' liche Symptome der Unsicherheit, mit der die Kommunisten den Uebergang von ihrer alten revolutionären Phraseologie zur realpolitischen Vertretung der Ar- beiterinteressen nur langsam und unsicher finden. Daß der politische Rückzug der Kommunisten, mindestens ihrer offiziellen Parteileitung, von dem notwendigen Theaterdonner des Ge- schimpfes über die Sozialdemokratie begleitet wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses künstlich erregte Geschrei nur die eigenen Anhänger täuschen und beschwichtigen soll. Seitdem die Zentral« der Berliner Organisation die.Rot« Fahne' gesperrt hat, sind die scharfen Gegensätze in der KPD. vorübergehend nicht an die Oeffent- lichkeit getreten. Jetzt platzten auf dem Bezirksparteitog in Rhein- land-Westfalen die Geister erneut und noch heftiger als auf dem Leipziger Parteitag aufeinander. Klara Zetkin hielt für die Zentral« das Referat. Interessant ist es, daß sie vor einer.Kon- trolle der Gruben und Einrichtung von Arbeiterwehren mit Ge- nehmigung und dem Segen des französischen Imperialismus' warnte. .Was 18 71 gegen die Kommunarden geschehen ist, das würde geschehen, wenn die Besetzung der Gruben und Uebernahme der Pro- duktion usw. zu kämpfen gegen die deutsche Bourgeoisie führen würde(!)." Di« Partei müsse sich auf Losungen für dos gesamte Proletariat beschränken, wie den Kampf gegen die Teuerung, den Kampf gegen den Wucher, Kampf für Kohlenverteilung usw. E r» füllungspolitit fei ein« bittere Notwendigkeit, solang« die Fäuste des Proletariats den Vertrag von Versailles nicht zerreißen. Gefordert werden müsse Sachwerterfassung, Aenderung der Steuergesetzgebung usw. Für die Opposition war Ruch Fischer als Korreferentin er- schienen: sie griff die Politik der Kommunistischen Partei auf das schärfste an. Die„Rote Fahne ' berichtet darüber folgendes: Von dieser Anschauung ausgehend, verwarf die Genossin Fischer vollkommen die Taktik der Partei nach dem Leipziger Parteitag, sowohl in der Stellung zur Frage der Arbeiter- regierung im allgemeinen, der Taktik der Partei in Sachsen im besonderen, als auch der Taktik der Partei zum Ruhrkonflikt. Die Partei nähere sich immer mehr der SPD. und es gälte, den Kampf für die Aufrechterholtung der KPD. als Kommunistische Partei zu führen. Die Partei sei in größter Gefahr, liquidatorisch« Tendenzen überwuchern zu lasten. Eine Koalition mit der SPD. komme in einer Arbeiter- regierung unter keinen Umständen in Frage. Die Taktik in Sachsen sei falsch. Man hätte den Kampf für den Betriebs- rätekongreß nicht aufgeben dürfen, sondern ihn entweder durch- setzen müsten oder aber der SPD . sagen sollen:„Helft Euch selbst aus dem Dreck. Ihr habt die Verantwortung.' Eine offene Stinnes-Koalition sei die beste Voraussetzung der Herausbildung einer kommunistischen Massenpartei. Dann oertritt Genossin Fischer zur Ruhrkampagn« die Losungen der Kontrolle der Produktion und die Besetzung der Betriebe«m Ruhrgebiet , und die Bildung von Ortswehren im besetzten Gebiet, dort, wo von den Fran- zosen die deutsche Schupo vertrieben worden ist." Ganz entsetzt teilt die.R o t« F a h n«' mit, daß Ruth Fischer ihre anarchistischen Parolen in die Debatte geworfen habe,.obwohl die Zentrale der Partei wie auch Bezirksleitung und Bezirksausschuß im Ruhrgebiet sie einmütig wiederholt abgelehnt hatten.' Ruth Fischer bezeichnete die Genossen der Mehrheit al» „Freunde der Demokratie' und schloß ihre Rede mit der Drohung: „Es kommt der Tag. wo alle Genosten hinter uns stehen und die hinauswerfen, die auf dem Boden der Demokratie stchen und mit der Weimarer Verfassung Nebäugeln.' Wie stark die Opposition bereits geworden ist, geht aus der Tat- fache hervor, daß die Abstimmung zugunsten der Mehrheit mit 68 gegen 55 Stimmen stattfand. Die Instanzen bzw. die .Bonzen' wurden noch praktischen Gesichtspunkten wieberge- wählt, so daß die Mehrheit in allen maßgebenden Körperschaften über eine sichere Mehrheit verfügt. Der Opposition wurde angedroht, daß„jede etwa in Erscheinung tretend« organisatorisch« Zersetzung der Partei durch die Opposition selbstverständlich mit allen Mitteln überwunden werden müsse.'
Die panamerikanische Konferenz, beschickt von sämtlichen Regie- rungen Amerikas , Zweck Festigung des Zusammenhaltens aller amerikanischen Staaten, tagt gegenwärtig in Santiago de Chile .
�lrbeiterorönungsöienft in Leipzig . Am Dienstagabend hat die Bezirksparteileitung in Leipzig unter Mitwirkung von Vertretern aller Zkreisorganisationen des Leipziger Bezirks und in Anwesenheit eines Wiener Genosten er- neut Stellung zu dem Problem„Sozialdemokratischer Ordnungsdienst' genommen. In eingehenden sachlichen Be- ratungen, in denen besonders die Frag« erörtert wurde, ob mit der KPD. gemeinsam Einrichtungen geschaffen werden sollen oder in welcher Weise gegebenenfalls ein planmäßiges Zusammenarbeiten mit dem Ordnungsdienst der KPD. geschehen kann, wurde folgender Beschluß gefaßt: „Im Bezirk Leipzig der VSPD. wird ein„Sozialdemokratischer Ordnungsdienst' gebildet, der sich ausschließlich au» Par- teigenossen zusammensetzt. Zweck des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes ist: 1. Leistung des Ordnungsdienstes bei allen Demonstra- tionen und Versammlungen der VSPD. und der Gewerkschaften unter freiem Himmel. 2. Schutz der Partei, und Gewerkschaftsoer- sammlungen gegen jedwede Störung. 8. Schutz de, Eigentums und der Einrichtungen der Partei und der Gewerkschaften gegen Ueberfälle putschistischer Ele- mente. 4. Im Bedarfsfalle stellen sich die Mitglieder de» sozialdemokratischen Ordnungsdienstes den Organen der Republik zur Verfügung zu dem Zweck, im Zusammenwirken und unter Leitung der staatlichen Polizeikräfte, die vorerst zum Schutze der Republik bestimmt find, all« ge- walttätigen und ungesetzlichen Angriff« gegen die Republik abzu- wehren. Ueber den Aufbau des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes wurden folgende Beschlüsie gefaßt: 1. Di« Gliederung des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes erfolgt in Anlehnung an die Gliederung der Parteiorganisation. Di« Mitgsieder des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes werden in zweckentsprechender Weise kenntlich gemacht. Alle Mitglieder unterstehen der schärfsten Disziplin ihrer Leiter. 2. Die Mitglieder des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes müsten eine mindestens dreijährige sozialdemokratische und steige- werkschaftliche Organisationszugehörigkeit nachweisen. Das Mindest. alter soll 24 Jahre betragen. Ausnahmen hiervon können die Parteifunktionäre gestatten. 3. Die Leiter werden von den Mitgliedern des sozialdemokrati- schen Ordnungsdienstes gewählt, doch bedürfen sie der Bestätigung durch die Parteileftung. 4. Verhaltungsmaßregeln und sonstig« Institutionen erläßt die oberste Leitung, die im Eftwerständnis mit den Leitern, des so- zialdemokratischen Ordnungsdienstes Groß-Leipzig von der Bezirks- Parteileitung der VSPD. geblldet wird. Der Zweck des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes ist, Gewalttätigkeiten zu oerhüten und unmöglich zu machen. Deshalb darf sich auch kein Mftglied des sozialdemokratischen Ordnungsdienstes an irgendeiner provokatorischen Handlung beteiligen. Wer sich gegen die Disziplin oergeht, wird aus dem sozialdemokratischen Ordnungsdienst ausgeschlossen. Um gegebenenfalls ein planmäßiges Zusammenarbeiten mit dem Ordnungsdienst der KPD. zu ermöglichen, wird der Bezirks- vorstand beauftragt, mit der Bezirksleitung der KPD. in Verbin- dung zu treten und entsprechende Abmachungen zu treffen.
Haüen gegen ü,e Veutschvölkischen. Karlsruhe , 28. März.(WTB.) Der Minister des Innern hat auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik die Deutsch - völkische Freiheitspartei im Freistaat Baden verboten und die bestehenden Ortsgruppen aufgelöst. Das in Baden befind- lich« Bermögen der aufgelösten Vereinigung wurde beschlagnahmt.
Staalssestelär Göhr« tritt zurück. Genoste Paul Göhr«, der feit der Revolution dem preußischen Staatsministerium als Staats- lekretär angehörte, scheidet aus Gesundheitsrücksichten aus seinem Amte aus und tritt in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird, wie schon kurz berichtet, der bisherige Staatskommissar für öffentliche Ordnung, Geheimrat Weismann._
Als weitere Mitglieder kommen w erster Linie Frauen und Mäuner in Betracht, die auf dem Gebiete der sozialen Für- sorge, insbesondere auf dem der Fürsorge für Mütter und Säug- singe, größere Erfahrungen gesammelt haben und dieser Fürsorge besonderes Interesse entgegenbringen. Die beiden Hebammen werden von den im Kreise wohnen- den Hebammen gewählt. Die beiden Mütter vom Kreistag refp. von der Stadtverordnetenversammlung, in Berlin von der Bezirksversammlung. In beiden Fällen kommt das Ver- hälwiswahlverfahren in Anwendung. Das gleiche trifft zu. wenn sich die Krankenkassen auf ihre zwei Vertreter nicht eini- gen können. Für alle Mitglieder sind in gleicher Zahl Ersatz- Personen zu wählen. Durch Kreis- bzw. Ortssatzungen ist dann noch besonders zu bestimmen die Abgrenzung der Kreishebammenstellen- bezirke, der Wahltermin, wer außer den im Gesetz be- stimmt genannten Personen in die Kreishebammenstellen zu berufen ist usw. Die Anträge der freigewerkschastlichen Hebammen, die auch von der Sozialdemokratie im Landtage vertreten wurden, den Hebammenstellen beschließende Kraft einzuräumen, hat die bürgerliche Mehrheit ebenfalls abgelehnt. Die Heb- ammenstellen sind also nur gutachtliche Instanzen, und von ihrer Energie und Klugheit wird es abhängen, daß sie nicht nur Dekorationsstücke bleiben. Das gleiche gilt für die Provinzialhebammenstellen, die sich aus 3 Heb- ammen, 3 Müttern, 2 Krankenkassenvertretern, 1 Versteter des Provinzialausschuffes(in Berlin des Magistrats), 1 Regie- rungs- und Medizinalrat, 1 Direktor einer Hebammenlehr- anstatt oder einem Frauenarzt refp. einer Frauenärztin zu- sammensetzen. Sollen die Hebammenstellen nicht dem Bürgertum allein überlassen bleiben, so müssen unsere Parteigenossen, insbeson- dere die Genossinnen, schon jetzt dazu Stellung nehmen und den Bezirksversammlungen m Berlin oder den Stadtverord- netenversammlungen und Kreistagen außerhalb Berlins zu gegebener Zeit die geeigneten Vorschläge machen.
Kopfzerbrechen über üie berliner Konferenz. Der Agentur.Est Europe" zufolge veröffentlicht die Ausgabe des„New Port Herald' eine Meldung ihres Ber- liner Korrespondenten über die Beschlüsse der Berliner inter - nationalen Soziali st enkonferenz. Um einen größe- ren Schein von Authentizität seinem Telegramm zu verleihen, hat der Berichterstaster sechs Punkte aufgezählt, die angeblich befchldjsen worden sein sollten. Schon das allein beweist, daß der Korrespondent keine Ahnung von der tatsächlichen Form hat, in die die Ergebnisse der Berliner Besprechung zusammen- gefaß» wurden. Und was den Inhalt anbelangt, so beruhen seine„sechs Punkte' ausschließlich auf Kom- binationen. Sozialistische Kampfvorbereitungen für die Debatte. pari», 29. März.(MTB.) Die sozialistische Kammer- fraktion hat gestern beschlossen, für die Debatte über die Ruhr- Politik bei der Beratung über die angeforderten Kredit« sechs Redner zu bestellen. Abg. L« b a s wird über die Wirtschaft- lich« Bedeutung der Besetzung, M o u t e t und R o g o n werden über die öffentsich« und die gewerkschaftsiche Freiheit sprechen, Uhry über die allgemeine Lage im Rheinland und im Ruhr- gebiet, und Vincent Auriol über die Hastung der Regierung bei den zukünfttgen Verhandlungen. Für die allgemeine Diskussion hält sich der Führer der Fraktion Blum bereit. Demokratie oüer Diktatur! Der Kampf in der ZtPD. Jedesmal, wenn wir feit dem Leipziger Parteitag der Kommu- nisten auf dl« sich immermehr zuspitzenden parteftoktischen Differenzen in dieser„einzigen Partei der Klarheit' hingewiesen haben, zog die„R o t e F a h n«' es vor, sich in Schweigen zu hüllen. Wechselnde Parolen und tastendes Suchen nach neuen Wegen sind für den aufmerksamen Beobachter im Verhalten der KPD. beut-
Einakterabenö. Theater tu der Kommandantenstraß«. Den Reigen eröffnete, zur Feier des 50. Geburtstags von Jakob Wassermann , dem eigenartigen Erzähler, seine seirtimentalisch gefühlvolle Plauderei aus der Biedermeierzeit„G e n tz und Fanny Elßler '. Der mit dem österreichischen Minister Met- tenrich eng liierte geistreiche Reaktionär üblen Andenkens, der er- graut« Freund und Gönner der jungen Tänzerin Elßler, welche auf ihren Siegeszügen dann später einen Taumel des Enthusiasmus entfesselt, nimmt Abschied von dem reizenden Geschöpf, das feinem einsam alten Herzen noch einen letzten Traum von Iugendillusionen gespendet hat. Ueberlegen spottend, seines Glückes sicher, weist er Verdacht und Warnungen zurück, bis sie ihm selbst erzählt, daß ste ein neuer Pfeil des Liebesgottes getroffen. Ein junger schöner Mann, der sie als Partner auf ihrer Fahrt begleiten soll, hat es ihr angetan. Erschreckt hört er das an. Aber kein Wort enttäuschter zorniger Eifersucht dringt ihm über die Lippen. Seine östhettsch weltmännische Kultur Hütt jeden Ausbruch des Affekts, ja jeden Ton der Bitterkeit danieder. Es ist ja doch nur selbstverständlich, daß Atter seinen Platz für Jugend räumen muß! In dankbar zärt- sichern Gedenken an das, was ihre Liebe ihm gewesen, fügt er sich in das Unvermeidlich«. Die feine Seelenzeichnung Wassermanns kam in der Darstellung Friedrich Lobes aufs Glücklichst« zum Aus- druck. Wärmendes Empfinden verband sich mit weltkundiger Klugheit, Alter mit noch geschmeidigem Charme. Das zweit« Stückchen„In Ewigkeit Amen" von dem Oesterreicher W i l d g a n s, dem Verfasser der„Armut", bringt ein Verhör, das, an Szenen aus Brieux schlagkräftigem Tendenzstück „Die rote Robe" gemahnend, erschütternde Anklage wider richterliche Verblendung und Herzlosigkeit erhebt. Friedrich Lobe als armer Alter, den feine rachsüchtige Zimmcroermieterin, eine Dirne, des Mordversuchs bezichtigt, wirkt« auch hier im gleichen Maße über- zeugend echt wie vorher in der Gestalt aus Weltmanns Rolle. Aus jedem Worte, jeder Miene sprach die Unschuld des böswillig Ver- dächtigten, der sich dann in einer schlau gelegten Schling« seines unbarmherzigen Inquisitors verfängt.. Sehr markant war auch das ordinäre histerische Frauenzimmer durch Hanna Sann, ihr brutal bornierter Kellnergatte Reinhardt Norden und der bis zum Sa- dismu» entmenschte Untersuchungsrichter durch Herrn B a l d e r- mann versteten. Das Ganze entwickelte sich in spannend ge- schickten!, durch eine Füll« naturalistisch gut gesehenem Detail be- lebten Aufbau. AK heiterer Abschluß folgte eine neue kleine Komödie Her- mann B a h rs„Der Selige", die das Thema von der Rück- kehr des totgeglaubten Ehemannes, der feine Stelle bei der Frau besetzt findet, ins Lustig-Humoristifche variiert. Nichts von Anklagen und Kämpfe», die man erwartet: Zwischen dem von der resoluten
Marie Behringer mit einem Glorienschein der Erinnerung verklärten Vorgänger und dessen Nachfolger vollzieht sich olles in herzlicher Ge- müllichkeit. Sie kennen beide aus eigener Erfahrung auch die Schattenseiten ihres Eheglückes und sind nicht sonderlich erpicht darauf. Das rollte sich im flotten Spiele der Herren Richard und Krüger und Hanna Sanns höchst munter und ergötzlich ab. Am Ende ist Mariens nachstägliche Schwärmerei für ihren Ersten doch so gluwoll, daß dieser Feuer fängt und seine Aemter wieder antritt. Ein wohlgelungener bunter Abend, der für Herrn P o e l l als Direktor wie als Regisseur gute Hoffnungen weckt. _ Eonrad Schmidt.
„Die schöne Rivalin". Ueber die Bühne de» Nollendorftheater» wirbelt ein blonder Schopf, ein keckes, schnippiges, verliebtes Ding, ein aus Tollheit und Sehnsucht gemischtes, charmantes Kind: Emmy Sturm. Sie hilft der neuen Sommeroperette auf die Beine, an denen man sich nicht satt sehen will. Sie beherrscht den Kaschemmen- ton wie die verzierte Salonsprache und macht alles Gute und Böse mtt dem Reize ihrer blendenden Zähne besser. Sie, die schöne Rivalin, ist der Erfolg. Und etwa noch der jungenhast liebe Fritz S ch u l z, der ein grotesker Spieler und famoser Tänzer ist. Lilien mit der Ausgelassenheit seiner Trottelspäße und mtt der Grazie, die er in seine vorgetäuschte Gelenksteisigtett hineinlegt. Alles andere geht und tanzt und schwatzt mit, die Komparserie mit Rollen und Loben. Das Grundchema wird so angeschlagen, daß man glaubt, Doris, die Pflegetochter des Tavernenbesitzers Nasen, sei eine wirtliche Gräfin, die in ihr angeborenes Milieu verfetzt, sich zurücksehnen wird nach Matrofen, Kneipstuben und Tanz; also etwa die Tra- gödie von„Mieze und Marie". Ihre Herkunst und Art wird aber licht enthüllt. Nach Gesinnung und Temperament gehört sie zu Bill dem schönen Seejungcn. Sie liebt ihn auch, aber sie heiratet den Grafen Alfonso, der ihr kurz vor seiner Heirat mit der Baronin Elinor eine köstliche Liebesnacht versprochen hatte. An zwei ent- sucidenden Stellen wird das Publikum also irregeführt, und der Textdichter Okonkowski versucht uns einzureden, daß ein« Ex- Position nur dazu da ist, um vergessen zu werden. Auch holt er sich aus der„Madame Sans Gene' noch das alte Motiv, ein kleines proletarisches Mädel zu einer großen Dame zu machen. Aber bei dieser Prozedur kommen hier nicht einmal Frau v. Pollack-Witze heraus und die Intrige der schönen Baronin versandet. Biel ge- lacht wird nicht, da auch dem Gesangstexte von Will S t e i n b e r g Pointen fehlen. Der Komponist Hans S. Line ist nach Aussehen ein Mittel- europäer, nach Gerücht ein Amerikaner, nach der Musik ein Aller- westsmenfch. Sehr gut gelingen ihm kleine sentimental« Liedchen, auch die Chöre mit eingestreuten Quartetten bewahrten Niveau. Die allgemeinen Operetienschlagcr sind Schläge ins Wasser; in dem Tanz ist das Klischee mit dem genugsam bekannten federnden Rhnthrnus und mit den geschlagenen Zwischentönen charakteristisch, doch nicht charakstrooll getroffen. Ein paar witzige Orchesterpoinstn lassen daran denken, daß weniger kitschige Texte dm Musikmann stärker animieren könnten. X. L.
Der Erfinder der Thermosflasche. Professor James Dewar , dessen Tot bereits gemeldet wurde, gehörte zu den Gelehrten, deren Name in Laienkreisen wenig oder gar nicht bekannt ist, obgleich s!« auf ihrem Gebiet wichtige Entdeckungen gemacht haben. Selbst eine so wichtig« Erfindung wie die Thermosfialche, deren Gebrauch heute bei allen Kulturvölkern zu den Selbstoerständlichkesten des Lebens gehört, hat seinen Namen über die Fachkreis« hinaus nicht bekannt werden lassen. Freilich handelt es sich bei diesem Gebrauchsgegen- stand nur um die praktisch« Nutzbarmachung einer ursprünglich zu ganz anderen Zwecken gemachten Erfindung, noch dazu eine, die lediglich auf der Anwendung eines sehr einfachen und längst be- kannten physikalischen Prinzips beruht. Professor Dewar, der sich mit der Verflüssigung von Gasen beschäftiate, bedurfte zur Aufbe- wahrung der verflüssigten Gase mit ihrer abnorm niedrigen Tempe- ratur eines besonders gut isvliereniden Gefäßes und so konstruierte er eine Flasche, die aus zwei durch einen luftleeren Zwischenraum getrennten Glashüllen bestand. Der luftteere Zwischenraum diente als denkbar schlechtester Wärmeleiter. Um die von außen austreffen- den Wärmestrahlen zurückzuwerfen, versah er die Flasche innen noch mit einem Mctallspiegel. Di« gewöhnliche Thermosflasche, von der heute ungezählte Millionen im Gebrauch sind, ist auf Grund dieses Prinzips konstruiert. Di« Engländer haben gelegentlich seines Ablebens Dewar auch die Erfindung des rauchlosen Pulvers zugeschrieben; aber bas vt insofern irrig, als Dewar zwar, zusammen mtt Wel, im Jahre 1891 einen rauchschwachen Sprengstoff, Cordit«, erfunden hat, aber er war keineswegs der erste, der«in rauchschwaches Pulver hergestellt hat. Zur allgemeinen Einführung gelangt« das rauchschwacye Schießpulver erst, als im Jahr« 1886 Viel!««in deutsches Pulver erfunden hatte, das aus in Aether gelöster Schießbaumwolle und Pikrinsäure bestand und alsbald im französischen Heer zur Einführung kam. Der Rekordflug einer Taube. Ein« erschöpfte Taub«, die in New Pork gefunden wurde, führte«ine Botschaft des Naturforschers Edmund Heller mtt sich, der sich auf einer Studienreise im Pellow- ftone-Park befindet. Der Gelehrt« teilt« mit, daß er sich, in den Hoodoo-Bergen verirrt habe, mtt bat um Hilfe Die Nachricht war an seinen Kollegen Sinaer in New Port gerichtet, der sofort tele- graphisch ein« Hilfserpedition in Bewegung setzte. Di« Taube, die Singer als ein von ihm zusammen mit Heller gezüchtetes Tier«r- kannte, hatte ein« Rekordleistung vollbracht. Di« Entfernung vom Pellowstone-Vark nach New York betrügt rund 3200 Kilometer Die Taub« brauchte zu dieser Strecke nach eincm Bericht der„Umsdjau fünf Tage; sie legte also durchschnittlich täglich 640 Kilometer zurück.
Im Neue« ZZolkStheater kann die Bremiere von �Emilie G a I o t t i heut« abcnv nicht ilatlftnden. da Fräulew K a n, tz plötttch erkranki iit. Die Aullützrung»irtz deshalb Anfang nächster Seche nachgeholt. .Ter Tieb deS GlückeS -', eine Oper von Bernhard Schuster batte im DieSadener StaatStheater, wenige Tage oor dem Brande, einen durchschlagenden ttrsola, der dem Berliner.gomponinen die Balm für sein eigenartiz neues Werl in andere Städte Deuts chlauds st« machen dürste.