch ihr Führer Gntschkow der Regierung die scharfen Worte ins Gesicht geschleudert, sie führe das Land dem Verderben entgegen. Das Großkapital hat auch gegen die wilde Judenhetze der Re- gierung seine Stimme erhoben, und die Regierung sucht nun in der Auffrischung des mittelalterlichen Aberglaubens, in der Verbreitung der Legende vom Ritualmord, eine Rechtfertigung dieser ihrer Politik. Man kann schon jetzt aber sagen, daß sie mit dem BeiliS- Prozeß Pech gehabt hat. Er hat eine große Protestbewegung wach- gerufen, selbst die treuesten Stützen der Regierung von ihr ab- gewendet. Der erzreaktionäre antisemitische Kiewljanin ist zum ersten Mal seit seiner Existenz gegen die Regierung aufgetreten. Wie der Kichinewer Pogrom von 1333, so wird auch der BeiliSprozeß alle oppositionellen Elemente zum Kampfe aufrütteln, der Aus- gangspunkt einer neuen Epoche gesellschaftlichen Kampfes bilden. Sehr bedeutend hat sich in den acht Jahren der Arbeiterkampf geändert. Schon der Zahl nach ist die Arbeiterklasse stark gewachsen. Eine genaue Statistik darüber gibt es nicht. Es dürfen daher nur einige Zahlen zur Illustration dieser Erscheinung genügen. Die Zahl der Kohlengrubenarbeiter in Südrußland ist von 1335 1311 von 84 333 auf 134 533, im Dombrower Revier von 18 333 auf 22 833 gestiegen. Die Gesamtzahl der Berg- und Hüttenarbeiter hat sich von 1335 1333 von 546 333 auf 631 333 erhöht, wird aber jetzt mindestens 733 333 erreicht haben. Die Zahl der Fabrikarbeiter betrug im Durchschnitt der Jahre 1831/35 1,667 Mill. und 1311 über 2 Millionen. Wichtiger noch ist aber die Aenderung, die in der Zusammensetzung der Arbeiterschaft vor sich gegangen ist. Zwar läßt sie sich statistisch nicht erfassen, es unterliegt aber keinem Zweifel, daß das BildungS- Niveau der jetzigen Arbeiterschaft bedeutend höher steht. In den ver- flossenen acht Jahren hat unser russisches Proletariat viel an seiner Entwickelung gearbeitet. Es hat trotz ungeheuerlicher Verfolgungen sich Gewerkschaften und Bildungsvereine geschaffen. Es hat sogar Arbeiterzeitungen im wirklichen Sinne dieses Wortes in? Leben ge- rufen. Die Arbeiter schreiben selbst in ihren Zeitungen und unter- stützen sie reichlich mit Mitteln. Die Arbeiter stehen jetzt an der Spitze ihrer Organisationen, haben ihre Leitung aus den Händen der Intelligenz in ihre eigenen genommen. Die Entwicklung der Industrie und die technischen Aenderungen in ihr schufen die Nachfrage nach einer intelligenten Arbeiterschaft, die nun in der Fabrik auch zur Leiterin der Arbeiterbewegung wird. Der Polizeikampf aber gegen diese Arbeiterintelligenz ist ebenso er- folglos wie ein Kampf gegen den wirtschaftlichen Fortschritt über- Haupt. Die häufigen Verhaftungen der intelligenten Arbeiter stören nur den Betrieb und rufen den Unwillen des Kapitals hervor. Die letzten Jahre haben auch eine gtwaltige Flut der Arbeiterbewegung gesehen. Am Vorabend der Revolution 1334 streikten etwa 25 333, 1312 dagegen über 533 333 und 1313 werden es über eine Million sein, also ebensoviel wie im RcvolutionSjahr 1336. Gewiß macht die Reaktion alle Anstrengungen, um den Arbeitern alle ihre Errungenschaften zu nehmen. Die Gewerk- schaften werden unausgesetzt verfolgt; die Angehörigkeit zur Sozial- demokratie wird mit langjähriger Zwangsarbeit bestraft; auf die Arbeiterzeitungen hageln die ungeheuerlichsten Strafen unaufhörlich Neue Gesetze werden ersonnen, um diesen das Leben ganz unmöglich zu machen. Vergebens. Die Zeit der triumphierenden Reaktion geht zu Ende. Sie fühlt sich vielmehr von allen Seiten belagert, vereinigt sich mit den Auswürfen der bürgerlichen Gesellschaft, wie dies der BeiliSprozeß bewiesen hat, sucht Anhänger unter den gemeinen Dieben und Mördern, um unter Verachtung aller Welt in den Abgrund zu stürzen. Acht Jahre hat die Reaktion geherrscht. Genug! Ihre Zeit i st vorbei! Die erste Interpellation. Petersburg, 23. Oktober. In der N e i ch s d u m a hat heute die Kadettenpartei eine dringende Interpellation wegen all« gemeiner Bedrückung der Presse, besonders anläßlich des Beilis-ProzesseS eingebracht. Der Führer der Kadetten Miljukow   äußerte in seiner Begründung der Interpellation, die Bedrückung der Presse hätte in diesem Jahre einen Rekord erreicht; insbesondere sei versucht worden, den Beilis- Prozeß durch Repressivmaßregeln gegen die Presse der Oeffentlichkeit zu entziehen. Der Präsident bat, den Prozeß nicht zu be- rühren. Miljukow erwiderte, die Abgeordneten hätten das Recht, sich über eine ganz Rußland   aufregende Frade auszusprechen, und bat die Duma, gegen die geheimen Kräfte Stellung zu nehmen. deren Wirkung Rußland   mit Schmach bedecke. Miljukow fuhr fort: Die enge Verbindung zwischen Dieben, Einbrechern und dem Dumaabgeordneten ZamyslowSky errege allgemeines Erstaunen. (Großer Lärm und Widerspruch rechts.) Der Präsident rief den Redner zur Ordnung. Dieser schloß, es sei die höchste Zeit zu erklären, daß seine Partei keine Verantwortung für den Beilis-Prozeß tragen wolle.(Beifall liuks.) Purischkewitsch(Aeußerste Rechte) erklärte, die dressierten Stare der Judenschaft konnten dem ehrlichen Namen ZamyslowskyS nichts anhaben.(Stürmischer Beifall rechts.) Die Interpellation sei ein verdeckter Versuch, in die Rechte des Gerichts einzugreifen; der erste Arbeitstag der Duma dürfe aber nicht ein Sympathie- Meeting für die Juden darstellen, welche in Kiew   die Spuren eines Verbrechens zu verwischen suchten, das die Auf- merksamkeit von Rußland   und ganz Europa   erregt habe. Die Juden hatten alle Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung angewandt, auch zu Bestechung und sogar zum Gift gegriffen. Der Präsident bat, Einzelheiten eines schwebenden Verfahrens nicht zu erwähnen. Purischkewitsch   erklärte trotz der Versuche, die Rechte zu Ausschreitungen heraus- zufordern, werde sie den Gerichtsspruch schweigend erwarten. Rußland   sei nicht Frankreich  , es werde also nicht gelingen, die Dumatribüne auszunutzen, wie seinerzeit die Deputierten- kammer für Dreyfus ausgenutzt worden sei. Eine Duma, die sich in ein Meeting verwandelte, könnte und müßte aufgelöst werden. Graf v. Bennigsen(Oktobrist) erklärte, die Oktobristen würden für die Dringlichkeit stimmen, aber in der Diskussion nicht über den Gegenstand der Interpellation hinausgehen, da sie der Duma keine gerichtlichen Befugnisse beimäßen.(Beifall im Zentrum.) Die Dringlichkeit wurde gegen wenige Stimmen der Rechten und die Interpellation selbst mit 143 Stimmen der Linken und der Oktobristen gegen 136 der Rechten und der Nationalisten angenommen. poUrifebe Qeberlicbt. Der Reichstag  nimmt seine Sitzungen am 25. November, nachmittags 2 Uhr, wieder auf. Ursprünglich war, wie wir gemeldet haben, ge- plant, mit den Arbeiten des Reichstags schon am 20. No- vember, dem Tage, bis zu welchem der Reichstag   vertagt war, zu beginnen. Aber da der 20. November auf den Donnerstag nach dem Bußtag fällt, ist der Präsident Kaempf veranlaßt worden, den Wiederzusammentritt des Reichstags um eine Woche hinauszuschieben. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung stehen Petitionen. Dem Reichstag sind jetzt schon zwei Gesetzentwürfe zugegangen; der eine betrifft die Be- schäftigung von Hilfsrichtern beim Reichsgericht bis zum 1. Juni 1914. Im Etat für 1914 sollen dann einige Reichs- gerichtsstellen angefordert werden. Der zweite Gesetzentwurf betrifft die Aenderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige._ In gottgegebener Abhängigkeit. Wir haben die Energie des Grotzherzogs Friedrich Franz von Gottes Gnaden richtig eingeschätzt, als wir voraussagten, er werde vor seinen lieben Junkern kapitulieren und nichts gegen ihre brüske Ablehnung des neuen Verfassungsentwurfs der Mecklenburg  - schwerinschen Regierung unternehmen. Er ist geduldig und sanft- mutig und hält still, wie Gott   will. In seinem Landtagsabschied sagt er resigniert, daß er an dem von ihm seinerzeit gefaßten Eni- schluß in Ausübung seiner landesherrlichen gesetzgeberischen Macht auf eigenen Entschluß eine Verfassung in Kraft zu fetzen, nicht festhalten wolle.Wir sind," heißt es in dem Schriftstück,bei er- neuter Prüfung zu der Erkenntnis gelangt, daß die augenblicklichen Verhältnisse des Landes diesen schwerwiegenden Schritt noch nicht als gebieterische, unabweisbare Notwendigkeit rechtfertigen, der in seinen Folgen so unübersehbar ist, und der, wie wir uns überzeugt haben, die Möglichkeit nicht ausschließt, daß letzten Endes, was wir nicht wünschen, die gesetzgebenden Faktoren des Reiches darüber bestimmen könnten, welche Verfassung Mecklenburg   erhalten soll. Wenn wir auch einstweilen von der Durchführung der Vcrfassungsreform abzusehen uns schweren Herzens gezwungen sehen, so sind wir doch in unserer Ueberzeugung von der Notwendigkeit derselben nicht schwankend geworden, und wir werden das gesteckte Ziel weiter verfolgen." Das zeugt von stiller Ergebung. Vielleicht erweisen sich die Junker dafür dankbar und vermehren die grotzherzoglichen Ein- tünfte um ein nettes Sümmchen. Weniger zufrieden scheinen mit dem Ausgang der VerfassungS- farce die mecklenburgischen Minister zu sein. Wie dieMecklen- burgische Zeitung" meldet, hat das großherzogliche Staats- Ministerium den Grotzherzog infolge der gestrigen Beschlüsse der Stände zur Vcrfassungsvorlage um seine Entlassung gebeten. Reichsverbandsschmerzen. Dem Reichsverband gegen die Sozialdemokratie gchts mies. Er krankt an Menschenschwund. Seine vor einigen Tagen in Breslau   abgehaltene Generalversammlung war deshalb ein langes Klagelied. Auch die Mitgliedschaft eines Hohenzollernprinzen konnte nicht darüber hinwegtäufchen, daß die übrigen Patrioten von dem Verband nicht mehr viel wissen wollen.So b e- fremdend eS klingt," meinte der stellvertretende Vorsitzende, der kaiserliche Gesandte v. D i r k s e n,unser Zuwachs ist nicht so groß, als er nach der Lage der Verhältnisse sein müßte." Die Arbeiter und der Mittelstand fürchten sich natürlich nur vor der Sozialdemokratie, sonst wären sie dem Verband längst in Scharen beigetreten. Das einzige, tvas helfen kann, sind alfo Knebel» gesetze gegen die Terroristen, aber leider die Regierung ge­traut sich nichts zu unternehmen. General v. B i s s i n g hat mit dem Kanzler gesprochen, Dirksen hat mit dem Kanzler gesprochen, aber angesichts dieses Reichstages wagt Bethmann keinen ent- scheidenden Schritt.Kein Staatsanwalt wagt es," so sagte Herr v. Dirksen wörtlich,gegen die unflätigen Beleidigungen der sozialdemokratischen Presse Anklage zu erheben."Einen Führer wüßte ich," meinte der dreißigfache Millionär v. DirksenSeine M a j e st ä t der K a i s e r." Aber der ist leider nicht zu haben, weil er über den Parteien steht! Doch der Redner tröstete sich. Muß er auch darauf verzichten, unter diesem Monarchen zu kämpfen, so kann er doch den Reichsverbändlern nicht verwehren, für ihn zu kämpfen. Das Klagelied des Vorsitzenden wurde von den anderen Be- grüßungsrednern weitergesponnen; der Vorsitzende der Breslauer Konservativen bedauerte es, daß viele Mitglieder bürgerlicher Parteien sichin eine gewisse Freundschaft zur Sozialdemokratie hineingefunden" haben. Auch gegen die Tarifverträge legte man los, sie sind nur verkappte sozialdemokratische Agitationsmittel. Im allgemeinen aber ivar die Stimmungflau", und da außer Herrn Liebert auch der Freiherr   v. Zedlitz und Neukirch fehlte, mußte man sich mit einem kümmerlichen Vortrag des Antisemiten Gräfe begnügen, der vor allem gegen die Arbeitslosenunter- stützung wetterte, die angeblich den Gewerkschaften nur Streik- mittel in die Hände liefern würde. Nach dieser Leistung vereinigten sich die fürstlichen, gräflichen und freiherrlichen Sozialistentöter zu einem opulenten Schluß. mahl. Mit einer Mahlzeit hatten sie auch angefangen. Der einzige Vortrag schob sich mühsam zwischen die beiden Fest- mahle ein. Aus dem bayerischen Landtage. Die Debatte über die StaatszeitungS-Jnterpellation wurde am Mittwoch zu Ende geführt. DaS waren peinliche Stunden für das Ministerium Hertling. Vom Zentrum ergriff niemand mehr das Wort zur Verteidigung. Man ließ Dr. Pichler allein das Opfer bringen, in dieser Sache für die Regierung einzutreten. Genosse S ü ß h e i m kennzeichnete die StaatszeitungS- Gründung als ein parteipolitisches Unternehmen des klerikalen Ministeriums Hertling. Daß die Beziehungen Hertlings zur Reichsleitung jetzt ausgezeichnete seien, glaube er ohne weiteres. Die Gründung der Staatszeitung nach Schluß des Landtags sei