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Nr. 206 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 105

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Sonnabend, den 3. Mai 1924

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Wer rettet Deutschland?

Eine Probe auf's Exempel.

Eduard Bernstein  , der weltbekannte Gelehrte| Bunft bedeutend herabgestimmt. Nur Leuten, die von den und Kämpfer, sozialdemokratischer Kandidat für Teltow   Dingen nichts verstehen, kann man vorschwindeln, mit Nein­Beestow, richtet vor der Entscheidung an die Wählerinnen sagen lasse sich etwas erreichen, und dieses Geschäft überlassen und Wähler diesen eindringlichen Mahnruf: die Herrschaften der für die kleinen Leute" bestimmten Presse. Kämen sie ans Ruder, so würden sie auch nicht einen Augen blick ernsthaft daran gehen, die Gutachten der Sachverstän­bigen zu entkräften.

Wer in den letzten Wochen viel im breiten Publikum herumgekommen ist, dem wird aufgefallen sein, wie oft in Wirtschaften und Läden von Besuchern, die weiter nichts zu tun zu haben scheinen, als sich dort herumzutreiben, den ge­ge= rade Anwesenden mit Emphase als unumstößliche Weisheit verkündet wird:" Rechts muß gewählt werden! Nur von einer Rechtsregierung fann Deutschland   noch Rettung er­warten." Die Zahl der Leute scheint nicht klein zu sein, die fich in Stadt und Land die Propagierung dieser Heilsbotschaft zum Geschäft machen.

Nun ist die Botschaft freilich nicht neu. Seit Monaten fann man sie in den sich national oder völkisch nennenden Elättern verschiedenster Gattung lesen. Aber die Zahl der Leute ist noch immer sehr groß, auf die das gesprochene Wort stärker wirkt als das gedruckte. Es mag daher angezeigt sein, in letzter Stunde auch dieser Redensart noch einige Worte zu widmen. Wie soll die Rechtsregierung" Deutschland   retten"? Fragt man die Apostel der Heilsbotschaft hierüber etwas näher aus, so wird man von den meister. ein überaus fon­fuses Gerede zu hören bekommen. Zusammengefaßt und auf einen leidlich verständlichen Ausdrud gebracht besteht die ver sprochene Rettung in:

1. Befreiung vom Drud der Entente.

2. Niederhaltung der sozialistischen   Arbeiterbewegung. Und zwar wird die Rechtsregierung es beiden zei­gen". Sie wird nämlich mit ihnen bismardisch" reden. Unter" bismardisch" versieht diese Gattung Deut scher natürlich das Auftreten mit dem Kürassierstiefel. Wenn Bismard damit auftrat, fnidte ja die ganze Welt zusammen.

Der wirkliche Bismard, der zwar feineswegs unfehlbar mar, aber immerhin sein Geschäft verstand, wußte es anders. Er wußte vor allem, daß man, um mit dem Kürassierstiefel auftreten zu fönnen, zunächst einmal den Kürassierstiefel haben muß. Daß das heutige Deutschland   ihn nicht hat und auf absehbare Zeit auch nicht haben wird, gesteht selbst Herr Ludendorff ein. Der Staatsmann der Rechtsregierung würde also mit einem Kürassierstiefel aufzutreten haben, der über­haupt nicht da ist. Was er mit diesem Berfuch für einen Ein­druck machen würde, braucht nicht beschrieben zu werden. Die Welt würde sich biegen aber vor Lachen.

Nein," ruft hier ein Bölkischer dazwischen, so ist's nicht gemeint. Unfer Mann wird jedoch der Entente erklären, daß wir nicht zahlen können und auch nicht zu zahlen brauchen, meil wir das Schuldgeständnis nicht anerkennen."

Schön, und was wird die Folge fein? Da diese Erklä­rung den einseitigen Rücktritt vom Versailler Vertrag be­deutet, wird Deutschland   ohne weiteres jeden Anspruchs auf die Rechtsmittel und die Schutzbestimmungen verlustig gehen, die ihm das Versailler Diktat zuerkennt. Das heißt, es begibt fich der Rechte, wird aber der ihm auferlegten Pflichten nicht ledig. Im Gegenteil. Es zieht sich eine gehörige Verschär: fung der ihm für den Fall der Nichterfüllung angekündigten Erekutionen und Erekutionslasten zu. Nicht etwa nur von feiten Frankreichs   und Belgiens  . Nein, die englische Regie­rung Macdonald hat sich ganz unzweideutig in diesem Sinne ausgesprochen wird in dem Augenblick, wo Deutsch­ land   die Erfüllung verweigert, ohne weiteres Frankreich   zur Geite treten. Statt daß die Belegung der Ruhr und der anderen besetzten Gebiete abnähme, würde sie im Gegenteil eine Ausdehnung und Verschärfung erfahren. Und was wird Deutschland   dagegen tun? Schreien? Das Gewissen der Welt anrufen? Die Welt würde darauf noch weniger hören, als in den Tagen der ersten Ruhrbefehung.

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Damals gab es immerhin in den meisten Ländern Leute, die Frankreichs   Vorgehen zu scharf fanden und noch Mitleid mit Deutschland   fühlten. Ein Deutschland   aber, das erflärt, ich will nicht zahlen", würde nirgends in der Welt auch nur eine Spur von Mitleid finden. Es hätte die ganze Welt gegen sich. Denn heute, wo die Welt die Gutachten und Vorschläge der internationalen Sachverständigen vor sich hat, läßt sie die Erklärung, die Summe sei zu hoch, weniger als je gelten. Sie will unbedingt zunächst den guten Willen sehen. Es ist das Tor, durch das allein für Deutschland   der Weg zur Befreiung geht. Die Weigerung, ihn zu beschreiten, führt unrettbar zum Unter­

gang.

Das wissen auch die Sachkundigen im Lager der Natio­nalen, und diejenigen von ihnen, die etwas zu verlieren haben, sie haben denn auch ihre Sprache in bezug auf diesen

Dabei haben sie sich aber durch ihre Einreden in eine so schiefe Lage gebracht, daß es ihnen schwer fallen würde, in so furzer Frist die Verhandlungen mit den Alliierten weiter zuführen und zum Abschluß zu bringen, wie sie durch die Finanzlage Deutschlands   geboten ist. Die Unehrlichkeit würde fich zum Teil an ihnen selbst, mehr noch aber am deutschen  Bolke rächen.

Und nun zur Rettung Deutschlands  " durch die Nieder­haltung, der Arbeiterbewegung. Von der sozialpolitischen Verworfenheit des Gedankens soll hier gar nicht geredet wer­den, das Verständnis dafür geht in die Köpfe der Leute, die ihn propagieren, ja doch nicht hinein. Aber das soll ihnen und ihren Gläubigen gesagt sein, daß der bitterste Feind Deutsch  lands ihm keinen verderblicheren Rat geben könnte als den, es mit der Knebelung der Arbeiterbewegung zu versuchen. Nicht nur, daß an dem Unternehmen, an dem der Abgott Bismard gescheitert ist, feine Nachäffer erst recht sich die Zähne ausbeißen würden, würde ein Deutschland  , das mit Knebelungsmaßnahmen gegen die Sozialdemokratie vorgehen mollte, in der internationalen Welt ohne weiteres die größte politische Kraft, auf die es bisher in Fragen des politischen Rechts rechnen durfte, zur Gegnerin haben

Und nun noch einmal: Wer rettet Deutschland  ? Blicken wir etwas zurück, so sehen wir, wie die Parteien der Rechten vor und in der Zeit des Ruhrkampfes sich solange

jeder Aufbringung der Kampfmittel durch eine die Sachwerte energisch heranziehende Steuerreform widersetzte, bis die unablässige Steigerung der Inflation die Kauffraft der Papier­mart bis nahe an den Nullpunkt heruntergedrückt, unzählige kleine Leute durch Entwertung ihrer Ersparnisse und Renten zugunsten von Bejizenden ausgeraubt, das Wirtschaftsleben total zerrüttet und über Millionen Lohn- und Gehaltsempfän­ger furchtbares Elend gebracht hatte. Wir sehen, wie sie selbst dann noch, als es unwiderleglich feststand, daß ohne die Ein­stellung des Ruhrkampfes Deutschland verbluten mußte, die Gewiffenlosigkeit so weit trieben, die Geister gegen die Ein fiellung des Ruhrkampfes aufzustacheln und dadurch die Lage zunächst noch zu verschlimmern. Wir sahen sie bestrebt, die von Hilferding   eingeleitete Währungsreform, die auf die unter den heutigen Verhältnissen einzig ftabile Goldwährung ab­zielte, zugunsten einer Roggenwährung beiseite zu schieben, die in das Geldwesen Deutschlands   neue Unsicherheit gebracht hätte. Und wir sehen ihren sich als radikal aufspielenden linken Flügel, der die Aufgabe hat, unter Mißbrauch nationaler Begriffe die kleinen Leute für die Reaktion einzufangen, für die Ablehnung der Sachverständigenoutachten agitieren, ob­wohl es feststeht, daß die Ablehnung für Deutschland   die und Berschärfung des Berlängerung fegungselend's bedeuten, die Weiterführung der erfolgreich eingeleiteten Währungsreform unmöglich machen, Land und Volf unrettbar dem Berderben überliefern würde.

Be­

So sehen die Retter Deutschlands  " aus. Unter sich oben. drein noch uneinig sind sie nur zu einem fähig, Deutsch­ land   in der Welt vollends verhaßt zu machen und im Innern in den Zustand hoffnungsloser Anarchie zu versezen. Da s wartet derer, die rechts" wählen!

Es gibt nur noch Pazifisten.

Selbst die ,, Vaterländischen" geben sich friedlich.

Graf v. d. Golg veröffentlicht im Namen der Ver­einigten Vaterländischen Verbände einen Aufruf, der sich scheinbar gegen den Wahlaufruf der Reichsregierung wendet. In dem Protest heißt es:

Die vereinigten vaterländischen Verbände Deutschlands   sehen in dem Wchlaufruf der Reichsregierung:

1. einen Appell an die Erbärmlich feit, weil er den Wähler=

massen die Möglichkeit eines neuen Krieges vorgetäuscht, wenn die Rechtsparteien an die Regierung kommen.

2. Eine unverantwortliche Irreführung, weil alle nationalen Führer sich bewußt sind, daß der Verzweiflungstrieg des wehrlojen deutschen   Volkes cussichtslos ist und durch ihn gerade Frankreich   das erreichen würde, was es schon im Weltfriege offen als fein Ziel bezeichnete: die völlige Bernichtung Deutschlands   für immer.

3. Eine unerhörte außenpolitische Schädigung Deutschlands  , well er dem feindlichen Auslande Waffen bietet gegen die fünf­tige deutsche   Regierung."

Die Baterländischen Verbände machen also ebenso wie den Frontwechsel der der Altdeutsche Verband Deutschnationalen Partei mit. Denn was anderes als die bisher als verbrecherisch bezeichnete loyale Erfüllungs­politif bleibt übrig, wenn der von den Hergt, Westarp, Claß und Golz bisher gepredigte Verzweiflungskrieg die völlige Vernichtung Deutschlands   bedeutet?

jetzt in ihrem Aufruf die Anschauung der Sozialdemokratie vollinhaltlich zu eigen, sie schreien in einem Augenblick, in dem ein zweites Ver­uns, um völtisch" zu sprechen sailles und die ewige Versflavung droht, in alle Welt hinaus, daß wir ein wehrloses Bolf und daß wir infolge­dessen auf eine Verständigung angewiesen sind.

Die Vaterländischen Verbände geben damit genau wie der Alldeutsche Verband und die Deutschnationalen zu, daß sic bisher die widerwärtigste Seuchelei und den Dummenfang im Großen betrieben haben.

Die Vaterländischen Verbände geben damit zu, daß die Sozialdemokratie die einzige Partei ge­wesen ist, die den klaren Blid und den Mut beseffen hat, mit eiferner Konsequenz auch in den verwirrtesten 3eiten die einzig mög­Itche Politif zu betreiben.

Wären die Baterländischen Verbände ehrlich, so müßten fie jetzt fagen: alle Stimmen der Sozialdemo fratie!

Der Aufruf der Vaterländischen Verbände wirft noch eine zweite Frage auf. Ist es richtig, daß Deutschland   nicht daran denken kann, einen Krieg zu führen, dann bedeuten die legitimen und illegitimen militärisch aufgezogenen Kampfverbände vom außenpolitischen Gesichtspunkt aus eine schwere Schädigung der deutschen   In­tereffen. Sie haben überhaupt nur einen 3wed, wenn fie für inner politische Konflikte bereitgehalten werden, d. h. es find Organisationen für den Bürgerkrieg und müssen deshalb mit allen Mitteln bekämpft werden.

Ist also der Aufruf der Reichsregierung in den Augen der Baterländischen eine Diskreditierung einer etwaigen Rechtsregierung, so find logischerweise die Landesver ratsprozesse, die wegen der Veröffentlichungen über Bewaffnung und Operationen der militärischen Verbände ein­geleitet wurden, ein Unding und mehr als das, eine fapi= fale Dummheit.

Die Schamlosigkeit, mit der die Vaterländischen Berbände ihr Schlachtroß umsatteln, stellt so ziemlich alles in den Schatten, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Die Sozialdemokratie hat immer die Anficht vertreten, daß eine lonale Erfüllungspolitik die einzig wirksame Waffe gegen Frankreich   ist, sie ist nie müde geworden, zu wieder­holen, daß das wehrlose Deutschland   nicht in der Lage ist, einen Krieg zu führen. Diese Auffassung war es aber gerade, die von Golk   und seiner Sippschaft als marristisch, internatio­nal und undeutsch verschrieen wurde und gegen diese klare Einstellung führte man die Baterländischen Verbände ins Gefecht. Als die Sozialdemokratische Partei wäh­Auch in dieser Hinsicht ist der plötzliche grundlegende Um­rend des passiven Widerstandes an der Ruhr und später vor Abenteuern warnte, die zu jener im Aufruf näher ge- fall der Rechtsparteien lehrreich. Er zeigt, daß diejeniaen fennzeichneten Katastrophe führen mußten, inszenierten die Kreise der jeßigen Regierung, die sich nicht tief genug vor Baterländischen und die Alldeutschen eine Entrüftungsorgie. den deutschnationalen Mäulern verbeugen fonnten, einem Sie sprachen von Landesverrat und von einem 3 mei überaus blöden Schwindel zum Opfer gefallen sind. | ten Dolch sto B. Die Baterländischen Verbände machen sich und das ist blama beL