Nr. 313— 1917
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Unterhaltungsblatt öes vorwärts
Mittwoch, 14. November
Das Papierhemö.
Ei» sröhlichcZ Trauerspiel von T ff. Thomas- Frankfurt a. M. Seit zwei Wocken s»on war Hermine Hübner in der Stadt umhergesaust, um siS ein Himb zu Beforgen. Bei den Bezugschein. stellen wurde sie nach etlichen Scherereien Bedient, Sie muhte fiinf Formulare unterschreiben und eine eidesstattliche Versicherung ab- geben, dah sie nur ein Hemd Besitze, Aber nun Begann die Sücherei »n den Warenhäusern und Wäschegeschästen, Ta« war nicht so leicht, Erstens war fast nichts da, wenn sie ober schließlich da» Siewünschte gefunden zu haben glaubte und den Preis hörte, ließ sie es cnt- täusch! liegen. Endlich erstand sie aber doch für neun Marl »in schönes Hemd. Es war ein bißchen steif und ungelenkig, aber ed schien ihr doch das beste und billtgste von allen. Es hatte schöne Spitzen und auf der Schuller zwei herrliche Perlmutterkuöpie. Als sie e» zu Hause ihrer Nachbarin zeigte, gab ihr diese den guten Rat, es erst mal gründlich tu klarem Wasser ohne Seife aus- zukochen. Dadurch ginge die Stärke und der»tlcisier heraus, denn so tonne daS Reibeisen doch kein Mensch auf der Haut tragen. Da§ leuchtete Hermine»in. Das, daS neueste Stüik ihrer Wäsche von Papier war. das wußte sie nicht. Man sah«S den duftigen Spitzen auch nicht an. Frau Hübner traf sofort die nötigen Anstalten, den Rat ihrer Nachbarin auszuführen. Hierauf trat sie beruhigt und mit der fröhlichen Aussicht auf baldigen Wäschewechsel ihren Dienst an. Vorher stellt« sie, wie sie es immer tat, für ihren Mann und die Kinder daS Abendbrot zurecht. Gegen sieben Uhr kam Hübner, der als Steinträger schwer arbeiten mutzte, mit einem anständigen Kohldampf nach Hause. Wie üblich, griff er sofort na» dem Topf in dir Röhre. .Donnerwetter' dachte»r.da hat die Alte aber wieder mal einen schönen Fratz zurecht gemacht. Sind denn daZ Nudeln, oder ist da? gequellter Kartoffelbrei? Er entschied sich tür KrtegSnudeln. IedcmallS legte er sich mal gründlich hinter den Topf, nachdem er die geichmactlos« Vrüh« mit Salz und Fwiobeln bearbeitet hatte. Auch die Kinder, die inzwischen auZ dem Hort nach Hause gekommen waren, löffelten anfangs tüchtig drauf los. Bald jedoch erklärten fie, heuie leine« grossen Hunger zu halben. .Es ist halt wieder einmal so'n Suppenersatz. Kinder macht die Augen zu und eht, S' is halt Krieg.' Aus einmal wurde er stutzig. Er fand in seinem Löffel einen Perlmuttcrknopf. .Da soll doch der Teuf«! relnfahren', sagte er,„wie kommt nu der Knopf in den Topf? Ich soll mir wohl gleich die Därme an den Magen nähen? DaS beste wär'S schon bei dein Futter.' Während er noch schimpfte, leuchtete ein zweiter Knopf itt seinem Löffel..Nu fehlt blotz noch Nadel und Zwirn, dann fange ich eine«igen« Schneiderei an', fluchte August Hübner. Er stellte den Topf weg. E« blieb noch»in Nest drin, aber August war satt. Im Hals« blieb ihm«in fader Geschmack. Er schaute sich nach was zu trinken um, dabei fand er in der Rühre einen Napf Kar- toffeibrei mit einem schönen Stück Rindfleisch. .Schau, schau', sagte er zu den Kindern..daS war nur di» Suppe.' Nun legten sie alle zusammen nochmals los, diesmal atzen auch die Kinder mit grötztem Appetit, fie hatten auf einmal wieder Hunger. Nack dem zweiten Gang steckte sich August seine Pfeife an, griff zur Zeitung und machte sich�S einige Minuten bequem. Zwei Stunden später, die Kinder hatte er schon z» Bett gebracht Und sich über ihre Schuhs hergemacht, kam seine Frau nach Hause. Nachdem sie abgelegt und den Rest des Kartoffelbreies verzehrt hatte— er schusterte inzwischen drautzen auf dem Vorplatz fest« drauf los wollt« sie das Hemd herausnehmen, um es zum Trocknen über den Herd zu hängen. Das Hemd war weg. Der Topf, in dem sie es gekocht hatte, leer... .August!' rief fie in den Vorplatz,.hast Du mein Hemd her- ausgenommen?' .Ich ein Hemd, was für ein Hemd?' .Run, mein neues, ich hob's zum Kochen beigesetzt, nu is eS weg.' .Ein Hemd? Ich Hab kein» Ahnung.' »Sind denn die Kinder etwa beim£>fen gewesen?' »Nee, die Hab' ich gleich zu Bett gebracht.' „Ja, wo ist eS denn da? Hier in dem Topf war»».' „In dem Topf... in dem Topf...?* »Freilich in dem Topf, hast Du'« doch'raus genommen k' »In dem Topf... in dem... ein Hemd?' .Ja. ja, nu verzieh' doch nich da« Gesicht, als ob Du einen Frosch verschluckt hättest. WaZ i« denn loS, is eS Dir schlecht?' A®tii Hemd, in dem Topf, das.., daS haben wir auf- gegessen.'
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.Hör doch mit Deine schlechten Witz« auf...' .Wenn ich Dir sage, bier sind noch die beiden Knöpf«.. .MenschenSkind, bist Du denn, seid ihr denn... nee,
neee.
kam dann etwa? Weißer wie das
Hübner mutzte schnell einmal hinaus. Er erleichtert wieder. Sein Gesicht war käseweiß. Hemd. Sprachlos standen sie da und schauten sich tief in die Augen. Aber nicht lange, dann mutzte August wieder hinaus. Als er herein kam, fingen sie alle beide an zu lachen, wie fie in ihrem Leben noch nicht gelacht hatten, dann ging e« bei Hübner auf der andern Seite loS— er verschwand neuerdings. Als er endlich wieder in die Küche trat, meinte er, er sei doch froh, daß«S blotz ein neue« Hemd gewesen wäre.... Sie untersuchten nun beide den Tops. Auf dem Boden klebie «ine dick« klefftsnas Masse, das letzte Andenken an das schone Hemd. Am nächsten Tag raste Hermine wie toll in da« Warenhaus. Sie wolle Ersatz haben, schrie sie den Abteilungsleiter an... »Ich habe ein Leinen-, aber kein Papierhemb gekauft.' .Ger»,' meinte der Herr,»wir tauschen Ihnen da? Stück mit Bergniinen um. Bringen Sie eS nur wieder zurück.' .Aver eS isi nichts mehr davon da,' antwortete fie empört,»eS ist verkocht zu Brei.' .Ja dann tut es mir leid, wirklich leid. Papierwäsche darf nicht gekockt, sie darf nur lau gewaschen werden, dann hält fie sich sehr lange.' Sie bekam keinen Ersatz, nur dl« Verkäuferin erhielt einen An- schnautzer, weil sie»Madam nicht aufmerksam gemacht Hab», datz in dieser Preislage nur Papieriväsche zu haben ist.' Auch ein neuer Bezugschein wurde ihr verweigert. Als fie dem Beamten ihr Mißgeschick erzählte, sah er sie scharf über die Brille weg an und meinte,»ob sie glaube, datz er nicht von hier sein tue und ob sie überhaupt f...., wenn Sie die Hemden aufeffen. dann wenden Sie sich in Zukunft an di« Abieilting für Lebensmittel. gleich nebenan Zimmer 14..." Hern, ine hat immer noch kein Hemd. August Hübner ober schaut jetzt genau jeden ABend in den Topf Und wennS den Kindern mal nicht schmeckt, fragen sie oft: .Vater guck doch mal zu, oB nicht wieber'n Hemd verkocht iS...'_ £in �/wöreas Hofer�deama Im Nose-Theater. Am 22. NovemBcr vor hundertsünfzig Jahren wurde der Land« Wirt Hoser geboren. Dieser Gedenktag wird jetzt ein stärkeres Echo in denifchen Landen wecken, als vor dem Kriege die Erinnerung an den Tiroler Freiheitskampf von 180L, dessen Seele eben Hofer ge- ivesen ist. Der gewaltigen Zeitstimmnng dürfte da« siinfaktige Hofer-Drama de« SchwaBe» Walter Lutz, vaS nun hier im Rose-Thealer gegeBen wird, Rechnung tragen. Obgleich ja derselbe Stoff ichvn nrehrfach Behandelt ist— in dramatischer Forin von JmmerMann und Schönherr, ol« Roman von Robert Schweichel und Peter Rosegger. uin nur die Bekannlesteii zu nennen— so geht Lutz doch' eigene Wege. Nach erfolgtem Friedensschluß zwischen Napoleon und Oesterreich, al« sich herausstellt: Tirol sei Frankreich zugefallen, hebt die Schürzung der AusstandSbewegung an. Hofer hatte, an der Rettung semcS Volkes vorn FetüdeSjoch verzweffelnd, sich ganz zurückgezogen. Die einen nannten Ihn einen Zauderer, ja Landesverräter, die andern, zumal seine alle Mutier, Suchte» ihn davon abzuhalten, mit den Tirolern gegen die Fran- zosen gemeinsame Sache zu machen. Schließlich aber Ivitd er doch wieder hochgerisicn von der höher und höber aufschwellenden Frei- heitSBewegung— und die Heimat hat ihn wieder. Der dritte Akt zeigt un« dies« Umkehr und Läuterung. An der Spitze seiner treuen Tiroler Schützen eilt er zum Kampfe argen Napoleon« Schoren. Der Ausbau des Dramas, Nebetlsächiich» leiten nicht verschmähend, namentlich trt einigen Aultaktszenen, wo Hofer von seiner menschlichen Seite und im Kreise seiner Angehörigen gezeigt wird, geschieht ,n konsequenter Steigerung und vermag daS Interesse für alle Vorgänge bis zum Schlüsse wachzuhalten. Bei der erste» Vorstellung gab cS freilich noch mancherlei Verzögerungen auf Kosten darstellerischer Geschlossenheit. Indessen wuchs Bernhard Rose zusehends in feine schwierige Aufgabe als Landwirt Hofer hinein. Neben ihm bewährren sich Melanie Kurbaum sHoferinj, Paul Ceblin sZallingers, Karl Berger(Kapuzintrpater). Karl Haeber- lein lSpecküacherj. während Artur Winckler al» Raffl einfach eine vorzügliche Eharakterletstung bot. Der Erfolg stellte sich»in und blieb lebhaft bis zum Ende.__ ek. Eine flugwisseaschastliche§o?schungsanftalt. Den Flugzeugwerken Enoch ThulinS in LandSkrona (SchwedenZ ist jüngst eine flugwissenschaflliche ForschungSanstalt angegliedert toorven. von der man sich in Schweden eine bedeutende Förderung
de« Flugwesens verspricht. Es gibt bereits in verschiedenen anderen Ländern ähnlich« Anstalten, nnd selbstverständlich beschäftigen flch die Heeresleitungen aller kriegführenden Völker auch mit der Wiste»- schaftlichen Erkorschung des Flugwesens. Bon allen Anstalten dieser Art, dl« sich in Privathand befinden, ist die schwedische jedenfalls di« grötzie, denn sie ist sogar bedeutender als die ber amerikanischen Curttß-Gesellfchast. Was den Arbeitsplan der neuen Anstalt betrifft, so umfaßt er das Flugwesen in setner Gesamtheit: alleS, wa« sich auf die Geschwindigkeit, da» Gewicht, daS Trag» und Steig- vermögen von Flugzeuge», auf die Wirkung de« Luftioider- stand«?, die Gkeichgewtchtsbedingungen ufw. bezieht, soll hier durch Versuche genau erforscht werden. Während man früher die Versuche in der Weise anstellte, datz man Flugzeuge oder deren. Modelle stiegen oder«inen Gleitflug ausführen Uetz, hält sich die Anstalt in LandSkrona an da« neue Verfahren, bei dem das Flug- zeug, der Flugzeugtcil oder daS Modell sich nicht fortbelvegt, sondern statt dessen mit einem Riesengebläse ein starker Windstrom gegen den Untersuchungsgegenstand gerichtet wird. Dabei sind die Be- dingungen die gleichen, als wenn die Luft still stünde und der Unter- suchungsgegenstand durch sie bewegt toürde. In der Forschungsanstalt, die für Versuche dieser Art einen grotzen Raum von bS mal lö mal ü Meter Abmesiungen zur Verfügung hat, werden zwei arotze, elektrisch angetriebene Gebläse tür diesen Zweck verwandt; daZ grössere davon hat solche Abmeffunge», daß ein bespannter Wagen darin bequem Platz hat. Die Windstärken, die damit erzeugt werde» können, gehen biS zu der eines Orkans von rund IllO Kilometer in der Stunde. 7 Trillionen Körperchen in einem kubikmillimeter. Kurze Zeit vor Beginn des Weltkriegs ist in Deutschland eine wiffenschaflltche Entdeckung von derartiger Tragweite gemacht worden, datz höchstens, die der unsichtSaren oder Röntgenstrahlen ihr noch an die Seite gestellt werden kann. Die Jahrtausende alte Frage, wnS wir den» antreffen, wenn wir einen Stoff in kleinere und immer kleinere Teilchen zerlegen, diese Frage, über Ivelch« bereits die griechischen Phtloiophen Lukrez und Epikur in scharfsinnigen Vermutungen sich ergangen haben. ist heute experimentell gelöst. Schon die Alten hatten jene kleinsten nicht mehr teilbaren Köeperteilchen Atome ge- nannt, aber schlietztich war vtS in die neueste Zeit hinein die Existenz solcher Atome zwar von allen Gelehrten angenommen, ober doch nie bewiesen worden. Der Physiker M. v. Laue hat ein Mittel er- sonnen, um die Moleküle der Stoffe, wie man die kleinsten frei vorkommenden Körperteilchen heute nennt, tatsächlich nachzuweisen und ihre Anzahl feststelle» zu können. Die Versuche, mit den stärksten Mitroikopen diese Klirpeneilche» erkennen zu wolle», sind vergeblich. da viel stärker« Vergrützerungen. als uns zugänglich sind, hierzu erforderlich waren. Da aber in den Kristallen die Moleküle wohl zweifellos regelmäßig angeordnet sein müssen, so müssen Lichtstrahlen, die man durch ein derartiges Gitterwerk hin- durchsendet. auch eine bestimmte Peeinflussuiig erfahren; der Physiker sagt, sie iverdkn gebeugt. Diese BeugungSerscheiuungen gestatten aber ganz geitau die Anfnhl der sie verursachenden Körperchen fest- zustellen. In einen: würselühnlichen Kochsaizkriställchen von 1 Milli- meler Dicke wiederholt sich die von je einem Teilchen erzeugle BeUgUngswirkung tu einer Längsseite l.S millionenmal. Hieraus kann ma» die Anzahl der Teilchen berechnen, die sich in dem ganzen Wiirfelchen befinden, nämlich 1,8X't. 8X1,8 Millionen oder etwa 7 Trillionen sTrillion= 1 Million Billionen; Billion— 1 Million Millionen),«ine Zahl von so ungeheurer Größe, datz kaum einc Vorstellung von ihr möglich ist.
tlotlzeti. -—Ein« Bolksbühn« Ist nach der..Kölnischen Zeitung" vom stellvertretenden Generalkommando tti XXI. und Xyi. Korpsbezirks geschaffen und im Saalbau Saarbrücken vor Ar- beitcrn mit rmcr Aufführung von„Millna von Barnhelm" eröffnet worden. — Die Universität Warschau hat am Sonntag ihr Wintersemester feierlichst eröffnet. — Spate Einsicht. Ein« Anzahl englischer Gelehrter haben ihre Beziehungen zu deutschen Akademien und Wissenschaft« lichen Vereinen abgebrochen, weil„der deutsche Professor" dem deutschen Gehirn die UeberzeugUng der deutschen lieberlegenhett «inachämmert Und nicht gegen die VölkerrechtSverletzungen pro- testiert habe. Haben di« geehrten Herren drei Jahr« hindurch nicht einsehen gelernt, datz man für Verfehlungen Einzelner nicht die ganze deutsche Wiffenschaft veranttvottlich machen kann und datz „die englischen Gelehrten" ebensotvenig vor wie nach KrieaSauS- bruch die VotkerrechtSverletzung-en ihre« Lande« gebrandmarkt habe» t
Die tvelfthe Nachtigall. Der Roman eine» sterbenden Jahrhunderts. 37] Bon R. Francs. ..Michalandky? Ist das nicht ein früherer Studiosus, jetzt Baucrnadvokat?" frng Kratz scharf dazwischen. „Allerdings ist er mir bekannt," antwortete geschmeidig der sein Ziel beharrlich verfolgende Graf. „DaS ist ja ganz ein gemeines Subjekt.' polterte der Oberst rücksichtslos heraus,„ah fein, datz wir den haben, den Kerl last' ich nicht mehr aus. Der hat ja voriges Jahr den Laupbart in infamster Weife uns entlockt mit den falschen Zeugen, datz die Werber ihn betrunken gemacht hätten. Mein Prinz, den Mann bitte ich mir aus. Den armseligen Schlucker von Studenten mag man laufen lassen, diese Hungerleider machen immer eine traurige Jigur als Soldat, aber der MichalanSky gibt einen derben Kerl im Bataillon, kenn' ihn wohl, ein durchtriebener, kräftiger Schlingel." Morawitzky blickte hilflos auf den Statthalter. „MtchalanSkli ist ja ganz unschuldig." begann er.„der andere aber ist jcdeisSfallö ein Revolutionär." „Herr Graf, lassen wir doch cinnial beide in Hast," ent- schied der Statthalter,„biS wir Klarheit haben über das ge- plante Attentat. Jedenfalls bitte ich nun Bericht auch über den Dr. Wtdmont. DaS scheint mir augenblicklich daS Wich- tigste. Was ist mit dem?" Morawitzky kramte verzweiflungsvoll in den Akten; sollte hierüber dock, ctwas bekannt sein? Wie kam der Statthalter doch nur immer wieder auf diesen ihm noch nicht vor- gekommenen Namen? Aber er fand nichts und endlich be- kannte er: „ES sind nur zwei Subjekte verhaftet und-- über Dr. Widmont werde ich sofort recherchieren lassen.' „Ah. das ist stark," rief nun der enttäuschte Herzog,„hier pfeifen eS die Spatzen auf allen Dächern, datz Widmont der gefährlichste Konspirateur im ganzen Lande ist und meiner eigenen Polizei ist nicht das geringste davon bekannt. Herr Graf, ich sehr gerade genug, ich würde diese Untersuchung am liebsten selbst leiten, jedenfalls bitte ich, die beiden In- haftierten, namentlich diesen merkwürdigen Polizetbcamten. für dessen Kennzeichnung ich bestens danke"— er nickte zum
Oberst—„strengstens besvachen zu lassen. Bon Hast' entlassung kann nicht die Rede sein.. Und damit gab er hoheitSvoll das Zeichen, daß daS Referat zu Ende sei, denn der Kainmerbtener brachte, be stochcn von der des langen Wartens überdrüssigen Sängerin die Meldung CrollalanzaS, datz er die gewünschte Dame zur Stelle geschafft. Mit Morawitzky ging auch der Obrist , nicht ohne beim Abschiedshändcdruck zu seinem Prinzen zu sagen: „Also auf den langen Kerl, den MichalanSky, kann ich rechnen?" Morawitzky stürzte hinaus und zog ohne Rücksicht auf den mit ihr gerade eifrig redenden Professor Lison zur Seite: „Alles ist schief gegangen, er will den MichalanSky unter die Soldaten stecken. Es hängt jetzt alles von Ihrem Erfolg ab." Weiteres»vurde ihm von dem Türsteher abgeschnitten. der nun in den Saal rief: „Mademoiselle Elise Dury de Haussonville I' Ein letzter Blick in den Spiegel und Lison rauschte an- mutig durch die Türe. Der Statthalter hatte, soweit ihm das die Zeit erlaubte, eine besonders vorteilhaft imposante Haltung angenommen. Er stand, den Arm in die Seite gestemmt, in dem anderen eine der rasch ergriffenen Akten haltend, wie sinnend vor dem Thron. Kaum aber hatte er Lison erblickt, die eine tiefe Verbeugung machte, alS er Haltung, Würde, alles vergast, den Akt hiinvarf und ihr entgegeneilte: „Marie Therese, meine kleine Marie Therese, Du hier? So müssen wir uns wiedersehen?" Lison schrie vor Erstaunen leise auf., „SigiLmondo I Ich dachte den Herzog von Hcgnenberg zu finden und finde.. „Den Grafen SigtSinondo von Sana, nach unserer Herr- schaft Lana in Tirol— gewitz, ich bin beides, nur hatte ich damals, da mein Bruder noch lebte, das Majorat noch nicht angetreten." Er hatte ihre beiden Hände erfaßt und blickte ihr zärtlich in die Ailgen: „Wie schön Du bist, kleine Marie Therese. schöner alS vor fünfzehn Jahren. Aber warum kleine Demoiselle DuboiS jetzt Elisa de Dury?" „Nach meinem Gatten, der in Flandern fiel' sie etwa» verlegen. Und auf einen erstaunten
Herzogs:„Wir waren nur ganz kurz, eigentlich gar nicht verheiratet— und dann... Dury de Haussonville klingt auch besser." „Aha. Künstlername", lachte Hcgnenberg.„Kleidet Dich famov, wie alle».... Uebrigens, ich darf doch ivohl noch Du sagen, kleine Hexe?" „Obwohl Sie mir damals durch Ihre plötzliche Abreise viel Kummer bereitet haben, Graf, ah herzogliche Hoheit." „Lasse das, für Dich bin ich nach wie vor SigiLmondo und Du meine kleine süße Marie Therese, die ich nie ver- gessen, die ich immer geliebt habe und die zu finden hier in meiner Einsamkeit mir eine unnennbare Freude bereitet." „Einsamkeit? Durch!... SigiSmondo, ich dachte die Herzogin.. Er machte ein ungeduldige Geste. „DaS HauS Lama braucht einc Herzogin, daS ist alleS; mein Herz ist stet ober eigentlich—" er lächelte sie ver- liebt an—„jetzt ist ev schon wieder für immer verloren." Stürmisch schlotz er sie mit einer brutalen und derbsinn- lichen Vcivegung in die Arisie: .'.Marie Therese, Du bist die reizendste, schönste, gclicbteste, süßeste Frau und— wann darf ich Dich besuchen, heute Abend?" In Lison stieg cS heiß auf vor der Glut, die von dem brünstigen Manne ausging. „Aber Herzog, was denken Sie von mir?" Dann jäh in Tränen ausbrechend: „Sie mißbrauchen meine Schutzlosigkeit. Wär' ich nicht Künstlerin, nie würden Sie so zu mir sprechen. Aber so, für jeden ist man..." Der Herzog nahm rasch ihren Kopf und bedeckte ihre Stirn und ihre feuchten Augen mit heißen Küssen, wobei er allerdings etwas schivarze Lippen, sie von seinem gefärbten Bart dunkle Klexe auf die Stirn bekam. Mit zärtlichen Kose- warten versicherte er ihr seine echten Gefühle, bat. sein stürmt- scheS Wesen mit dem neuerwachten Feller seines Herzen» zu entschuldigen, und bot ihr, da sie noch schmollte, die Erfüllung aller ihrer Wünsche an, um die Echtheit seiner Ergebung und Liebe zu beweisen. Da richtete sie sich plötzlich auf. Ber- schwunden war die ganze, etniaS übertriebene Kränkung aus . flüsterte �threm Antlitz:
noch viel hettzt die
Kort,, folgt.)