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Nr. 29.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertele jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. frei in's Haus. Einzelne Mummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit flluftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Bfg. Post- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Preuss band: Deutschland u. Defterreichs Ungarn 2 tt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. tn der Boit- Zeitungs- Breisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raunt 40 Bfg., für Vereins: und Beriammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferare für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Gppedition abgegeben werden. Die Erpedition ift an ochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Bore mittags geöffnet. Fernspredjer: Amt I, 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Der Junker von heute

und gestern.

Sonntag, den 4. Februar 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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nehmen de Verwendung von Fußtruppen hatte den Rittern"| zehn Jahren nicht losgelassen. Fünf oder acht Mal im Jahre den Existenzgrund entzogen. Jetzt faßen sie als halbe erhalten sie Fleisch, oft vont frankem oder halbkrepirtem Bauern auf ihren Hufen. Das verdroß sie. Sie schrien Bieh. Lohu bekommt dieses Zwangsgesinde nicht, und es wurde ihnen geholfen. Dienste, welche bisher die nur eine kleine Entschädigung. Im 18. Jahrhundert Bei unseren Bourgeois- Bäuchen gilt noch jeder echte, Bauern dem Landesfürsten geleistet, wurden ihnen beträgt diese für eine Magd jährlich 3 Thaler rechte Wald, Wiesen, Stauden- und Krautjunker für ein zugewendet, es wurde ihnen gestattet, wüste Bauern 8 Groschen; dafür muß sie sich für 2 Thaler zwei Wesen höherer Art; und steckt er gar in zweierlei Tuch stellen zu ihren Hufen zu schlagen, sie konnten Paar Schuhe kaufen, das andere gehört ihr. Die Bauerns und versteht er die Hacken anzuziehen und sich verneigend Bauern austaufen, vertreiben oder legen". Das freundlichkeit der Herren Junker kennt keine Grenzen. In überzuklappen wie ein Taschenmesser, so ist er ein kleiner ging ganz glatt, denn die Ritter besaßen ja die niedere Holstein spielen sie im 18. Jahrhundert um Leibeigene, Gott, und der schwerste" Jubelgreis watschelt sich die Gerichtsbarkeit. Jezt hatten sie viel Land und sie zahlten in Pommern wird einmal eine ganze Bauernfamilie gegen Stiefeln ab, um den Göttersohn für sein Töchterlein ein- dafür nicht einmal Steuern. Aber das Land warf für sie eine Koppel Jagdhunde vertauscht und 1746 schreit ein sufangen. nur geringen Nutzen ab, es konnte nicht ordentlich bestellt Edelmann einem Unterthanen, der ihm nicht sein Vatererbe Und was der Spießer glaubt, davon ist der Junker werden, denn die Dienste, zu welchen die Bauern verpflichtet ausliefern will, ins Gesicht: Du Hund, Dein Hemd auf selbst felsenfest überzeugt. Und er hat, von seinem Stand waren, sind nur gering. Und wieder schrieen die Ritter. Deinem Leibe gehört mir." Lieber 10 Jahre im Zucht­punkt aus, gewissermaßen Recht. Schier alles hat sich ge- und abermals fand ihr Rufen ein geneigtes Dhr. Mit hause arbeiten, als 2 Jahre Ew. Gnaden Unterthan sein", ändert im Laufe der letzten Jahrhunderte, er ist sich selbst Genehmigung der Landesherrn vermehren sie die Dienste sagt ein oberschlesischer Bauer zu seinem Gutsherrn. Eben­tren geblieben. Wie vordem betrachtet er den Staat als der Bauern mehr und mehr. Wer von den bis dahin im dort werden noch um 1782 die todten Bauern in eine von milchende Kuh, den Staat, der ihm eine hervorragende allgemeinen freien Bauern sich nicht fügen will, wird durch Mistbrettern zusammengenagelte Kiste gelegt und alsdann Stellung, Ehre und Ansehen garantiren, ihm Reich- List, Pfiffe und Kuiffe so lange gedrückt, bis er auswandert, begraben. thum und alle Annehmlichkeiten des Lebens ver- oder er wird einfach hinausgeworfen. Recht erhält er Das ging so lange, bis sich der Staat einmischen schaffen und zuschanzen muß, ohne daß daß er als nirgends. Noch 1763 werden in Pommern seine Klagen mußte. Er brauchte immer mehr Soldaten und Gegenleistung auch nur einen Finger rührt. Ihm gebühren von den königlichen Gerichten nicht einmal angenommen. Die die konnten ihm die ausgehungerten, ausgemergelten alle Posten beim Zivil und Militär, die wenig oder gar Dienste, Lasten und Frohnden" werden solange vermehrt, bis Unterthanen" nicht liefern. Und so beginnen denn seit der feine Arbeit erfordern, dafür aber umso mehr Macht ver- durch sie der gesammte Ritterbesih bewirthschaftet werden kann. Mitte des vorigen Jahrhunderts die Versuche- zuerst auf leihen und Geld abwerfen. Er glaubt, das Getreide, welches Aber der Ritterbesitz kann sich ändern und er ändert sich den Staatsdomänen, den Bauern Eigenthumsrechte zu andere für ihn bauen, gelte zu wenig, und der Staat muß auch thatsächlich, er wird immer größer. Darum dürfen verschaffen. Mit dem Martinitag 1810 hörte alle Unter­Brotzölle einführen, damit die Preise hinaufschnellen. Er auch die Frohnden nicht fest bestimmt werden, sie bleiben thänigkeit in Preußen auf. Die Junker hatten anfangs will mit seinen Arbeitern umspringen, wie mit Stlaven, ungemessen; der Bauer hat sich dem Gutsherin jederzeit den wüthendsten Widerspruch geleistet. Als aber 1821 die und der Staat darf nicht einmal auch nur daran denken, zur Verfügung zu halten. Natürlich nutzt der Junker das Stein- Hardenberg'sche Reform zu Ende geführt war, ergab die Gesinde Ordnung aufzuheben. Er braucht billige Ar- Geseß, das er sebst gegeben, aus bis zum Aeußersten. Die es sich, daß die Gutsherren davon den Hauptvortheil hatten. beitskräfte, denn er will sein Leben genießen; darum muß Frohndienste wachsen bis zu sechs Tagen in der Woche an, Die spannfähigen Bauern mußten ihr Eigenthumsrecht durch auch das Koalitionsverbot für ländliche Arbeiter bestehen der Bauer arbeitet für sich am Sonntag oder in hellen Abtretung eines Drittels oder der Hälfte ihrer Höfe er­bleiben. Er trinkt fürs Leben gern Seft, spielt, hurt und Mondscheinnächten. taufen, die nichtspannfähigen Bauern blieben frohn­treibt sich auf den Rennbahnen herum. So kommt er zu Jezt bleibt nur noch eins übrig. Die ganze errungene belastete Nutznießer wie vor und eh. Die Nitter­Echulden. Das ist bitter. Darum muß der Staat seine Herrlichkeit des Junkers wird hinfällig, wenn es den güter wurden abermals vergrößert und die von der Währung verschlechtern, damit er sich mit der Hälfte oder Bauern freisteht, die ihnen aufgebürdeten Lasten abzuwerfen Befreiung" ausgenommenen Kleinbauern konnten die weniger lösen farn. Nutzt auch das nichts, so muß der dadurch, daß sie einfach davonlaufen. Das darf unter Junker legen" nach Herzenslust. Sie thaten es und Staat all' seine Schulden in Bausch und Bogen über keiner Bedingung geschehen. Der Bauer wird also an die schufen sich so jenen Stamm von Büdnern, Kossäthen und nehmen und darf ihm dafür ein standesgemäßes Scholle gefesselt und darf sich ohne Erlaubniß des Guts- Justleuten, der ihnen noch heute ausgeliefert ist auf Gnade Leben garantiren. So gehört es sich, so gebührt's herren nicht von seinem Hofe entfernen, er wird unter- und Ungnade. sich, das ist sein Recht; denn er ist die älteste, festeste, thänig", in manchen Gegenden ein Leibeigener, treueste Stüße von Thron und Altar solange seine dessen Lage sich von der eines Sklaven in nichts unter Säckel gefüllt werden. Der erste Widerspruch, und er muckt scheidet. Die Junker haben es durchgesetzt, daß die einst auf, die erste Versagung eines Wunsches, und er wird zum mals freien Bauerngüter jetzt ihnen rechtlich gehören; die Demagogen, und seine Empörung fennt keine Grenzen. Bauern werden von ihnen daraufgesetzt, entweder lebens­So ist es heute, so war es gestern und ehegestern, seit länglich, oder auf Zeit mit halbjähriger Kündigung; sie der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, als im Nord find blos die Nutznießer und bezahlen dieses Recht mit den often Deutschlands die junkerliche Gutsherrschaft zu ent- Frohnden, die sie leisten. Sind ihre Kinder heran­stehen begann und damit der kapitalistische Großbetrieb in gewachsen, so wählt sich der Junker diejenigen aus, welche die Erscheinung trat. Das Rittergut war ursprünglich klein. er als Dienstboten auf seinem Gute brauchen will. Sie Manches umfaßte kaum sechs Hufen. Die immer mehr zu müssen bei ihm dienen und werden vor sechs, acht, auch

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Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Frau v. Lermina erhob sich zuerst und murmelte etwas von Ungezogenheit.

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nicht. Im Jahre 1824 verlangen die schlesischen Gutsbesitzer Natürlich genügte das den Nimmersatten noch lange zur Einrichtung des an sie abgetretenen Bauernlandes Staatsgelder zu 2 pCt.

Die Zeiten sind vorübergerauscht, die Junker sind ge­blieben wer sie waren und was sie waren. Wie sie heute über die Sachsengängerei" jammern, so klagten sie schon 1808. Ueberall ist jetzt die größte Noth um Tagelöhner und Drescher", schreibt einer der Ihren an die Regierung. Wenn die Bauern Eigenthümer werden und also nicht mehr wegen Widersehlichkeit exmittirt werden können, so

lag auf seinen geschwungenen Lippen, aber es war nicht jener fräftige, gesunde, wehrhafte Haß, den man für den gleichgearteten, gleichgerüsteten Feind empfindet, es war der feige, erbärmliche Haß, der in dem dünkelhaften Gebieter gegen den rebellischen Sklaven emporbraust, dessen Existenz in seine Hände gelegt ist und den er vernichten kann. Was Du mir da gethan hast, absichtlich absi lich!" wiederholte er mit stärkerem Akzent, das ist eine Jufamie!"

Die Hausfrau suchte zu beschönigen und zu begütigen: ( Alle Rechte vorbehalten Helene sei überreizt, ein wenig hysterisch. Helene. [ 34 Lassen Sie sie jetzt," sagte sie zu Hartmann, der, faft weiß im Gesichte, auf sie zutreten wollte," gönnt Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky . ihr doch einige Ruhe, sie wird sich schon selbst zurecht Der Minister hatte wie gewöhnlich neben Helene finden." Platz genommen und während die Uebrigen sich immer Exzellenz," wandte sie sich an den Minister, erweisen lärmender gaben, flüsterte er ihr leise, abgebrochene Worte Sie mir die Ehre, meine Orchideen anzusehen, sie sind herr- Er machte eine schlingende, kauende Bewegung, als müsse zu, mit den Augen erläuternd, was ihnen an Deutlichkeit lich, und ich weiß, Sie theilen die Passion Ihrer Frau für er einen Theil seines Zornes verschlucken, damit er nicht fehlte: diese Blumen." zu heftig sich entlade. " Ihre Gegenwart verjünge ihn er könne sie nicht Der Minister hatte seine Ruhe und sein Lächeln wieder Du wolltest mich treffen, wo ich am empfindlichsten mehr missen er trage sich mit einem Plan-die Aus- gefunden. bin... meine Karrière wolltest Du vernichten Ich führung würde sie alle befriedigen- fie möge ihm Gelegen­wußte, daß Du zu dumm bist, um meinen Ehrgeiz zu be heit geben, ihn vor ihr zu entwickeln greifen daß Du so schlecht bist- das wußte ich und als sie stumm und unbeweglich blieb, griff er zitternd nicht aber Du sollst mich nicht schädigen... Du sollst nach ihrer Hand. mich nicht mit den Lerminas entzweien Du kannst mir feinen Ersatz für sie bieten... Du wirst den Minister um Entschuldigung bitten."

Sie entzog sie ihm.

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Es ist merkwürdig, wie meine Frau und ich in allen heute noch ästhetischen Fragen zusammen gehen," sagte er, wir haben ein gleiches Schönheitsideal und das macht unser Zusammen leben so erquickend.

Und die Exzellenzfrau sah über ihre vollen Schultern " Ich bin krant, entschuldigen Sie mich," sagte sie auf ihn zurück und dankte mit einem verschämten Lächeln. tonlos. Der Vorschlag Sidonies, die Glashäuser zu besichtigen, Was haben Sie, was ist das mit Ihnen? Erlauben war von allen beifälligst angenommen worden und man be­Sie mir Ihren Puls." Und er griff beherzter zu, faßte gab sich dahin. ihre Hand und hielt sie fest.

Er wollte ihr den Puls fühlen und konnte ihn nicht finden; seine falten, zitternden Hände, die seine Aufregung verriethen, griffen an dem kleinen, warmen Händchen herum, während seine lüfternen Augen sich an der zarten Rundung des Armes letzten, den die zurückfluthenden Spigen ent­güllten.

Lassen Sie mich," stammelte sie, aber als sie sein Blick maß und meistern wollte, entriß sie ihm ihre Hand in so heftiger Weise, daß er gegen die Lehne des Sessels urücktaumelte.

Sie erhob sich, verließ den Tisch und stellte sich an Jas Fenster. Es war still geworden rundum.

Der Vorfall berührte auf das Peinlichste und umso­nehr, da Exzellenz ganz vertattert schien.

Morre wollte Helene seinen Arm anbieten, aber sie hatte ihn mit einer Bewegung des Kopfes zurückgewiesen und blieb allein.

Sie blieb am Fenster stehen, den Kopf gegen die Scheiben gedrückt; ihr Herz klopfte in wahnsinnigen Schlägen und die Sinne drohten ihr zu vergehen.

Da trat Erich herein und ging auf sie zu.

Eein schönes Gesicht war entstellt und in seiner Haltung, in der Geste, in der er ihr gegenüber trat, drückte sich die ganze Wuth und Brutalität des Mannes aus, der in dem Weib, das er als sein Geschöpf betrachtet, den Widersacher entdeckt hat, der es wagt, seinen Plänen entgegen zu handeln und den zu beleidigen, von dem er schweifwebelnd Gunst und Beförderung erwartete. Haß sprühte aus seinen unnatürlich vergrößerten Augen, Haß

" Ich ihn!"

Du

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ihn ich will es!" Ihre Brust hob sich, die Nasenflügel zitterten und aus den Augen loderte jener wilde, leidenschaftliche Zorn, der nach nichts fragt, nichts mehr beachtet, und es als Wollust empfindet, in ein Wort zusammenzufassen, was sich da an Qual feit langem gehäuft hat.

Und wie ein Pfeil dem Munde entfliegt, mit dem ganzen Ueberschusse nervöser Kraft schrie sie ihm zu: Geh' ich verachte Dich!" Er prallte zurück.

Mich- Du- Du!" es schien, als wolle er auf sie losstürzen, um sie zu züchtigen.

War es ihr Blick, der ihn bannte, er ließ die schon erhobene Hand finken und dumpf, zwischen den Zähnen knirschte er:

Das sollst Du mir büßen!" Er verließ den Pavillon.