Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 199 41.Jahrgang Ausgabe B Nr. 100

Bezugsbebingungen und Anzeigenpeelfe find in bez Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Cinbeuftraße 3 Ferafprecher: Dönhoff 282-295 Sel- breffe: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Montag

28. April 1924

Berlag und Anzeigenabteilungi

Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag Gmbh. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Dönhoff 2508-2502

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Sinowjew befiehlt Ueberfälle!

aber nicht zu sehr!

Moskauer Parole: Ein bißchen Revolution Revolution- aber

-

-

Der sozusagen geistige Leiter der Kommunistischen Partei Deutschlands   ist mangels geeigneter Kräfte im Inland Sinomjem, der Borsitzende der kommunistischen   Erefutive in Moskau  . Seine Aufgabe ist es, die deutschen   Arbeiter auf den richtigen Weg der Weltrevolution zu führen und sie femohl vor rechten" wie vor linken" Abweichungen zu be­hften. Die frühere Führerschaft der Partei ist bekanntlich wegen ihrer rechten Abweichungen" vor ein paar Monaten an die Luft gefegt worden, aber auch der jetzige jugendliche Führer, Werner Scholem  , hat schon wieder wegen einiger linfen Abweichungen" ein paar träftige Maulschellen flein­laut einsteden müssen.

97

der Kommunisten vollkommen überschauen, sondern auch in größter Bequemlichkeit und Ruhe ihre sicheren Gegen­maßnahmen treffen zu können.

Jeder Zusammenstoß zwischen fommunistischen Arbeitern und den bewaffneten Organen der Staatsgewalt muß zur fchwersten Niederlage der ersten führen, das gibt auch Sinowjem zu, indem er ihre vollkommene Unterlegenheit anerkennt. Aber bei jedem Zusammenstoß werden die Organe der Staatsgewalt sich darauf berufen können, daß die Schuld nicht an ihnen liege, sondern an den Kommunisten und den ihnen aus Moskau   erteilten Anweisungen. Unter solchen Um­ständen wird jeder Versuch der Kommunisten, sich als die zu recht Angegriffenen hinzustellen und der Gegenseite die Schuld zuzuschieben, aussichtslos. werden.

Jetzt veröffentlicht die Rote Fahne  " das allein gültige Moskauer   Rezept, enthaltend den richtigen Mittelweg, der schnurgerade und sicher zur Weltrevolution führt. Es ist ein Brief Sinowiems an den illegalen" Stuttgarter Parteitag und ein geradezu tlaffifches Dokument des un finns, zu dem es führt, wenn das Verhalten einer Partei von Leuten kommandiert wird, die von den inneren Berhält nissen des Landes, in dem jene Partei arbeitet, gar feine Bor  - dumme Jungen dazu verleitet, gegen diefe Waffenlager und ftellung haben.

Sinowjem feiert in seinem Sendschreiben den Sieg des Infen Flügels in der KPD. als ein Symptom der wachsenden Radikalisierung, doch fügt er vorsichtig hinzu:

Aber wehe uns, wenn wir diese Symptome über­fähen würden, wenn wir das Gewünschte als schon Borhan­denes erachten würden. Wenn wir annehmen würden, daß die Mehrheit des deutschen   Proletariats schon jetzt bereit ist, unter der Führung des linken Flügels der PD. sich in den Kampf zu stürzen. Das ist noch nicht der Fall Arbeiten, um das Ziel zu erreichen, ist die Hauptaufgabe der Partei.

Jeder logisch denkende Mensch müßte aus einer solchen Feststellung die Folgerung erwarten, daß boreilige Kraftproben vermieden werden müssen, daß die Kommunistische Partei   sich hüten müsse, ihre Karten voreilig aufzudecken, daß sie nicht das Leben und die Freiheit von Arbeitern in Experimenten riskieren dürfe, die selbst nach der authentischen Moskauer   Auffassung als verfrüht erscheinen. Aber das gerade Gegenteil ist der Fall. Sinowjew   bringt es fertig, folgendes zu erklären:

Die Bewaffnung der Arbeiter bleibt die wichtigste Aufgabe der Partei. Die vergangene Periode hat uns auf diesem Gebiet einige Erbschaften hinterlassen. Jedoch das, was bisher ge­macht wurde, ist nur ein Tropfen ins Meer. Das Streben der deut­ schen   Arbeiter zur Bewaffnung ist vorhanden. Eine der wichtigsten Aufgaben der Partei muß es sein, dieses Bestreben zu befriedigen. Ohne überflüssigen Lärm, in fachlicher Weise, muß die Bartei diese Aufgabe fördern, Kräfte und Mittel nicht schonend.

Die Partei muß jetzt verstehen, an der Erstarfung der Roten Hundertschaften zu arbeiten, und zwar an solchen, die nur aus Parteimitgliedern bestehen, und auch an solchen, an denen auch andere revolutionäre Arbeiter teilnehmen. Die Partei muß ein­für allemal begreifen, daß die Roten Hundertschaften nicht auf die Beine gebracht werden können, wenn wir sie nur als eine Organi fation auffassen, welche lediglich zur Zeit der revolutionären Feiern, d. h. in den Momenten von allgemeinen Streifs usw., erscheinen. Es ist unbedingt notwendig, den deutschen   Arbeitern den Gedanken beizubringen, daß die Roten hundertschaften auch im alltäglichen Rampf nötig find. Nur in dem Falle, wenn wir die Roten Hundertschaften an den Gedanken gewöhnen, daß sie die Demonstrationen der Arbeiter vor den Angriffen der Reichswehr  schüßen, die hervorragendsten Kämpfer vor den Verhaftungen ver­teidigen, diese oder jene Ueberfälle zum Zwede der Bewaffnung der Arbeiter usw. unternehmen, nur so fönnen die Roren Hundert schaften unter der Arbeiterschaft feste Wurzel faffen. Die Roten Hundertschaften müssen in der Tiefe der Arbeiter selbst, in den Be­trieben und Fabriten verankert werden. In diesem Falle werden fie auch für die bürgerlichen Behörden unantastbar. Also was die Kommunisten an Waffen besigen, ist nur ein Tropfen ins Meer".( Als fie im Oktober v. J. die Welt­revolution, von Sachfen ausgehend, ankündigten, hatten sie in Sachsen   600 Gewehre, die ihnen mittlerweile abgenommen worden sind.) Aber die Roten Hundertschaften" sollen nichtsdestoweniger ohne überflüffigen Lärm"! in den alltäglichen Kompf" gefteilt werden, fie follen sich auf Rämpfe mit der Reichswehr   einlassen, die über die modernste Bewaffnung verfügt, und fie follen- leber fälle auf Waffenlager unternehmen! All dies ohne überflüffigen Lärm" in der Erkenntnis, daß die vor handenen Waffen nur ein Tropfen im Meer" sind und daß man nicht glauben dürfe, die Zeit zur Weltrevolution sei schon gefommen. Denn font- mehe uns!"

-

-

Das Groteske dieser Angelegenheit ist, daß diese genialen Anweisungen in aller Form feierlich im Amtsblatt der Partei publiziert werden. Sicher ist es allein dieser Umstand, der die Rote Fahne  " verhindern wird, morgen von einer schamiofen Fälschung durch den Borwärts" zu reden. Dieser Umstand gibt zugleich der Gegenseite die Gelegenheit, nicht nur die Pläne

Am allertollsten ist die von Sinomjem öffentlich gegebene Anweisung, Ueberfälle auf Waffenlager zu unternehmen. Damit werden auf der einen Seite die Behörden aufgefordert, die Waffenlager viel schärfer als bis­her bewachen zu lassen, auf der andern Seite werden arme

ihre zur höchsten Wachsamkeit gereizte Besatzung blindlings anzurennen. Jeder Mensch, der fein kompletter Idiot ist, wird sich an feinen Fingern ausrechnen, was dabei heraus­

tommen fann.

Der Berdacht läßt sich nicht unterdrücken, daß die Rote Fahne  " mit ihrer Veröffentlichung Zwecke verfolgt, die Herrn Sinowfew nicht ganz freundlich sind. Der Moskauer   Bapit ist nämlich, wie schon erwähnt, den neuen linken" Führern der KPD. empfindlich auf die Hühneraugen getreten. Jeden falls beweist die Beröffentlichung, gleichviel was ihr Zwed gewesen ist, flar, wie wenig gerade dieser Sinowiew berufen ist, andern linfe Abweichungen" und" linke Phrasen" vorzuwerfen. Der große Moskauer   Führer darf den An­fpruch erheben, jeden deutschen   Unterführer an Dummheit und Gewiffenlofigfeit zu übertreffen.

-

Die Kommunisten haben jetzt zu den Wahlen ein Bla fat herausgebracht, das auf der einen Seite die Stinnes­Front", auf der anderen Seite die fommunistische Front zeigt und die Wähler auffordert, sich am 4. Mai zwischen diesen beiden Fronten zu entscheiden. Das ist obgleich die tom munistischen Arbeiter mit Waffen abgebildet sind, die sie nicht befizen, eine ganz grobe rechte Abweichung", die den Anschein erweckt, als ob durch den Stimmzettel, durch die De motratie, für die kommunistische Front entschieden werden könnte, während doch nach der kommunistischen   Heils lehre der Stimmzettel gar nichts und der Schießprüge! alles entscheidet. Diese Heilslehre beruht freilich auf einem fundamentalen Irrtum, denn befäße die KPD. auch alle Waffenlager der ganzen Welt, so fönnte sie doch nicht regieren, weil ihr die geistigen Kräfte dazu vollständig fehlen. Sie hat nichts als Rubel, sie weiß nichts als Phrasen, sie fann nichts als sich lächerlich machen.

Die Behörden sollen feine Dummheiten begehen. Sie sollen das Sendschreiben Sino wjews nicht ver­bieten. Sie sollen es lieber plakatieren und als Flugblatt verbreiten. Wer dann noch kommunistisch wählt, müßte auf feinen geistigen Gesundheitszustand untersucht werden.

Der Fall Hölz.

Klägliche Ausredeversuche.

Die Rote Fahne  " veröffentlicht eine Erklärung von Mar Hölz, in der er die Richtigkeit des vom Genoffen Fritsch abgefaßten Protokolls über ein Gespräch mit ihm bestreitet. Die Bestreitung beweist aber nichts anderes, als daß Hölz nun wieder versucht, sich auf die andere Seite zu legen, da er bemerkt, wie sehr er es durch seine Auslassungen mit den Kommunisten verschüttet hat. Der Bersuch des Hölz, die Aus­sagen unseres Genossen Fritsch zu bestreiten, scheitert nicht nur an der größeren Glaubwürdigkeit unseres Genossen, sondern auch an dem Umstand, daß sich Hölz zu anderen Per­fonen in gleichem Sinne geäußert und auch in seiner hand­schriftlichen Eingabe an den Amnestieausschuß diefelben Auf­faffungen niedergelegt hat, wie er sie in der Unterhaltung mit Fritsch zum besten gab.

Hölz bestreitet insbesondere gesagt zu haben:" Ich habe gefehlt, und deshalb büße ich jetzt." In seiner handschriftlichen Eingabe heißt es:

Gewiß, ich habe mich gegen die Gefeße der gangen, und ich darf nicht jammern, wenn dafür Bergeltung an mir geübt wird. Aber für das, was ich wirklich und tatsächlich an den Gesetzen gefehlt habe, habe ich physisch und seelisch schon schwer gelitten. Ich habe in pielem geirrt.

Und meiter:

Schon vor meiner Berhaftung habe ich begreifen gelernt, daß die Berausfegungen, unter denen ich meine Handlungen beging, den Tatsachen und ihren Zusammenhängen nicht ent­fprechen.

Und an einer anderen Stelle:

Ich bedauere aufs tiefft e, daß ich Handlungen beging, die nicht nur viele Menschen schädigten, sondern die auch der Idee schadeten, der ich damit zu dienen glaubte.

Die Rote Fahne  " hat bisher ihren Lesern kein Wort von dem mitgeteilt, was in jener Eingabe zu lesen war. Auch jetzt geht sie um diesen schwierigen Punkt herum wie die Kaze um den heißen Brei, indem sie bemerkt:

Der Raummangel verhindert uns, schon in dieser Nummer auf die Eingabe des Genossen Mar Hölz an den Reichsamnestieausschuß vom 17. Februar, die der Vorwärts" infolge eines Amtsa De gehens und Bertrauensbruchs abdrucken fonnte, ausführlich einzugehen. Wir werden die Erklärungen des Genoffen Max Hölz   zu seiner Eingabe in einer der nächsten Nummern zum Abdruck bringen, damit jeder Arbeiter ersehen kann, wo die Wahrheit und wo die Berleumdung zu suchen ist.

trauensbruch" kleidet niemand besser als die" Rote Fahne  ". Die moralische Entrüstung über Amtsvergehen und Ber schuß teine geheimen Urfunden sind. Die Eingabe und das Sie ist aber ganz unsinnig, da Eingaben an den Amnestieaus­Brotokoll des Genossen Fritsch waren uns schon längst zu informatorischen Zwecken zugänglich gemacht. Wir veröffent­lichten sie erft, als die KPD  . mit ihrem groben Schwindel herausfam, Mar Hölz zu ihrem Reichsspizenkandidaten zu er­flären. Die Eingabe ist, wie schon gesagt, von Hölz mit eigener Hand geschrieben und von uns buchstabengetreu wiedergegeben.

Jetzt will Hölz seine vielfach befundete Einkehr und Buß­fertigkeit dahin interpretieren, daß er nur von den Methoden der KAB. abgerückt sei. Er erklärt in der Roten Fahne": Ich befenne ganz freimütig( zu Fritsch. Red. d. B."), daß ich bedauere, überhaupt die spezifischen Methoden der KAP. jemals an­gewendet zu haben, und erklärte auch, daß ich tatsächlich eine Zeitlang auf dem Standpunkt stand, ich fönne und müsse durch Sprengung von Gebäuden, von Gerichten und anderen den lau gewordenen Kampfeswillen der Arbeiter aufs neue entfachen. Ich fagte auch Fritsch, daß ich mich gerade durch diese verkehrten Me­thoden in Gegensaz zur PD. gebracht hätte, die mit Recht diese Kampfmittel verwerfe.

Auch dieser Deutungsversuch wird durch die Eingabe klar widerlegt. Hölz kennzeichnet sich durch sein Verhalten als ein Mann, der feinen Augenblick gerade stehen kann, der weder? zu seinen Taten noch zu seinen Worten steht. Er ist ein unglücklicher, haltloser Mensch. Nur der Versuch der KPD.  , ihn als einen Helden und Führer hinzustellen, hot uns veranlaßt, ihn als das zu zeigen, was er ist.

Die Tscheka  .

Die Rote Fahne  " leugnet.

Die Enthüllungen über die kommunistische Tschefa, von der auch wir am Sonnabend Notiz nahmen, behandelt die Rote Fahne  " nach dem in solchem Falle üblichen Schema. Sie stellt fest", daß die ganze hache das Mach wert von Polizeifpigeln fei. Die in den Berichten genannten Neumann, Boege und Genossen hätten niemals irgendwelche Aufträge von irgendwelchen Stellen Neumann sei nichts anderes als ein Agent der KPD  ." gehabt. provocateur, der sich in die Reihen der KPD. einge. schlichen habe und gegen den seit langem dringender Berdacht bestand. Dieser fei nun bestätigt durch die Zusammenarbeit mit Boege, von dem die Rote Fahne  " behauptet, er sei nichts anderes als ein den Parteiftellen bekanntes Mitglied der Organi. fation C., also der Ehrhardt- Brigade!

Eine solche Behauptung würde glaubwürdiger flingen, wenn die Kommunisten nicht selber die Illegalität ihrer Organisation zum Dogma erhoben hätten, wenn sie nicht offiziell und immer wieder den bewaffneten Aufstand predigten, und wenn sie nicht dauernd alle Gewalttaten, die von ihren Anhängern verübt werden, öffentlich gebilligt hätten. So wie die Dinge aber liegen, fann niemand mit gutem Gewissen die Kommunisten von dem gegen fie erhobenen Verdacht reinigen. Es ist eine unbestreit­bare Tatsache, daß in der Kommunistischen Partei Deutschlands  " die verschiedensten Elemente durcheinander und nebeneinander wirken, daß, wenn die deutsche Zentrale irgendetwas beschließt und veranlaßt, die turfestanischen Sendboten von sich aus ihre eigene Organisation aufziehen und ar­beiten lassen. Die KPD.  , die den mitteldeutschen und den Hamburger Aufstand auf dem Gewissen hat, die überall und immer wieder Waffen und Sprengstoffe beschafen läßt, um fo genannte Teilfämpfe" herbeizuführen, hat alles Recht darauf verloren, daß man ihrer Ableugnung noch irgendwie ernst­nehmen fönnte. Sie hat sich in zahllosen eBrhtndlungen so lüg­nerisch und treulos erwiesen, daß auch ihre jezige Ableugn lediglich als eine verlogene Ausrede gewertet werden kann.

Bisher 14 Mitglieder verhaftet.

Zu der durch die gemeinsame Arbeit der Berliner   und Stutt garter politischen Polizeibehörden erfolgten Aufbeckung einer fom. munistischen Tscheta in Deutschland   erfahren wir noch, daß