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unier 18 Jahre alten Personen, die politischen Vereinen nicht angehören dürfen. Diese Berechnung charakterisiert sich nicht allein als bodenlose Dummheit, denn daß 20 Prozent der Gewerkschafts­mitglieder nicht Jugendliche sind nicht sein können, muh jeder auch mit nur sehr mittelmäßigem Begriffsvermögen ausgestattete Mensch sofort erkennen. Nein, in dieser Angabe liegt die alte Perfidie versteckt, daß die Gewerkschaften zu einem großen Teile ausJungen" bestehen. Lassen wir den Herrschaften ihre Freude an dieser kindlichen Berechnung. Nicht für eine einzige Gewerkschaft und hätte sie mit noch so viel jugendlichen Personen zu rechnen kommt dieser Prozentsatz auch nur annähernd in Betracht. Viele Gewerkschaften haben überhaupt keine jugendlichen Mitglieder. Daß Preußen seinem alten Weltruf getreu sich auch hier wieder als Hort der Reaktion zeigt, gehört zur Tradition preußischer Ge- setzgebung und Verwaltung. Landcsgesetz galt dort übrigens noch immer über Reichsgesetz. Um so mehr sind Versprechungen, wie sie Regierungsvertreter im Reichstage geben, für preußische Behörden Luft, wobei freilich bezweifelt werden muß, daß auch an jener Stelle etwa der ernste Wille vorhanden wäre, den Versprechungen gemäß darauf zu achten, daß dasliberale" Vereinsgesetz ohne Schikane in Anwendung gebracht werden soll. Darüber wird sich wohl noch sehr angelegentlichst der Reichstag   zu unterhalten haben. Streik im Kölner   Baugewerbe. Köln  , 9. April.  (Privattelegramm desVorwärts".) Sämtliche freiorganisierten Dachdecker und Bauklcmpner find heute in den Ausstand getreten, da wegen des neuen Lohntarifs eine Einigung nicht erzielt werden konnte. Der Ausstand ruft große Störungen im gegenwärtig lebhaft einsetzenden Baugeschäft hervor. Auch die Kölner Werkbundausstellung wird hiervon betroffen, um so mehr, als auch die Stukkateure in den Ausstand eingetreten sind. Der Pfälzer Winzerstreik beendet! Die Pfälzer   Weingutsbesitzer hatten bekanntlich die nach Ittägigem Streik mit dem Landarbeiterverband aufgenommenen Verhandlungen plötzlich schroff abgebrochen und Unterwerfung der Winzer unter das vom Arbeitgeberverband gemachte Lohnangebot verlangt. Weil die Besitzer unter den verlockendsten Angeboten keine Arbeitswilligen bekamen, blieb ihnen nach Verlauf einer weiteren Woche nichts übrig, als erneut in Verhandlungen mit den Streikenden einzutreten. Die Verhandlungen fanden unter dem Vorsitz des Bezirks- nintmannS Junker statt und brachten den Winzern die geforderte Erhöhung des Akkordlohnes um 10 Proz., womit der logenannte Baulohn pro Morgen von 60 M. auf 66 M. steigt. Anstatt 2,80 M. bis 3,00 M. Tagelohn wie bisher wird für die nächsten zwei Jahre ein Stundenlohn von 33 Pf. bei 10 stündiger Arbeitszeit bezahlt, der sich im dritten Jahre auf 3� Pf. erhöht. Im Winter beträgt der Stundenlohn bei etwa L stündiger Arbeitszeit 35 Pf. Frauen er- halten 2 M. Tagelohn. Für die Extraarbeiten, wie Spritzen, Schwefeln, Herbsten werden entsprechende Zulagen gewährt. Das gesamte Lohn- und Arbeitsverhältnis wurde in Form eines Tarif- Vertrages geregelt. Dieser gilt bis Ende des Jahres 1916. Dre im Deutschen   Landarbeiterverband organisierten Winzer können auf den Erfolg dieses ersten von organisierten Winzern mit großer Energie und Disziplin durchgeführten Streiks stolz sein. Ge- lang doch die grundlegende Regelung ihres Arbeitsverhältnisses gegen ein geldprotziges Unternehmertum und trotz der eigenartigen Öuer- treibereien der zentrumschristlichen Organisation deS bekannten Behrens. Die einzigen sechs Arbeitswilligen in diesem Streik, bei dem sogar die unorganisierten Winzer es streng vermieden, während seiner Dauer in den Weinbergen zu arbeiten, gehörten dem Behrens- Verband an. Der Streik der Pfälzer Winzer, bei dem im Gegensatz zu dem Streik der christlichen Winzer im Rheingau im Jahre 1912 nicht ein einziger Rebstock beschädigt, geschweige sonstige Aus- schreitungen begangen wurden, legt ein glänzendes Zeugnis ab für den Wert der Zugehörigkeit aller Winzer zum Deutschen   Land- arbeiterverband. Kuslanö. Neutralität." In der Gemeinde G r e n ch e n im Kanton Solothurn   besitzt die sozialdemokratische Partei die Mehrheit. Am 21. März nahm die Gemeindeversammlung Stellung zu einem von 480 Stimm- berechtigten eingereichten Antrag, es seien die durch die Uhren- a r v e i t e r a u s s p e r r u n g in Not geratenen Gemeindeange- hörigen mit wöchentlich 2000 Fr. aus der Gemeindekasse zu unterstützen. De.r Antrag wurde mit 651 gegen l21 Stirn« m e n gutgeheißen. Tie bürgerliche Minderheit bewies ihre gute demokratische Erziehung und ihre?lchlung vor der Souverän!- tät des Volkes, indem sie in der unflätigsten Weise in der Presse über diesen Mehrheitsbeschluß loszog. Außerdem rekurierte sie an den Regierungsrat, damit er den Beschluß als ungesetzlich wieder aufhebe. Interessant ist dieBegründung" dieses Rekurses. Tie gleichen Leute, die der Regierung zujubeln, wenn sie das Volksheer zur Söldnertruppe degradiert, um streikende Arbeiter zubesiegen", haben den Mut. in ihrer Rekursbegründung der Regierung u. a. folgendes zu erzählen: ... In solchen wirtschaftlichen Kämpfen wird aber vom Staat immer die st r e n g st e Neutralität verlangt. Ter Staat spielt in solchen Fällen einfach den Hüter der öffcnt- lichen Ordnung. Es würde die Unterstützung einer Gewerkschaft seitens des Staates auch gegen das Prinzip der Handels- und Gewerbcfreiheit verstoßen. Ueberhaupt ist die Auffassung der neutralen Stellungnahme des Staates bei wirtschaftlichen Kämpfen, wie Streiks, Aussperrung usw., die herrschende; sie ist die gegenwärtige Staatsauffasiung in der Schweiz  . Das primitivste Rechtsgefühl mutz verletzt werden, wenn der neutrale Staat mit dem Gelde, das in der Hauptsache von den Arbeit- gebern stammt, diese damit bekämpft. Der gegenwärtige Kampf ist zudem nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein politi- scher. Die Stärkung des Uhrenarbeitervereins bedeutet eine Stär- kung der sozialdemokratischen Partei Grenchens. Damit erleben wir hier das Schauspiel, daß ganz offen Gemeindegeld zu poli- tischen Zwecken verwendet wird. In der Konsequenz wird die Gemeindekasse zur sozialdemokratischen Parteikasse, und darin liegt eine Vergewaltigung mit öffentlichem Gelde nicht nur der Ulircnfabrikanten, sondern auch der politischen Minderheiten. Ganz recht, die Uhrenarbeiter sollen nicht gestärkt werden, son- der» verhungern. Die g l e i ch e Regierung, die man hier träne, iüberströmt um Hilfe gegen die sozialdemokratische Partei anfleht, schickte vor einigen Monaten den am Grcnchentunnelbau streikenden Arbeitern Militär auf den Hals. Dabei werden die schweizerischen Militärausgaben aus den Zolleinnahmen, also zur Hauptsache aus A r b e i t e r g r o s ch e n, gedeckt. Wo bleibt denn da dieherrschende Auffassung" von derNeutralität" des Staates? Wenn sich aber eine Gemeinde ihrer vom Unternehmerkapital brutal auf die Straße geworfenen Bürger erinnert und sie unterstützen will, dann soll ihr der Staat das verbieten, wiederum ausNeu- tralität".,.., Und um dieNeutralität zu krönen, kautet das letzte Argument der Kapitalisten, ein Telegramm aus Grenchcn vom 7. April: Infolge immer häufigerer Zusammenstöße zwischen Au� gesperrten und Arbeitswilligen hat die verstärkte Polizei sich außerstande erklärt, dieOrdnung" zu garantieren. Ter Re- gierungsrat' hat nun beschlossen, die Kompagnien 3 und 4 des Bataillons 50 auf Pikett zu stelle>, und auf dem Bahnhofplatz und vor den Fabriken Massenansammlungen zu verbieten." Die militärischen Gewaltstreiche gegen die Ar- beitcrschaft werden auch in der Schweiz   nicht eher enden, als bis die I Urbeiterschaft jeder Vergewaltigung einer Berufsgruppe in irgend- 1 einem Teile des Landes in nationalen Massenaktionen entgegentritt._ Die Borgäuge in Südafrika  . Am Dienstag fand in London   die angekündigte außer- ordentliche Gewerks chafts-Konfereuz statt. um zu den Vorgängen in Südafrika   Stellung zu nehmen. Die Konferenz war von allen Organisalionsrichtungen stark beschickt und hat diese zugleich einander nähergebracht. Sie beschloß, bei der Regierung vorstellig zu werden, damit diese die Ausweisung der deportierten Arbeiterführer aus Südafrika   rückgängig mache. Bei dieser Gelegenheit dürsten auch die Proteste der Arbeiterbewegungen aller Länder. die durch den Jnter- nationalen Gewerkschaftsbund gesammelt wurden, überreicht werden. Der Vorsitzende der Arbeiterpartei. Ramsay Macdonald  , sowie der Vorsitzende des Gewerkschaftskongresses sollen selber nach Südafrika   reisen, um auch der dortigen Regierung gegenüber den Standpunkt der Konferenz zu vertreten und die Wiederzulassuiig der Deponierten zu erwirken. Zur Bestreitung besonders der Prozeß- kosten soll von allen, den Zentralinstanzen angeschlossenen Organi- sationen ei» Ertrabeitrag von 8 Pf. pro Mitglied erhoben werden. Ein Antrag Tilett. den Boytott aller Schiffe und Waren aus Südafrika   für den Fall der Nichterfüllung der Forderungen der Konferenz in Erwägung zu ziehen, wurde abgelehnt. Die südafrikanische   Regierung nutzt inzwischen ihre Macht weiter aus, die Arbeiterbewegung niederzuhalten. An demselben Tage, als die Londoner Konferenz tagte, legte die südafrikanische   Regierung dem Parlament eine neue Gesetzesvorlage vor, die u. a. vorsteht: Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren für jeden, der unerlaubte Ver- sammlungen einberuft oder in solchen spricht, Geldstrafe bis 1000 M. oder ein Jahr Gefängnis für den, der eine unerlaubte Versammlung bekannt gibt, Deportation für Hochverrat, Aufruhr, öffentliche Ge- waltatte oder Anleitung dazu. /tos öer Partei. Eine Diskussion über dieNeue Zeit". Bekanntlich hat unsere wissenschaftliche Wochenschrift dieNeue Zeit" seit dem 1. April eine Neugestaltung erfahren. Der Um- schlag ist geändert, das einzelne Heft ist um einen halben Bogen vermehrt worden und jede Nummer wird ein Feuilleton enthalten, ebenso wird regelmäßig ein Verzeichnis der neuen sozialistischen  Literatur gegeben. Einige Parteiblätter sind mit dieser Aenderung nicht zufrieden. So schreibt dieChemnitzer   Volks stimme": .. DerNeuen Zeit" Aussehen gefällt uns noch weniger als zuvor, und ihr Inhalt mag reichhaltiger geworden sein qualitativ höher steht der Durchschnitt der Beiträge nicht. Was die Partei braucht, ist ein wissenschaftliches Zentralorgan, welches das ganze geistige Leben der Partei widerspiegelt. In einer solchen Zeitschrift dürfen Mehring, Rosa Luxemburg   und Panne- koei so wenig fehlen wie Kautsky   und Wurm, und diese so wenig wie Bernstein, David und Kolb. Dazu braucht man keinen her- vorragenden Gelehrten, aber einen tüchtigen und liebenswürdigen Journalisten als Redakteur des Blattes, d. h. in diesem Falle Zusammensteller der Beiträge und Gewinner immer neuer Mit- arbeitcr. Vielleicht mit einem Beirat der hervorragendsten Wissen- schafter der Partei, die in Berlin   wohnen und einmal wöchentlich zusammenkommen könnten. Ehe diese Reform der Redaktion derNeuen Zeit" nicht vorgenommen ist, bleibt alles Herum- doktern an Kleinigkeiten wertloses Pfufchwerk. Das Anzeigen der Neuerscheinungen(Wafchzettelmassenabdruck) ist z. B. doch ein beschämendes Eingeständnis, daß die Redaktion nicht imstande ist, die Besprechung der Bücher in angemessener Form und Zeit zu organisieren." DieLeipziger Bolkszeitung" bemerkt dazu u. a.: ... Wenn dieChemnitzer Volksstimme" die Oefftrnng der Neuen Zeit" für alle Richtungen fordert, dann rennt sie in Wahrheit offene Türen ein. Ihr Borschlag aber, die Redaktion derNeuen Zeit" parteipolitisch zu kastrieren denn darauf läuft ihre Forderung hinaus, muß entschieden abgelehnt wer- den. Das wissenschaftliche Organ der deutschen   Sozialdemokratie muß eine bestimmte Richtung haben und muß sie offen und ent- schieden vertreten. An ihre Spitze gehört ein Mann, der den wissenschaftlichen Sozialismus in seiner Gänze beherrscht, und wir sollen uns freuen, daß wir im Genossen KautSky   einen solchen Mann haben, wenn ihm auch journalistische Beweglichkeit und Liebenswürdigkeit abgehen mögen. Eine wissenschaftliche Zeitschrift hat nicht als erste Aufgabe, interessant und aktuell zu sein, womit wir nicht sagen wollen, daß diese Eigenschaften für sie schädlich und etwa nicht erstrebenS- wert wären. Aber ihre Hautpaufgabe ist wissenschaftliche Ver- tiefting und Gründlichkeit, vor der alles andere zurücktreten muß... Deshalb können wir es auch nicht als einbeschämen- des Eingeständnis" des Unvermögens der Redaktion betrachten, die Besprechung der Bücher in angemessener Zeit zu organisieren. wenn sie über die Neuerscheinungen zunächst bloße Anzeigen gibt. Diese Anzeigen dienen der schnellen Orientierung der Leser über den Büchermarkt. Besprechungen von wirklich wissenschaftlichem Wert lassen sich nicht im Handumdrehen schreiben, andere aber gehören nicht in dieNeue Zeit". Deutsche   Arbeitersänger in Paris  . Paris  , 7. April.  (Eig. Ber.) Am Karfreitag veranstaltet der Düsseldorfer   Arbeiterge sangvereinFreiheit" ein Konzert. Es findet im größten Sal von Paris  , dem Trocadcro, statt und es ist hervorzuheben, daß die Regierung das im Staatseigentum stehende Gebäude, das gegen den bloßen Ersatz der Unkosten, aber nur für würdige künstlerische Veranstaltungen oder Wohltätigkeitsfeste hcrgeliehen wird, den deutschen   Arbeiter- sängcrn zur Verfügung gestellt hat. DaS Konzert hat natürlich nicht den Charakter einer politischen Demonstration, aber es liegt auf der Hand, daß es die Gelegenheit zu einer solennen Befestigung der brüderlichen Gefühle zwischen den deutschen   und den fran- zösischen Arbeitern geben wird, zumal da auch 300 Genossen aus allen Teilen Deutschlands   an der Fahrt teilnehmen. Der inter  - nationale Charakter des Festes wird weiter durch den Besuch Berner Arbeiter unter der Führung des Nationalrats Genossen Grimm verstärkt werden. In diesem Sinne faßt denn auch das Pariser   Proletariat die Veranstaltung auf und Genosse Bracke hat in einem warm empfundenen Leitartikel derH umanit 6" aus das Fest und die Rolle des Chorgesangs in der deutschen   Ar- beiterschait hingewiesen. Den Ehrenvorfitz bei dem Konzert hat Anatole France   angenommen. Da er aber seiner Kränklichkeit halber im Süden weilt, wird Genosse S c m b a t tatsächlich den Vorsitz führen und die Festrede halten. Weiter werden die Ge- nassen Grimm und Grumbach Ansprachen halten. Von der Parteipresse. In eigener Druckerei wird seit Ansang April ein Teil unseres jüngsten Parteiorgans für den ober- schlesischen Jndustriebezirk, dieO b e r s ch l e s i s ch e Freie Presse", hergestellt. Der übrige Inhalt wird aus Matrizen der BreslauerBolkswacht" entnommen. Seit ihrer vor vier Monaten erfolgten Gründung hat dieOberschlesische Freie Presse" über 1000 neue Abonnenten gewonnen. Ms Industrie und Handel. Eine Warenhausdynastie. In Köln  , wo die Zentrale der Warenhausunternehmungen Leonhard Tietz   A.-G. residiert, wurde am 8. April der riesige Neubau des Stammhauses eröffnet. In wuchtigen, hoch- strebenden Formen erhebt sich der architektonisch bedeutsame Bau im Zentrum der GeschäftSswdt wie ein Sinnbild des zum Gipfel emporstrebenden Kapitalismus  . Der Seniorchef, der im März 1849 im Ghetto zu Birnbaum geboren ijt, eröffnete den Palast wie ein I Fürst seine neue Residenz. Huldigend kam die Hauievolee der rhei­nischen Metropole, kamen die Spitzen der Behörden herbei, um die Deffliercour vor dem Warcnhauskönig nicht zu versäumen. Ver- zückt schaut Herr Schmock zu dem Geldgewaltigen empor, und auch d i e bürgerliche Presse, die sonst eifrig über diemittelstandsfeind- liche" Sozialdemokratie sich entrüstet, macht in schleimigen Feuille- tons Herrn Leonhard Tietz   ihre Reverenz, denn sein Annoncen- budget ist tausendfach größer als das der über den wuchtigen Kon- kurrenten aufgeregt zappelnden Mittelständler. Immerhin ist die Entwicklung des Hauses Tietz als eines Typ der modernen Warenhäuser recht interessant. Das erst im Jahre 1879 gegründete Haus Leonhard«Tietz  , das damals eine Ver- käuferin und einen Lehrling beschäftigte, entwickelte sich zunächst nur langsam. Erst als das Stammhaus aus Stralsund   in das Rheinland  , nach Elberfeld  , verlegt wurde, wo die wirtschaftliche Ent- Wicklung eiliger pulst, ging es mit dem Ausstieg schnell. Es wurden Filialen errichtet: 1890 in Barmen und Koblenz  , 1891 in Köln   und Düsseldorf  . 1892 in Mainz   und 1894 in Aachen  . Jetzt gibt eS außer­dem Filialen in Bonn  , Krefeld  , Düren  , Eschweiler  , Remscheid  , Kassel  . Mülheim   a. Rh., in Antwerpen  , Brügge  , Mecheln  , Lüttich  und Brüssel. Hinzu kommen Einkaufszentralen in Chemnitz  , Berlin   und Paris   und eine eigene Strumpffabrik in der Eifel  . Das Haus in Köln  , seit den neunziger Jahren die Zentrale, wurde mit 30 Angestellten eröffnet, ist aber längst auf über 1200 gestiegen. Insgesamt beschäftigen die Häuser Leonhard Tietz   6500 Angestellte. Die Berkaussräume bedecken nach der Eröffnung des Kölner   Neubaues 40 000 Quadratmeter. Einer der Grundsätze, denen der noch lebende Leonhard Tietz  seinen Erfolg zuschreibt, ist der, möglichst viele Verwandte in leitenden Stellungen unterzubringen, weil diese zuverlässiger seien alsFremde". Auch die bekannte Firma Hermann Tie tz hat einst zu diesem Verwandten-GeneralstabLeonhards" gehört. Als die Firma Leonhard Tietz   im Jahre 1905 in eine Aktiengesell- schaft umgewandelt wurde, hatte sie sich das Grundkapital von 10 Millionen schon selbsterarbeitet". DaS Aktienkapital wurde 1909 auf 12% Millionen und 1911 aus 17% Millionen erhöht. An der Berliner Börse   gelangten die Aktien 1909 zur Einführung. Der Reingewinn hat sich in den letzten acht Jahren verdoppelt. Er stieg von 907 242,27 M. im Jahre 1905 auf 1 841 426,80 M. im Jahre 1913. Mit dem Umfang der Entwicklung hat sich die Firma, deren Name früher mit dem von Schundwaren mehr oder weniger verknüpft war, immer mehr von dermarktgängigen Ware" abge- wendet und ist zu Qualitätswaren übergegangen. Tietz ist gesell- schasisfähig geworden. In einer Festschrist nimmt Herr Leonhard Tietz   von der Höhe seines Geldschrankes herab den Mund nicht wenig voll. Er schätzt sich selbst als Kulturfaktor ein und strebt danach, daß ihm auch der Titel eines Kulturträgers verliehen werde. Wir vermuten aber, daß er eher den eines Geheimen Kommerzienrats erreicht. Selbstverständlich werden auch die sozialen Einrichtungen zur Reklame herangezogen. Die Firma Leonhard Tietz   hat nämlich ein Ferienheim für weibliche Angestellte, das aber keinesfalls allen, die Erholung nötig hätten, zur Verfügung steht, sondern nur AuS- erwählten. Tie Löhne bei Leonhard Tietz   sind natürlich sohoch" wie in anderen Warenhäusern auch. Immerhin mag Herr Leon- hard Tietz als Rechtfertigung für sich in Anspruch nehmen, daß die Arbeitsverhältnisse in seinen Betrieben weitaus günstiger sind als die bei Kleinkaufleuten. Man denke nur an die Sonntagsruhe, gegen die sich die Krämer gerade jetzt wieder mit ihrem ganzen be° schränkten Fanatismus wenden. Tietz hat sie seit langen Jahren eingeführt. Was man auch gegen das Warenhaus sagen mag, es steht wirtschaftlich und sozial höher als der durchgängige Kram- laden._ Krisenzeichen. DerFrankfurter Zeitung  " zufolge hat sich infolge der ungünstigen Situation am Koksmarft der Essener Berg- WerksvereinKönig Wilhelm" in Borbet veranlaßt gesehen, die Koksöfen auf der ZecheChristian Levin" stillzulegen. Der Betrieb der Ammoniaifabrik wurde ebenfalls eingestellt. Infolge dieser Betriebseinschränkung ist eine Verringerung der Be- legschaft erforderlich geworden. Soziales. Wie man in Ostpreußen   dieLeutenot" bekämpft. Die Zeit der Feldarbeit naht heran; da müßte, sollte man meinen, den Agrariern daran gelegen sein, ihre Arbeiter etwas besser als sonst zu behandeln, um sie zum Bleiben auf der gesegneten Klitsche zu veranlassen. Daß dem nicht so ist. zeigt folgender Vorgang, der sich auf deni einem Herrn Reich gehörigen Gute Schwcsternhof bei Nautzken im Kreise Labiau   zutrug. Dort bekam am Freitag, den 3. April. der Arbeiter Schifkowski infolge eines Einsprungs im Rücken so heftige Schmerzen, daß er nicht weiterarbeiten konnte. Sch. schleppte sich nach seiner Wohnung und legte sich ins Bett. Am Sonnabend versuchte Sch. aufzustehen, mußte es aber unterlassen, da er sich wegen der Schmerzen nicht anziehen konnte. Gegen'/z6 Uhr abends erschien der Gutsinspektor Kepp in der Wohnung des Sch. und fragte, was los sei. Als ihm geantwortet wurde, Sch. sei krank, forderte Kepp die Kinder des Arbeiters auf, hinauszugehen, er werde den Vater kurieren, daß er gleich liegen bleibe. Der Arbeiter veranlaßte seine Kinder, in der Stube zu bleiben. Nun fiel der Inspektor über den im Bett liegenden Mann her, schlug ihn mit seinem eichenen Stock über den Kopf, versetzte ihm mehrere Faust schlage ins Ge- ficht und spie ihm auch ins Gesicht. Als der Arbeiter dann seine Wohnung verlassen wollte, um sich zum Arzt zu begeben, vertrat ihm der Inspektor den Weg. So blieb dem Manne iveiter nichts übrig, als durch das nach hinten gelegene Fenster zu entweichen. Der Arzt stellte fest, daß Ich. krank sei und verschrieb ihm eine Medizin zum Einreiben. Weiter stellte der Arzt Verletzungen fest, die von Stockschlägen herrühren können. Als der Arbeiter fortgegangen war, ließ der Inspektor das dem Sch. gehörige Holz fortholen und nahm ihm seine beiden Ferkel aus dem Stalle. Sch. hatte die Schweine vom Gute gekauft; 20 M. hatte er darauf be­zahlt und die restlichen 16 M. sollten ihm nach Verabredung von seinem 23 M. betragenden Lohn abgezogen werden. Für den ganzen Monat März aber hat Schifkowski keinen Lohn bekommen. Der Arbeiter trug zunächst sein Anliegen dem Gemeinde- Vorsteher vor, der über die ihm bekannten Zustände auf dem Gute Schwesternhof nur den Kopf schütteln konnte, sind doch in ganz kurzer Zest drei Familien wegen ähnlicher Behandlung diesem Paradiese entflohen. Natürlich hat der Arbeiter Strafanzeige gegen den gewalttätigen Inspektor gestellt, dessen brutales Vorgehen noch den Beifall seines Herrn fand. Auch wird wegen des dem Arbeiter zugefügten Schadens sich das Gericht mit der Angelegenheit befassen. Da jammert das Junkertum in den kläglichsten Tön« über die angebliche Leutenot und peinigt die geknechtet«