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Nr. 315.

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Berliner Volksblatt.

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1983.

Sonntag, den 30. November 1913.

Der Cerror des Säbels in Zabern  .

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1984.

anwalt haben sich heute vormittag nach Straßburg   be­geben, wie man hört, um dem Statthalter Vortrag zu halten. Zabern   im Kriegszustand.

Zabern  , 29. November. Zu den gestrigen Vorgängen in Zabern  Während der neue Kriegsminister Generalleutnant Nach der Stellungnahme des Kriegsministers wird noch gemeldet: Auf dem Schloßplat standen etpa 20 Personen, v. Falkenhayn am Freitag in Beantwortung einer An- braucht man sich über solche Vorgänge freilich nicht zu wundern. als unter Führung des Leutnants Schadt ein Zug, zirka 50 Mann frage des Elsässers Thumann: Was die Regierung zu tun Denn dieser neue Kriegsminister, der ja freilich als Bruder stark, herankam. Das Kommando ,, Laden" ertönte, die erste Reihe gedenke, um künftig elsaß- lothringische Soldaten vor Infulten eines berüchtigten preußischen Reaktionärs kaum etwas anderes tniete nieder, die zweite blieb schußbereit. Nach dem Trommel­und die Bevölkerung Elsaß  - Lothringens   vor erwarten läßt, hatte ja für die empörenden Provokationen wirbel des Tambours erging die Aufforderung zum derartigen Herausforderungen zu schützen, des Leutnants Forstner im Grunde nichts als Entschuldi- Auseinandergehen. Dieser Aufforderung wurde anscheinend nicht eine wundersam ausweichende und verblüffend nichtssagende gungen, während sich das Maß seiner Entrüstung um so schnell genug Folge geleistet, der Befehl ertönte noch einmal, worauf Antwort gab, spielten sich in Zabern   Szenen ab, die aller schonungsloser über die Soldaten entlub, die der Deffent das Militär Beschreibung spotteten. Während ein Volksvertreter Schuhlichkeit Mitteilung von den skandalösen Kränkungen mit gefälltem Bajonett gegen die harmlosen Passanten des elsaß  - lothringenschen Volkes gegen Herausforderungen der elsässischen Bevölkerung gemacht hatten. Die Herren borging. Sodann nahm die Kolonne Front gegen die Hauptstraße, verlangte und der preußische Kriegsminister die naive Be- Offiziere in Zabern   fühlten sich also wohl durch Herrn hierauf nach der Pfarrkirche zu. Inzwischen mehrten sich die Leute, es tamen Neugierige hinzu, Arbeiter, die aus der Arbeitsstätte nach hauptung aufzustellen wagte, daß doch in Zabern   eigentlich v. Falkenhayn völlig gedeckt. Die freche Hetze der Hause gingen. Verschiedene Verhaftungen wurden vor­gar nichts passiert sei, was irgendwelche Aufregung reaktionären Presse, die ja während der letzten Tage unaus genommen, unter anderem drangen die Soldaten mit gefälltem hätte hervorrufen können, lieferte unser lieber Militarismus gesezt zur Proklamierung des Belagerungszustandes und Bajonett zur gleichen Zeit in 8abern den erneuten, gesteigerten Beweis zu militärischen Gewaltakten aufgefordert hatte, tat dann in die Wohnung dafür, welcher Anmaßungen und Erzesse er fähig das übrige. So wagte man der Bevölkerung von Zabern   des Schreiners Lewy ein, weil aus dem Hause angeblich beleidigende ist, wenn nicht die Volksvertretung der kriegsministeriellen das äußerste an Herausforderung zu bieten. So glaubten Rufe gefallen waren. Lewy, der gerade das Nachtmahl einnahm, Verständnislosigkeit oder Harthörigkeit gegenüber ganz temperamentvolle Kollegen des Leutnants Forstner sich noch wurde von den Soldaten abgeführt. In der ganzen Stadt andere Saiten aufzieht! die Anwartschaft auf eine Verdienstmedaille zu erwerben, wenn wurden Verhaftungen vorgenommen. Gerade waren die Denn am Freitag herrschte in Zabern   der Terror des sie unter Mißachtung oder unter souveräner Ignorierung der Gerichtsfizungen beendet und das Publikum ſtrömte aus dem Militärsäbels. Aus nichtigster Ursache, weil angeblich Verfassungsbestimmungen und der Ausschaltung der Gerichtsgebäude, als auch hier das Militär einschritt und zahlreiche hinter einigen Offizieren von Zivilisten hergeschrien" wurde, schlappen 3ivilverwaltung einfach die Militärdiktatur Berhaftungen vornahm. So wurden unter anderem ein Landgerichtsrat nnd ein Staatsanwalt bersetzte das in Zabern   stationierte Militär die Stadt stunden- proflamierten und draufgingen wie Blücher  ! in die Schloßkaserne abgeführt, auf Veranlassung des Landgerichts­lang eigenmächtig und gesetzeswidrig in Belagerungszustand, Für die Volksvertretung ergibt sich jetzt die Frage, ob ein präsidenten Fürst und eines Beigeordneten später jedoch wieder bedrohte die Bevölkerung mit Säbel, Bajonett und scharfen solch militärisches Sichhinwegseßen über die fundamentalsten freigelaffen. Die übrigen Verhafteten, etwa 40 Personen, Batronen, machte es auf der Straße Jagd auf harmlose Verfassungsbestimmungen geduldet werden soll oder in der befinden sich auch heute morgen noch in Haft.- Passanten und schleppte es selbst unzweifelhafte Ordnungs- schärfsten Weise zu ahnden ist. Läßt sich der Reichs- Die Situation ist geradezu grotest stützen, wie Richter und Staatsanwälte, in militärischen Ge- tag den Säbelterror von Zabern   gefallen, ohne daß die Schuldigen in der rücksichtslosesten Weise zur Verantwortung ge- fäufen von Patrouillen mit aufgepflanztem Bajonett esfortieren. geworden. Die Leutnants des Regiments lassen sich bei ihren Ein­wahrsam! Die Darstellung der unglaublichen Vorgänge, die von zogen und Garantien für die Nichtwiederholung ähnlicher Auch Leutnant von Forstner, der gestern Weihnachtseinläufe machte, der bürgerlichen Presse gegeben wird, erzählt von geradezu un militärischer Erzesse geschaffen werden, so würde damit der ließ sich von einer Patrouille von vier Mann be­glaublichen Provokationen und Vergewaltigungen der Baberner Verfassungs- und Rechtsstaat vollständig vor der Willkür unseres gleiten, die, als er bei Tengelmann Schokolade faufte, fich Bürgerschaft. Wieder soll der unsägliche Leutnant Forstner Militarismus fapituliert haben! Der Absolutismus   unserer mit aufgepflanztem Bajonett vor der Ladentür der Urheber der Szenen gewesen sein. Dieser Mann, Militärgewalt, die wiederum nur ein Werkzeug in den Händen postierten, ihn in ein Café begleiteten und auch vor einem Zigarren­den unsere Militärbehörde noch immer in Zabern   herum- des rückständigsten Junkertums und der feudalsten Bureau- laden sich mit aufgepflanztem Bajonett postierten. spazieren läßt, soll sich mit vier Mann militärischer fratie ist, wäre dann in aller Form sanktioniert! Massenpsychose. Bedeckung gewissermaßen zum Hohn der Bevölkerung Je schmählicher die Fiktion unseres bürgerlichen Ver- Zabern, 29. November. Der nach der Meldung der Frank­ in   den Straßen bewegt haben. Während er die verschieden- fassungsstaates zusammenbräche, desto willkommener könnte furter Zeitung" verhaftete Redakteur des" 3aberner Wochen­sten Einkäufe machte, soll seine Bedeckungsmannschaft mit das der Sozialdemokratie sein. Niemals wäre dann der blattes" erklärte:" Ich bin nicht verhaftet, wohl aber aufgepflanztem Bajonett vor der Ladentür Wache gestanden Militarismus als Selbstzweck und selbstherrliche Gewalt rück­haben! Daß ein solch karnevalistischer Aufzug die Straßen- fichtsloser bloßgestellt worden als durch die militärischen Erzesse jungen anlockte und einen kleinen Auflauf verursachte, ist zu in Babern! begreifen! Aber die bewaffnete Macht schien auf die ge­ringfügigste Provokation förmlich gelauert zu haben, um

Die offiziöse Darstellung..

vom Militär mißhandelt

worden. Verhaftet wurde dagegen Landgerichtsrat Kalisch, ebenso ein Staatsanwalt, der sich aber legitimieren konnte und auf Veranlassung des Landgerichtspräsidenten und der Polizei freigegeben wurde. Wir haben es mit einer Massenpsychose zu tun, die

Stimmung ist eine derartige, daß nur durch Versetzung des ganzen Regiments friedliche Zustände wieder hergestellt werden können. Die bedauerlichen Vorgänge von gestern abend wurden, wie es heißt dadurch veranlaßt, daß einige halbwüchsige Bengel hinter einigen bebauerlichen Vorgänge von gestern abend wurden, wie es heißt dadurch veranlaßt, daß einige halbwüchige Bengel hinter einigen Leutnants Schimpfworte riefen."

nun sofort mit einem militärischen Massenaufgebot zu ant- Berlin  , 29. November.  ( W. T. B.) Ueber die gestrigen Vor­worten. Gegen 20 oder 30 Neugierige bot man 50 Mann gänge in 3abern wird von zuständiger Seite mitge­Soldaten auf, die nicht nur sofort das Bajonett auf- teilt: Als gestern nach Beendigung der Turnstunde, die in der pflanzten, scharf luden und unter triegerischem Städtischen Turnhalle stattfand, die Offiziere sich nach Trommelwirbel das scharfe Feuern an- ause begaben, wurde von Zivilisten hinter ihnen herge= Zabern  , 29. November. Der Bürgermeister von Zabern  kündigten, sondern auch Straßen und Häuser schrieen. Die Offiziere ließen die Leute durch Patrouille unsicher machten und von Passanten davon- festnehmen. Bei dieser Festnahme sammelte sich eine große erklärte:" Die Ruhe ist in Zabern   leider noch nicht wieder schleppten, was Menge an, die den Offizieren folgte, und da kein Sicherheits- hergestellt, Militär patrouilliert auch heute morgen noch mit sich ihnen nicht durch beamter anwesend war, trat die Wache ins Gewehr und rückte auf aufgepflanztem Bajonett in den Straßen. Für die Polizei schleunigste Flucht entzog. Nicht nur wurden den Schloßplatz vor der Kaserne. Mit Trommelwirbel wurde be= Leute aus ihren Wohnungen herausgeschleppt, sondern auch kannt gegeben, daß die Straße sofort zu räumen sei, andernfalls lag gestern Richter und Staatsanwälte, die soeben amtliche Handlungen würde von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden. Die Menge nicht der geringste Grund zum Eingreifen ausgeübt hatten und sich nun auf dem Nachhausewege belief auseinander, nur vier bis fünf Schreier blieben an einem vor. Wir selbst wissen gar nicht was los ist, es fanden, wurden sofort inhaftiert, als sie sich dem militärischen Laden stehen und wurden festgenommen. Da sich inzwischen wieder scheint als ob der Oberst v. Reutter den Belagerungszustand Zerror nicht ohne weiteres fügen wollten. Leute zu sammeln versuchten(!), wurde die Hauptstraße vor über die Stadt proklamiert hat. Die Verhafteten werden Und dieser Terror des Militärsäbels wurde in Zabern   dem Schloßplatz durch die Wache vollständig vom Volke geräumt. von dem Militärgericht verhört, sie werden nicht etabliert, ohne daß die Zivilbehörden nur im geringsten den Mehrere Leute weigerten sich dabei, weiter zu gehen und dem Zivilgericht zugeführt." perfaffungsmäßig vorgeschriebenen Wunsch nach Unterstützung Schloßplaz geräumt waren, rüdte die Wache wieder ein. wurden festgenommen. Nachdem die Hauptstraße und der durch das Militär ausgesprochen hatten. Ja dieser wurden noch mehrfach Patrouillen ausgesandt, um die Hauptstraßen Terror des Säbels wurde geradezu gegen die Zivilbehörden freizuhalten und den Offizieren, die nach Hause gehen wollten, die ausgeübt! Die Bürgermeisterei von Zabern   erklärte, daß für Möglichkeit zu bieten, Leute, die etwa wieder hinter ihnen her­die ihr unterstellte Polizei nicht der geringste Anlaß zum Ein- schreien sollten, sofort festzunehmen. Im ganzen wurden 26 Leute schreiten vorgelegen habe! Also nicht einmal für ein Ein- festgenommen. Gegen 9 Uhr abends trat Ruhe ein. Unter den greifen der Polizei lag Anlaß vor aber das hinderte Festgenommenen soll sich ein Staatsanwalt befinden, der sich ge= die Herren Offiziere nicht, eigenmächtig den Kriegszustand in weigert hat, weiterzugehen. Ob er inzwischen freige­einer Stadt zu proflamieren und die Einwohner mit Säbel, lassen ist, ist unbekannt. Von der Verhaftung anderer Ge­Bajonett und blauen Bohnen zu bedrohen! Offenbar lag es richtspersonen ist nichts bekannt. Der Bürgermeister nur an der Bevölkerung selbst, daß wenigstens das Alergite, lag frank im Bette, der Kreisdirektor war in Straßburg  . ein sinnloses Blutvergießen, verhütet wurde. Hätte die Masse der Bevölkerung sich durch die militaristische Gewaltherrschaft provozieren lassen, so wäre vielleicht scharf ge­schossen worden und wir hätten ein militärisches Massaker gehabt, für das die Volksvertretung im Namen des mit Füßen getretenen Gesetzes Rechenschaft zu heischen gehabt hätte!

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E3

Wegen der angeblichen Verfehlung des Leutnants von Forstner im Manöver ist eine Untersuchung im Gange; ihr Ergebnis steht noch nicht fest.

Strenge Untersuchung?

Berlin  , 29. November.  ( W. T. B.) Wie wir von be­rufener Stelle erfahren, ist wegen der neuesten Vor­fälle in 3abern sogleich strenge Untersuchung eingeleitet Staatsanwalt und Gerichtspräsident flüchten zum Statthalter.

worden.

Mit gezücktem Degen. Frankfurt   a. M., 29. November. Aus Straßburg   wird der " Frankfurter 8tg." vom 28. November, 11 Uhr 50 Min. abends, gemeldet: Ganz 3abern ist heute abend in großer Erregung. Die Stadt macht den Eindruck, als wäre sie im Be­lagerungszustand. Man weiß noch nicht genau, was eigentlich vor­gefallen ist. Man sah, wie es heißt, am Abend plötzlich ein Duhend Leutnants mit gezogenen Degen einen Mann verfolgen, der schließlich auch verhaftet wurde, sich aber wieder befreite und entfam. Sofort wurde die Wache alarmiert, die fich mit aufgepflanztem Seitengewehr an die Ver­folgung des Flüchtigen machte. Er wurde eingeholt und auf die Wache geführt. Was er getan hat, weiß man augenblicklich noch nicht. Auf dem Schloßplag hatte sich inzwischen eine große Menschenmenge angesammelt. Dort erschien Leutnant Echadt mit 50 Mann, an die er, wie berichtet wird,

Patronen verteilen ließ. Er habe dann befohlen auszuschwärmen und der Menge zu­gerufen: Wenn Sie den Platz nicht verlassen, lasse ich schießen!

Aber auch so bleibt der neueste Vorgang in Zabern   eine Ungeheuerlichkeit ohne gleichen! Noch niemals ist es vor­Der Tambour habe hierauf die Trommel zum Angriff geschlagen, gekommen, daß sich eine Garnison eigenmächtig zum Be­worauf die Menge zurückwich. Ungefähr dreißig Personen wurden verhaftet. Unter den Verhafteten befindet sich der Redakteur herrscher der Stadt aufgeworfen und unter Mißachtung der Zivilbehörden und der Polizeigewalt einfach Belagerungs- und Zabern  , 29. November.  ( W. T. B.) Heute vormittag des Wochenblattes. In diesem Augenblic ging im 2 and­gericht ein großer Prozeß zu Ende, und das Publikum strömte Striegszustand verhängte. So etwas blieb uns bis zum Jahre fanden hier einzelne Ausschreitungen statt. Der aus dem Gebäude. Kurzerhand wurden zwei Landgerichtsräte und 1913 vorbehalten! Landgerichtspräsident und der erste Staats- 1 der Staatsanwalt verhaftet. Es wird versichert, daß Oberst