Die Studenten verstanden dies sofort richtig und sangen auf einem Fackelzug, den sie zusammen mit dem Iungdeutschen Orden und dem Wikingbund veranstalteten, das Ehrhardt-Lied. Der Senat der Universität bedauerte diese Entgleisungen und das Ministerium forderte Herrn von Bieberstein auf, das Manuskipt vorzulegen. Er weigerte sich und erklärte: diese Stellen ständen zwar im Manuskript, er habe aber die Absicht gehabt, sie nicht zu verlesen.(!) In der Erregung habe er sie aber gelesen. Ein starkes Fieber habe seine Zurechnungs- fähigkeit beeinträchtigt,(l) Auf gut deutsch heißt das, in der Erregung habe er gesagt, was er ursprünglich habe sagen wollen. Gegen Herrn von Bieberstein wurde ein Disziplinarver- verfahren eingeleitet, das damit endete, daß man ihm einen Verweis erteilte. Ihm kann man nicht den Vorwurf machen, daß er— wie Dr. Gumbel— die Zivilcourage habe, zu sagen, was er denkt. Cr redet sich auf Erregung und starkes Fieber hinaus und kommt mit einem Verweis davon, der praktisch ein« Freisprechung bedeutet. Herr von Bieberstein hat eben ein« in Unwersitätskveisen erwünschte politische Ge- sinnung. Anders bei Dr. Gumbel. Er ist Pazifist, tritt mann- Haft für seine Ueberzeugung ein und seine politische Gesinnung wird von den zünftigen Professoren als„unerfreulich" emp- funden. Er wird deshalb, da ihm weder strafrechtlich noch in bezug auf die Diszipsinarordnung etwas vorzuwerfen ist, formell fteigefprochen. Aber das geschieht in einer Form, die eine öffentliche Diffamierung, also praktisch eine Verurteilung bedeutet. Die Broschüre der Heidelberger Fakultät ist zwar öffent- lich verschickt worden, aber hauptsächlich an rechtsstehende Zeitungen. Man scheint also den Wunsch zu haben, daß der merkwürdige Spruch der Heidelberger Professoren von der republikanischen Presie keiner Kritik unterzogen wird. Wir möchten hier mit aller Deutlichkeit den Beschluß der philosophi - sehen Fakultät in Heidelberg als das kennzeichnen, was er ist: eine unerhörte Beeinträchtigung der Ge- w i s s e n s f r e i h« i t, die mit den Bestimmungen der Reichs- Verfassung nicht zu vereinbaren ist. Und wir sind überzeugt davon, daß nicht nur weiteste Volkskreis« diesen Beschluß als eine Provokation empfinden, sondern daß insbesondere auch eine große Zahl von Universitätsprofessoren aufs höchste empört find über diese unglaubliche Verletzung der Gewissensfteiheit eines Gelehrten.__-
Hegen üas �ufwertungskompromiß. Luther «Ad die Aufwertung. Es handelt sich nicht um den Reichskanzler Luther , wenigstens nicht sogleich, sondern um Martin Luther . Im„Reichsboten" wendet sich Landesfuperinten- dent Rifche aus Wismar an die Rechtsparteien des Reichs- tags und redet ihnen wegen des Aufwertungskompromisses ins Gewissen. Er schreibt: „Gottes heilige Gebote, die wir ins Volt hinein- zupredigen haben und die trotz aller menschlichen Ueberhebung das Fundament eines geordneten Staatswesens bleiben werden, werden, so fürchten wir, durch jenen Kompromiß aus das empfindlichste verletzt. Daher müssen wir rufen:„Umkehr, solange«» noch Zeit ist!" „Betrug nennen es manche. Das ist nicht richtig, denn es fehlt der böse Wille.- Wer wer will es ihnen ausreden, daß fi« sich betrogen fühlen? Hoch und hellig Hot doch der Staat versichert, daß er für das eingezahlte Geld garantiere, und nun wird dies Versprechen gebrochen." „Weiter: Hat nicht die K i r ch e sich voll und ganz für die Kriegs- anleihen eingesetzt mit chrem Vermögen und auch mit ihrem Wort zur Empfehlung der Kriegsanleihezeichnungen? Ihr Ver- mögen wird ihr genominen, und der Ausfall seiner Zinsen muß nun durch Steuern der Kirchenglieder ersetzt werden. Ihre Legate für Arme werden ihr genommen, und sie hat nicht mehr die Mittel, der Armut zu helfen. Die ihr anvertrauten Stiftungen für Gräber gehen weg, und diese müssen verwahrlosen. Und ihr Wort?
Werkanuihrnoch Glauben schenken, wenn sie künstig- hin einmal für Liebeswerke und vaterländische Zwecke wirbt? Wird man nicht gegen sie den schweren Vorwurf erheben: Ihr habt euch des Betruges teilhaftig gemacht?" Kurzum: Es wird durch jede Abwertung ein solches Kapital von Glauben an Gott, das Vaterland und die Kirche, von Gerechiigkeits- sinn, von Treue, von Ehre, von edler Gesinnung in den weitesten Kreisen unseres Volkes vernichtet, daß die Wirkungen der Revolution dagegen nur ein Kinderspiel sind." „Dr. Martin Luther hat das 7. Gebot so erklärt:„Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir dem Nächsten sein Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten." Dieses Gebot darf in keinem Stück übertreten werden, sonst fällt die Verletzung unter sein Gericht. Ich wünschte, daß ich m tiesster Ehrerbietung dem Herrn Reichskanzler gleichen Namens, ich denke auch gleichen Blutes und gleicher Gesinnung, zurufen dürfte: J)alle dich an das Wort deines großen Vorfahren!" Wo wird sonst die Reichsfreudig- keit im besten Teil der Baterlandssreunde bleiben? Wo sonst die Rechtsregierung bei den nächsten Wahlen?" Wir verstehen die Erregung, die aus diesem Appell spricht, aber wir fragen: wo waren die Gewissensmahnungen in der Zeit, als Helfferich und Stinnes am Werke waren und die Inflation weitertrieben?_ Staütverorönetenwahl in Thale . Verdoppelung der sozialdemokratischen Mandate. Halberstadl. 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) In T h a l e (Harz ) fand am Sonntag die Neuwahl der Stadtverord- nctenversammlung statt, die infolge eines Formfehlers zu- erst ungültig erklärt worden war. Es haben erhalten: Sozialdemokraten.... 10 Sitze(am 4. Mai 5 Sitze) Kommunisten......... 2„(, 4., 5„) Zentrum.......... 1»(»4., 1•) Bürgerliche Gruppen zusammen.. ll„(„ 4.. 12.) Die Zahl der sozialdemokratischen Mandate ist demnach ver- doppelt._ Reichsbannertage. Kundgebungen in Halberstadt und Münster . Halberstadl. 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag fand hier eine große republikanisch« Kundgebung statt, an der sich zirka 10000 Personen beteiligten. Auf dem Domplatz nahm das Mitglied des Bundesvorstandes des Reichsbanners, Cr o h n- Magdeburg, die Weihe von 7 Reichsbannerfahnen vor. Die Festrede hielt Kamerad E b e r t- Berlin. An dem Festzuge beteiligten sich zirka 0000 uniformierte Reichsbannermitglieder, die auf ihrem zweistündigen Marsche Gegenstand lebhaftester Ovationen der Bevölkerung waren, die sie mit einem wahren Blumenregen überschüttete. Münster l. 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Zu einer gewaltigen Kundgebung für die Republik gestaltete sich die Banner- weihe des Reichsbanners„Schwarz-Rot-Gold" Münster , das seit Jahr und Tag im Zeichen reaktionärer Veranstaltungen steht. Aus den beiden westfälischen Gauen, aus Hamburg und dem Rhein - lande waren die Republikaner zusammengeströmt. Schon am frühen Vormsttage erklangen in den Straßen republikanische Lieder, zogen die Besucher der Beranstaltung zu Hunderten zum größten Saalbau der Stadt, dem Schützenhof. Nachmittags marschierten die auswärtigen Ortsgruppen des Reichsbanners zum Schloßplatz, wo die Weihe des Banners stattfand. Der große Platz war voll besetzt. Die Wecherede hielt Kamerad P e u s- Dessau, Präsident des anhallinischen Landtages. Er weitste das Banner der sozialen Republik , dem großdeutschen Gedanken, der Idee der vereinigten Staaten von Europa . Wir sind im Reichs- banner zum Schutze der Republik bestellt; nicht Aeußerlich- leiten, nicht militaristisch« Absichten beseelen uns. Wir wollen das ganze Volk erfassen für die wahre Freiheit in der demokratischen Republik, wollen sie schützen mit dem inneren Siege der Repu-
blik den Frieden unter den Völkern befestigen für all« Zeiten. Im Festlokale sprach zunächst Dr. Böhme- Magdeburg, der die Grüße des Bundesvorstandes des Reichsbanners übermittette. Für den Gau westliches Westfalen redete Gausekretär Schmidt- Dortmund . Viel Beachtung fanden die Ausführungen des Z e n t r u m s o e r- t r e t e r s Dr. K e i m e r- Recklinghausen, der seine Freunde im Zentrum, das sich leider in Westfalen dem Reichsbanner gegenüber ab- lehnend oerhält, aufforderte, mit allen Kräften für Schwarz-Rot-Gold einzutreten. Landtagsabgeordneter Meyer-Rheine wies darauf hin, daß der Reichsbannergedanke fordere, alles an Opfern zu brin- gen für diesen unseren Staat. Wir verkörpern den Geist, für den wir das ganze Volk erfassen wollen, um die Republik fest zu ver- ankern. Als der Abgeordnete sich mit scharfer Betonung gegen die unbe st rasten fortdauernden Beschimpfungen der Reichsfarben wandte, für die Rechte der leidenden Volksschichten und gegen die Einseitigkeit der Justiz sprach, löste er stürmischen Bei- fall aus. Mit einem Hoch auf die Republik , das Reichsbanner und seine Ziele endete der Festakt.
der dolchftoß öes Rechtskabinetts. Deutschnationale Opposition gegen den Sicherheitspakt. Bremen . 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Während sich die deutschnationale Presse in Berlin in der Kritik des Sicherheits» Vorschlages der Reichsregierung begreiflicherweise starke Zu- rückHaltung auferlegt hat, tobt sich die deutschnationale Provinzpresse um so hemmungsloser gegen den Sicherheitsvorschlag aus. Das Organ der Deutschnationalen Volkspartei in Bremen , die„Ratio- nale Rundschau", leistet sich folgenden Tobsuchtsanfall: «Man möchte seinen Augen nicht trauen, man möchte es nicht für möglich halten, daß ein Minister, der die Interessen des deutschen Volkes gegenüber fremden Völkern zu wahren hat, solche Vorschläge hinter dem Rücken des deutschen Voltes den Fein- den vorzulegen sich unterfangen könnte. Die deutsche Reichs- regierung selbst hat den in Ost und West von uns getrennten Stammesgenossen rührende Abschiedsworte und Treuegelöbnisse nachgerufen, und jetzt treulose Abschüttelung» Dolch- st o ß! Das Reich schüttelt die schwer um ihr Volkstum ringenden Auslandsdeutschen schnöde von sich ab, liefert sie ohne Trost, Schutz und Hoffnung an ihre Peiniger aus. Wir machen eine solche Ehrlosigkeit nicht mit. Das deutsche Volk verbittet sich diese neudemokratische Kabinettspolitik, die heimlich sein Recht, seine Ehre verspielt und seine Brüder in der Not verrät." Es ist also die Tatsache zu verzeichnen, daß ein deutschnationales Blatt die deutschnationalen Reichsminister, die hinter Stresemonns Außenpolitik stehen, als Dolchstößler bezeichnet und diese deutsch - nationalen Minister„neudemokratischer Kabinettspolittk" beschuldigt. Wie lange wird es noch dauern, bis die deutschnationalen „Retter" ganz zum alten Eisen geworfen werden?
Die Zahlungen üer Reichsbahn. Der Dawes-Plan verpflichtet die Deutsche Reichsbahn , ihre Reparationszahlungen jedes halbe Jahr an den Generalagenten abzuführen. Da bei diesem Modus eine gewisse„Lücke" in der Kasse des Generalagenten entstanden wäre, haben Generalagent und Reichsbahngesellschast das Abkommen getroffen, daß die Reichs- Hahn jeden Monat ein Sechstel der zum Halbjahr fälligen Zah- lung leistet. Dafür gewährt der Generalagent der Reichsbahn einen Diskont(Zahlungsermäßigung) von 6 Proz. die pleitegeier im Rechtsblock. Zu unserer Zuschrift vom Sonntag teill uns"die Zeitungsgesell- schast Ludwig Banzhasf, in deren Verlag die Blätter„Der Süd- w e st e n" und„Schöneberger Morgenzeitung" er- scheinen, mit, daß die Nachricht von einem Eingehen der beiden Zeitungen in keiner Weis« den Tatsachen entspricht. Wii� stellen mit Bedauern fest, daß wir einer falschen Information zum Opfer ge- fallen sind._ Da» Giftkrieqsverbot, d. h. der Konventionsentwurs der völkerbundlicben Waffenhandelskonferenz, ist von dem deulscken Vertreter v. Eckard und von den Vertretern weiterer 26 Staaten in Genf unterzeichnet worden.
Schlechte Feiten im Herrn. Von Richard Rainer. Zur Stärkung des Vertrauens in die eigene Sieghaftigkeit und zur Versicherung jene» ungewissen strategischen Faktors, den die militärischen Schriftsteller mit Schlachtenglück bezeichnen, pflegen die kriegführenden Parteien aller Zeiten den Segen Gottes auf ihre unterschiedlichen Waffen herabzuflehen, jenes Gottes, der bs- kannttich Eisen wachsen ließ, keine Knechte wollte und immer der „unsere" ist. Man glaubte sich seines Beistandes am sichersten zu vergewissern, wenn man ihn zum„Herrn der Heerscharen" er- nannte. Wenn die Sache brenzlich stand und das Geschütz, diese ultinm ratio regurn, vom Feinde genommen war, tonnten die obersten Kriegsherren da» heiße Gebet als vkimiisima ratio gebrauchen und alle Verantwortung von ihren Staatsvölkern aus „den da oben" abwälzen, der schließlich alles zum Besten führen wird. Die Römer freilich nahmen die Sache etwas genauer und ernannten nicht den Gott zum Feldherrn, sondern ihre Eaesaren zum Gotte, was den Dorteil barg, daß auf der greifbaren Person des Imperators die göttliche und menschlich« Verantwortung zu- gleich ruhte, und man ihn zum Teufel jagen und seine Altäre stürzen konnte, wenn die Sache schief ging. Da dieser praktische Brauch jedoch abhanden kam, seit das Christentum zur Staatsreli- gion wurde, ist der gute alte lieb« Gott nach und nach zum Gene- ralissimus ä la suite sämtlicher Armeen der Christenheit erhoben worden. Es sst ersichtlich, daß diese Sammeleigenschast ihn im Ernstfälle jedesmal in arge Verlegenheit setzen mußte. Wahrschein- lich wird er tos Schlachtenglück dann mit einigen seiner liebsten Heiligen bei einer Partie Mah Jong ausgeknobelt haben. Katho- lisch« Armeen suchten darum beizeiten sich zugleich des Wohl- wollen? der prominentesten Heiligen zu versichern. Hierher gehört auch die militärische Laufbahn des heiligen Anton von Padua. Im Jahre des Herrn 162Z stellte der portugiesische Vizekönig von Brasi- lien ein brasilianisches Regiment unter die besondere Protektion des Heiligen. Anton von Padua wurde darauf zum Obersten ernannt, und die„kleinen Schwestern der Armen" empfingen regelmäßig seine etatmäßige Iahresgage. Dazumal waren gute Zeiten für die Diener des Herrn. Jetzt aber sind schlechte Zelten angebrochen für Gott und seine Diener im Himmel und auf Erden. Die brasilianischen Staatelenker kümmern sich mehr uni profane Etatsorgen als um das Wohl- ergehen der Heiligen. Vielleicht mochten sie sich auch Gedanken gemacht haben über die recht unzweckmäßige Art der Verwendung öffentlicher Gelder zu wohltätigen Zwecken auf dem Umwege über die planlose Liebestätigkeit einer privaten Korporation frommer Schwestern. Ob nun sozialpolitische oder finanzpolitische Gründe hier den Ausschlag gaben, auf jeden Fall sind es recht unheilige und verdammenswerte moderne Ideen gewesen, die in der brasilia - nischeu Seele vorgingen, dem, nach ein« Konferenz mit de«
Kriegsminister und dem Premierminister erging im brasilianischen Armeeverordnungsblatt folgende Anordnung:„Colone! St. Anton von Padua vom xten Regiment ist noch dreihundertjähriger Dienst- zeit unter Beförderung zum General der ehrenvolle Abschied erteilt worden."——> Oder wollte man in Brasilien irgendwo einmal mit der Ab- rüstung anfangen? komöüienhaus:»ver letzte Kuß'. Wenn alle Operetten so hübsch, so spannend, so graziös und sinnvoll ablaufen, wie dieser letzte Kuh, dann wird aus dem Winter unseres Mißvergnügens ein glorreicher Operettensommer werden. Man spürt aus dem Buch den Geist eines feinen Kopses, S e y- d e a u, heraus, der mit eleganter Handbewegung die Karten mischt, eine nette Idee ohne jede Mühe auf die Spitze treibt, niemals lang- weilt und ganz frei ist von Prüderie wie von verwegener Deut- lichkcit. Charmant, daß Keßler den Esprit des Franzosen im Deutschen unverfälscht gelassen hat. Ein Baron, größter Bonvivant von Paris , verlobt sich mit einer reichen Baronesse und bringt es fertig, unter vielerlei Ber- Wicklungen, noch am Tage der Unterzeichnung des Ehekontraktes, in Gegenwart der Hochzeitsgesellschaft, mit der Kabarettdiva einen Kuß, den letzten Kuß zu tauschen. Wenn auch der vornehme Geist des Brauthauses ein Kreuz schlägt vor soviel Unverschämtheit, die moderne Braut findet diesen Casanovatrick sehr schick. Sicher hei- ratet sie den hübschen Bengel im dritten Akt. Es ist allerdings wirklich schwer, sich von Trude Hesterberg loszureißen. Diese wilde Hummel, dieser blutvolle Mensch, gibt sich so wahr, so natur- hast und rassig, daß jeder Blick und jede Bewegung zünden. Im Finale des zweiten Aktes hat sie. sprechend und singend, in apachen- hafter Aufwallung ihres Temperamentes das Publikum ganz be- zwangen. Ihr Partner Bespsrmann ist von einer herrlichen Ruhe, die jeder schlimmen Situation trotzt. Ilse M u t h, da» zarte Element, rosig und lieblich, Irma Godau, keß und modern, S i t l a, behäbig und doch gelenkig, radebrechend, Hans Her- mann Schaufuß, grotesk,— alle verbreiteten heitere Stim- mung. Robert Winterberg schrieb eine vorzügliche Partitur dazu. Die Couplet» von Adam und Eva, vom Papagei, von den Spatzen auf dem Dach werden bald gesungen und getanzt werden. Das beste aber an der Musik ist ein feiner Unterton von Witzigkeit und Parodie, der nicht bequrm instrumental bleibt, sondern wirklich zum Gesamtwerk gehört, Parodie sowohl auf Oper wie auf Operette, wie auf komische Situationen überhaupt. Die Musik ist zwar rhyth- misch noch immer gut und geschickt gemacht, aber die Melodie in ihrer Einfachheit herrscht doch vor; die Gleichförmigkeit des alten Step oder Jimmy macht dem wienerischen Walzer gern wieder einmal Platz. Ein großer, ein gerechter Erfolg, an dem auch de? Dirigent Schmidt-Gentner seinen Anteil hat. K. S.
Da» alte Regime Im Schauspielhaufe. Der Bühnenverein hat im Einvernehmen mit dem preußischen Kultusministerium dem letzten kaiserlichen Generalintendanten Grafen Hülfen-Haese. l« r im alten Konzertsaal de» staatlichen Schauspielhaus«»«in Dent»
m a l setzen lassen. Für den Bühnenverein war natürlich im kaiser- lichen Deutschland die Teilnahme des Herrn von Hülsen an seinen Tagungen eine besondere Ehre. Zugegeben. Aber was kümmert uns das im republikanischen Deutschland ? Sind die Theater der Republik dafür da. um kaiserlichen Hofchorgen, die zur Kunst ob- kommandiert waren, Denkmäler zu setzen? Wie kommt das Kultus- Ministerium dazu, dem Bühnenverein solche Kompetenzen einzu- räumen? Nach außen wirkt das Denkmal als Demonstration für das kaiserliche Regime. Mag Hülsen persönlich ein noch so sympa- tischer Mensch gewesen sein, er war der Vertreter der von Wilhelm kommandierten Kunst, er trug bei den Galavorstellungen den Stab, er war Hofcharge, der seinem kaiserlichen Herrn und blutigen Kunst- dilettanten die prunkhaften Inszenierungen und Balletts besorgte. Mögen ihm in Amerongen oder wo immer Denkmäler gesetzt wer- den. in unserem annoch republikanischen Schauspielhause hat, wie der Herr, so der getreu« Diener nichts mehr zu suchen. Der Landtag sollte dafür sorgen, daß das aufoktroyierte Denkmal das Haus wieder verläßt.' Das gesälfchlc Extrablatt. Alle möglichen Dinge sind schon von geriebenen Fälschern nochgemacht worden: Banknoten, Urkunden. Bilder, Unterschriften. Wohl einzig dastehend dürste aber der Fall sein, daß jemand ein Extrablatt fälscht, indem er es selbst erdenkt, selbst anfertigt und auch noch selbst verkaust. Dieses Kunststück hat kürzlich ein junger Mann, namens Tannenbaum, in Wien fertig gebracht. Wohl vertraut mit der Gier der Leute nach sensationellen Neuigkeiten, hatte er folgenden Text auf der Schreibmaschine ver- vielfältigt:„Extraausgabe. Attentat auf Dr. Benesch. Der tschecho- slowakische Außenminister Dr. Benesch kam heute um halb ein Uhr mittag aus Paris auf dem Franz-Ioseph-Bahnhof an� und wurde von dem Mitglied eines Geheimbundes durch einen Schuß in die Bauchhöhle schwer oerletzt. Der Täter ist entkommen. Letzter Bericht: Dr. Benesch wurde in das Sanatorium Low gebracht." Das Blatt, das mit zwanzig Groschen verkauft wurde, fand reißenden Absatz und erregte auch die Aufmerksamkett der Polizei. Diese nahm den genialen Herausgeber, Drucker und Verkäufer dieses famosen Extrablatte» fest. An der ganzen Nachricht war kein wahre» Wort. Preußisches Stödtebaugesetz. Das preußische Ministerium für Volkswohlfahrt hat kürzlich den Fachverbänden Grundzüge für die Aufstellung eines Gesetzes zur Ausstellung und Durchführung von Siedlungs- und Bebauungsplänen(Städtebaugesetz) zur Stellung« nahm« übermittelt.- Di« preußischen Landesbezirk« des Bundes Deutscher Architekten haben Bedenken gegen de» Entwurf erhoben, und nach Eingang der Gutachten hat die Hauptverwaltung des Bundes dahin Stellung genommen, daß nicht irgendeine Erneuerung des ohnehin veralteten Fluchtliniengcfetzes für die Förderung des Städtebaues von Wert fein könne, sondern nur ein in allen Fach- kreisen beratenes Städtebaugesetz, das die wichtigsten Gebiet« umfass«.
Synthetische» chold? Der in Neiv-Zjork eingetroffene Chemiker Nagaloka erklärte Reportern(die in Amerika nicht immer zuverläifiz imd). dns! cS ihm gelungen sei, aus ihnthctischem Wege Gold herzustellen. Ei bat eine aewiffe Menge diese»<Vo de» einem Juwelier gezeigt. Dr. Nagasoka beabsichtigt, sich zu dem internationalen zoischerkongresi. der im nächsten Monat in Brüfiel eröffnet werden wird, zu begeben.(Wahrschetulich handett c» sich um Gaid, tot aus Ouecksilber gnvanneu QL