seit einiger Zeit zu beobachtende Kursaufbesierung der alten An«leiben mit. Billiger Zins für Handel und Industrie und die Aus-ficht profitabler Geschäfte mit dem großen Schuldner Staat— wes-halb auch sollten die Vertreter des Finanz- und JndustriekapitalismuSnicht mit dem Reichsbankpräsidenten zufrieden sein! Noch vor wenigenMonaten allerdings führten die Kapitalisten eine recht lebhafte Presse-lampagne gegen die Zinspolitil der Reichsbank. Aber nachdemHavenstein die Wünsche erfüllt und die Diskontrate(Zinssatz) er-niedrigt hat, kann man ihm volles Vertrauen aussprechen.Die erwähnte Kursaufbesserung der Anleihen muß bei ober-flächlicher Betrachtung um so mehr erstaunen, als sie mit der Ans-gäbe einer neuen Anleihe zusammenfällt, zumal diese neue Anleihefür die Gläubiger günstigere Chancen als die alten Anleihen bietet.Tatsächlich ist z. B. die 3 prozentige deutsche Reichsanleihe seitJahresbeginn bis Ende der vergangenen Woche von 7S,10 auf 78, SO,also um fast 3 Proz. gestiegen. Noch in der letzten Woche, in dieder Endtermin für die öffentliche Zeichnung der neuen Anleihe fiel,stieg der KurS dieser Rentenpapiere von 77,10 biS 78,90-Trotzdem hat die Ausgabe der neuen preußischen Anleihe, wie dasjedesmal zu geschehen pflegt, auf die alten Anleihen kursdriickendgewirkt. Als die erste offizielle Ankündigung der neuen Anleihe ge-geben wurde, sanken die alten Anleihen im Kurse. Die Kurs-erhöbungen der letzten Woche und seit Jahresbeginn müssen alsoallgemeine UrsaSen haben, die sich trotz der Ausgabe einer neuenAnleihe geltend machen.Verfolgt man übrigens den Kursverlauf in den letzten Jahren,so ergibt sich schon auS deren Vergleich, daß die letzte Kurserhöhungnur geringe Bedeutung hat. Die dreiprozentige Rcichsanleihe er-zielte im Jahre 1903 einen Ausgabekurs von 92 Proz.(in 10 Jahren gesunken bis auf 78,90 am gestrigen Sonn-abend). Trotz eines Rückgangs von Jahr zu Jahr erzieltediese Anleihe noch im Jahre 1912 als höchsten Kurs82,80 Proz. Selbst im Jahre 1913 erreichte die Anleihe gelegentlichdie Höhe, die sie in den letzte« Tagen an der Börse gehabt hat.Die kürzlich erfolgten Kurssteigerungen dürfen also nicht überschätztwerden und sind nur als vorübergehende Hausse zu betrachten. Daslehrt auch ein Einblick in die Grunde der Kurserhöhungen.Erfahrungsgemäß fallen Zinsermäßignngen der Zentralnoten-banken und Kurssteigerungen von Rentenpapieren stets zusammen.Ist der Anspruch von Handel und Industrie an den Kapitalmarktsehr groß, so erhöhen die Tanken den Zins flir bewilligten Kredit.Das flüssige Kapital fließt also der Industrie direkt oderden Banken, den Kreditgebern der Industrie, zu. Niemanddenkt in solchen Zeiten daran, Staatspapiere mit relativ niedrigerVerzinsung zu erwerben, denn die Aktienpapiere versprechen ja eineviel höhere Verzinsung. Im Gegenteil. StaatSpapiere werden ver-kauft, da« Angebot an Anleihen steigt und die Kurse werden an derBörse gedrückt. Erst wenn der Kapitalbedarf von Handel undIndustrie nachläßt, weil die Konjunktur im Sinken begriffen ist,wendet sich das freie Kapital den Staatspapieren zu. Infolge dergrößer«« Nachfrage steigt dann der KurS der Renten.Die Kurserholung der Staatsrenten ist daher eine bloße Folgedes augenblicklichen Konjunkturrückganges. Nicht nur die deulschenStaatspapiere sind gestiegen: auch ausländische Anleihen habendaran teil. Nun hat die ReichSbank selbst länger als nötig durch ihrmöglichst langes Festhalten an dem hohen Diskontsatz die Kurse derStaatspapiere niedrig gehalten. Hoher Diskont bedeutet teurenKredit und teuren Kredit nimmt man nicht in Anspruch, um Staats«Papiere zu erwerben, die niedrigere Gewinnchancen bieten als Aktien«scheine. Erst die Diskontherabsetzungen, die am Ende des ver«gangenen Jahres und im Januar dieses Jahres mehrfach vorgenommenwurden, haben die Geldflüssigkeit geschaffen, die jetzt auchdem Markt der Rentenpapicren zugute kommt. Die Lage derIndustrie hätte sogar schon etwas früher und umfangreichere Diskont«ermäßigungen erlaubt. Da aber die europäischen Zentralnotenbanken,voran die Deutsche Reichsbank, systematisch dem Geldmarkt Geldentziehen und aufschatzen, wurde der Termin der Zinsherabsetzungenhinausgeschoben.Die neue preußische 4 prozentige Anleihe im Betrage vonLKO Millionen Mark wird angesichts dieser Situation am Geldmarktzu Bedingungen ausgegeben, die vom Standpunkt des Staats alsungünstig zu bezeichnen sind. Die Rückzahlung soll spätens in14 Jahren zum Nennwert erfolgen, obgleich die neuen Schatzscheineweit unter dem Nennwert ausgegeben werden. Für die Besitzer,deren Schatzscheine sehr bald zur Rückzahlung ausgelost werden,stellt sich also die tatsächlickw Verzinsung sehr hoch(bis zu 7 Proz.).Jedenfalls hofft man durch diesen neuen Anleihetyp erhebliche Krirs-senkungen für die Zukunft zu vermeiden. Für Besitzer vonNentenpapiercn war allerdings das ständige Fallen der Kursesehr unangenehm. Rcntenbesitzer, die ihren Besitz an Staatspapierenzu Zeiten deS hohen Kurses erworben hatten, mußten ost bei derBilanzaufstellung einen KurSverlust buchen, der höher war alS dieVerzinsung dieser Staatspapiere.Besaß jemand z. B. Ende 1911 3prozentige Rentenanleihe imNennwert von 10 000 M., so entsprach das nach dem Kurswert einemVermögen von 8270 M. Bis Ende 1912 war aber der KurS auf77,8 gesunken, so daß sein Bestand an Staatspapieren nur nocheinen Wert von 7780 M. hatte. Der Kursverlust betrug demnach490 M., während der Rentenbesitzer an Zinsen für die 10 000 M.Anleihe nur 300 M. bezog. Rein rechnungsmäßig hatte er alsoeinen Verlust von 490 weniger 300 gleich ISO M. Tatsächlich wirder eine kleine Einnahme erzielt haben, da er die StaatSpapierenicht zum Nennwerte gekauft haben wird. Der.Berliner Börsen-Courier' erzählt dazu eine kleine Anekdote, die diese EntWickelunghübsch illustriert:.Ein angesehener Millionär in einer deutschen Großstadt hattebei der Erklärung zur Einkommensteuer angegeben, daß er über-Haupt kein Einkommen auS dem eben erwähnten Grunde gehabthabe. Er wurde auch von der Zahlung der Einkommensteuer befreit.Aber diese Tatsache wurde weiteren Kreisen erst dadurch bekannt,daß der betreffende nunmehr eine Reihe öffentlicher Ehrenstellenniederlegen mußte, deren Besitz an die Zahlung von Einkommen-steuern gebunden war. Bei vorsichtigster Kapitalsanlage hätte alsoder Millionär nur dann öffentliche Ehrrnämter bekleiden können,wenn er auf fiktive Einkünfte Einkommensteuer gezahlt hätte!'Um derartige Folgen zu vernreiden, ist diesmal statt der lang-fristigen Anleihe die Form der kurzfristigen Schatzscheine für denKapitalbedarf gewählt worden. Die Nachfrage nach dem neuenAnleihetyp ist auch tatsächlich sehr groß gewesen. Sie war mehrals SO mal höher als der Betrag, der zur Ausgabe gelangen soll.Nach dem Ergebnis der öffentlichen Zeichnung hätte also der Staatstatt 350 Millionen etwa 25 Milliarden aufnehmen können. Nun istnatürlich nicht anzunehmen, daß auf dem Kapitalmarkt plötzlich25 Milliarden frei zur Verfügung ständen. Viele Angebote wurdenwohl absichtlich recht hoch bemessen, damit den Zeichnern bei derVerteilung der Anleihe an die einzelnen Bewerber eine hohe Quotezufiel. Aber das Zeichnungsresultat ist doch so günstig ausgefallen,daß die Regierung beabsichtigt, die Anleihe sofort um 200 Millionenaus 550 Millionen zu erhöhen.Ms öer Partei.Keine Beteiligung an der königlich bayerischen Hoftafcl.Vor einiger Zeit wußten bürgerliSe Blätter zu berichten, daßan die Mitglieder der sozialdemokratislben Landtagsstaklion inBayern eine Einladung zur königlichen Tafel ergangen sei, unddaß ein Teil der Fraktion die Einladung auch angenommen habe.In einer Polemik mit dem»Bayerischen Courier' stellt die„München er Post' jetzt fest, daß kein Mitglied der sozial-demokratischen Landtagsfraltion sich in die Einzeichnungsliste fürein Hofdiner eingetragen habe. AIS Grund führt die.MünchenerPost' folgendes an:„Hier handelt es sich nicht um die Erfüllung übernommenerRepräsentationSpflichtcn, die auch in Zukunft auf gleiche Weise ge-schehen wird, sondern um einen von der Krone gewünschten gesell«schaftlichen Verkehr, der aber ganz selbstverständlich aus Gründender Selbstachtung so lange unmöglich ist, als die ininisteriellen Rat-geber des Königs die Staatsbürger sozialdemokratischer Ueberzeugungals nicht gleichberechtigt behandeln."Aus dieser Begründung spricht mehr die staatsmännische Klug-heit des Diplomaten als die republikanische Ueberzeugung einer aufdem Boden des Klassenkampfes stehenden proletarischen Partei.Ein neues Arbeiterheim.Die Arbeiterschaft PsorzheimS hat unter sehr günstigen Be-dingungen die.Klostermiihle' auf 15 Jahre pachtweise übernommen.Dieses von einem katholischen Orden erbaute Anwesen liegt in derMitte PsorzheimS: eS wird die Zentrale für die Parteiund die Gewerkschaften werden. Auch die Zentralherbergewird hier untergebracht, und nicht lange wird es währen, bis in denRäumen der neu ausgebauten Mühle die Buchdruckichnellpressearbeitet, um den Pforzheimer Genossen in eigener Druckerei ihreParteipresse täglich herzustellen._Parteitag der belgischen Arbeiterpartei.Die belgische Arbeiterpartei hält ihren Parteitag am 12., 13.und 14. April ab. Die provisorische Tagesordnung lautet: I.Berichtedes Generalrates, der parlamentarischen Gruppe, der sozialistischenPresse, der Zentrale ftir Erziehung, der Föderation der korporativenGesellschaften, der Föderation der Gemeinderäte, der Föderationder sozialistischen jungen Garde und der Gewerkschaftskommission;2. Berichte der vom Kongreß 1912 ernannten Kommissionen über dieRevision des Parteistatuts, über die Organisation der Jugend undüber die Frauenorganisation. 3. DaS Ergebnis der Massenpetition.4. Der Internationale Kongreß zu Wien.Für den Kongreß sind diesmal drei Tage vorgesehen, um eineeingehende Debatte der erstatteten Berichte zu ermöglichen.Bon der schweizerischen Sozialdemokratie.Zum erstenmal veröffentlicht die Geschäftsleitung der sozial-demokratischen Partei des Kantons Zürich ihren Jahresbericht inForm einer Broschüre von 32 Seiten. In kurzen Zügen wird überdie Tätigkeit der Partei im allgemeinen wie der Geschäftsleitungim besondern berichtet. Daran schließen sich die Berichte der Ag ta-tionskommission der sozialdemokratischen Mitgliedschaften und Ar-beitervercine sowie der Zentralstelle der Grütlivereine deS KantonSZürich, der sozialdemokratischen Fraktion des zürcherischen Kantons-rates und endlich von Mitgliedern mehrerer Kommissionen desKantonsrateS. Von diesen Spezialberichte» ist besonders derunseres Genossen Heußer über die Strafanstalt in RegenSdorf beiZürich bemerkenswert. Er erwähnt seine Beobachtungen bei denKontrollbesuchen in dieser Strafanstalt, den seelischen Zusammen-bruch so vieler Sträflinge. Zum Schlüsse wendet sich GenosseHeußer gegen das barbarische Geschrei gewisser bürgerlich-reaktio«tionärer Kreise und ihrer Presse über den angeblichen„Luxus undKomfort' in dieser Strafaztstalt,.wie ihn die Angehörigen desbürgerlichen Lebens vermissen müßten. Gemeint sind damit offen-bar die BeleuchtungS-, HeizungS-, LüftungS- und Badeeinrichtungen.' Darauf erwidert Genosse Heußer, daß vonLuxus und Komfort in der Strafanstalt nicht gesprochen werdenkönne. Richtig ist, daß in den neueren, modern gebauten Straf-anstalten die sanitären Einricktungen derart erstellt werden, daß sieauch den modernen Verhältnissen entsprechen." Heußer benutzt dieGelegenheit, auch unsere Genossen und Genossinnen zu bitten, denEntlassenen, wenn sie wieder ins Leben hinaustreten, eine fteund-liche Aufnahme zu gewähren. Diesen Menschen hat ja schon längstdie persönliche Liebe gefehlt. Ach, wie manckem wird der Tag derEntlassung oftmals so schwer, wie derjenige der Einweisung!—Bedeutend gebessert haben sich seit der Reorganisation derPartei ihre Finanzen. So betrugen die Einnahmen der sozial-demokratiscben Partei des Kantons Zürich 11 144,15 Fr., die AuS-gaben 9843,13 Fr.: daS Vermögen ist um 2184,19 Fr. auf6639,48 Fr. gestiegen.polizeiliches, Gerichtliches ufw.Das Nachsviel der Chemnitzer Wahlrechtsdcmonstration.Als am 6. November v. I. im Chemnitzer Stadtparlament dersozialdemokratische Wahlrechtsantrag zur Beratung stand, war dasInteresse der Arbeiterschaft daran so groß, daß die Tribüne desSitzungssoales schon lange vor Beginn überfüllt war. Der Eingangzur Tür des Rathauses wurde polizeilich abgesperrt. Aber immernoch strömten große Massen von Arbeitern heran, die nunauf dem Platze vor dem Rathause sich ansammelten.Viele Tausende standen auf einmal da. Ganz spontanwar diese Kundgebung gegen das veraltete Stände- und Geldsacks-Wahlrecht in Chemnitz entstanden. Auch der Parteisekretär GenosseK u h n t wollte an diesem Abend in die Stadtverordnetensitzunggeben. Als er jedoch am Rathaus ankam, war dieses bereits ge-sperrt, und so gesellte er sich zu den Massen auf dem Markte.Drinnen hatten die Beratungen längst begonnen, und noch immerströmten große Scharen von Arbeitern herbei. Es war nur kaumnoch möglich, die Gleise der Straßenbahn ftei zu halten. Jetztbestieg Genosse Kuhnt einen Breiterhaufen, der zufälligda lag. Mit kräftiger Stimme gab er seiner Freude darüber Aus-druck, daß die Arbeiterschaft ein so großes Interesse für die Er-reichung eines gerechteren Wahlrechts bekundet habe. Er fordertedie Menge aber auf, nun ruhig nach Hause zu gehen und brachteein dreimaliges Hoch auf das allgemeine, gleicheWahlrecht aus. Ruhig gingen dann die Versammeltenauseinander. Genosse Kuhnt wurde daraufhin wegen Uebertretungdes Vereinsgesetzes unter Anklage gestellt. Er sei Leiter einer Ver-sammlung unter freiem Himmel gewesen, für die die behördlicheGenehmigung nicht nachgesucht war. Genosse Kuhnt erklärte vordem Schöffengericht, daß cS sich um keine Versammlung gehandelthabe. Es existierte weder ein Veranstalter noch ein Leiter.Als er zu reden begonnen habe, versuchte ihn ein Polizeibeamterdaran zu verhindern. Als er dem aber sagte, daß er die MengeAuffordern wolle, nach Hause zu gehen, habe dieser gesagt, das könneer tun. Er habe daher im Auftrage und Einverständnis der Polizeiweiter geredet.Obwohl der Vertreter der Anklage die Bestrafung beantragte,sprach das Gericht den Genossen Kuhnt frei.Mus Industrie und Handel.Der Syndikatsvertrag gebilligt.In der Zechenbesitzerversammlung des R h e i n i s ch- W e st-sali s che n Kohle»sydikats wurde am Sonnabend der voneinem Ausschuß aufgestellte neueSyndikatsvertrag nach Bor-»ahme einer Reihe von beantragten Aenderungen gutgeheißen,nachdem einige Einzelheiten dem Erneuerungsausschuß zur Räch-Prüfung überwiesen worden waren. ES ist in Ausficht genommen,der nächsten Zechenbesitzerversammlung ain 20. Februar den end«gültigen Entwurf zur Annahme vorzulege». Der neue Vertrag fürdaS 1915 ablaufende Syndikat sieht bekanntlich keine wesent-lichen Aenderungen vor. Die Stellung der Hüttenzechen bleibt weitergegenüber den reinen Kohlenzechen eine bevorzugte, wenn dieHüttenzechen auch etwas stärker zu den Syndikatskosten herangezogenwerden.Die Billigung durch die Zechenbesitzer gewinnt dadurch be-,sondere Bedeutung, daß der Versammlung drei Vertreter desHandels mini st erS beiwohnten. Der Beitritt des FiskuS zumSyndikat und die Unterstützung des privaten KohlenwucherS durchden Staat scheint also perfekt.In der gleichen Sitzung wurde mit Rücksicht auf den Konjunktur-rückgang eine weitere Fördereinschränkung beschlossen. DieBeteiligungSantcile an Kohle wurden für Februar von 85 auf80 Prozent herabgesetzt._Vichlose Domänenwirtschaft.Eine der Ursachen der ungenügenden Eniwickelung unseres Vieh-bestandes ist bekanntlich darin zu finden, daß der Großgrundbesitz.und insbesondere die Domänen, immer mehr sich der Viehhaltungabgewandt haben. Ein drastisches Beispiel hierfür wird der.All-gemeinen Fleischerzeitung' mitgeteilt. Der Pächter der DomäneS a l z u n g e n, O. S u h r e n, der etwa 750 Morgen Land undWiese bewirtschaftet, Jhat auf seinem Gute nicht ein einzigesSchwein oder Schaf aufzuweisen. Für seinen Hausbedarfmutz er sich bei einem Fleischermeister ein Schwein kaufen. Es wärerichtig, daß hier Verwaltung und Gesetzgebung eingreifen und denPächtern die Verpflichtung auferlegt wird, eine der Fläche ihresGutes entsprechende Menge Vieh zu züchten.Stcinkohlenfundc in de» Niederlanden. Rcche der preußischenGrenze bei Ratum(Gemeinde Winterswyk), wo mmr vor 8 Mona-tcn bei den von dem nieder länd-ischen Staat vorgenommenen Tief.bohrungen auf Salz gestoßen war, hat man jetzt ZeitungSnach-richten zufolge nach der Durchbohrnng einer Salzschicht von 200Meter Mächtigkeit in der Tiefe von 1145 Meter ein Stein-kohlenlagcr gefunden. Im Etat für 1914 find für Tief-bohrungen wiederum 270 000 Gulden angefordert worden. DieseBeträge sind aber nicht für diese Tiefbohrung im Osten des König-reiches bestimmt, sondern ausschließlich'für drei andere, welche inden: südlichen Teile des an der Grenze der Provinzen Nordbrabantund Limburg gelegenen Landstriches de Peel weiter ausgeführtwerden sollen._Soziales.Wer 37 Pfennig täglich verdienen könnte, wenn er Arbeithätte, ist noch lange nicht invalide!So entschied die Landesvcrsicherungsanstalt Schlessenund das Oberversicherungsaint.Die Bedienungsfrau Auguste D. stellte den Antrag auf Ge-Währung der Invalidenrente. Die Landcsvcrjichcrungs-a n st a I t Schlesien lehnte den Antrag ab, weil die51 Jahre alte Frau.zu mindestens zu allen leichten landwirtschaft-lichen Arbeiten ohne zeitliche Beschränkung fähig ist'. Auch dasOberversicherungsamt in L. hat den Anspruch der Frau zurück-gewiesen. Der Arzt Dr. H. hielt die Rentenbcwerberin noch fürsähig, 110 M. jährlich zu erreichen.Das ObcrversicherungSamt führt zur Begründungseines Urteils folgendes auS:.Uebereinstimmend mit dem Gut-achten des Versicherungsamts hat das Gericht unter diesen Um-ständen die Ueberzeugung gewonnen, daß die Klägerin durch dievorerwähnten Lohnarbeiten den im vorliegenden Falle maß-gebenden Mindestverdienst von 110 M. jährlich oder bei regel».mäßiger Tätigkeit von 0,37 M, täglich noch erreichen kann.'Wie ist solch ein Urteil möglich? Es entspricht dem Ge-setz. Nach diesem ist Erwerbsunfähigkeit im Sinne der In-validen- und Hinterbliebenenversicherung erst dann anzu«nehnren, wenn der Ansprucherheber, falls er Arbeithätte, weniger als ein Drittel dessen zu erwerben im-stände ist, was körperlich und geistig gesunde Arbeiter der-selben Art in jener Gegend zu erwerben Vflegen. Da wirddann insbesondere für land- und forstwirtschaftliche Arbeiter„anrtlich festgestellt", wie hoch der Iah res durch»schnittsverdienst für die Berechnung bei Invaliden-und Hinterbliebenenverficherung angenommen werden soll.Dieser ist trotz des tj 124(1 der Reichsversicherungsordnung(derin der Regel den ÄKlfachen Ortslohn gesetzt wissen will) nochw e i t n i e d r i g c r als der ZOOfache Ortslohn beträgt. Wieniedrig der Ortslohn im Osten ist. habe,: wir am 28. v. Mts.dargelegt. Noch weit niedriger ist der für die Beurteilung derInvalidität maßgebliche Jahresdurchschnitt fürerwachsene Arbeiter. Er beträgt in Schlesien fürerwachsene weibliche Arbeiter:im Regierungsbezirk Breslau: in der StadtBreslau 370. im Stadtkreis Schweidnitz und im kkreisWaldenburg 33V. in allen übrigen Kreisen ganze 3V0 M.:im Regierungsbezirk Liegnitz durchweg300 M., nur im Stadtkreis Görlitz beträgt er 360 M., imStadtkreis Liegnitz 330 M.:im Regierungsbezirk Oppeln beträgt derJahres durchschnittsverdienst gar in den übermeistenKreisen nur 295 M. nur im Land- und Stadtkreis Beuthen,im Stadtkreis Gleiwitz. in den Kreisen Kattowitz und Königs-Hütte, im Kreise Zabrze sotvie im Stadtkreis Oppeln beträgter 425 M.Wie eine Verhöhnung des Elends klingt es. daß einMensch mit 37 Pf. täglich soll leben kömien. Ja das Oberver-sicherungsamt nimmt noch weniger an. denn 300 X 37 sindIII M. Also nimmt es an, da das Jahr 385 oder 366 Tagehat. 65 bis 66 Tage seien als s�astentage zu rechnen.Es lehnt sich da an unsere famose Reichsversicherungsordnungan. Tatsächlich koinmt bei 110 M. Jahreslohn auf den Tagnur 33 Pf.Ueber 5 Proz. direkte Reichseinkommensteuer nimmtdas Reich dem Arbeiter durch die Reichsversicherungordnungund. wenn er dann Rente verlangt, dann heißt es: Ha, Dukönntest, wenn Du Arbeit hätte st. noch jährlich 110Mark verdienen, also bist Du nicht invalide. Gibt es etwasAufreizenderes?Eine Erhöhung der Jahresdurchschnittssätze und eineAenderung der Begriffsbestimmung Invalidität in der Reichs-Versicherungsordnung ist dringend notwendig. Aber derReichsstaatssekretär Dr. Delbrück meinte ja: es müsse ein Haltin der Sozialreform eintreten und pries gar die Reichsver-sicherungsordnung als ein soziales Werk. In der Tat eingroßartig soziales Werk: jahraus, jahrein werden Millionenund aber Millionn den Arbeitern abgenommen, aus ihrenGeldern mit nicht zu knappen Gehältern„echtpreußische" Be-.amte gefüttert. Aber verlangt dann mal eine arme, invalidegewordene Frau die ihr augeblich zustehende.„Invaliden-rente". dann heißt es: abgewiesen, invalide im Sinneder famosen Reichsversicherungsordnung ist nicht der Erwerbs-