Nr. 144 ♦ 42. Jahrgang
7. Heilage öes Vorwärts
W'�twoch, 25. März 1425
Achtzehn in einer Stube. Zluf der Tagung der freien(Iewerkschasten, bei der man über Wohnungsbau und Wohnungswirtschaft debattierte, hat einer der Redner mitgeteilt, daß w Neukölln tn einer Stube achtzehn Menschen Hausen! Vielleicht liest der«In« und der ander« leicht darüber hinweg und die Herrschaften von der Rechten, die die Miete sobald als möglich über die Friedenshöhe bringen und die Dohnungszwangswirtschast beseitigen wollen, haben sicher kaum Kenntnis von dieser Tatsach«. Jetzt vor den Wahlen wird alles Mögliche versprochen und das bißchen Blau vom grau-grämlichen Himmel heruntergelogen. Aber nachher heißt es: Laßt sie betteln gehen, wenn sie hungrig sind! Achtzehn Menschen in einer Stube! Man weiß zwar nicht, wie groß diese Stube ist. aber man weiß, daß gerade in Neukölln und tn anderen Stadtteiteu, in denen Proletarier wohnen müssen, die Stuben niemals sehr groß und geräumig zu sein pflegen. Man kann sich denken, wie es in so einer Stube aussieht, in der achtzehn Menschen leben und atmen. In Berlin ist jetzt«ine Gesundheits. woche mit Vorträgen über Hygiene und gesundheitsfördernder Lebensweise. Müssen die Achtzehn, die tagaus, tagein und all« Nacht in dieser«inen Stube eingepfercht sind, das alle» nicht wie einen Hohn und eine grausame Satire aufsassenl Di« Teilnehmer an dieser Gesundheitsmoch« sollten einmal die Stube besuchen und be» sichtigen, in der achtzehn Menschen Hausen, kochen und schlafen. Man stelle sich nur vor, welch« Luft in diesem Raum herrscht, wenn diese achtzehn Menschen am Morgen ihre Lagerstätten verlassen. Für die Kinder aber, die hier leben und in dieser Lust groß werden müssen, bedeutet diese Wohnung«in Mord. Man halt« demgegen. Lber, daß unter solchen Verhältnissen se» wird selbstverständlich nicht nur in Neukölln solche ideal« Wohnungen geben) Leute dafür ein» treten, daß die Zwangswirtschaft der Wohnungen beseitigt werde. der Hebe tzaustlatfth. Degen Verleitung zum ZRetarld ins Zuchthau». »Sie spielen mit den Rechtsgütern Ihrer Mitmenschen, welch« Sie zu achten verpflichtet sind'— so sagte Landgerichtsdirektor Leh- mann zu der 2-tjährigen Schneiderin Erna F., die vor dem Amts- gericht Derlin-Mitte unter der AnNage der versuchten Ler» leitung zum Meineide stand. „Es spricht auch von einer niedrigen und gemeinen Gesinnung,' fuhr er fort,»wenn Sie in einem au« einem H a u» k l a t s ch hervorgegangenen Zivilprozeß bewußt versuchen, die Wahrheit zu verschleiern, indem Sie eine Zeugin zu überreden versuchen, im Interesse einer Partei unter Eid die Unwahrheit zu sagen.' In ihrer Wohnung übergab die An- geklagte damals der Zeugin einen Zettel, auf dem sie ihr eine Aus- sage niedergelegt hatte, die sie machen sollte. Diese ließ sich jedoch cuf diesen Rat nicht ein. sondern übergab den Zettel vielmehr der Gegenpartei, die ihn dem Staatsanwalt zugängig machte. In der Verhandlung stellte sich heraus, daß die Angeklagte sogar eine Wohnungsskizz« angefertigt hatte, damit die ihr bekannte Zeugin bei Angaben über gqr nicht gemachte Beobachtungen nicht in Schwierigkeiten durch Mangel an Ortskenntnissen käme. Tatsäch. sich hatte die Zeugin die Wohnung, in der die Schimpfwort« der Hausbewohner den genannten Zivilprozeß verursachten, gar nickt flehen Daher war die Anfertigung der Wohnungsskizze und die liebergabe an die Zeugin«in erdrückender Beweis für die Schuld der Angeklagten. Bei der Urteilsbemessung kam nur als straf- mildernd in Frage, daß die Angeklagt« bisher unbestrast war. da- gegen wirkte es ftrafversckärfend, daß sie mit großer Hartnäckigkeit sich der Aufklärung ihres Deliktes widersetzte. Sie hatte sogar gegen eine Frau W., ihre schwerst« Belastungszeugin. Strafanzeige wegen Verleumdung erstattet und ferner Beschwerde gegen den Ein» stellungsbescheid der Staatsanwaltschaft«ingelegt. Die Angeklagte nahm"unter Tränen das Urteil entgegen, das wegen erfolgloser rersuchter Derleitung zum Meineide auf IH Jahre Zuchthaus unddrekjährigenLerlustderbürgerlichenEhren» rechte erkannte. Berufung km Itowaweser Sommvniflenprozeß. Der erst« Staat - anmalt Gerlach in Potsdam hat gegen das Urteil
gegen die dreizehn Nowoweser Kommuni st en, die wegen Landfciedensbr-.ich angeklagt waren und von denen elf frei- gesprochen und nur zwei we»jen Nötigung verurteilt-ourden, Berufung eingelegt. Ter Prozeß wird jetzt tue große Strafkammer in Potsdam beschäftigen. _ Aufhebung einer Gehelmbreunere!. Die Spritsabrik im»Schützeuhaus". Eine Geheimbrennsrei wurde von Beanüen des Berliner Zoll- grenzkommissariats für Berlin und die Provinz Brandenburg in Lößnitz in Sachsen ausgehoben. Dem Kommissariat kam zu Ohren, daß in diesem etwa 2 Stunden von Chemnitz entfernten Ort im.Schützenhaus" eine Geheimbrennerei betneden wurde. Beamte des Kommissariat» fuhren am vergangenen Sonntag von Berlin nach Lößnitz hinaus. Während die Kicchenglocke» läuteten und der Kirchgang begann, machten sie einen überraschen- den Besuch und deckten in Nebenräumen des Tanzsaales, besonders aber unter diesem einen recht ansehnlichen Betrieb auf. Im Saal selbst war nichts Auffälliges. Die Paare, die dort jeden Sonntag im Tanze sich drehten, ahnten nicht, daß neben und unter ihnen fleißig gearbeitet wurde. Die Brennerei enthielt 2 moderne Apparate mit allem Zubehr. Die beiden Kessel faßten je 600 Liter. Wie die Feststellungen ergaben, bestand der Betrieb schon seit Mitte des Jahres 192 3. Di« Zentralheizung des Saales wurde zugleich für die beiden Spritapvarate benutzt. Der Wirt de» Schützenhauies war Mitinhaber der Brennerei. Er betrieb neben» her auch eine Likörfabrik. Er behauptet, daß er nur für diese eigene Fabrik und nicht auch zum verkauf gebrannt habe. Ob. das zutrifft, ist jedoch sehr Zweifelhaft und noch Gegenstand weiterer Unter- suchung. Der Wirt und mehrere andere Beteiligte wurden»er- haftet._ W-kstkase und Gebete. Der Hestmagnetiseur Hans Schermutzki war vom Schössen- rricht Tempelhof wegen fahrlässiger Tötung zu einem ahr Gefängnis verurteilt worden, weil er durch seine merk- würdige Behandlungsmethode den Tod einer trebskronken Frau verursacht hatte. Eine Frau, die an Brustkrebs litt, hatte auf An- raten von Nachbarn sich zu Schermutzki begeben, der ihr verordnet«. Butter und weißen Käse auf die Wunde zu legen. Die übrige Behandlung sollte nur darin bestehen, daß sich die Kranke morgens und abends den Körper mit den Händen von oben nach unten obstreichen und dabei Gebete murmelte. Als der Zustand sich Immer mehr verschlimmerte, ging«ine Schwester der Patientin zu dem Magnetiscur und wollte ihm eine Falle stellen, um die Schwester von der Sinnlosigkeit der Methode zu überzeugen. Scher- mutzki siel auch daraus hinein. Er stellte die.Augendiagnose' und nach dieser kam«r zu dem Ergebnis, daß die angehende Kranke einen Knoten im Gehirn habe. Er blies ihr in die Bluse und verordnete ihr auch fleißiges Beten und Ab- streichen des Körper«. Inzwischen war der Zustand der Kranken so schlecht geworden, daß man sie in ein- Klinik schaffen wollte. Der Leiter dieser Klinik lehnte jedoch«ine Operation ab. weil der Fall hoffnungslos war. Die Krank « ist auch wenige Tage später gestorben. Gegen da« Urteil hatte Schermutzki Berufung«ingelegt und wollte wissenschaftlich begründen, daß die von ihm verfolgte operationslose Behandlung des Karzinoms auch von einer Reihe medizinischer Autoritäten vertreten werde. Seine Weißkäsebehand- lung sei nichts anderes als die Albumin-Protein-Therapie. Den von den Rechtsanwälten Dr. Frey und Kamnitzer gestellten An- ttägen auf Ladung einer Reihe von Medizinern tonnt« sich da» Gericht nicht ver schließen und es wurde daher dt« Verhandlung vertagt.__..._... Milde Richter. In uns«»», Parteiblatt, der..Dolkssttmme' kn Fransfurt a. TO, finden wir den Bericht über ein« Gerichtsverhandlung, die wegen ihrer Begleitumstände allgemein Aufsehen erregen dürfte und in Berlin besonders interessieren wird, weil der Angeklagte ein Pen- sionsmhaber Fritz Preuß aus Charlottenburg war. P. hotte in Frankfurt a. M, wo er seinen au» Amerika kommenden Sohn erwartete, in einer Gastwirtschaft geäußert:„In der Re-
gierung sitzen Lumpen und Gesindel. Eber! ist»in Lump, und der Wirth ist ein hergelaufener Badener' Das Ger. cht verurteilte den famosen Staatsbürger wegen Vergehens gegen das Renublikschutzgefeg zu— einem Monctt Gefängnis. Aber die Sache kommt noch besser. Das Reichsgericht hob das Urteil auf und entschied, daß P. hinsichtlich der Aeußerung über Wirth freizusprechen sei, weil Wirth damals, als!vie Aeußerung gefallen war, nicht mehr Mitglied der Regierung war. In der neuen Verhandlung vor dem Schuftengencht in Frankfurt a. M., die dieser Tag« stattfand, wurden ärztliche Gutachten vorgebracht, daß P. der Paragraph LI ziizl'bitTiqen fei, weil er an Verkalkung der Gehirnschale leide. Das Gericht sprach den Ange- klagten, gegen den seiner Zeit der Reichspröstdent Strafantrag gestellt hatte, tatsächlich frei. Wenn stüher jemand derarttge Acuße- rungen über das Staatsoberhaupt getan hätte, wäre er trotz der ver- kalkten Gehirnschale wegen Majestätsbeleidigung verurteil worden
Unser wahlfilm. Do er gezeigt wird. Für die Reichspräsidentenwahl hat unser« Groß-Berliner Parteiorganisarion«inen gut zusammengestellten Propagandasilm herausgebracht. Der Film selbst zeigt interessante Ausschnitte aus dem Leben und au» der Tätigkeit des ersten Reichspräsidenten der deutschen Republik. Die Rechte und Befugnisse des Präsidenten werden textlich erläutert. Der Film zeigt ferner das Leichen- begängnis Eberts, u. a. die Uebersiihrung zum Potsdamer Bahnhof und die reich mit Flaggen geschmückte Straße in Heidelberg , in der Ebert einst als Sohn eines armen Schneidermeisters das Licht der Well erblickte. Von der Trouerkundgebung der Reichsregiecung anläßlich de» Tode » Eberts werden die wichtigsten Sätze mitgeteilt. Auch Me Kunboebuna de» amerikanischen Prösib-nstn CoolidgeS wird erwähnt. Hierbei leuchtet«in Bild des Kapitals in Washington auf. In der Lust kreuzt die„Los Angelos', der frühere Z. R, 3. Sehr eindrucksvoll ist diese Szene: auf der Leinewand erscheint der Beschluß des Reichstags vom 14. Dezember 1922, der besagt, daß die Amtszeit d«s Reichspräsidenten bis zum 30. Juni 1925 verlängert worden ist. Jedoch... Und nun zeigt das nächste Bild, wie die Standarte des Reichspräsidenten auf dem Dach des Palais in der Wilhelmstraß« auf halbmast gezogen wird. Ebert tonnte die Amis- period« nicht mehr beenden... Dann folgen Bilder unseres Kon- didoten Otto Broun. Einige kurze Daten erläutern seinen Lebenslauf. Wuchtig wirkende Aufnahmen vom Reichsbannertag in Magdeburg vollenden den Film, der unter der Leitung de» Regisseur» Richard Löwenbein zusammengestellt ist. De» Be- schluß macht eine stotisti'che Darstellung des Wachsens der Sozialdemokratie, deren Fahne ein Arbeiter mit der Aufforderung. Otto Braun zu wählen, wehen läßt. Die Vorführungen beginnen heute abend ab 7)4 Uhr auf folgen- den Plätzen: Im Westen: Wittenbergplatz, im Osten: Anbroaspatz, im Norden: Weddingplatz, im Süden: Belle-Allionee-Platz und in Neukölln: Richardplatz. _ Ein Opfer der Spekulationswnt. Amtsunterfchlagung, Nebstahl und Raub wurde dem Stadt- afsistrnt Bruno Bellmann zur Last gelegt, der gestern dem Großen Schöffengericht Mitte zur Aburteilung vorgeführt wurde. Der Angeklagte war geständig und stellt« sich als ein vom Schicksal ganz besonders schwer verfolgter Pechvogel hin. Er ver- suchte, von seinen Schulden loszukommen, verpulverte aber alle» Geld in Rennwetten. Als er nun am letzten war, kam er auf dl« verzweifelle Idee..«inen Raubüberfall zu machen. Er wartete einem jungen Mädchen von der Kasse der Rationolbank auf, folgte ihr in ein Hau« In der Kommandantenstraße, drückte ihr eine» Schwamm mit Salmiakgeist ins Gesicht und entriß ihr die Mappe, mll der er davonrannte. Durch die Hilst- rufe der Ueberfallenen wurde er aber auf der Straße er» grissen. In der Aktentasche befanden sich 800 Mark. In einem weiteren Falle hat der Angeklagt« 100 Mark bei etnem Wein- Händler erbeutet, wo er in einem lindewachten Augenblick einen Griff in die Kasse getan hat. Das Gericht folgte den Darlegungen des Verteidiger» und billigte dem Angeklagten mit Rücksicht auf seine Reu« mildernde Umstände zu. Das Urteil lautete auf 1 Jahr 10 Monate Gefängnis.
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Anthony Zahn. Roman von Zerome ft. Zerowe.
„Weshalb will er nicht? Will er denn nicht, daß alle Menschen glücklich sind?' .Anscheinend war dies Gottes Wille, doch gab es allerlei Schwierigkeiten. Männer und Frauen waren schlecht,— waren schon schlecht geboren, das ist eben das Unglück." „Weshalb wurden wir schleckt geboren?" beharrte das Kind.„Hat uns nicht Gott geschaffen?" i „Freilich: Gott hat alle» geschaffen." V.'. I „Deshalb schuf er uns nicht gut?" Die Tante erklärte, daß uns Gott ursprünglich gut ge- schaffen habe; Adam und Eva waren anfangs gut. Wären sie gut geblieben, hätten sie nicht den verbotenen Apfel ge» gesien, derart gegen Gott Ungehorsam bezeigend, so wären auch heutzutage alle Menschen gut und glücklich. „Adam war der erste Mensch, nicht wahr?" erkundigte sich das Kind. „3a. Gott schuf ihn aus Erde und sah, daß er gut war." „Wie lange ist das her?" Die Tante wußte nicht den genauen Zeitpunkt. Es fei schon sehr lange her. „Hundert Jahre?" Noch länger. Tausende und aber Tasende von Jahren. „Weshalb sagte Adam nicht, daß es ihm leid tue und weshalb verzieh ihm Gott nicht?" „Es war zu spät." erklärte die Tante...Cr hatte es schon getan." � „Weshalb aß er den Apfel, wenn«r ein guter Mensch war, und Gott es ihm verboten hatte?" Sie erklärte, der Teufel habe Zldam, oder vielmehr Eva. verführt. Eigentlich war es für die unglückseligen Nach- kommen belanglos, wer die Schuld trug. „Aber weshalb gestattete Gott dem Teufel, ihn oder sie zu verführen? Kann denn Gott nicht alles tun? Weshalb tötete er den Teufel nicht?" Frau Newt blickte verwirrt auf ihr Strickzeug. Während sie mit Anthony Äohn plauderte, hatte sie vergessen, die Maschen zu zählen. Außerdem sei e» für Anchony John an d» Zeit, heimzugehen- Seine Mutter würde sich sonst um ihn sorgen. Obgleich die Tante nur ungern Besuche machte, erschien sie etliche Tage später bei Anthony Johns Mutter. Zufällig hatte sich auch Frau Plumberry zu einer Tasse Tee einge- stpiden. Die Tante meinte. Anthony stille dem Dater in der Werkstatt helfe» geh». Am Abend eröffnete ihm die Muttex,
sie und der Dater hätten beschlossen, ihm Gelegenheit zu geben, alles über Gott, die Sünde und die unsterbliche Seele des Menschen zu lernen. Sie sagte es zwar nicht mit diesen Worten, aber der Sinn war der gleiche. Am folgenden Sonn- tag solle er in die Dissidenienkirche Zehen: dort gab es freund- kiche Damen und Herren, die sich aus allerlei Dinge verslanden, besser noch als die Tante. Sie würden feine Fragen beant- warten und ihm alles klar machen. Die Lehrer der Sonntagsschule waren sehr freundlich zu Anthony John. Die Tante hatte sie auf ihn vorbereitet, und sie hießen ihn als gutes Material freudig willkommen. Be» sonders ein junger Mann mit einem Aesthetengesicht und langem schwarzen Haar, das er mit der Hand zu kämmen pflegte, war äußerst gütig, sowie ein unschönes junges Mädchen mit guten Augen, das ihn plötzlich, während ein Choral gesungen wurde, in die Arme nahm und küßte. Aber auch diese Menschen vermochten ihm nicht zu Helsen . Sie ver» sicherten ihm, Gott liebe uns und wolle, daß wir alle gut und glücklich feien. Aber sie erklärten nicht, weshalb Gott den Teufel übersehen habe. Er hatte zu Adam nie ein Wort über den Teufel gesprochen, ihn nicht einmal vor ihm gewarnt Es schien Anthony John, als ob der Teufel Gott ebenso überrumpelt hätte, wie Adam und Eva. Es deuchte Anthony John ungerecht, daß Adam und Eva alle Folgen der unvorhergesehenen Katastrophe tragen mußten, und noch weil ungerechter, daß er selbst, Anthony John, der Tausende von Jahren später zur Well gekommen war. und, soweit er wußte, mit der ganzen Angelegenheit nichts, zu tun hatte, gleichsam als Mitschuldiger betrachtet wurde. Freilich vermochte er es nicht, diesen Gedanken Ausdruck zu verleihen, empfand bloß leisen. Zorn über die Ungerech- tigkeit. Als ihn die Mutter auf seinen ersten Botengang sandte, warnte sie ihn vor bösen Buben, die ihm das Geld fortnehmen könnten: deshalb hatte er auch damals sorgsam Umschau gehalten, und als er zwei Knaben erblickte, die mög» licherweife böse sein konnten, war er dicht hinter einem Polizisten einhergezangen. Ihm schien, daß Adam auch nicht die geringste Chance gewährt worden sei. Später berichteten sie ihm, Gott habe mit uns Mitleid empfunden und alles wieder gut gemacht, indem er seinen Sohn für uns sterben ließ. Es war eine wunderschöne Geschichte, die Jesu, des Gottessohnes. Anthony John fragte sich, wer wohl zuerst auf den Gedanken gekoinmen sei. und meinte, es müsse dem kleinen Jesus eingefallen fein, und dieser habe dann dem Vater den Borschlag gemacht. Irgendwie war Anthony John zumute, als hätte er auch so gehandelt. Vom Himmel auf die armen Menschen niederbückend, mit dem Bewußtsein, daß sie alle in die Hölle louuneu müssen, würde er mll ihnen großes Mitleid
empfunden haben. Je mehr er aber über die Angelegenheit nachdachte, desto weniger begriff er. weshalb Gott den Satan nicht auf der Stelle getötet hatte. Er hätte doch wissen müssen. daß der Teufel böse Streichs spielen werde. Zuerst ermutigten die Lehrer seine Wißbegierde. Später jedoch änderte sich ihr Verhalten. Sie sagten, er werde diese Dinge besser verstehen, wenn er erwachsen sei. Inzwischen solle er nicht nachdenken, sondern zuhören und glauben. ß. Herr Strong'nth'arm war krank: es war fein gewöhn-, siches Pech. Seit Wochen hockte er müßig in der Werkstatt. verfluchte das Schicksal, weil es ihm keine Arbeit sandte. Und das Schicksal, dieser unverbesserliche Bösewicht, hatte vor zehn Tagen an seine Tür gepocht, mit einer Bestellung, die der Famille für einen Monat den Unterhalt gesichert hätte. Eine Woche später erkrankte er an einer Brustfellentzündung. Die Leute sagten ihm, er würde bald gesund sein, wenn er sich ruhig verhalte, nicht tobe, nicht die Arme hochwerfe und die Decken von sich schleudere. Aber was für einen Sinn hatte dieses Gerede? Was soll aus ihnen werden? Die Bestellung. (jut ausgeführt und rechtzeitig abgeliefert, hätte weitere Be- tellungen nach sich gezogen, ihn wieder auf die Füße gestellt. Jetzt wird er sie verlieren, sie wird anderswo zu Ende geführt. Frau Strong'nth'arm machte Pilgerfahrten nach dem großen Haus, kehrte mit Weintrauben zurück. Frau Newt kam nnt einem Korb; sie und ihr Mann hätten gern mehr geholfen, aber die Zeiten waren schlecht. Sogar den Gläubigen ging es nicht gut. Frau Newt sprach von Ergebung. Es war wi vierten Morgen nach Herrn Srong'nth'arms Erkrankung. Anthony, in den Ueberrock des Baters gehüllt, schlich bei Morgengrauen in die Küche, um das Feuer zu entzünden; die Mutter war im Schlafzimmer beschäftigt. Kleine Flammen schössen auf, warfen �phantastische Schatten aus die getünchten Wände. Als sich der Knabe umblickte, sah er einen fetten Gnom mit einem winzigen Kopf. Anthony John bewegte die Anne, und der Gnom antwortete mit ungeheuerlichen Ge» bürden des Entzückens. Vom Herd her tönt« ein fröhlicher prasselnder Ton: genau wie das Lachen einer alten Hexe. Der Knabe, den langen Ueberrock hochhallend, begann zu tanzen, und auch der Gnom schwang wie toll die Beine. Plötzlich öffnete sich die Tür. und eine seltsame Gestalt erschien auf der Schwelle- Ein kleiner krummbeiniger Mann mit großem Bart. Er trug eine spitze Mütze, und über der Schulter an einem Stock ein Bündel. Zweifellos ist das der König der Gnomen. Er warf das Bündel ab und streckte die Hände aus.> (Fortsetzung folgt.)