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kmöenburgs Amtsübernahme. Ansprachen Hindenburgs nnd Dr. Simons.
Reichspräsident jyindsnburg traf, vom Reichstag kommend, gestern um 12 Uhr 45 Minuten im Hause des Reichspräsi­ denten   ein. Er wurde dort von dem bisherigen Stellvertreter des Reichspräsidenten  , dem Reichsgcrichtspräsidenten Dr. Simons, empfangen. Dieser geleitete ihn in das Arbeitszimmer des Reichs- Präsidenten und übergab ihm dort die Geschäfte. Um 1 Uhr 30 Minuten fand im Hause des Reichspräsidenten   ein F r ü h st ü ck statt, zu dem der bisherige Stellvertreter des Reichs- Präsidenten, Dr. Simons, den Reichspräsidenten  , den Major v. Hindenburg   und Frau, den Reichkanzler und die Reichsminister, den Präsidenten des Reichstages, den Chefpräsidenten des Rechnungr. Hofes, die Chefs der Heeres- und der Marineleitung sowie die Staats- sekretäre des Bureaus des Reichspräsidenten   und der Reichslanzlei eingeladen hatte. Während des Frühstücks hielt der bisherige Stellvertreter des Reichspräsidenten  , Dr. Simons, folgende Ansprach«: Herr Reichspräsident! Daß Sie meiner Frau und mir die Ehr« erwiesen haben, vor unserem Abschied aus diesen Räumen mit dem Herrn Reichskanzler und den Herren der Reichsregierung unser werter Gast zu sein? dafür danken wir Ihnen von Herzen.' Sie zu bewirten ist mein letztes Recht und mein« letzte Pflicht in diesem Hause. Amtshandlungen habe ich hier nicht mehr vorzunehmen: die Geschäfte der obersten Vertretung des deutschen   Volkes habe ich in Ihre Hände gelegt. Aber ich weiß, daß ich den ganz überwiegenden Teil des deutschen   Volkes, auch den Dolksteil, der Sie, Herr Reichs- Präsident, nicht gewählt hat, noch jetzt vertrete, wenn ich Ihnen für ihre Präsidentschaft die wärmsten Glückwünsche ausspreche. Nicht leicht ist es Ihnen geworden, dieses Amt zu übernehmen. Ein langes Leben voll Pflichttreue und Hingabe, voll ruhmreicher Sieg« und schwerer Selbstüberwindung gab Ihnen gerechtesten Anspruch auf einen ruhigen Lebensabend. Dennoch hoben Sic sich dem deutschen  Volk« auch diesmal wieder selbstlos zur Verfügung gestellt: dem Volke, nicht der Partei. Daß diese Stelle dem Volke gehört, nicht der Partei, ist ja zu unseren! Glück schon Tradition geworden. Möge das deutsche   Volk Ihnen danken, möge Gottes Segen auf Ihrer Präsidentschast ruben, damit unter ihr dos deutsche Volt in friedlicher Arbeit seinen angemessenen Platz unter den Völkern der Erde wieder einnehmen kann. Möchten Sie stets tüchtige und willige Berater finden, die Sie bei Ihrem Streben zu diesem Ziel erfolgreich unterstützen, so daß die Zusammenarbeit sich so vertrauensvoll und ersprießlich gestaltet, wie ich es aus meiner kurzen Amtszeit all den verehrten Mannern gegenüber bekunden darf, die ich heute an unserem Tisch versammelt sehe. Wir aber, hochverehrte Anwesende, wollen unseren Dank und unsere Dünsche mit dem Rufe zum Ausdruck bringen: Unser neuer Reichspräsident, Generalfeldmarfchall v. Hinden- bürg, er leb« hoch! Reichspräsident von hindenburg erwiderte hierauf folgende«: Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist mir ein herzliches Ve- dürfnis, in diesem Hause, das nunmehr die Stätte meiner verant- wortungsoollen Arbeit werden soll, und in dem ich heut« noch Ihre und Ihrer Frau Gemahlin Gastfreundschaft genieße, Ihnen meinen wärmsten Dank zu sagen für die Aufnahme, die Sie mir bereiteten, und für die Worte, die Sie soeben an mich zu richten die Güte hatten, Mit mir so bin ich überzeugt dankt Ihnen das ganze deutsch  « Volk für die hingebende Treue, mit der Sie sich dem Rufe der Volksvertretung zur Verfügung stellten, als.der plötzliche Tod des ersten Reichspräsidenten eine vorübergehende Stellvertretung de« Staatsoberhauptes notwendig machte. Während dieser Wochen haben Sie dem deutschen   Volke mit dem gleichen Eiser und der gleichen Treue gedient, die Sie an vielen hohen und Verantwortung«- vollen Posten bewiesen haben. Es ist nicht meines Amtes, das Wirken meines durch«inen frühen und unerwarteten Tod aus seiner Arbeit gerissenen Herrn Amtsvorgängers zu kennzeichnen und zu werten. Diese Aus. gab« hat Herr Reichskanzler Dr. Luther an der Bahr« des Heim- gegangenen erfüllt. Unbeflrilken ist fein Verdienst um Wiederherstellung von Ruh« und Ordnung in Deuifchland nach dem Zufoutmeobruch unsere« Volkes. Das wird jederzeit dankbar im deutschen   Volke auch von seinen polliischen Gegnern anerkannt werden. Sein Streben war immer darauf gerichtet, dem deutschen   Volke treu zu dienen. An anderer Stelle habe ich wiederholt zum Ausdruck gebracht. von welchen Ueberzeugungen und Anschauungen ich mich bei meiner Amtsführung leiten lassen will. Unser heutiges geselliges Zusammen-
sein ist am wenigsten der rechte Ort. um xolitsil?? Paogf-rmra« zu entwickeln. Mein langes und arbeitsreiches Leben liegt olfen»or aller Augen. Ich werde mich auch in meinem neuen Verantwortung?- vollen Amte nur von dem einen Gedanken leiten lasten, in treucster Pflichterfüllung und unter Einsatz meiner besten Kräfte dem Volke und dem Vaterland« zu dienen. Die Anschauungen, wie ich sie in der großen Schule der Pilichtcrfülluno, dem deutschen   Hee�?. ge- wonnen habe, sollen auch für meine Fricdensorbeit von Rutz-n, sein. Sie gipfeln in dem Satze, daß Pflicht vor Recht geht, daß jederzeit. besonders aber in den'Togen der Rot, einer für alle und alle für einen stehen müssen. Das deutsche   Volk hat in Z-riten schwerster Prüfung sein Schicksal in die eigene Hand genommen. Möge es beweisen, daß es dieser Selb st Verantwortung gewachsen ist. Wir aber, mein« Herren, wollen uns in dem heißen D-streben zufammensindev. treue Diener des Vaterlandes zu sein. In diesem Sinne vorwärt» mit Gott  ! Hamburgs   Gruß. Hamburg  , 12. Mai.  (WTB.) Der Senat richtete an den Reichspräsidenten anläßlich der heutigen Vereidigung folgendes Schreiben: Hochzuverehrender Herr Reichspräsident! An dem Tag«, an dem Sie Ihr hohes Amt übernehmen, grüßt die Frei« und Hanse- stodt Homburg   in Ihnen nicht nur den Feldherrn, dem es Deutsch- lond in erster Linie dankt, daß es nicht Kampffeld des Weltkrieges Hpurde, sondern vor ollem den deutschen   Staatsbürger von vorbildlichem Pflichtbewußtsein, der auch in schwerster Zeit seinem Volt Treue hielt. Die Verehrung, die Sic in allen Schichten d«s Voltes genießen, ist auch in der Leidenschaftlichkeit des Wahlkamp- fes klar zum Ausdruck gekommen. Umso mehr dürfen wir hoife», daß nunmehr all« Kreise unseres Volkes, die bereit sind, sich aus dem Boden der Verfassung zu stellen, Ihnen, dem Führer und Repräsentanten der deutschen Republik, mit aufrichtigem Vertrauen und hoher Verehrung dafür danken werden, daß Sie sich dem Vaterland« noch einmal zur Verfügung stellten. Sie haben. Herr Reichspräsident, selbst wiederholt auf die fleschicht- sich« Aufgab« hingewiesen, die Ihnen gestellt ist, wenn die Zerfplit- terung unserer Kräfte überwunden werden soll. Wir hoffen von Herzen, daß es Ihnen gelingen möge, durch ihr Beispiel den beut- schen Staatsgedanken zu stärken und uns dadurch vorwärts zu brin- gen auf dem Wege zu einer deutschen   Nation. Sie»ürbe» damit da» werk sortsehen, das Friedrich Eberk lo der dunkelsten Zelt unseres Unglückes begann und Zhr« Lebensardelt mit dem Ruhme krönen. Ihrem Volke den inner«» Frieden gebracht zu haben. Hamburg  , dos Sie, Herr Reichsprästdent, seinen Ehrenbürger zu nennen die Ehr« hat, hegt an diesem für Deutschland   so wichtigen Tage Ihres Amtsantritts" die Hoffnung: Es möge Ihnen gelingen, durch Ihr Wirken, als Reichspräsident im Herzen des deutschen Volke» sür alle Zeiten lebendig zu bleiben als der Ehrenbürger eines sich aus Leid und Not empor zu neuem kraftvollen Sein und innerer Einigkeit ringenden Deutschlands  . * Auch aus vielen anderen Teilen des Reiches sind dem neuen Reichspräsidenten   Glückwunschtelegramm« zugegangen. 11. a. über- mittelte der Oberbürgermeister von Berlin   den Glückwunsch de? Dorfiandes des Städtetogee. Beim Reichspräsidenten 5)indenburg sind u. a. Glückwunsch- telegramm« des Kaisers von Japan  , der Königs von Schweden�   und Dänemarl, der Präsidenten von Deutsch  -Ossterreich, Fintond und Argentinien  , sowie des ungarischen Reichsoerwesers eingetroffen Empfänge beim Keichspräfiüentea. Der Reichspräsident empfing gestern mittag die Mitglieder de? Reichsministeriums. Reichskanzler Dr. Luther stellte dem Reichspräsidenten   die Reichsminister vor und sprach ihm die Glückwünsche des Kabinetts zur Amtsübernahme aus. Die Pressestelle des preußischen Staotsministeriums teilt mit. Der Reichsprästdent wird am Mittwoch um 11 Uhr 30 Minuten den preußischen Ministerpräsidenten Braun in Begleitung des' Staatssekretärs Dr. Weismonn empfangen. Es ist vorgeschsn. daß der Reichspräsident am Donnerstag nachmittag S Uhr dem preußischen Ministerpräsidenten einen Gegen- besuch im preußischen Staatsministerium abstatten und bei dieser Gelegenheit auch gleichzeitig die sämtlichen stimmberechtigten Mit- 1 glieder des Reichsrats begrüßen wird.
�bschieö von dr. Simons. Eine vorbildliche Stellvertretung. Der vom Reichstag nach dem Tods Eberts   zum Stellvertreter des Reichspräsidenten   gewählte Dr. Walter Simons   ist gestern nachmittag unmittelbar nach der Amtsübcrgabe und dem zu Ehren des neuen Reichspräsidenten gegebenen Mittagessen noch Leipzig  zurückgesohren, um wieder seinen Posten an der Spitze des Reichs- gerichts zu übernehmen. DieVoisifche Zeitung" widmet ihm zum Abschied ehrende Worte und erwähnt bei dieser Gelegenheit eine bisher nicht bekannte Tatsache, die Dr. Simons zur Ehre gereicht. Er hatte bei den Einweihlingsseiertichkciten in München   in feiner Rede Friedrich Eberts  ,des bedeutenden, um den Fortbc st and des Reiches hochverdienten Mannes" gedacht. Wie.die meisten Rochtsblätter hotten auch dieLeipziger Neuesten Nachrichten" diesen Satz sorgfältig unterschlagen. Sie mußten aber, wie sie selbst beschömt melden,aus Wunsch des Stellvertreters des Herrn Reichspräsidenten  , der ihnen offenbar eine entsprechende Berichtigung gesandt hotte, die betreffende Stelle der Rede nachträglich im vollen Wortlaut veröffentlichen Ebenso hat in seiner gestrigen Tischrede Dr. Simons es an einem ehrenden Hinweis auf das Wirken der ersten Präsidenten der deut- fchcn Republik   nicht fehlen lassen. Auch sonst hat Dr. Simons, der durch das Vertrauen gerade der republikanischen Parteien des Reichstages auf den höchsten Posten des Reiches berufen worden war, es verstanden, die Sympathien und das D e r t r a u e n zu rechtfertigen, die für diese Berufung maß- gebend waren. Er hat ganz im Sinne Eberts sein Amt während mehr als zwei Monaten schlicht und ohne Pomp, ober dennoch auf allen Gebieten unermüdlich wahrgenommen. Es wäre auch für die Zukunft nur zu wünschen, falls in ähnlichen Situationen die Er- nsnnung eines Stellvertreters erforderlich werden sollte, daß die Wahl auf einen Mann von den Eigenschaften des jetzigen Präsidenten des Reich-gerichts fiele. Die betrogenen Sparer. Protestvcrsammlung im Sportpalast. Die Arbeitsgemeinschaft der Sparerorgan»- s a t i o n e n veranstaltete am Dienstag abend im Sportpalast eme Protestkundgebung, die von vielen tausend Personen besucht war. Die Versammlung sollte Stellung nehmen zu den neuen Vorläget' der Reichsregierung über die Aufwertung. Gleich zu Beginn der Versammlung zeigte sich die heftige Erregung, in der sich die ent- täuschten Sparer durch die Aufweriungegesetze befinden. Sie machle sich in erbitterten Zurufen Lust. Das war besonders dann der Fall, wenn irgend ein leitender Minister erwähnt wurde. Besonders heftig war die Entrüstung bei der Erwähnung des Reichskanzlers Luther  . Hier gab es jedesmal minutenlange Unterbrechungen. Alle Redner wandten sich mit äußerster Schärfe gegen die Gesetz- entwürfe der Regierung. Die Sparer müßten in ihnen«ine b e- obsichtigte Verhöhnung und eine dauernd« Ent- r e ch t u n g erblicken. Es fehlte in den Reden auch nicht an starten persönlichen Verdächiigunoen, so daß die Versammlung zeitweise recht unruhig wurde. Bei der Erwähnung der Osterbotschaft Hindenburg  » zollte die Versammlung stürmischen Beifall. Es kam zum Ausdruck, daß sein Versprechen, er werde das Recht beachten, das Rechtsgefühl und die Rechtssicherheit wiederherstellen, und Sonderinteressen rück- sichtslos abweisen, ungewöhnlich große Hoffnungen beiden S-p a r e r n erweckt hat. Leider haben es olle Redner unterlassen, darauf hinzuweisen. daß Hinbenburg der erwählt« Vertrauensmann der Rechtsparteien ist und daß diese Rechtsparteien der Aufwertung ebenso feindlich gegenüberstehen, wie die Großindustrie, Großagrarier und Groß- danken. Es mag dahingestellt bleiben, ob da» mit Absicht unter- lassen wurde oder nicht. Di« Wirkung war jedenfalls der Eindruck, daß die Verschleierung der Sünden der Recht»- Parteien und der Rechtsregierung bei den Veranstaltern eine größer« Rolle spielt als die Förderung der Ansprüche von Gläubigern und Sparern. So ist es wohl auch nur zu erklären. daß jeder Versuch einer Diskussion unterdrückt wurde, obwohl die Abgeordneten ausdrücklich zur Teilnahme auf- gefordert waren. Von der sozialdemokrattschen Reichstagssrattion waren die Genossen L ö b e, Keil und Hertz anwesend, aber selbst ihnen, den besten Förderern der Interessen der Sparer, wurde das Wort verweigert. Die Versammlung endete mit der Annahme einer Entschließung, in der die Ablehnung der Regierungsforderungen betont wird.
Deutsthnationale gegen Reichsregierung. Ablehnung der Lutherschcn AufwertungSgcsctzo! Weimar  . 12. Mai.(TU.) Der Landesverband Thüringen der Dcutschnationalen Voltspartei hat in einer Sitzung des erweiterten Vorstandes in Erfurt   folgende Entschließung zur Aufwertungsfrage angenommen: Der Landesverband der Deutschnationalen Dolksparte! Thü- ringen fordert, daß die Reichstagssrattion die Auf- wortungzgesetzentwürfe in der von der Regierung vor- gelegten Fonn ablehnt. Es darf nicht nur eine einseitige Auf- Wertung bestimmter Schuldsordorungen stattfinden, sondern es müssen alle Schuldforderungen, seien es Hypotheken, Restkaufgelder. mündelsicher- Wertpapiere. Bankguthaben. Anleihen, Obligationen, Sparkasseneinlagen usw. in gleichem Maße aufgewertet' werden. Wir verlangen gleiches Recht für alle."
Münchener   Extratour. Tie Bürgermeister von München   kennen die Reichs- Verfassung nicht. ttlüuchen. 12. Mai.  (WTB.) Die sozialdemokratische Fraktion und die demokratische Arbettsgemeinschost des Stadtrots legten in einer Vollsitzung des Stadtrats Verwahrung dagegen ein, daß die städtischen Gebäude in München   am Tage der Eide»- leistung des neuen Rcichsprästdenten in den bayerischen Lan- dcsfarben geflaggt haben, wobei sie den Standpunkt per- traten, daß in diesem Lorgehen eine Mißachtung der Rcichsver- sassung liege. Bürgermeister Scharnagl wies diese Vorhaltung entschieden zurück mit der Erklärung, daß den beiden Bürgermei- stern die Rcichsiarben nicht identisch mit der Reichsver- sassung seien, und daß sie das Reich unter allen Umständen hoch- halten wollten. Die Reichsfarben sind schwarzrotgold" bestimmt A r- t i k c l 3 der Reichsverfassvng.Die Reichsfarben sind nicht identisch mit der Reichsoerfassung", bestimmen die Herren Bürgermeister von München   Der alte Bürgerbräugeist lebt also noch, und die Bewohner Münchens   können ruhig schlafen gehen. Herr Scharnagl wird das Reich unter allen Umstan- den hochhalten, womöglich noch boher als der Generalstaats- kommissar seligen Angedenkens K a h r.
politistbe Kinüer�. Kommunistisches Spiel im Parlament. Bei dar Vereidigung Hindenburgs haben sich auch die Kommunisten wieder einmal bemerkbar zu machen versucht. Ihr Höllcm rief denrevolutionären" Satz in den Saal:Nieder mit den Monarchisten! Hoch die Räterepublik!" Und da»» ver- schwand er mit seinen E-kährten in fluchtartiger Eile! Das Ausreißen ist schon ein« gewaltige Leistung. Die Holleins aber haben ein ganzes Jahr dazu gebraucht, um wenigstens das zu lernen. Als der am 4. Mai 1S24 gewählt« Reichstag zusammen­trat und der Vtzjährigc Alterspräsident Bock die Verhandlungen er- äffnei«, da traten sie noch ganz revolutionär aus. mit Kinder- irompetsn. Signal, und Tabakpfeifen und mit einem unentweg- ten Amnesiie-Gebrüll! Damals stand«in TSjöhriger Proletarier ihnen gegenüber. Di« Kraft ihrer Kehlen reichte wirtlich aus, den im Kampfe für die Arbeiter weiß Gewordenen zu überschreien. Di« Schalem, Kag. Epstein und Höllein hatten einenrevolutionären Sieg" erfochten. Grinsend standen sie da, mit den Händen in den Hosentaschen» und quetschten ihrAmnestie" heraus....- Ein Jahr nur und dieTaktik" hat sich verändert. Die Wähler sind zu reichlich 50 Prozent davongelaufen. Unter solchen Um- ständen hätt's auch die Gewählten nicht länger. Iatz! steht der 75>ährige General vor dem Reichstag  , um die Perkassung der Republik   zu beschwören. Da kreischt nur der heisere Höllein und dann sieht man von den Revolutionären nur noch die fliegen­den Rockschöße! Wie wird's nach einem wetteren Jahre sein? Scholem   bei der Reichswehrparade. Aus dem Reichstag wird uns geschrieben: Im Anschluß an die Vereidigung nahm der Reichspräsident v. Hindenburg   die Parade vor einer Reichswehrkompaguie ob. Die Rechtsportelen waren bei dieser Gelegenheit ebenso vollzählig vertreten, wie bei der Bereidi- gung. Auch die Kommunisten, dl« wenige Minuten vorher Nieder mit dem Monarchisten!" gerusen hatten und dann den Saal verließen, waren in einer stattlichen Anzahl erschienen. Vor allem zeigten sich Herr Schalem und Schwarz äußerst lntercssiert. Sio glaubten scheinbar, sich die neuest« Inkonsequenz in der An- nahm« leisten zu können, daß sie In der großen Schar der Teilnehmer untergingen. Dennoch sind sie unangenehm aufgefallen, ver Widsr-
spruch zwischen ihrer Theorie und Praxis steht jedenfalls wieder einmal einwandfrei fest: Vor den Augen der Oeffeittlichkett denion- strierte» sie-ostentativ gegen die Vereidigung, um dann an der Parade, die den Abschluß der Aereidigungsseierllchkeit bildete, teil­zunehmen. weil sie sich unbemerkt glaubten. Eia schwarzweißroter Meiaeiü und eine fchwarzweihrote Justiz. Halle. 12. Mai.«Eigen« D-ohlbericht.j Vor dem Schwur- geeicht Halle wurde am Dienstag der ichwarzwelhrole Ver- waltuugsiuspcktor Schneide wind von der Halleschen llniversllölsklinik wegen erwlef-uen dreifachen Meineids zu einem Zahr Gefängnis verurteilt. Schneidewind war einer d« schlimmste« Gewerkschaf tsseinde, zumal der Verband der Gemeinde- und Staalsarbeilec halte es ihm angetan,«eil« als Verlret« der feln« Willkür schutzlos ausgesetzten Angestellt?« d« halleschen llnlverfilätsklinik dauernd mit ihm zu tu« hatte. Das gegen Schneldewiud bekanntgewordene Material war so gravierend. daß uns« vrud-rorgaa in halle   sich damit befaßte. Schneldewind bestritt jedoch olle», stürzte zum Gericht, beschwor, daß alle» unwahr sei und erreichte, daß der Redakteur des h a l l« f ch e n Blattes zu einer Strafe von«00 Goldmark und mehrere weiblicheAngestellteder Klinik zu hohen GefSugnl». strafe» wegen verleumderisch« Beleidigung vecurteilt wurde». Außerdem hielt das Hallesche Gericht seine Aussage sür so wertvoll. daß c» de« A n jf e st e l l l e n des Verbandes der Semeiude- und Staatsarbeit««ege» Meineides iu llnlersuchuugshas» steckte. Frau und Kind« dieses Angestellleu setzte man rückfichtsl« der Gefahr des verhungerns aus. Inzwischen stellte sich jedoch her- aus, daß alle Angaben Schneidewinds erlogen waren. Nicht wenig« als drei vorsätzlich« Meineide hatte er gehäuft, die nunmehr zur Verhandlung kamen. Er fand milde Rtcht«, dle ihn eine Anzahl von MIld«ung»gründen zubilligten und ihn nur«in Iahr Gefängnis uerschaffle». Im vierten Schifsbecker Ausruhrprozeß wegen der im Oktober 15tZ3 an der Hamburger Grenze stattgehabten Unruhen wurden jetzt von 31 Angeklagten zwei freigesprochen und 29 zu Geld« und Festungsstrasen verurteilt. Di« Festungsstrafen bewegen sich zwischen 6 Monaten und 4 Jahren und ergeben insgesamt 57 Jahre 7 Mo- nare Festungshaft. Daneben sind insgesamt' 4 250 Mark Geldstrafe» oerhängt worden, die aber durch die erlittene Untersuchungsb-�t allen Angeklagten voll angerechnet werden.