,„Terrorismus"? Scharfmacherbläiter veröffentlichen die Geschichte eines sozial- demokranschen Terrorismus, die sich in AscherSleben abgespielt haben soll und von ihnen anscheinend als besonders fetter Happen in ihrenr„Kampfe� um Verstärkren ArbeitSwilligenschutz angesehen wird. Auf der Ascherslebener Maschinenfabrik streiken seit Wochen die Metallarbeiter. Eines Tages veröffentlichte die Direktion eine Erklärung, in der sie behauptete, daß der Former Grabe sich zur Aufnahme von Arbeit gemeldet, aber die Arbeit nicht an- getreten habe, weil er daran durch den Druck seiner Kollegen gehindert worden sei. Hierauf antwortete Grabe mit einer Gegenerklärung, in der er die Angaben der Firma bestritt und erklärte, daß ihm gelegentlich deS AbholenS eines LohnresteS von einem Meister Arbeit angeboten worden fei, er jedoch auf dieses Angebot nicht eingegangen sei. Etwa drei Wochen später fing Grabe trotz deS Streiks in der Maschinenfabrik wieder zu arbeiten an. Siach wenigen Tagen erschien nun eine zweite Erklärung Grabes in einem Lokalblatte. In einem Rieseninserat erklärte ör diesmal, daß seine erste Erklärung u n w a h r gewesen sei, dagegen die Angaben der Maschinenfabrik vollständig der Wahrheit entsprochen hätten. Zwei Kollegen hätten ihm Vorwürfe gemacht, daß er sich um Wieder- aufnähme von Arbeit beworben hätte und ihn bestimmt, die Arbeit nicht aufzunehmen: „Als eine Woche später die Mitteilung von der Maschinen- fabrik im„Anzeiger" erschienen war, veranlaßten mich mehrere Kollegen, mit zur Ortsverwaltung zu kommen. Trotzdem die Kollegen und auch Herr Greiner<der Geschäftsführer des Metall- arbeilerverbandes. D. R. ) darüber unterrichtet waren. daß ich mich talsächlich eine Woche vorher bei der Maschinenfabrik um Arbeit beworben hatte, setzte Herr Greiner die von mir im„Tageblatt" veröffentlichte Erklärung auf, in der ich w i d e r besseres Wissen die oben angeführten Angaben der Maschinenfabrik bestritt. Ich habe dazumal unter dem Drucke meiner Kollegen gestanden und die Sache ver- öffentlicht." Ein Blinder kann mit dem Stocke fühlen, daß bei dieser Ge- schichte etwas nicht stimmt, denn freiwillig bezichtigt sich so leicht nicht jemand selbst in aller Oeffentlichkeit, daß er die Unwahrheit gesagt hatte. Was also richtig ist, ob der„Held" dieser Geschichte sich zur Arbeit gemeldet hat, oder ob sie ihm angeboten wurde, steht dahin. Wahrscheinlich ist das erstere richtig. Als ihn das Zureden seiner Kollegen von seinem Vorhaben wieder abgebracht hatte, veröffentlichte die Maschinenfabrik ihre Erllärung, was den Grabe veranlaßte, sich zum Metallarbeiterbureau zu begeben. Hier einrüstete er sich in heftigster Weise über die„Unwahrheiten" in der Erklärung der Firma und gab seiner Bereitwilligkeit Ausdruck, den Vertretern der Firma durch schlagende Beweise die Unhaltbar- keit ihrer Behauptungen darzulegen. Davon riet man ihm ab und sagte ihm, daß er nicht? anderes tun könne, als der Oeffentlichkeit den richtigen Sachverhalt mitzuteilen. Grabe war dazu gleich be- reit und ersuchte den Geschäftsführer, ihm eine Erklärung zu cnt- werfen, da er selbst zu aufgeregt sei. Das geschah, und an der Hand dieses Entwurfes fertigte sich Grabe dann selbst seine Er- klärung an. die er hierauf auch selbst nach der Expedition des„Tage- blatis" brachte. Das sind die nackten Tatsachen. Wer ehrlich sein will, muß zugeben, daß hier zwar von einem unwürdigen Verhalten eines Arbeiters die Rede sein kann, nicht aber von einem terroristischen Druck der Sozialdemokratie, auch nicht davon, daß, wie die „Post" schrieb, ein Arbeiter unter Gewaltmaßregeln um sein Brot gebracht worden ist. Die Komödie, die Grabe in dem Metallarbeiter- burcau aufführte, entsprang dem Bestreben, bei seinen Kollegen den S erdacht zu zerstreuen, daß er bereit gewesen sei. abtrünnig zu erden Seine Erklärung verfolgte den gleichen Zweck. Inzwischen wurde er aber„arbeitswillig"; und nun stellte ihm wahrscheinlich die Firma die Bedingung, daß er sich öffentlich selbst Lügen strafe. Das war der Firma natürlich nicht die Hauptsache, sondern die Kennzeichnung des„sozialdemokratischen Terrorismus", den Grabe der Betriebsleitung wohl mit der gleichen Entrüstung geschildert hat, mit der er im Bureau der Gewerkschaft gegen die Firma rä- sonnierte._ Das orientalische Seminar in Berlin als Hochschule. Zu der Meldung, daß nach der Ansicht der Regierung das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin zu einer Hochschule von besonderem Typus ausgestaltet werden soll, erfährt die„Frank- furter Zeitung" von unterrichteter Stelle, daß in der Tat im Kultus- Ministerium ernsthafte Erwägunge» darüber angestellt werden. Die Erwägungen sind aber zurzeit noch nicht so weit gediehen, daß be- reitS im neuen Etat die Mittel dafür angefordert werden könnten. Ein Schulpalast in Westfalen . Wenn von Schulpalästen in Anführungszeichen die Rede ist, denkt man in der Regel zuerst an die Volksschulen in den ostelbischen Gefilden. Daß aber auch im Westen das sprichwörtliche Volksschul - elend heimisch ist, dafür teilt die„Dortmunder Arbeiterzeitung" einen bezeichnenden Fall mit. In L i ch l e n d o r f(Kreis Hörde) steht ein Schulgebäude, das innen� und außen Fugen von 10 b i s 27 Zentimeter Tiefe aufweist. Das ganze Gebäude ist so feucht, daß die erst im Jahre 1912 angebrachten Tapeten in Fetzen von den Wand e n hange n. In der Küche des evangelischen Lehrers wachsen die Pilze aus den Wänden heraus. Die Möbel müssen 20 bis 30 Zentimeter von den Wänden abgerückt werden, wenn sie nicht ver- faulen sollen. Die Fenster sind undicht, so daß die Luft ungehindert durchzieht. An der Westseite drohte schon vor zwei Jahren ein D e ck e n e i n st u r z. Bei den Schutzdecken hatte man Lehm verwandt, dessen Feuchtigkeit die Balten ver- faulen ließ. Daß ein derartiges Gebäude für Lehrer und Schüler große gesundheitliche Schädigungen bedeutet, bedarf keiner weiteren Begründung. Jetzt isi beschlossen worden, einige Ver- besserungen vorzunehmen. Aber selbst eine gründliche Reparatur könnte den„Schulpalast" nickt zu einem wohnlichen Aufenthalt machen. Und deshalb wird es im großen und ganzen wohl beim alten bleiben.° Die italienirche Chronredc. Rom , 27. Rovcmber.(Privattelegramm deS„Bor- wärts".) Die Thronrede, mit der. der König heute das Par- lament eröffnete, schlägt, wie erwartet werden konnte, einen de- mokratischen �.on an, freilich mit stark imperialistischem Einschlag und der Ankündigung neuerMilitärauSgaben. Die Wahlreform werde die Gesetzgebung veranlassen, für Ver- befferung der geistigen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu wirken. Die soziale Gesetzgebung müsse zugunsten der Arbeiter ausgebaut werden, lieber diese Gemeinplätze kommt die Thronrede nicht hinauS. Was sie über die Beziehungen zwischen staat und Kirche sagt, enttäuscht durch die mangelnde Schärfe, die längst nötige Einführung der Arbeiterversicherung wird mit keinem Worte erwähnt. Dir Sozialdemokraten blieben wie üblich der Ver- lrfung der Thronrede fern, dagegen waren von den Reformisten Ierri und Bisfolati anwesend. Die Lage in JVIexiho. New Jork , 27. November. Der Führer der Aufständischen Carranza glaubt, daß dieNiederlagcderBundes- t r u p p e n bei I u a r e z der Macht H u e r t a s im uärd- lichen Mexiko das Rückgrat bricht. Es wird angenommen, daß der Einnahme von Chihuahua nur noch geringe Schmie- rigkeiten entgegenstehen. Villas Bericht über die Schlacht besagt, er habe die Bnndestruppen vollständig geschlagen und drei Militärzüge mit der gesamten Bundesartillcrie und Munition erbeutet._ England. Die Jnderuuruhen in Natal . Durban , 27. November. Zwischen Polizei und Indern kam es auf einem Grundstück in Blackburn im Distrikt Mount Edgecombe zu einem ernsthaften Zusammenstoß. Dabei sollen fünf Inder getötet worden sein. DoUand. Die Altersversichernug. Die holländische Regierung hat jetzt eine Vorlage ver- öfentlicht, durch welche das Altersversichernngsgesetz des kleri- kalen Kabinetts durch ein Gesetz über unentgeltliche Staatspensionierung aller bedürftigen alten Leute ersetzt werden soll. Damit kommt die Regierung einer Forde- rung nach, die unsere Partei seit dem Jahre 1896 anfangs unter dem Hohn sämtlicher bürgerlichen Parteien, dann aber unter steigendem Beifall propagierte. Leider ist aber das Ge- setz, so gut es in prinzipieller Hinsicht ist, zu dürstig in der Ausführung. Es verleiht die Alterspension erst mit dem 79. Lebensjahre und nur demjenigen, der unbescholten ist. sich nicht den: Trünke ergeben hat. in den letzten 19 Jahren keine Gefängnisstrafe erlitt und in den letzten 5 Jahren keine Armenunterstützung bezog. Und auch diesen werden nur zwei Gulden in der Woche, einem Ehepaar nur drei Gulden(ein Gulden gleich 1,65 M.) zugesichert. China . Die Politik JüanschikaiS. Peking , 27. Noveiwber. Präsident I ü a n f ch i k a i ernannte acht Personen in den Zentralverwaltungs- rat der Regierung. Außer diesen acht Personen entsendet jedes Ministerium einen Vertreter in den Zentralverwaltungs. rat, dessen Eröffnung nach der Ankunft der Vertreter der Provinzen erfolgt._ Hus der Partei. Genosse Gerassimow gestorben. Aus Paris wird uns geschrieben: In Lezin in der Schweiz ist am 22. d. M. Genosse Philipp Sirodzki gestarben, der unter dem Namen Gerassimow als ein begeisterter und überaus be- gabter Streiter der russischen Sozialdemokratie bekannt war. Schon als Sechzehnjäytiger hatte er an der revolutionären Bewegung in der Schuljugend teilgenommen. Als Polytechniker in Karlsruhe gehörte er der sozialdemokratischen Gruppe der russischen Swdenten an. Die Revolution von 1905 rief ihn in die Heimat. Er nahm an ollen großen Aktionen teil und war Mitglied der wichtigsten Komitees. Damals war er auch Petersburger Bericht- erstatter des„Vorwärts". Nach dem Sieg der Reaktion ging er nach Paris , von wo er für verschiedene Blätter korrespondierte.— Gerassimow ist an allgemeiner Tuberkulose ge- storben. Er ist nur 30 Jahre alt geworden. Die Krankheit'hatte die Kampfesfteudigkeit und Energie seiner Seele nicht berührt. Unsere russischen Genossen und die Internationale verlieren in ihm nicht nur einen Mann der erprobten Tat, sondern auch eine reiche Hoffnung._ Ein ueucs Parteiblatt erscheint vom 15. Dezember ab im oberschlesischen Jndustrierevier unter dem Titel: „Freie Presse' als Kopfblatt der„Breslauer Volks- wacht". Von Mitte nächsten Jahres ab soll die„Freie Presse" in einer in Oberschlesien zu errichtenden eigenen Parteidruckerei her- gestellt werden._ Die bayerische Hofgängerei vor Gericht. Wegen Beleidigung des zlveiten Vorsitzenden des Münchener Gemeindckollegiums, Genossen W i t t i, wurde der verantwortliche Redakteur des ultramontanen»Bayrischen Courier" am Donners- tag zu 150 M. Geldstrafe verurteilt. Am 29. September war Ge- nasse Witti als Vorstandsmitglied des Gemeindekollegiums beim Prinzrcgenten zur Hoftafel eingeladen und abends hatte der Regent beim Besuch des Oktoberfestes in der Trinkhalle des Rates dem Genossen Witti gegenüber gesessen und ihn in ein längeres Gespräch gezogen. Das gab dem„Bayrischen Courier" Anlaß, einen Artikel zu verösfenilichcn, in dem es hieß:„Der Regent muß auf seine sozialdemokratischen Kostgänger a la Witti Rücksicht nehmen und ihnen ein gutes Mahl bei der Hoftafel vorsetzen; denn er kann nicht riskieren, daß seine genössischen Gäste unzufrieden hinterher in der„Münchener Post" über die Aermlichkeit des MenüS herziehen, das bei sozialdemokratischen Festen viel reich- haltiger ist als in der Residenz." In einem zweiten Artikel wird über Witti geschrieben:„Den Hcckerhut hat er natürlich zu Hause gelassen, auch die rote Krawatte und dafür Zylinder und weiße Binde hergenommen. Die genössischen Utensilien werden wieder hergenommen, wenn cS zuinJBolke geht, um dort die Herrschenden zu stürzen. Was wohl die Sozialdemokraten von der alten Garde über die Tellerschleckerei der Münchener Revisionisten sagen werden?" Wegen dieser beiden Artikel erhob Witti Beleidigungs - klage. Vor Gericht erklärte Witti, er habe auf Anfrage des Bürgermeisters geantwortet, er wünsche nicht zur Hoftafel ein- geladen zu werden; gleichwohl sei ihm vom Bürgermeister mit» geteilt worden, der Regent habe selbst verfügt, Witti einzuladen. Als Zeuge wurde zunächst der Zweite Bürgermeister Brunner vernommen. Er bestätigte Wittis Angaben und bemerkte weiter, Witti habe bei Hof seine Meinung immer in würdiger Weise ge- sagt, in keiner Weise devot, aber auch in keiner Weise die Pflichten des Anstandes verletzend. Witti habe mit dem Regenten ein längeres Gespräch über sozialpolitische Angelegenheiten geführt und dabei in sehr würdiger Weise seine Meinung vertreten. Der Erste Bürgermeister Dr. v. Borscht sagte aus. er habe, dem Wunsche Wittis entsprechend, diesen nicht auf die Vorschlagsliste der bei der Hoftafel einzuladenden Herren gesetzt. Er sei daher über- rascht gewesen, als trotzdem eine Einladung für Witti gekommen sei. Er habe bei Hos angefragt, ob hier ein Versehen vorliege. Der Hofkurier habe darauf erwidert, die Einladung Wittis sei auf direkten Wunsch des Regenten erfolgt. Borscht sagte dann in gleichem Sinne aus wie Brunner.— Wittis Vertreter, Dr. Bern- heim, führte au?, Witti habe nicht anders handeln können, nach- dem er, einem Beschlüsse der sozialdemokratischen Fraktion folgend, bei der Ucbernahmc des Postens als zweiter Vorfitzender des Gemeindekollegiums sich verpflichtet hatte, die damit verbundenen Rcpräsentationspflichten zu erfüllen. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, der erste Artikel bedeute eine Verhöhnung Wittis. Es verbiete sich ganz von selbst, daß man jemanden verhöhne, der Gast des Landesherrn sei. Ter zweite Artikel enthalte den Vor- Wurf der Heuchelei und Unehrlichkeit. Dazu fehle jeder Anlaß und es sei vom Beklagten auch gar nicht versucht worden, diese schweren Vorwürfe zu beweisen. Uns wäre es lieber gewesen, wenn dieser Prozeß und die Borgänge, die ihn veranlaßten, nicht stattgefunden hätten. psliseflustes» OmchtKcdcs uTxc, Preßprozesse. DaS nationalliberale Bayreuther„Tageblatt" hatte einen von Beleidigungen gegen die Sozialdemokratie strotzenden Artikel gebracht, weil einige Sozialdemokraten eine Versammlung besucht hatten, in der ein liberaler KrankenunterstützungS- verein gegründet Iverden sollte. Als Führer dieser„Horde", die unter der Masle skrupelloser Heuchler in die Versammlung eingedrungen seien, um„mit edler Unverfrorenheit Horcher an der Wand zu spielen", war der Geschäftsführer unseres Bayreuther ParteiblatleS, Genosse Herzig, bezeichnet worden, der aber zur Zeit der Versammlung krank im Bett lag. Herzig strengte Privatbeleidungsklage an. Das Schöffengericht sprach den nationalliberalen Redakteur Kellerbauer frei, indem es ihm„Wahrung berechtigter Jntereffen" zubilligte. Die Strafkammer des Landgerichts Bayreuth verurteilte jedoch Kellerbauer zu 10 M. Geldstrafe und zur Tragung der Kosten beider Instanzen. Vom Düsseldorfer Schöffengericht wurde am Mttwochdcr Verantwortliche der„Düsseldorfer Volkszeitung", Genoffe Gerlach, wegen Beleidigung eines Polizeikommissars zu 75 M. Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte hatte das Benehmen des Kommissars anläßlich einer Gerichtsverhandlung scharf kritisiert. /Zus Industrie und Kandel . Von der amerikanischen Kälteindustrie. Im Anschluß an den dritten internationalen Mltekongreß, der in Chicago stattfand, berichtet Professor Schwarz im„Börsen- Courier" über die Kälteindustrie in Amerika : Es bestehen in den Vereinigten Staaten 3500 Eisfabriken, welche gegen 20 Millionen Tonnen Eis jährlich erzeugen. Das in diesen Anlagen investierte 5i'apital wird auf 150 Millionen Dollar geschätzt. Die Zahl der Kühllagerhäuser, deren Fassungsraum zwischen 25 000 und 11 Mil- lioupn Kubikfuß variiert, läßt sich wegen der allgemeinen Ver- breitung überhaupt nicht mit Sicherheit feststellen, nicht einmal abschätzen. Nachweislich bestehen in den Bereinigten Staaten allein 1100 Obftlagerhäuser, 2000 Kühlhallen für Fleisch, 350 Produkten- lagcrhäuser und 150 Lagerhäuser für gefrorene Fische. Die Ver- Wendung der Kälte zur Konservierung und zum Transport der Nahrungsmittel ist eine so allgemeine, daß es kaum ein- Gebiet in den Vereinigten Staaten gibt, welches nicht mit Kühllagerhäusern ausgestattet wäre. Für den Transport von Nahrungsmitteln stehen auf den nordamerikanischen Bahnen hunderttausend' Kühlwaggons in: Verkehr, gegenüber den nach wenigen Hunderten zählenden Kühlwaggons auf den deutschen , österreichischen und französischen Eisenbahnen. Nur so ist es erklärlich, daß die Obstsorten und Ge- müse aus Kalifornien und Florida , die Fische aus den Seen uicd Flüssen der gesamten Union, Geflügel aus Kansas und Tenneffce, Fleisch aus allen viehzuchttreibenden Gebieten in Quantitäten von Millionen Tonnen nach den Zentralstellen des Nahrungsmittel- Handels geführt werden und die Verpflegung der Riesenstädte New Uork, Chicago , Boston usw. zu relativ billigen Preisen ermöglichen. In Chicago wurde den Kongreßteilnehmern Gelegenheit ge- boten, die Kühlanlagen der zweitgrößten Stadt Amerikas zu be- sichtigen. In erster Reihe beim Besuch der weltberühmten Stadt Uards, der Niesenschlachthäuser Chicagos , welche nicht nur den größten Teil Amerikas , sondern auch der ganzem Welt mit Fleisch- konserven versehen. Eine einzelne der zahlreichen hier vertretenen Firmen, das Haus Armour u. Co., schlachtet allein täglich 15 000 Schweine, welche im Verlauf weniger Stunden bis auf die letzten Nebenprodukte verarbeitet werden. Die hier verwendeten Kühl- anlagen sind wohl die größten der Welt) sie haben zusammen eine Leistung von 2600 Tonnen Eis pro Tag, entsprechend 3 Millionen stündlicher Kalorienleistung. Davon, daß die Konservierung durch Kälte den Geschmack und Nährwert der Nahrungsmittel keineswegs beeinträchtigt, konnten sich die Kongreßmitglieder auf dem...Kältebankett" überzeugen, an dem nicht weniger als 1060 Personen teilnahmen. Das Menü dieses Riesenbanketts war durchweg aus Speisen und Getränken zusammengesetzt, welche nach der in Amerika üblichen Art in Kühl- lagerhäusern lange Zeit konserviert und in KühlwaggonS nach Chicago transportiert wurden, und deren Herkunft und Konser- Vierungsdauer auf den Menukarten ausführlich geschildert war. So unter anderem Kaviar von Chinooklachs, welcher im Juni d. I. im Columbiafluß gefangen wurde; Stahlkopflachs, welcher am 16. Juni gesangen und seither in gefrorenem Zustand aufbewahrt war: Truthähne, welche im Januar d. I. und Hühner, welche im Dezember v. I. geschlachtet, also durch fast 10 Monate in gc- frorenem Zustande eingelagert waren; Butter, welche im Oktober v. I. hergestellt, also mehr als ein Jahr im Kühlhause gelagert war; Eier, welche im April d. I. gesammelt und seither im Kühlhause aufbewahrt waren; Kronbeeren von Wisconsin , welche im Herbst 1912 gepflückt und bei— 20 Grad eingelagert waren. Und all diese aus konservierten Materialien hergestellten Gerichte erwiesen sich von tadelloser Qualität nnd vorzüglichem Geschmack, der beste Beweis für die einwandfreie Wirkung der Konservierung durch Kälte._ Zinsfilßermiißigung. Auch die Oesterreichisch-Ungarische Bank hat jetzt ihren Diskontsatz von 6 auf 5'/, Prozent ermäßigt. lUtcte NacbrSchtcm Berchtolds Politik wird gebilligt. Wien , 27. November. (W. T. B.) Der Ausschuß für Aus- wärtige Angelegenheiten der österreichischen Delegation hat nach einer längeren Rede des Ministers des Auswärtigen, Grafen Bcrchtold, in welcher er die Ausführungen und Anfragen der Delegationsmitglieder beantwortete, das Budget de« Mini» steriums des Auswärtigen im allgemeine» mit großer Mehrheit angenommen. In der Speziakoebatte wurde der Dispositionsfonds des Ministeriums mit zwölf gegen die sechs Stimmen zweier Tschechen, der Deutschnatiynaleu Dr. Langenhan, Dr. Waldner und Wolf und des Sozialisten Ellenbogen angenommen; einige Tschechen hatten die Sitzung verlassen. Englische Liberale für Rüstungseinschränkung. London , 27. November. (W. T. B.) In einer Versammlung der nationalen liberalen Vereinigung, die heute in Leeds stattfand, bildete den Hauptgegenstand der Beratung eine Resolutton de- treffend die Einschränkung der Rüstungen. ES wurde dabei betont, daß dem Wachstum der Flotte eine stei- gende Steuerlast folgen müsse, und daß daher keine Gelegenheit versäumt werden sollte, um die freundschaftlichen Be- Ziehungen mit den fremden Mächten zu fördern. Zusammenstoß zwischen deutscheu und italienischen Studenten. Graz (Steiermark ), 27. November. (P. E.) Vor der hiesigen Universität ist es heute zu blutigen Krawallen zwischen italienische» und deutschen Studenten gekommen. Die Sicherheitswach« kam mit blankgezogenem Säbel in den Vorgarten der Uuiversität' heran- gestürmt, um die streitenden Parteien zu trennen. Auf deutscher Seite gab es vier Verwundete. Die Italiener hatten tö Ver- wundcte. darunter 5 schwer. Zwei deutsche und ein italienischer Student wurden verhaftet. Brandkatastrophe auf einer Schiffswerft. Helsingfors , 27. November. (W. T. B.) Auf einer hiesigen Schiffswerft brach auf einem Dampfer während der Nvbeit Feuer aus. Fünf Arbeiter sind in den Flammen um- gekommen, zwei erhielten schwere Brandwunden. Da? Feuer wurde bald gelöscht.
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