He. 1$5 ♦ ZS. Jahrgang
Heilage ües Vorwärts
Mittwoch, 27. Vptil 1H2I
Die Lebensmittelversorgung. Hetze gegen die Zwangswirtschaft.
Die Stadtverordnetenversammlung hatte gestern eine große Debatte über die Lebens- Mittelversorgung der Stadt. Mehrere Anträge der bürgerlichen Parteien mußten ihnen als Vorwand dienen, sich ihren alten Verdruß über die in der Kriegs- zeit nötig gewesene und zum Teil noch nötige Zwangswirtschaft vom Herzen zu reden. Besonders der deutschnationale Pfarrer Koch tat sich in heftigen An- griffen hervor, aber der Magistratsvertreter, Stadtrat W u tz k y blieb ihm die Antwort nicht schuldig. Für völlig unwahr erklärte er Kochs Behauptung, daß die Lebens- mittelbeschaffung einer kleinen Gruppe bevorzugter Lieferan- ten übertragen worden sei. Wutzky wieS darauf hin, daß in den Zeiten drohender Lebensmittelknappheit die Stadt, unbe- kümmert um Preise und etwaige Verluste, zur Vorsorge für die Bevölkerung sich habe eindecken müssen. Ein boshafter Zwischenrufer schaltete ein:„Koch war eingedeckt!" Nach vierstündiger Debatte wurden sämt- liche Anträge einem Ausschuß überwiesen. Sitzungsbericht. Die llebernahme des Kreiskrankenhauses Rei» n i ck e n d o r f auf die Stadtgemeinde Berlin wird beschlossen. Im übrigen stehen aus der Tagesordnung der heutigen außerordent- lichen Sitzung lediglich Anträge und Anfragen. Zu dem Antrage der Kommunisten auf sofortige Zurück- nähme der Sündigung des Betriebsrats Sült hatten die Sozialdemokraten am vorigen Donnerstag den Zusatz- antrag gestellt, den Magistrat zu ersuchen, für die Unter. stützung der Hinterbliebenen des Toten Sorge zu tragen.— Heute wird dieser Antrag ohne Erörterung an einen Ausschuß überwiesen. Zur Beratung gelangt zunächst der am 24. Februar von den Deutschnationalen Koch, Dr. Stemiger und Genosien gestellte Dring- lichkcitsantrag, einen Ausschuß von IS Mitgliedern einzusetzen, der die gesamte Geschäftsführung ües Lebensmittelverbanües Groß-Berlin unter Hinzuziehung einer Treuhandgesellschaft prüft. In einstündiger Rede läßt Koch die„Mißwirtschaft" des Lebensmsttcloerbandes Revue passieren. Er erinnert an das Wer- muthfche Dittum, daß der Verband bei 4 Milliarden Umsatz nur 12 Million» Verlust gehabt habe, stellt diesen Zissern die Behaup- tung gegenüber, daß im Wmterhalbjahr 1920/21 allein an Hüsten - fruchten ein Verlust von über 100 Millionen entstanden sei, um mit der Erklärung zu schließen, daß die Geschichte dieses Verbandes das völlige Fiasko der Idee der Sozialisierung auf dem Gebiete der Lebensmittel beweise und daß das Ergebnis der beantragten Prü- fung auch den Sozialismus sä abzurdum führen werde. Müller-Franken(Wirtsch. Vgg.) begründet hierauf den Antrag seiner Gruppe, die Mißstände in der M i l ch l i e f e r u n g, insbesondere die häufige Verspätung der Lieferung zu be- seitigen. Er sieht den einzigen Weg dazu in der Freigabe der Mil». Merten(Dem.) erklärt die Zustimmung zum Antrag Koch, ohne sich die Begründung zu eigen zu machen, und legt gegen die antisemitische Tendenz dieer Begründung Verwahrung«m. Sodann empfiehlt er den demokratischen Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses zur Kon- trolle über die Geschäftsführung der Fettstell« und des Milchamts der Stadt sowie zur Beseitigung der Zwangs- Wirtschaft und zur Ueberführuna der Milchversoräung in den freien Handel unter Beteiligung der Milchbändler. Pächter und Molkerei- bestßer. An der Preisbildung für die Milch übt der Redner scharfe Kritik. Beinahe 50 Pf. vom Lsterpreise seien erforderlich, um das Milchamt zu erhalten. Das sei unverantwortlich._
Am 13. April hoben Lüdicke u. Gen.(Dnat.) angefragt, warum der Magistrat die Lieferung von F u t t e r h a s e r an die ge° werblichen Fuhrunternehmer und Pfsrdeholter eingestellt hat, und ob und wann wieder eine Verteilung erfolgen kann. Dr. K a u f h o l d(Dnat.) bedauert, daß dies« Lebensmittel- debatte zwei Monate zu spät kommt.— Die Sistierung der Lieferung von Futterhafer habe die Pferdehalter usw. direkt dem Schleichhandel ausgeliefert. Mit der gesamten kommunalen Lebensmistel- Politik müsse radikal aufgeräumt werden. Vom Magsttratstische wird d>e deustchnationale Anfrage dahin beantwortet, daß für Mai Haser wieder geliefert werden wird. Stadtrat W u tz t i: Die von Koch geübte Kritik hätte früher ein- setzen müssen und gehörte an eine andere Stelle. Die Lebensmittclpolilik, die die Kriegszeil erzwang. ist damals nicht kritisiert worden. Damals kam es darauf an, durch das Kriegselend überhaupt hindürchzukommen. Welchen Zweck kann jetzt ein« solche Durchhechelung haben? Der Magistrat hat nicht das geringste gegen die Nachprüfung: er hat sie längst beschlossen. In Ueberainstimmung mit den Demokraten halten wir die Zuziehung einer Treuhandgesellschaft für überflüssig: diese Prüfung wird eine der ersten Aufgaben der Stadtrechnungstammer sein, ihr Ergebnis wird der demagogischen Ausschlachtung der Mastri« ein Ende machen. sLebhafte Zustimmung links.)— Auch die Stadt Berlin Hab« im Interesse der Bevölkerung versorgungspolitik treiben müssen: einstimmig habe die damalig« Ernährungs- deputation und der damalige Magistrat den Beschluß wegen Ankaufs der Hülsenfrüchte gesaßt, damit die Bevölkerung im Frühjahr 1920 nicht am Hungertuchs nage.(Zwischenruf bei den Komm.: Koch war eingedeckt!) Kein Wort davon ist wahr, daß der Einkauf einem Konzern übertragen war-, beim Einkauf waren 30, beim Verkauf 78 Firmen beteiligt.— Es sei charakteristisch, daß Herr Merten der Autorität seines Parteigenossen Prof. Schloßmann so schroff gegen» überstehe. Von Ueberführung der Tkilchversorgung in den freien Handel könne nach den Feststellungen des Medizinalamts der Stadt Berlin keine Rede sein.(Widerspruch und Unwillensäußerungen aus der Zuhövertribune.) Das Milchamt werde wieder verschwindzn, aber das gehe nicht im Handumdrehen; die Erregung über die Emulsions- milch von Bolle sei künstlich erzeugt worden. Hierauf setzt die eigentliche Debatte über die vier Gegen- stände ein. v E Y n e r n(D. Vp.l: Die Entwicklung drangt gebieterisch auf die Freigab«. Trotz der hohen Presse wird seit der Freigabe des Fleisches viel mehr Fleisch konsumiert. Auch die Milchversorgung muß allmählich freigegeben werden.— Dr. Hertz(11. Soz.) erkennt in der Gesamtheit der Anträge die Tendenz, der Idee der So- zialisiernna wieder einmal ein Bein zu stellen. Die Verhängnis- vollste Wirkung der Freigabe des Fleische« sei die schwer« Erschütterung der gesamten Milchwirtschaft. Die Auf- Hebung der Zwangswirtschaft sür Milch müßte für die Städte eine Katastrophe herausführen. Der Preis von 3 M. für den Liter fei schon jetzt für zahlreiche Familien unerschwinglich-, ein« weitere Er» böhung könne die Bevölkerung nickit mehr tragen, und so würden für die Ueberganqszeit, die die Ernährungrminister in Aussicht nehmen, wieder die Kommunen die Leidtraoenden sein. Aber diese Rechnung fei trügerisch. Dem Antrag« der Deutschnotionalen stimme die USPD . zu, lehne aber die Mitwirkung einer Treuhandgesell- schaft ab. Hierauf nimmt die Versammlung nach ViiO Uhr einen Schlußantrag an. Für den Antrag der Demokraten nimmt Dave das Schlußwort: er zieht den zwei'en Teil des Antrages zurück.— Koch: Den auf die Trcuhandge'ellfchaft bezüglichen Teil unseres Antrage« habe ich schon vor der Rede von Hertz auf dem Bureau zurückgezogen. In dieier Form wird der Antrag Koch angenommen: der Antrag der Wirtschaftlicben Vereinigung und der Antrag der Demokraten gekxn an den gleichen Ausschuß. Schluß nach �10 Uhr.
Stäütifthe Aentralftelle für Lehrmittel. Mit wichtigen schulorganisatorischen Fragen beschäftigte sich dar Stadtverordnetenausschutz, der zur Borberatung des Ende v. I. eingebrachten kommunistischen Antrages auf unentgelt» liche Lieferung von Lernmitteln und auf Errichtung einer Zentral- stelle zur Beschaffung und Verteilung der Lern- und Lehrmitte', für sämtliche Berliner Schulen eingesetzt worden war. Der Ausschuß, der den Stadto. Rektor Troll zum Vorsitzenden wählte und an dessen Verhandlungen Stadtschulrat P a u l s e n teilnahm, setzte den Be- schluß über die unentgcltliclze Lieferung der Lernmittel aus, ging aber desto gründliche� auf die Errichtung einer Zentralstelle zur Beschas- fung und Verteilung von Lehr- und Lernmitteln ein. Es wurde ein Antrag angenommen, wonach„eine Beschränkung der Wahlsreiheit der einzelnen Schulen bei Bestellung der Lehrmittel nicht beab- sichtigt ist", und dem kommunistischen Antrag auf Errichtung einer Zentralstelle nur bezüglich der Lehrmittel(Rohmaterialien, Ma- schinen usw.) zugestimmt: die Ausdehnung der Zentralstelle auf die Beschaffung und Verteilung von Lernmisteln wurde mit Stimmen- gleichhest abgelehnt. Angenommen wurde der Antrag, wonach die Schuldeputation bis zum 1. Juli geeignete Vorschläge zur Durch- führung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung unter- breuen soll. Der Hiesenbranü bei Tietz. Ein jugendlicher Brandstlsler. Der 16jährige Setzerlehrling Waldemar Krüger hatte sich gestern wegen Diebstahls und fahrlässiger Brandstiftuilg vor der Strafkammer des Landgerichts I zu verantworten. In der Rocht zum 1. Februar brach im Warenhause Tietz am Alexanderplatz ein großes Feuer aus. Als die Arbeiten der Feuer- wehr im vollen Gange waren und die Wochmannschaften der Firma Tietz die Ausgänge besetzten, nahmen sie den Angeklagten fest, der ! in verdächtiger Weise aus dem Innern des Geschäftsraumes in das Freie hinausdrängte. Wie nun festgestellt wurde, hatte er seiner � Mutter in Stettin 2S0 M. gestohlen, war nach Berlin entflohen ! und hatte das Geld in wenigen Tagen vergeudet. Er faßte dann den Plan, sich bei Tietz einschließen zu lassen und dort möglichst viel zu stehlen. Er verborg sich zunächst in einem Möbellager unter einem Schreibtisch, und als das Geschäft geschlossen war, drang er zunächst in die Nahrungsmittelabteilung ein, wo er seinen Hunger stillte, dann in die Goldwaren- und andere Abteilungen, aus denen er zahlreiche, sehr werwolle Gegenstände in einen aus der Lederab- ! teilung gestohlenen Koffer packte. Als er sich in der Konfektions- ' abteilung neu eingekleidet hatte, war es stockdunkel ge- worden und er entzündete, um den Weg finden zu können, Streich- � Hölzer, die er achtlos fortwarf. So entstand in der Eardinenabtei- 1 lung ein Brand, der mit großer Schnelligkeit um sich griff und �einen Sachschaden von etwa 2 Millionen Mark an- �richtete. Der Angeklagte, dem von seiner Mutter das beste Zeugnis aus- i gestellt wurde, erhielt 10 Monate Gefängnis unter A n- irechnung von 2 Monaten Untersuchungshaft. E? wurde aus der Haft entlassen und seiner Mutter übergeben. Tie heimliche Spritfabrik. Ein« große heimliche SpiriluSbiennerei wurde in der Königs» berger Straße auSgeboben. Beanne der Dienststelle BI l2 laden in der Gueiienäustraße einen Wagen, der mehreie Fässer Sprit ablud. Sie schöpfien Verdacht, aing°n den Spuren noch und stellien fest, daß der Wagen von dem(Uründstück KöniiSberger Str. 8 kam. Hier fanden sie in den Räumen des F n t l e r h ä n d l e r§ Hinze eine Brennerei größeren Stile». Sie einhielt, wer Kessel, die bis zu tauiend Liter fassen. Hinze bedanptei, daß er die Räume an einen Galizier verkauft habe, der die Brennerei ein- richtete. Sonderbar tst nur. daß der Galizier gerade setz! seit Sonntag verschwunden sein soll. Fässer mir ungeiähr 600 Liter Sprit und die abmontierten Kessel wurden beschlagnahmt. Tie Höllenmaschine auf der Gepäckverwahrung. Auf der VcrwahruugSstelle des Potsdamer Dahnhofes gerieten, wie wir vor vier Wochen mitteilten, zwei Pgkete in Brand, deren Inhalt völl'g wertlos war. Man glaubte, daß es sich um einen politischen Anschlag handle. Es stellle sich jedoch bald heraus, daß die Pakete mil 4000 und 1000 M. versichert waren. Es liegt alio ein versiichier Versicherungsbetrug vor. Die Täter geboren wahr-
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Slme Menschenkind. M. Der Sündeufall. Bon Martin Andersen Rexö. Am nächsten Morgen erwachte Stine davon, daß jemand sie an der Nase zog. Verwirrt schlug sie die Augen auf: Christian und Paul lagen übers Bett gebeugt und starrten ihr schelmisch ins Gesicht. Schwester Else stand mit Kaffee daneben.„Du sollst den Kaffee im Bett kriegen!" riefen sie, über ihren verstörten Ausdruck herzlich lachend. An solch ein Erwachen war sie sicher nicht gewöhnt. Es war gar nicht mehr so früh am Morgen,— das konnte sie an der Sonne sehen. Die kleinen Schelme hatten Mtern verabredet, daß sie lange schlafen solle, und sich aus 6,n Federn geschlichen, ohne daß sie es merkte.„Ihr seid mir die Richtigen! sagte sie und setzte sich aufrecht.„Ich wollt' doch früh aufstehn und das Haus in Ordnung bringen. „Aber das ist ja in Ordnung!" riefen sie, böchst belustigt darüber, daß sie es verstanden hatten, Stine so anzuführen. Während Stine sich ankleidete, mußte sie ihnen vom Bak>hof erzählen, von dem Vieh, dem Kater, der ganz so aussah wie Pers, von dem ältlichen Tagelöhner mit dem Kautabakmunde und den schwarzen Pferdezähnen.„Und er ist so kußsüchtig," sagte Stine.„Er läßt einen beinah nicht in Frieden." „Puh,. so ein widerlicher Kerl!" Christian mußte ans offene Fenster gehen, um auszuspucken. Dabei entdeckte er die Boote draußen auf der See. „Vater kommt!" riet er und saust« mit einem Freudengeheul davon.— durch die Küchen- tür und die Düne hinab. Auch die beiden andern bekamen es mk� der Eile. Aber Paul, der immer alles nachmachte, was Christian tat, mußte erst ans Fenster, um gleichfalls hinaus- zusvucken. Er mußte auf die Bant klettern, um so hoch hin- auszureichen,— und doch bekam er es wieder zurück. Und dann mußte Stine ihn natürlich erst wieder abtrocknen. Das alles hielt auf. Endlich war er draußen und trabte sporn- streich? zum Hafen hin. Stine konnte ihm vom Fenster aus mit den Augen folgen. Alle Augenblicke purzelte er hin, so eilig hatte er's. Wie drollig der klein« Dicksack doch immer war! Auch Stine wollte an den Strand lsinunter. aber da klopfte es an die Wand. Es war die Mittler Doriom. Stine ging zu ihr hinein. ÜÄ Hab' wohl gehört, daß du gekommen warst." stöhnte sie.»Ich Hab' deine Stimme erkannt." Sie
hustete leise bei jedem Wort, und der Schleim brodelte in ihr. Es war, wie wenn ein Topf mit Kartoffeln kocht. Sie lag in einem fürchterlichen Zustande; Stine versuchte, unter ihrem Kopf die Kissen etwas zurechtzulegen, sie fühlten sich wie klammes Wachstuch an. „Ja, hier liegt man und verfault und kann doch nicht sterben," klagte sie.„Niemand nimmt sich meiner an, und niemandem kann man was nützen. Der Sohn ist auf dem Meere und kommt nie nach Hause, und seine Frau treibt sich bloß rum. Nun erwartet sie wieder, wird gesagt,— ich Hab' ja zu schlechte Augen, um es zu sehen. Und es ist auch gleich, — wenn man nur bald sterben könnte! Wenn der Dornund- Hinten-Iakob nicht wäre, würde man daliegen und ganz um- kommen: er ist der einzige, der sich um einen kümmert. Komm hierher, so will ich dir was anvertrauen, aber du darfst es keinem Menschen gegenüber erwähnen. Jakob ist dabei, das Wort zu finden,— eines Tages schießt er den Menschen- fresser tot/ „Wenn's nur wahr wäre," sagte Stine,„dann bekäme die Welt Ruhe vor ihm..." „Ja. nicht wahr! Aber sag es niemandem, sonst kann es j leicht vereitelt werden." „Soll ich nicht ein bißchen aufmachen?" Stine erstickte beinah in dem Gestank. „Nein, nein!" Die Alte bekam bei dem bloßen Gedanken einen Hustenanfall. Stine sah sich hilflos um: sie hätte so gerne geholfen, aber hier war kein Anfang und kein Ende zu finden.„Laß du bloß alles so, wie es ist." sagte die Alte.„Man hat sich nu mal ein- gelebt, und es paßt einem so am besten." Es wurde Stine bei- nah übel hier drinnen, aber einfach wegzugehn und die Alte so liegen zu lassen, das brachte sie nicht übers Herz. Sie war nicht gerissen genug, sich um etwas herumzudrücken. Aber da hörte sie den Vater draußen im Licht nach ihr rufen. „Ja. du kriegst keine Luft dadrinnen," sagte er.„Unser- eins, der an allerlei gewöhnt ist, wird seekrank, wenn man � bloß den Kopf zur Tür hineinsteckt. Aber da ist nichts zu machen. Ab uno zu wird ja da drinnen reingunacht, aber es ist immer gleich wieder die alte Geschichte. Eigentlich müßte sie ins Krankenhaus, der Krugwirt will's bloß nicht zulassen. Er hat wohl Angst, daß es bekannt wird, wie man sie hier hat oerkommen lassen. Sie hat sich große Löcher ge- legen vor Schmutz und Ungeziefer, und ihre Schenkel sollen ganz zusammengewachsen lein. »Wo sind die Zwillinge?" fragte St>ne. „Ja, das eine ist neulich im Hafen ins Wasser gefallen und«trunken. Die Mutter lag gerade unten am Ladeplatz
! und spülte Wäsche, und dicht neben ihr ist es passiert. Aber I sie merkte nichts und ging nach Hause in dem Glanben, daß j sie kein Kind bei sich gehabt hatte, denn so war sie ja,— die Schlumpe. Man hat es nachher unter einem Prahm gefunden. i Und das andere Kind haben wir dann vorläufig einer Familie I drüben landeinwärts übergeben." „Aber warum will denn der Krugwirt ihnen nicht helfen?" „Ach, er haßt sie wohl, weil der Sohn auf See gegangen ist, statt hier im Dorf zu arbeiten." Aber heute war also Sonntag. Das sah man an allem. Die Sonne legte einen eigentümlich festlichen Glanz über Dünen, Hafen und Wasser, die Hütten glitzerten im stillen � Sonnenschein. Die Netzstangen standen und ragten in die � blaue Luft hinein, wie Bursche, die Sonntag seiern, die Hände in der Tasche. Ein solcher Tag forderte etwas richtig Fest- fiches von einem: einen Ausflug! Lars Peter verzichtete auf feinen Schlaf.„Ach was,— einmal mehr oder weniger ge- schlafen!" antwortete er vergnügt auf Stines Bedenken.„Als man jung war, da hat man ja so manche Nacht durchwacht. Und ausichlafen kann man noch genug in der Ewigkeit." Ein Ausflug nach dem Arrefee mußte viel Spaß machen, bei der Gelegenheit bekam man dann auch das„Elsternnest" zu sehn,— da war so vieles, was einen lockte. Lars Peter war sehr dafür, die Kinder dagegen wollten lieber an einen Ort, wo sie noch nie gewesen waren. In einem Fischerdorf ein paar Meilen südlich sollte ein Molenfest stattfinden,— zum Besten des Hafens! Lars Peter griff den Gedanken sofort auf, vielleicht bot sich dort Gelegenheit, sich nach etwas anderm umzusehen,— die Geschichte hier hatte er herzlich satt.„Dann kriegen wir auch die Sommerfrischler zu sehen," sagte er aufgeräumt. „Es sollen so viele davon da sein, daß die Fischer ihnen ihre Hütten überlassen und selber in die Schuppen und Schweine» stalle ziehen müssen Eine komische Sippschaft muß es fein. Den Fisch essen sie mit zwei Gabeln, wird erzählt; frühstücken tun sie. wenn wir zu Mittag essen, und Mittag essen sie, wenn wir unsere Abendmahlzeit haben. Ihr Abendbrot wird dann wohl eingenommen, wenn wir unseren Morgenkaffee trinken!" Die Kinder lachten; sie fanden das zu töricht.„Ja, und dann arbeiten sie gar nicht, sondern hoben Liebschaften mit den Frauen der anderen. Das gehört offenbar dazu, denn deswegen bleiben sie doch gute Freunde. Und im Wege sind sie einem dauernd. Die Fischer sind nicht alle besonders be- geistert, ober es kommt ja Geld dadurch ein." Das klang alles viewersprechend. (Fortf. folgt.)