sonderen gehetzt hatken: S k i n n e s, L u d e n d ö r f f und S i n o w j« w. Zur gleichen Zeit wurde es auch Nacht über gan� Europa . In Italien triumphierte der von den deutschen Bewunderern der Rathenau -Mörder angebetete Faschismus. In England brach die Koalitionsregierung Msammen, die Konservativen erlangten die absolute Mehrheit, und die Regie- rung Bonor Law sah mit verschränkten Armen dem Raubzug Poincarss in das wirtschaftliche cher� Deutschlands zu. Und in Frankreich feierte unter der Führung Poincaräs der Nationale Block neue Orgien des Deutschenhasses. Doch sollte die mit der Ermordung Rathenaus eingeleitete Periode der Entfesselung der nationalistischen Leidenschaften und der Zurückdrängung der internationalen Arbeiterbewe- gung nicht ewig währen. Sie dauerte freilich lange genug, um unermeßlichen materiellen und maralischen Schaden anzu- richten. Aber die große englische Demokratie gab das Signal zur neuen Generaloffenfive der Kräfte des Fortschritts und des Friedens gegen die Kräfte der Reaktion und des Krieges. Der Vormarsch der Labour Party führte zum geschichtlichen Ereignis der Regierungsübernahme durch M a c d o n a l d. Die Rückwirkung dieser Weltenwende machte sich zunächst in Belgien bemerkbar, vor allem aber in Frankreich , wo die Herrschaft des Nationalen Blocks zer. trümmert und H« r r i o t mit sozialistischer Unterstützung die Macht ergriffen hat. In Italien geht der in Blut und Korruption erstickende Faschismus seinem Ende entgegen. Mein in Deutschland sind die Erschütterungen der letzten zpei Lahre so tief gewesen, daß die Rückkehr zur Ver- nunft ,mr sehr zögernd und langsam erfolgen kann. Der un- glückselige 4. Mai hat einen Reichstag erzeugt, dessen irrsinnige Zusammensetzung eine Schande für das deutsche Volk und eine ebenso schwere Belastung für die ganze Welt bedeutet, wie es die französische Deputiertenkammer des Nationalen Blocks zwischen 1619 und 1924 war. Und doch geht es wieder aufwärts! Die Veränderungen der internationalen Lage, vor allem der Umschwung in Frank- reich, die c�chreckende Geistlosigkeit der Möchtegern-Diktatoren von rechts und links, die Gesinnungslosigkeit und Unehrlichkeit der Deutschnationalen , das olles beginnt schon jetzt sich auszu- reifen. Auch die verhetzten und irregeleiteten Teil des deutschen Volkes fangen an, zu begreifen.- die anhaltischen Wah- l e n sind ein erstes, aber deutliches Symptom dieser Rückkehr zur Besinnung. Neue Hoffnung zieht durch das Land, Hoffnung auf Frieden und Freiheit, die sich mit Recht auf die Wieder- geburt der französischen Demokratie stützt. Der seit der Ermordung Rathenaus unterbrochene. Vormarsch der Erkenntnis von der Notwendigkeit der Erfüllungspolitik hat erneut eingesetzt. Er erfaßt jetzt sogar solche Kreise in der Deutschnationalen Partei, die. vor zwei Jahren die lautesten Rufer im Kampfe gegen Rathenau waren. Für einige Ministersessel waren die Hergt und Westarp bereit, das Dawes- Gutachten anzunehmen. Dieselben Schwerindustriellen des Ruhrgebietes, die einst die Rathenau -Hetze finanzierten, drän- gen jetzt am stärksten auf schleunige Erledigung der betreffen- den Gesetze im Reichstag. So dürfen wir heute in Walker Rathenau den kühnen Pionier ehren, der seinen Mut mit dem Leben bezahlte, dessen G c i st aber siegreich fortschreitet. Ganz besonders wir Sozialdemokraten, die wir am treuesten neben dem bürgerlichen Demokraten Ratheyau standen und kämpften, als ihn der Haß seiner intellektuellen Mörder verfolgte-, die wir nach seiner Ermordung fast allein für gerechte Sühne und gründliche Reinigung der politischen Atmosphäre eintraten, und die wir stets, unbeirrt durch alle außenpolitischen und innerpolitischen Schicksale den Gedanken der einzig möglichen Erfüllungspolitik hochgehalten haben. Heute, wo die internationale Demokratie unter Führung Englands und Frankreichs ein neues macht» volles Erwachen feiert, heute, wo in Deutschland selbst die Ideen Rathenaus sich bis in die Reihen seiner einstigen Gegner
hinein Bahn brechen, heute werden unsere Berliner Genossen in wehmütiger und dankbarer Erinnerung an den edlen und tapferen Menschen nach Oberschöneweide pilgern und Kränze an seiner Gruft niederlegen, geschmückt mit schwarzrotgoldenen Schleifen, mit jenen Farben, die einst den Kraft» wagen des Vertreters der deutschen Republik in Genua kennt» lich machten und die wenige Tage später den Sarg bedeckten, in dem er aus dem Reichstagsgebäude hinausgetragen wurde. Dann aber möge— ganz im Sinne Walter Rathenaus— der Ruf der kämpfenden und siegenden Hoffnung ertönen: Ueber das Grab— vorwärts zum Frieden der Völker und zur Freiheit der deutschen Erde!
Die Neuorünung üer Reichsbahn. Personalordnung der Gesellschaft„Deutsche Eisenbahn". Dem Reichstag wird in diesen Tagen der Gesetzentwurf über die Regelung der Personalverhältnisse bei der Gesellschaft Deutsche Eisenbahn zugehen. Di« Rechts- und Personaloerhältnisse werden danach, wie der„Soz. Parlaments- dienst" erfährt, durch Gesetz und durch die von der Gesellschaft zu erlassende Personalverordnung geregelt. Die Reichsbahn- beamten find, wenn nicht ausdrücklich unter Vorbehalt von Widerruf und Kündigung, auf Lebenszeit angestellt. Die Er- nennung zum Reichsbahnbeamten setzt, abgesehen von durch Staats- vertrüge festgesetzt« Ausnahmen, die deutsche Staatsangehörigkeit voraus. Besoldung, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversor- gung der Reichsbahnbeamten regelt die Perfonalordnung. Für die Besetzung der entscheidenden Disziplinarbehörden sind die Reichsbahnbeamten wie Reichsbeamte zu behandeln. Urlaub und Arbeitszeit(Dienstzeit und Ruhezeit) regelt die Personal- ordnung. Die Reichsbahnbeamten haben zur Vertretung ihrer Jnter- essen gegenüber der Gesellschaft die gleichen gesetzlichen Rechte und Pflichten wie die Reichsbeamten gegenüber der Reichsverwaltung. Die Gesellschaft übernimmt die im Dienst der deutschen Reichsbahn vorhandenen Angestellten und Arbeiter mit den be- stehenden Rechten und Verpflichtungen. Die Rechtsverhältnisse und Veschäftigungsbedingungen der Angestellten regelt die Gesellschaft durch die Personalordnung, soweit sie nicht vereinbart sind. Die für die Unternehmungen, Betriebe und Verwaltungen des Reiches jeweils bestehenden Gesetz« und Verordnungen auf dem Gebiet des Versicherungs-, Wirtschästs-, Arbeits-, Wohnungsund Gewerberechts gelten auch für die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist verpflichtet, IS Proz. des alljährlich anzu st eilenden Gesamtnachwuchses(Beamte, Arbeiter) aus den Kreisen der Versorgungsberechtigten zu entnehmen. Die Einstellungs- und Anstellun'gsbedingungen regelt die Personal- ordnung, wobei die Verdienstzeit angemessen zu berücksichtigen ist. Auf die in unfallversicherungspflichtigem Betriebe beschäftigten Reichsbahnbeamten und-angestellten der Gesellschaft finden die Vor- schriften des Unfallfürsorgegesetzes Anwendung. Die Per- fonalordnung bestimmt, was als ruhegehaltsfälliges Diensteinkommen im Sinn« dieses Gesetzes gilt. Die Gesellschaft ist berechtigt, zur Durchführung der reichsgesetz- lichen Invalidenversicherung eigene Versicherungsanstal- ten zu behalten und«inzurichten. Den Reichsbahnbeamten werden an Besoldung, Wartegeld, Ruhe- gehalt und Hinterbliebenenversorgung die Ansprüche gewähr- leistet, die sie als Reichsbeamte hatten. Bei Berechnung der ich ergebenden Bezüge ist der nach Reichsrecht erworbenen Dienst- zeit die bei der Gesellschaft als Reichsbahnbeamt« verbrachte Dienst- zeit hinzuzurechnen.— Interessant ist, daß der Reichsfinanzmini st er sich bei neuen Vorschriften über die Dienstbezüg« ein Einspruchsrecht vorbehalten hat. Günstigere Aufbesserungen der Bezüge im Verhältnis zu den Reichsbeamten sollen nämlich nur dann erfolgen dürfen, wenn die Aufrechterhaltung des Betriebes es erfordert. Das ist ein« Vorsichtsmaßregel gegen evtl. einsetzend« Abwanderung in die Privatindustrie. Vor dem Inkrafttreten neuer Dienstbezüg« muß die Einspruchsfrist des Reichsfinanzministers verstrichen sein. Bei Streitfällen infolge des Einspruchs ist«in Schiedsgericht unter dem Präsidenten des Reichsgerichts vorgesehen. Der Gesetzentwurf, der in den Beratungen des Reichstags groß« Aenderungen kaum erfahren dürfte, sichert in der Hauptsache die Recht« des Eisen bahnperfonals. Gleichwohl darf nicht verkannt wer- den, daß der kapitalistische Einfluß in der Eisenbahn-Aktiengesell- schast sehr stark sein wird. Im Verwaltungsrat hat das Personal so
Wer ist verdächtig( Von Hans Klabautermann. Bürgerlich« Zeitungen berichten: In Potsdam fand die Denkmalsweihe für die 8000 gefallenen Angehörigen des 1. Garderegiments zu Fuß und des Garderesewekorps statt. Di« Polizei hatte, da sie einen Anschlag der Kommunisten vermutet«, umfassende Sicherheitsmaßnahmen getrosten. Die Feier fand im ehemaligen Kafernenhofe des Regiments statt. Ein Feldgottesdicnst leitete die Feier ein, an der unter anderen auch der ehemalige Kronprinz mit seiner Gemahlin und Prinz Eitel Friedrich tertnahmen. Dann begab sich der Festzug durch die mit schwarzweißroten Fahnen geschmückten Straßen nach dem Denkmal, an der Spitze die Kapell« der Reichswehr und eine Kompagnie Reichswehrsoldaten, die Traditionskompagnie mit aufgepflanztem Bajonett. In dem von Reichswehr hermetisch abgeschlossenen Lustgarten fanden nachmittags in Anwesenheit des Prinzen Eitel F r i e dr i ch und zahlreicher Offiziere des Garderegiments Borfüh- rungen der Tradittonskvmpagnie statt. In der Stadt sind einige verdächtige Personen verhaftet worden. Di- englische Presse, in« diese Vorgänge sonderbarerweste be- merkenswert findet, berichtet über den Fall ausführlich und knüpft milde G-danken daran, insonderheit mit Bezug auf die Ernennung des Generals Rollet zum französischen Kriegsminister. Für uns hat die Zeitungsnachricht, allgemein bettachtet, nichts Erstaunliches. Den Bürgern der Republik ist sie auch nicht weiter aufgefallen. Di« Deutschen sind ja stolz darauf, die eigentümlichste Staatsform er- funden zu haben, die die Welt kennt. Das Deutsche Reich ist ein republikanisch angestrichenes Staatsgefüge mit strammem mon- archistischem Unterbau. Auf diesen Unterbau können wir uns ver- lassen. Er kann den stärksten demokratischen Stoß verttagen, ohne zu wanken. Der letzte Satz des Berichts ist aber bedenklich. Di« Polizei hat einige verdächtige Personen verhaftet. Wen hält sie für verdächtig? Zwei Fälle sind möglich. In dem Glauben, die prinzlichen Herrschaften könnten durch extrem republikanisch Gesinnte belästigt werben, steckt die Polizei diese ins Kittchen. Di« Gefahr ist allerdings in Potsdam gering. Dort hat sich der Staatsunterbau von jeher als besonders massiv erwiesen. Immerhin ist die Polizei vorsorglich. Es wäre peinlich, wenn in Anwesenheit prinzlichen Geblüts ein Unerfahrener etwa„Es leb« die Republik !" riefe. Oder aber: Die Polizei erinnert sich— es kommen heutzutage die absurdesten Dinge vor— ihres auf die Republik abgelegten Eides. Der Kommandeur— es gibt solche Käuze— geht nach dem Buchstaben des Gesetzes und überlegt: Gegen ein Soldatendenkmal hat auch der strammste Republikaner letzten Endes nichts einzu- wenden. Bloß der monarchisch« Klimbiiy regt ihn auf, Unruhe-
stister sind daher die Prinzen. Nehmen wir sie als verdächtig fest! Tatsächlich hat denn auch der Kronprinz an der Feier nicht teil- genommen. Sollte er etwa verhaftet...? Der Satz ist in feiner Schaungkeit nicht zu End« zu denken. Die heiligsten Gefühle stehen auf dem Spiel. Mit allem Nach- druck fordern die Republikaner Potsdamer Richtung Aufklärung der Schicksalsfrage: Leben wir etwa in so einer Republik, wo eine königliche Hoheit vor dem Zugrist der Polizei nicht mehr sicher ist?
vas stille Haus am Valö. Bon KarlFischer. Trübe ist der Sonntag, trübe und kühl. Im Schatten der schwarzen, schweren Wolken, die alles Leuch- ten'oe und Lichte vom Himmel fortgewischt haben, schauen die Fichten um das still« Haus am Wald wie Trauerfahnen aus. Ein leichter Wind weht und raschelt in dem dünnen Gras, das die Hitze der letzten Tag« gedörrt hat. Fast als letztes steht das schlichte, stille Haus am Wald. Es steht auf einem kleinen Hügel, an den sich der See schmiegt, dessen Wasser ohne Wellen sind und still zu stehn scheinen. Aber in der Nähe prunken und protzen Villen. Barocke und bizarre Geschmacklosigkeiten sind in den letzten zwei Jahren hier ausgebaut, überhäuft mft Schmuck und Schnörkeln, wie sie die lieben, die nicht wissen, was sie alles anstellen und herausstecken sollen, um austzusallen. Und ein paar Schritte weiter ist das Klubhaus, sind die Tennis- Plätze des feudalen Tennisklubs, in dem einst der Kronprinz und die Frau Kronprinzestin den Tee zu nehmen geruhten und so Huld- voll waren, daß es heut« noch die Klubmitglieder mit heiliger Scheu und süßem Sehnen erfüllt. Pon alldem weiß nichts das stille Haus am Wald mit dem schlichten Anstrich und den bretten, grünen Fensterläden, die ge- öffnet sind, mit den eigenartigen Möbeln in den stillen Stuben und den seltsam geformten, runden Oefen in den Ecken, wie sie im Goethe-Haus am Frauenplan in Weimar stehn. Wie träumend steht dos stille Haus am Wald, und es strahlt von ihm wie Trauer aus. Vorbei an ihm aber pocht und pulst lautes Leben. Autos sausen auf der Straße nach dem Wald, Motorräder surren, Scharen von Ausflüglern pilgern vorüber, Wogen, Reiter, und auf dem nahen Rangierbahnhof Grunewald rasseln die Wagen, klirren Eisen und Räder, schreien die Lokomotiven. Das Leben hat nicht Zeit zu träumen. Vergangenem nachzu- hängen und Zaubertreise zu ziehen um Gewesenes, Verlorenes und Vernichtetes. Kein Schild, kein Name ist an dem niedrigen Zaun vor dem füllen Haus am Wald. Wenige nur von denen, die der Weg vorüberführt, wissen, daß hier Walther Rathenau gewohnt, der heute vor zwei Iahren, zehn Minuten weit von seiner Wohnung, von Mördern niederge- knallt wurde....
guk wie keine Derttetung. llm so wichtiger ist es daher, daß die Eisenbahner schon jetzt daran gehen, für die doch unvermeidlichen Wirtschafiskämpfe die Reihen ihrer Gewerkschaften möglichst zu stärken.
Schicksalsgemeinschaft! Eine Rede des Reichspräfidenten in Dresden . Dresden , 23. Juni. (WTB.) Vei einem nach der Besichtigung der Iahresschau deutscher Arbeit zu Ehren des Reichspräsidenten veranstalteten Frühstück begrüßte Ministerpräsident Heidt den Reichspräsidenten mit herzlichen Worten des Dankes für den Besuch und wies auf die Bedeutung der Jahresschau für das industrielle Leben Sachsens , insbesondere für die Entwicklung der sächsischen Textilindustrie, hin. Der Reichspräsident erwiderte mit Worten des Dankes für die Begrüßung und der Anerkennung für den Zweck der Ausstellung, Qualitätsarbeit zu zeigen und fuhr dann fort: Dieser Wille, gute, deutsche Arbeft wieder in die Welt zu bringen und dadurch unseren Export zu steigern, ist lebhaft zu be- grüßen, besonders in diesen Tagen der wirtschaftlichen Schwierig- keiten und Krisen. Die für unser« Wirtschaft so lebenswichtige Kreditfrags ist zum erheblichen Teile eine Exportftage: erst wenn die E x p o r t b a s i s breiter ist, wird auch die Zuführung ausländischer Kredite sich steigern. Dieses Ziel der Belebung unseres industriellen und gewerblichen Lebens und der Stabilität unserer gefährdeten Wirtschaft werden wir nur erreichen können durch die Lösung der die Entfaltung unserer Kräfte im Innern und nach außen so schwer hemmenden internationalen Schwierig- keiten, durch die Oeffncmg des Weges zum ungehindenen Waren- austausch mit den anderen Völkern und zum gleichberechtigten freien internationalen Wirtschaftsverkehr. Sie wissen meine Herren, daß die Reichsregierung und der Reichstag — trotz Bedenken m Einzelheiten— in dem Sachverständigengutachten die Grundlage einer Lösung sehen, die neben der Befreiung der inneren Wirtschaft von drücken- den Schranken, neben der Herstellung der Wirtschaftseinheit unserer nach Ausfuhr drängenden Indufttie den Weg ins Freie geben kann; nur in dieser Erwartung können wir es wagen, die großen Lasten zu ttagen, welch« die Durchführung dieses Gutachtens uns allen auferlege» wird. Wenn so die Hindernisse zur Entfaltung unferer Wirtschaft beseitigt werden können, dann werden auch der tatkräftige und vorwärtsführende Geist der Männer der deutschen Industrie und das hochqualifizierte Schaffen des deutschen Arbeiters, die beide wir hier auf dieser Jahresschau mft freudigem Stolz wahrgenommen haben, sich frei entwickeln und der deutschen Wert- arbeit unter besseren Bedingungen ihre alte Geltung und Schätzung wiedererrmgen können. Di« Wirtschaft ist eines der Fundamente unseres staatlichen und nationalen Lebens: aber sie steht nicht für sich allein, ss« ist nicht Selbstzweck: sie ist eng verflochten mit allen anderen schaffen� den Kräften, verbunden mit dem Staate, seiner Sicherung, seiner stetigen Entwicklung und seiner Autorität, abhängig vom Gedeihen oder Abstieg der Natten. Deshalb muß auch die Wirtschaft durch- drungen und beseelt fem vom Gedanken der Schicksalsgemeinschaft, von dem Geiste, der alle Interessen und alle Schichten des Landes umfassenden Zusammengehörigkeit der Deutschen . Wenn uns auch Weltanschauungen, politische Ansichten und widerstreitende Wirtschaft- liche Fragen trennen, stärker als sie muß in uns allen das Be- wußtfein leben. Glieder eines Volkes zu fein. Diesen Güst weiter zu verbreiten, bitte ich auch Sie, meine Herren aus der Indufttie und Wirtschaft dieses Landes: pflegen Sie ihn im Be- streben nach ehrlichem Ausgleich der Interessen und nach wahrer, in sozialem Geiste geführter Gemeinschaft der Arbeit. Denn nur als ein Volk, das m den großen entscheidenden Fragen zusammensteht, können wir den harten Weg der Zukunft mit Erfolg gehen. Daß auch die kommenden Jahre schwer und opferreich für uns alle fein werden, wollen wir uns nicht ver, hehlen: zu besonderem Optimismus haben wir keinen Anlaß, ober auch nicht zum Verzagen: die Sorgen des Tages sollen und dürfen uns den Glauben an die Zukunft unseres Volkes und feine Auf- gäbe in der Welt nicht rauben. In diesem Verttauen bitte ich Sie, mft mir zn rufen: Hoch Sachsen ! Hoch Deutschland !"
Das Komitee für die deutschen Znduslrieobligattonen, das auf Grund des Sachverständigenberichts ernannt wurde, hat zum fünften neutralen Mitglied den bekannten schwedischen Bankier Wallenberg ernannt.
Di« Lebenden aber werden seiner nicht vergessen, seines Werkes und Wirkens an der Republik . Und sie dürfen nicht vergessen, daß immer noch feiges, schmutz!» qes Gesindel mit Mordgedanken die Männer der Republik um- schleicht._
Walter-Rathenou- Stiftung. Wie wir hören, wird heute vor- mittag im Rathenau -Hause in der Königsallee im Grunewald , aus dem Walter Rathenau vor zwei Jahren feine Todesfahrt angetreten lxrt. die konstituierende Sitzung des Kuratoriums der Wolter» Rathenau-Stiftung erfolgen. Die Sitzung wttd stattfinden unter dem Lorsitz des Reichspräsidenten als Ehrenvorsitzenden und rmter Teilnahme der Mitglieder des Kuratoriums, zft denen außer der M u t t e r und derSchwesterWalterRathe- na us u. a. die Herren Professoren Einstein und N e r n st, die Direktoren der AEG. Deutsch und Mammroth.C. F. v. Sie- mens, von Mendelssohn und Fritz von Unruh gehören. Der Vorstand der Stiftung ist noch nicht ernannt. Es ist geplant, eine „Walt«r-Rathenau-Ges«llschaft"ins Leben zu rufen. Franz Lifzt und die Kognakflasche. Testern waren hundert Jahre verflossen seit der Geburt Karl Reineckes, des langjährigen Leiters der Leipziger Gewandhauskonzerte, des Freundes von Felix Mendelssohn und Robert und Klara Schumann . Von ihm existiert ein anmutiges, heute wenig bekanntes Erinnerungsbuch mit dem Titel„Und manche lieben Schatten tauchen auf". Im Rückblick auf fein eigenes Leben erzählt Reinecke hier auch von berühmten Meistern, mit denen er zufamurengettoffen. Viel verkehrte er mit Mendelssohn und feiner Familie, und er hat uns von dem Vater des berühmten Felix und dem Sohn des großen Moses, dem Bankier Abraham Mendelssohn , das ebenso bescheidene wie witzige Wort überliefert:„Früher war ich der Sohn meines Vaters, jetzt bin ich der Vater meines Sohnes." Seine Weihs als Musiker erhielt Reinecke, wie die meisten seiner Zeitgenossen, durch Franz Lifzt. Der Geiger Emst führte ihn'tm Jahre 1848 bei dem Meister«in. „Dieser lud uns sofort zur Mittagsmahlzeit ein." erzählt Reinecke. „Das Mahl war nicht lukullisch, aber vornehm: zu den Speisen wurde Bayerisches Bier und Sekt kredenzt. Den letzteren verschmähte Lifzt vollständig und äußerte dabei, wie seltsam es fei, daß er in dem Ruf« stehe, viel zu trinken ixd oft die Saiten abzuschlagen, während doch beides nicht der Fall fei. Damals war ihm ein Gläschen Fine Champagne lieber als die feinste Marke Cham - pagner. und er ttank während der Tafel manches Gläschen. Als er auch uns davon anbot und Ernst für mich dankte mit den Worten: „Der Reinecke ist ein Puritaner, der trinkt keinen Schnaps", meinte Lifzt:„Snkin, lieber Reinecke. Sie haben ganz recht, ich gewöhne es mir jetzt auch ab." Trotzdem trank er dann wieder sein Täßchen Mokka mft einem Schuß Kognak. Nach Tisch forderte er mich auf, chm zu einem Schüler zu begleiten, dem er eine Stund« zu geben habe. Ein größeres Glück hätte ich nicht haben können als das, Zeug« einer Klaoierstunde zu fein, die Lifzt gab! Während der ganzen Zeit verharrte Lifzt stehend hinter dem Stuhle feines Schülers, machte feine, oft humoristisch gewürzte Bemerkungen zu dem Spiele, spielte ab und zu einzelne Stellen m aerade-ui unnack- ahmlicher Weife vor und- nahm von Zeft zu&t einen Schluck