Nr. 81.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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Serufprecher: Amt 6, Nr. 4106.
Redaktion: Beuth- Straße 2.
Die Stellung der Sozialdemokratie zu den Zonentarifen.
II.
Mittwoch, den 8. April 1891.
CE
Expedition: Benth- Straße 3.
( nämlich die Agitatoren) wissen genau, was sie thun, denn diese sind wir schon mehrfach in unserem Artikel
es sind zumeist Juden und jede Verbilligung des Reifens eingegangen; wir kommen hier auf diese noch einmal kurz tommt in erster Reihe den jüdischen Genossen zu gute, zurück. welche als Träger von Spekulation und Handel schon bisher die Eisenbahnen am meisten ausgenügt haben.
Ohne Frage werden die Zonentarife eine große Verschiebung der Bevölkerungsmassen herbeiführen.
Ja, fürwahr ein verteufelter kommunistischer Gleich- Diese Agitatoren werden von ihr kurzweg Eisenbahn - Die Arbeiter des Dstens werden in hellen Haufen nach macher" ist die Eisenbahn. Sie hat zur Beseitigung der Sozialisten, Eisenbahn- Sozialdemokraten geschimpft. In dem Westen ziehen, wo sie ihre soziale Lage bedeutend verschönen historischen, in„ Sitte und Recht" begründeten dieser erlauchten Gesellschaft der„ Kreuz- Zeitungs"-Männer bessern werden. Unterschiede ganz anders beigetragen, als die kommunistische natürlich darf die recht alt gewordene Großmutter des Durch die Berührung mit den westlichen intelligenteren, Propaganda. Und wahrlich, der echte Vertreter Nationalliberalismus, die Köln . 3tg." nicht fehlen. Sie konnte an eine höhere Lebenshaltung gewöhnten Arbeitern steigern des Historisch Berechtigten" der Bauer, ahute es nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit einige verleumderische sich dann ihre Bedürfnisse. Diese Steigerung der nun als schon früh instinktiv die gewaltigen Umwälzungen übelriechende Schmutzbäche über den Arbeiter zu ergießen. schlechthin für nothwendig empfundenen Bedürfnisse wird die der Gesellschaft, welche die Eisenbahn herbeiführen würde. Gut, daß in Köln zu gleicher Zeit auch Eau de Cologne ererbte kulturfeindliche Zufriedenheit des Arbeiters mit seinen Er wußte sehr wohl, wie Riehl einmal in seiner Natur- fabrizirt wird. Sie schrieb vor einem Jahre schon über die alten Verhältnissen vernichten. Die geistige Trägheit, geschichte des Volkes" sagt, daß er neben der Eisenbahn Bonentarife: die Passivität, das Festhalten an der lieben alten nicht mehr der alte Bauer bleiben kann. Ein wahrer Eisen Wenn Jemand für einige Mark die längsten Entfernungen Gewohnheit, alle diese Grundzüge des ländlichen Arbahnaberglaube bildete sich daher im Landvolke aus. Die im Reiche, noch dazu mit dem Schnellzuge, zurücklegen könnte, beiters werden um so eher verschwinden, je mehr diese Bauern nahmen vielfach an, daß den Eisenbahnen, diesem so würde der Vergnügungssucht und dem vielfach verbreiteten Eigenschaften in den wirthschaftlichen Zuständen selbst ihre Teufelswert, nur eine kurze Lebensfrist gesetzt sei, gerade Hang zum Bummelleben in den unteren Klassen des Volkes in Stützpunkte verlieren. Die nach dem Westen gezogenen Argefährlichster Weise Vorschub geleistet werden. Wer in Köln beiter unterliegen nun den Fluth- und Ebbeperioden unserer wie den Leuten, die ihre Seele dem Teufel verschrieben blauen Montag macht, tönnte unter Hinzunahme des Dienstags tapitalistischen Wirthschaftsweise. hätten. Im Badischen ging beispielsweise die Sage, daß vom Sonnabend an in drei Tagen nach Berlin und zurück ge= beim Anhalten der Eisenbahnen an den größeren Stationen fahren sein und dann wahrscheinlich trotz billigen Fahrpreises Es wird für sie eine Lebensfrage, sich den Wechseljedesmal Giner fehle, den der Teufel für seinen Sohn geviel mehr Geld ohne fittlichen Gewinn verschwendet haben, fällen der heutigen Produktionsweise anzupassen. Der ländliche nommen habe. als wenn er nur einen Tag blau gemacht hätte." Arbeiter muß dem alten Schlendrian, dem, kommst Du nicht
Nun von dieser Bauernfurcht vor den Eisenbahnen scheinen noch heute vielfach die Vertreter des Historisch Berechtigten" die Konservativen beseelt zu ſein; sie scheinen eine verteufelte Angst vor dem alles verneinenden Geist, dem Dämon des Umsturzes, dem Teufel zu haben. Zwar muß an Goldstücken. Ferner wäre es doch sehr betrübend, wenn so werden sie wegen ihrer gehobenen Kulturbedürfnisse, derfelbe kauin in der ersten und zweiten Wagenklaffe der der Arbeiter wieder blaue Montage machen würde, er könnte wegen ihrer im ökonomischen Kampfe erworbenen neuen Eisenbahnen umherspuken, da die konservativen Herren diese ja damit das augestammte Recht des Kapitals auf die ganze Sauerteig in der ländlichen Arbeiterschaft bilden. Charaktereigenschaften einen wahren, Gährung erzeugenden Klasse ohne Furcht benutzen; aber sicher sputt er in der Arbeitswoche des Arbeiters gröblich verletzen. vierten Klaffe; denn diese ist nach der Ansicht der Namentlich machten die konservativen Mächte in der In den alten entvölkerten Landestheilen werden sich Herren schon vielfach sehr gefährlich. Holt sie ihnen doch Sigung des Abgeordnetenhauses gegenüber dem Zonentarife die Gutsbesitzer genöthigt sehen, die Lebenshaltung ihrer so viele treue Seelen hinweg und wirft sie in den Heren- Front, in der der Antrag Brömel auf der Tagesordnung Arbeiter zu erhöhen, um sie an ihre Güter zu fesseln. Sie teffel des modernen Großstadtlebens hinein. Ja die Mächte tand, welcher die Regierung um eine durchgehende Er werden ferner jedenfalls arbeitsersparende Maschinen eins des sozialen Beharrens haben eine wahrhaft zitternde Angst vor mäßigung der Tariffäße und eine Vereinfachung des Tarif- führen müssen. Hiermit würde sich dann die kapitalistische, den Eisenbahnen, die, alle historischen Unterschiede ausebnend, systems ersuchte"." Im allgemein politischen und sozialen maschinelle Großwirthschaft mit ihrer Großproduktion im ein gleichartiges Kulturniveau schaffen. Immer reiner und Interesse", sagte der Graf Limburg- Stirum , haben wir kein schnelleren Tempo wie bisher auf dem Lande einbürgern. schärfer arbeiten sich die der heutigen Gesellschaft eigenthüm Interesse, die Reiselust und die Reisetendenz noch mehr zu und dies hätte dann gegenüber der vielfach noch lichen Klassenunterschiede aus, und mit ihnen verschwindet fördern". Es ist schon die Frage berechtigt, ob nicht augenblick- heute vorhandenen rein bäuerlichen Wirthschaftsweise einen der letzte patriarchalische Zug, der früher diesen Klassenver- lich schon etwas zu viel gereist wird." Weiter erklärte er, daß eminenten Fortschritt zu bedeuten. Häufig werden nun die hältnissen anhaftete. Revolutioniren schon so die Eisenbahnen die Einführung ganz niedriger Tarife für die ganzen ländlichen Arbeiter in die Groß- und Fabrikstädte hineinunter der Herrschaft der hohen Tarife die alten über sozialen Zustände in unseren östlichen Provinzen eine be- strömen. Die Vermehrung der arbeitsuchenden Hände" aber kommenen Verhältnisse, in wie viel höherem Masse müssen denkliche Bedeutung haben würde." Er wies auf die veranlaßt in den Städten eine stärkere Konkurrenz unter sie es erst thun, wenn die Eisenbahnen durch den Zonen Sachsengängerei, die Wanderung der arbeitenden" Be- den Arbeitern; die Konkurrenz aber erzeugt als nothwen tarif den großen Volksklassen billig zur Verfügung stehen. völkerung nach den Orten" hin, von denen sie glaubt, wendiges Gegenmittel die solidarische Bereinigung aller Und da ist es denn für die Mächte des sozialen Be- daß es ihr besser gehen oder daß sie sich wohler befinden Berufsgenossen zu gewerkschaftlichen und politischen Kampfharrens" hohe Zeit, daß sie den Kulturkampf mit den werde."- Wahrlich es wird sehr bedenklich für die Herren Genossenschaften. Sie macht diesen Zusammenschluß der Mächten der sozialen Bewegung" auskämpfen. Und sie thaten Gutsbesitzer, wenn dero Unterthanen sich bessere Arbeits- Arbeiter zu einer Frage von Leben und Tod für das es und thun es noch nach Kräften. Da wettern sie fleißig schon und Lebensbedingungen, als sie in ihrer östlichen Heimath Proletariat. gegen die„ Eisenbahnvagabondage" der Arbeiter. Da denunzirt finden, aufsuchen. die fromme Kreuz- Zeitung " die Agitatoren für die Ein- Ja die Herren Konservativen fürchten gar sehr die würden unter dem Einfluß des entfesselten Verkehrs schneller Es ist klar; alle Gegensätze der kapitalistischen Gesellschaft führung des Bonentarifs als Juden, die im Interesse ihrer sozialpolitischen Folgerungen, welche eine Revolution der zur Reife kommen. spekulirenden Genossen die Tarife verbilligen wollen. Diese bisherigen Personentarife nach sich ziehen wird. Auf
wenn der reiche Bourgeois nach Monaco fährt und daselbst wickelt sich so zu einer wahrhaft aktiven. Der sittliche Gewinn ist allerdings ein viel größerer, heute, so kommst Du doch morgen"" Lebewohl sagen. Die ehemals passive Race der Arbeiter ent während einiger Monate an dem Spieltische arbeitet, bann jene Arbeiter in die ländlichen Distrikte zurück, Gehen nicht etwa bummelt für den materiellen Gewinn
"
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
Die Falkner von St. Vigil.
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Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel.
Schneller würde auf der einen Seite der Reichthum, Am Abend vor Allerseelentag bat sie Ambros, mit deren Grab geführt und sie hatten ihre Kerzen auf dem ihr am nächsten Nachmittage auf den Kirchhof zu selben verbrannt. Das dritte Licht hatte seine Großmutter aus Pleiten angezündet. Es war das erste und letzte Mal, Wenn meine Mutter Dich so gut hätte kennen ge- daß er mit der Ahne zusammengetroffen war. lernt wie ich," sagte sie, so würde sie mir nicht das Versprechen abgenommen haben, von Dir zu lassen."
tommen.
Stafi erhob sich; sie hatte lange und inbrünstig gebetet. Wenn die Verstorbenen noch ein Dhr haben für die Der Allerseelentag brachte flares, faltes Wetter. Die Bitten derjenigen, die sie auf der Erde zurückgelassen; Höhen hatten bereits ihre weißen Wintermäntel umgenommen wenn sie mit geklärtem Geistesauge auf die Ihrigen zurückund die Tannen auf den Bergen waren leicht bepudert. schauen: o, dann mußte auch ihre Mutter ihr den Wort Lifeisah mit innerer Unruhe dem Kommenden ent- Auf dem Kirchhofe waren viele Menschen. Sie schmückten bruch vergeben und ihre Liebe ſeguen. Diese Soffnung gegen, Wohl fagte sie sich, daß Ambros der Liebling die Gräber ihrer Lieben mit Schnüren von rothen Bogel schimmerte ans Stasi's thränenüberströmtem Antlitz. Sie leugnen, daß der Bater zuletzt ihm immer nachgegeben hatte, oder standen in wehmüthig finnender Betrachtung bei sen zu Deiner Mutter und nachher zu meinem Vater." des Vaters wäre, und sie konnte es dem Bruder nicht beeren und zündeten Lichter auf ihnen an. Autore beteten lächelte Ambros an und sagte leise:" Jetzt gehen wir erst wenn Beide einmal in Zwiespalt mit einander gerathen Hügeln. Die Flämmchen der Kerzen wehten nur leise Ambros willigte schweigend ein. Das Grab seiner waren; allein in einem solchen Zustande, wie nach dem in der ruhigen Luft. Sie flimmerten wie Schmetterlinge Mutter befand sich auf der entgegengesetzten Seite der Kirche. jüngsten Streite, hatte sie den Bater noch nie gesehen, und golden oder röthlich über den gezierten Gräbern, als wollten Zisei war dort, bemerkte aber die Herankommenden nicht es entging ihr nicht, daß es fortwährend in ihm gährte. fie fich emporschwingen. Es verursachte großes Aufsehen, sogleich, weil sie ihnen im Gespräche mit einer Frau den Wolf hatte wohl Recht, wenn er ihr von jeder Einmischung als Ambros und Stafi auf dem Kirchhofe erschienen. Das Rücken wandte. Die Frau trug einen schwefelgelben Mantel abrieth. Er stellte ihr vor, daß eine solche mit Aussicht auf Gerücht, daß der Erbe des Klosterhofes um die arme Stafi und eine hohe, wie einen Bienenkorb gestaltete Mütze von Erfolg nur von denjenigen versucht werden könnte, der Ein- Barſeit würbe, war bereits überall hingebrungen; jetzt erhielt schwarzer Schafwolle. Das wenige Haar, welches die fluß auf den Klosterbauer befäße, und das sei am Ende Ambros es seine Bestätigung. Ambros begegnete ben neugierigen Mütze sichtbar ließ, war schneeweiß, während die starten selbst. Ambros zum Verzicht auf Stafi zu bewegen, dazu Blicken mit stolzer Abweisung. Stafi und David schmückten Brauen noch ganz schwarz waren. Sie flossen bei der Nasenläge kein Grund vor; denn an dem Ernst seiner Neigung den Grabhügel der Verstorbenen und Ambros pflanzte mit wurzel zuſammen und unter ihnen leuchteten große dunkle tönnte man jetzt nicht mehr zweifeln und von Staft hörte ihnen die Kerze, die ihm Staft gab, brennend auf das Grab Augen aus einem schwarzgelben Gesicht, das voller Runzeln, man nur Gutes. Ueberdies läge keine Gefahr im Verzuge; seiner Widersacherin. Den Hut in den Händen, schaute er auf Falten und Fältchen war. Ueber dem eingesunkenen Munde denn es mußten noch sechs bis sieben Monate verstreichen, die wehenden Flämmchen, während Stasi betete. Er gebachte sprang eine scharf gekrümmte Nase vor. Die Alte, die sich che Ambros mündig wurde. nicht der Verstorbenen; die drei Lichter erinnerten ihn an mit beiden Händen auf einen Krückstock stützte, war von
Stasi selbst bat Ambros, den Vater nicht zu drängen. drei Andere, die er einst ebenfalls auf einem Grabe hatte einer herenartigen Häßlichkeit; dennoch vergaß man dieſe, Sie beobachtete den Kloſterbauer in der Kirche und sein brennen sehen und auf deren Flammen er jo geschaut hatte, wenn man ihr in die schwarzen noch lebhaft glänzenden hartes Geficht flößte ihr Furcht ein. Ambros scherzte und wie jetzt, sich wundernd, daß der Wind sie nicht auslöschte. Augen schaute. Als sie Ambros gewahrte, hörten ihre tofte ihre Beklommenheit hinweg. Sein Selbstvertrauen und Es war auch an einem Tage Adlerseelen gewesen, an dem vertrockneten Lippen auf, sich zu bewegen und ihre ihre Liebe gaben ihm eine unbegrenzte Macht über sie. ersten nach dem Tode seiner Mutter: Lisei hatte ihn an Augen wichen nicht mehr von ihm. Er aber machte ein