Abrechnung mit Könitz. Genosse Hilferding zerpfliiekt die Argumente deS Landbundministers. Der Handelspolitische Ausschuß bestimmte in seiner heutigen Sitzung den Abg. Vreilschdd zum Generalberichterstatter. Die Berichterstattung über Lebensmittelzölle übernahm der Abg. hampe(Wp.) Ueber die I n d u st r i e z S l l e wird berichten der Abg. Lejeune-Zung(Dnat.). Zu Beginn der sachlichen Aus- spräche gab der Neichswirtschaftsmmister Neuhaus einen U eberblick über die handelspolitischen Verhandlungen. oic gegenwärtig gepflogen werden. Cr oerbreitet« stch dabei in»« besondere über die Abmachungen mit Belgien und inwieweit die neuen Vertragsziffern die Positionen des neuen Zolltarifs berühren. In seinen allgemeinen Darlegungen betonte der Neichswtrtschast»- nnnlster die Notwendigkeit der unbeschränkten Meistbegünstigung mit jedem Land. Bemerkenswert sei die schutzzöllnerische Tendenz, die sich im letzten Jahre von Tag zu Tag in allen Ländern in außer« gewohnlichem Maße entwickelt habe. Mit Belgien sei ein Ber- trag abgeschlossen auf 18 Monate mit sechsmonatlicher Kündigung«» frist, die Verhandlungen mit Frankreich hätten bi, jetzt ein rein provisorisches Ergebnis gezettigt, das durch die Presse bereits allge- mein bekannt ist. Im Mittelpunkt der deutsch -französischen Verhandlungen stehe die Eisenfrage, die den Anfang der wirt- schaftlichen Zusaminenarbcit zwischen den beiden Ländern darstellen müsse. Mit Italien ist ein vorläufiges Handelsabkommen auf der Grundlage der Meistbegünstigung abgeschlossen. Don italienischer Seite ist für das endgültige Abkommen die uneingeschränkte Meist» begünstigung zugesagt. Die hochschutzzöllnerische Tendenz hat in Italien besondere Blüten getriehen; der italienisch« Staat hat da» Bestreben, seine Industrieerzeugnisse durch sehr hohe Zölle gegen die Einfuhr zu schützen. Die Verhandlungen mit Polen haben keinen befriedigenden Verlauf genommen. Wenn e» ansang» schien, daß die Differenzen gering seien, so haben stch setzt in vielen Punkten abweichende Meinungen herausgebildet. Polen hat neuerdings feine Zollsätze ganz erheblich erhöht und seit dem 17. Juni Einfuhrverbote erlasien, die besonders den deutschen Ausfuhrhandel treffen. Die Berhältnisse in Rußland sind so grund- verschieden von denen bei uns, daß sich die Bemühungen in der Hauptsache darauf beschränken, einen geregelten Warenaustausch zu erzielen. Außerdem ist es gelungen, auf verschiedenen Gebieten günstige Abmachungen zu erreichen. Der Reichswirtschaftsminister schloß seine Ausführungen, die in keiner Weise über den Rahmen einer sehr primitiven Betrachtung hinausgingen, mit der Mahnung, sich durch theoretische Erwägungen nicht von realen Notwendigkeiten abbringen zu lassen. Die Aussprach« über die Zollvorlage war durch«in großes Referat des Genossen hilserding absolut beherrscht. Er wendete sich zuerst gegen die vom Minister vorgebrachten Allgemeinheiten und betonte, daß die wiibtigste Frage der industriellen Zölle die E I s e n f r a g e sei, wobei oie Schwer- industrie versuche, ihre gegenseitigen Interesien besonders zu wahren. Das Bestreben des S t a h l w« r k s v e r b a n d«» fei auf ein absolute» Preismonopol gerichtet, wodurch die Eisen« Verbraucher mit dem Weltmarktpreis plus Zoll belastet würden. Der sozialdemokratisch« Redner wendete sich dann gegen die Argu- mentation des Abg. Schneider(D. Bp.). der verlangt hatte, die Zollvorlage mit Rücksicht auf die Zollrüstungen der anderen Länder möglichst rasch zu verabschieden. Hilferding warf dabei die Frage auf, inwieweit die Schutzzölle in den anderen Ländern ein Argument für unsere eigene Handelspolitik darstellen können. Die handelspolitische Situation seit dem 10. Januar sei nicht günstig. Hier rächten sich die versäumnisie de, früheren wirkschaflsminister» und außerdem die Rücksichtslosigkeit, mit der der Ernährungsminister auf die gleichzeitige Einführung der Agrarzälle gedrängt habe. Der Ernährungsminister verstärkte den Druck mit der Androhung seiner Demission. In dem neuen Zolltarif sehen wir jetzt, daß durch die Einflüsse der Interessenten, deren Exponenten in den Ministerien sitzen, nicht nur der frühere Zolltarif wiederhergestellt wurde, sondern daß eine ganze Reihe, fast vier Fünftel der Positionen, seit 1S22 ab eine Steigerung erfuhren, teilweise sogar bis zu 300 Proz.
Gebunden« Agrarzölle sind kein handelspolitisches Instrument. Eine Förderung der Landwirtschaft ist durch sie nicht zu erwarten. Will man den landwirtfchaftlichen Erzeuger wirtschaftlich stützen, so bringt ihm eine Senkung der Umsatzsteuern bedeutend größere Vorteile als der sogenannte Schutz durch Zölle. Will man sich ein klares Bild über die gesamten Verhältnisse machen, so muß man die jetzige Lage als Grundlag« benutzen. Was Graf K a n i tz, der Ernährungsminister, gesagt hat und was in der schriftlichen De- gründung der Zollvorlage steht, hättegenausogutimIahr« 1901 gesagt werden können. Wenn die Wissenschaft sich jetzt gegen die Getreidezölle wendet, wie es von fast allen her- vorragenden Kennern geschieht, so einfach aus dem Grunde, weil sie aus der Wirkung der Lülow-Zölle gelernt hat. Ueber die Lage der Landwirtschaft bringt die Zollvorlage nur sehr dürftige» Material. Es sind schon reichliche Unterlagen vorhanden, sie werden aber nicht verwendet, weil sich da» Ministerium und die maßgebenden Kreis« der Landwirtschaft nicht au» den Gedanken- gängen von 1901 zu lösen vermögen. Die Landwirtschast war vor dem Kriege m i t vier Millionen Tonnen verschuldet. Das ist soviel, wie die Versorgung der städtischen Bevölke- rung erforden. Die Verzinsung dieser Schuld mußte durch die Verbraucher getragen werden. DI« Inflalion hat diese Verschuldung beseitigt. Sie hat außerdem der Landwirtschaft billige Industrieprodukte ge- bracht und die Düngemittel zu billigeren Preisen verabreicht, als da» in Friedenszeiteu der Fall war. Diese Erscheinung konstatieren wir allerdings überall. Wenn jetzt die Preise unter der Weltmarkt- Notierung liegen, dann dadurch, daß sich der Druck der Goldsteuern bemerkbar macht und daß außerdem handelspolitische Erschwerungen sich hier und da bemerkbar machen. Wie ist es nun mit der P r« t» s ch« r e, die Graf Könitz zur Begründung der Zölle herangezogen hat? Seit Januar 1924 sind die Preise für Getreide und Kartoffeln ständig gestiegen. Dt« Preise für Industrieerzeugnisse(Kohle und Eisen) gingen in derselben Zeit ständig zurück. Die Kaufkraft für Roggen hat in derselben Zeit eine Steigerung von 13— 14 Proz. erfahren. Wir sind jetzt in der Loge, die seinerzeit bei der Einführung der Bülowzölle als die beste Grundlage für eine Produktionsförderung dargestellt wurde. Graf Könitz hat ein Argument gebraucht, da» für die Zukunftsentwicklung unabsehbare'Folgen haben kann. Er sprach von der Entwicklung der überseeischen Konkurrenz, von der Erweite- rung der Anbaufläche und von einem Anreizpreis für die landwirt- schaftltchen Produkte. Und dabei blieb völlig außer Acht die Enl- Wicklung, die die Agrarwirtschasl In der ganzen Welt nach Friedens- schluß genommen hat. Eine starke Steigerung der Produktion ist au» den verschiedensten Gründen nicht zu erwarten. Sie ist eine Frage der Arbeitskräfte, de» Kredit» und anderer Fak- toren. Auch Rußland ist nicht mehr an demselben Maße wie früher Ausfuhrland für Getreide; feine Landwirtschaft liegt sehr danieder. E» ist also ausgeschlossen, daß dieses Land in erheblichem Maße als Konkurrent für die deutsche Landwirtschaft aufzutreten vermag. Ebenso ausgeschlossen ist«in erheblicher Produttions- Überschuß und nicht zu erwarten ist eine Senkung der Weltmarkt- preise. Und alles das zusammen läßt erkennen, wie gering, wirt- schaftspolitisch und handelspolitisch gesehen, die Berechtigung zur Einführung von Agrarschutzzöllen ist. Wenn uns nachgewiesen würde, daß die Landwirtschaft ans Existenzgründen Erziehungszölle bedürfte, würden wir sehr ernst mit uns über diese Frage reden lassen. Wollen wir jedoch ein« gesund« Fortentwicklung unserer landwirtschaftlichen Produttion, wollen wir ihre wirtschaftlich« Stärkung, donn müssen wir wie in der Industrie das Bestreben haben, auf eine Veredelung hinzuwirken. Da» erreicht man aber nicht durch eine Einführung von Zöllen auf Futtermittel und ebensowenig, wenn man das Brotgetreide zum Gegenstand der Schutzzollpolitik mach». Wir haben uns in der Generaldebatte absichtlich davon freigehalten, die ganz« Frage von sozialpolitischen oder konsumpolitischen Gesicht»- punkten an» zu betrachten. Wir haben uns ausschließlich aus dem den Agrarpolitikern eigenen Boden bewegt, nni den Rachweis zu führen, daß eine SchuhzollpoNtik. wie sie die Regierungsvorlage vorflehk, für die landwirtschaftliche Pro- duktlon nur von Schaden sein kann.
Dt« katastrophalen Wirkungen der Zollvorkage auf sozialem und bei» Konsumentengebiet näher zu beleuchten, werden wir uns für M« Spezialdebatte vorbehalten. Damit schloß die Aussprache. Di« nächst« Sitzung de» Au»« schusses ist am Dienstag, den 30. Juni, nachmittag» IX Uhr. Tages« Ordnung: Fortsetzung der Generaldebatte.
Fn den Staub/ Ein Erguh Wilhelms von Dose». Die Bauern von Dannenfeld bei Gardelegen feiern da» 2S0jährige Jubiläum ihrer alten Schwedenfahn«. Denn schließ- lich, wo alles feiert, warum sollen da nicht auch die Bauern von Donnenfeld feiern? Und wo richtige Bauern bei uns zu Lande sich versammeln, da darf ein Preußenprinz,«in General und die dazu gehörige Parade selbstverständlich nicht fehlen. So kam es denn, daß Prinz Oskar vonAlreuhen an diesem Bauern- fest« teilnahm und huldvollst geruhte, ein Schreiben von Seiner Majestät aus Doorn zu oerlesen. Wie die.Berliner Volkszeitung' berichtet, hat dieses Schreiben folgenden Wortlaut: Haus Doorn , den 18. Juni 1925. Fehrbellinfeier Dannensetd. Anläßlich der 2S0jShrigen Wiederkehr des Tages von Fehr- bellin bin Ich im Geist« mit den Nachkommen der Männer oer- eint, die aus ihr- Fahnen schrieben:.Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm Kurfürsten mit Leib und Blut. Unerschütterliches Zusammenstehen von Fürst und Boll, sowie opferfreudige Baterlandeliebe haben den Gruna gelegt zu Brandenburg-Preußen» Größe. Nur Rückkehr zu den altpreuhischen Tugenden tonn un» befrei»» von Irrwahn und Sklaverei. �. Vor 50 Iahren bei der Z00.Iahrf«ier war Mein m Gott ruhender Herr Voter zugegen. Heute bringt sein Enkel, Sohn, Prinz Oskar, die Grüße de» Königshauses. In den Staub mit ollen Fanden Branden- b n r g sl W i l h« l m K. Die.Volkszeitung' teilt mit. daß die Lokalblätter dieses geistig- Erzeugnis Seiner Majestät vorsichtshalber verschwi e g e n haben Selbst ,n Gardelegen und Umgebung scheint man eingesehen zu haben, daß weder IHM noch der gemeinsamen großen man- archistiich-n Idee damit gedient ist, wenn die Mitwelt erfahrt, wes Geistes Kind Seine Majestät ist. Er scheint sich wirklich in de» Jahren seines Aufenthaltes in Doorn nicht im geringflen geändert zu haben. Was uns im übrigen recht fem kann.
der Gewährsmann und fein Hintermann. Tannenzapf und O«streich. In der.Berliner Börfen-Jeitung' singt der Ehefredakteur Dr. Oeftreich seinem Tannenzapf die Totentlage. E» ist auch wirtlich zu schade um den hoffnungsvollen jungen Mitarbeiter, der so schönen Sensationsschmus in Fortsetzungen verzapft hat: denn wenn es auch nicht wahr war. fo brachte es doch Abonnenten. Aber nun hat Herr Tannenzapf vor dem Ausschuß gar nicht brilliert, wt« ein naß ge- wordener Frosch in einem Monstrefeuerwert Hot er nicht gcknalll, sondern nur noch gestunken. Herr Dr. Oeftreich weint bittere Tränen, weil der.Vorwärts' eine Katze«In« Katze. Herrn Tannenzopf einen Erpresser nennt. Für Herrn Oeftreich ist Tannenzapf ein mutiger Wahrhcitsoerkünder. Freilich ein Wahrheltsverkünder mit dem kleinen Defekt, daß er durch 7�0 Mark zum Schweigen gebracht worden märe. Aber täte Herr Dr. Oeftreich nicht besser, anstatt Trauerhymnen anzustimmen, endlich einmal der Welt darüber klaren Wein einzu- schenken, zu welchen Zwecken er Herrn Tannenzapf mit dem ansehnlichen R-isegeld von 500 M. ausgestattet und nach Holland geschickt hat?! Die Mandatskommsfsion de, Völker»««»«« ist am Freitag in Gent zusammengetreten. Tagesordnung: Aerwaltungöberichte der Mandatarmächte über dir früheren deutschen Kolonie». In- vestierung de« AuSlandSkapitalS in den Kolonien, Unterdrückung de« «tlobolimporis. Rekrutierung Eingeborener zum Krieg«. dienst. Die Verhandlungen stnd nicht öffentlich.
Orchester oöer Dirigent! Von Kurt Einger. Bei dem Besuch der Konzerte de».Wiener Philharmonischen Orchesters' ist e» gewiß vielen ergangen, wie mir. und ist doch vielleicht wenigen ausgefallen, daß diese Veranstaltungen ganz außer- Haid des Rabmens aller künstlerischen.Betriebe' standen. Es kam nicht allein oarauf an, das hohe Niveau dieser Vereinigung von kultiviertesten Musikern zu erkennen, den leidenschaftslosen Trieb zum Urmusikantischen zu erleben: die Konzerte stellten vielmehr«m Neues für den Hörer dar, indem sie ihm generell wieder einmal die Be- deutung der Institution des Orchesters vor Ohr und Aug' führten. Wir kamen, um ein Ensemble, ein Orchester zu hören, nicht, um nnen Dirigenten zu begutachten, zu bewundern, zu kritisieren. Daß auch dieses Mal das Dirigierproblem nicht ganz auegeschaltet blieb. lag an der Diskrepanz zwischen dem fchars pointierenden, rhyth- mischen Hexenmeister Kleiber, der dem Lei canto des Orchester» wie seiner geruhigten Tradition moderne Bildlichter aussetzte. Man hatte das Gefühl(gerade In Augenblicken, da Kleiber das Orchester In seinem verklärten Klang sich selbst überlieh), daß diese Künstler- Gruppen bei Hayden, Schubert, Beethoven mit der Präzision des Spiels auch jede Nuance einer natürlichen Dynamik, eines gott - gewollten Tempos, einer fest umriffenen, doch nie harten Rhythmik vevankert hatten in Kopf, Herz, Mund und Händen. So wäre also der Kapellmeister überflüssig? Gewiß nicht. Er baut ja das Werk auf, er gibt die stilistischen Linien her, er rafft Auseinanderfallendes zur Einheit, er modelliert die Stimmung, er schafft die momentan« Begeisterung, er gibt dem Schwarz-Weiß die Buntheit, dem Hellen das Dunkei, dem Grellen die Dämpfung, dem Klingenden die Nuance. Aver man überschätzt seine Leistung auf dem Podium während der Zlufsührung. Die Wiener Philharmoniker würden auch dann noch Märchenklang hergeben, wenn Herr X oöer P den Taktstock führte: die Berliner Philharmoniker , die tagtäglich unter anderer Leitung spielen, lassen sich von bösen Pultvirtuosen weder imponieren noch verwirren, wohl aber von Berufenen zu besonderer Anspannung ihres Könnens begeistern. Da» ist es, was den Diri- tzcnten von Größe, ausmacht: nicht der Jubel einer durcheinander- gewürfelten Menge, sondern die Luftbetontheit, das Hymnische, da» Rauschhafte im Spiel de» Orchesters. Es treffen sich allerdings die Empfindungen des Publikums, das durch feine Presse gut vorbereitet ist. oft mit den tatsächlichen und gerechten Wertungen einer Dirigier- lcistung. An dem Dauererfolg bei einer Masse, bei einer halben Welt kann man nicht achselzuckend vorbeigehen. Er kommt nicht von ungefähr, er kann inszeniert werden mit künstlicher Reklame, aber er kann nicht gehalten werden ohne wahr« Gegenleistung. In der Differenz der Soielleistung heute oder morgen erkennt Ihr den Wurf, die s-uggestioe Kraft eines wahren Führers. An der Art, wie er Proben leitet, feine eigentlich erzieherische Fähigkeit. Man hört auch mit scharfem Ohr unsere Philharmoniker selten einmal aus der Rolle fallen. Fehler gibt es kaum. Zu oft rechnet man das der Aufmerksamkeit des Kapellmeisters zugute. Es ist die Verantwort- lichkeit der Musiker, der spielenden, die uns Fährnisse vergessen macht. Nicht wer die 2. Mahlerfche Sinfonie mit der Staatstapelle oder den Philharmonikern richtig austattiert, ist schon ein Meister
der Kapelle: wohl aber, wer mit immer neuer Einfühlung, neuem Interesse, neuem Wissen Studiumsgeist au» den Partituren Beethoven », Mozarts, Schubert» herauslockt, Lieb« in sie hinein- trägt. Bis st« klingen, als sei nie ein« Probe gewesen; bt» sie singen, als sei jeder Notenkopf betastet und bestreichelt worden: bis unter dem Melos die Person des Führers wie der Gefährten verschwindet; bis Kapellmeister, spielende Truppe und Publikum eines. Fühlens, einer Stimmung, einer Begeisterung geworden find. Der verfchlun- genen und an Fallstricken reichen Modernität kann ein Dirigicrstar besonderen Formats einmal Retter werden; dem einfachen, erhabenen Geist klassischer Musik wird er zum Verderben. Am Anfang und am Ende stehe die Tat. das Wort, der Ausdruck, die Gebärde de» Schöpfer«, nicht die Phifiognomie de» Nachschafsenden.
Mittelmeer - und Grientreise. Mittelmeerl Sehnsucht erweckt da» Wort nach blauerem Himmel und wärmerer Sonne, nach den Schönheiten vergangener Kulturen, vergangener Jahrtausende: am stärlsten wohl in denen, die noch nie in Wirklichkeit einen Blick in jene Welt tun durften. Für viele von ihnen wird der Film„Eine Mittelmeer - und Orientreise mit dem Peer Gynt', der auf Beranlassung der Reederet Viktor Schuppe im Theater am Nollendors- platz gezeigt wird, wenigstens in den ersten Phasen eine Ent- täuschung bedeuten. E» ist schon so: westeuropäische Kultur— was man so Kultur nennt— dehnt stch immer weiter aus und mit ihr das Verständnis für„Geschält' und.Geld', das an jedem historischen Ort Logierhäuser und Hotel»„mit ollem Komfort der Neuzelt' erbaut.(Wenn die Hotels und Logierhäufer schon da sind, kann man die historischen Stätten auch nachträglich schaffen: dem Reisen- den macht es im allgemeinen wenig aus.) Italienische Ro- mantit? Keine Spur; alles ist hübsch zur Besickstigung geordnet. Die Bauwerke der alten Römer fühlen sich nicht wohl dabei; unprak- tische Gefühlsseligtcit war eigentlich nie ihre Sache. Die Reise geht weiter: Griechenland . Da» beste de» Film». Schönheit, in kärglichen Resten nur noch, aber trotzdem... Kleine neugriechische Gassenjungen, die auf antiken Ruinen herumhocken, zwingen zum beschämenden Vergleich:»und wie wir'» dann zuletzt so herrlich weit gebracht'. Konstantinopel , da» Goldene Horn, Skutari tauchen auf: Aegypten , die Pyramiden, die Sphynx. Vorher Po l ä st i n a. Hier gibt e» noch einmal starte Eindrücke. Ein Land der Vergangenheit. aber kein totes Land. An der Klagemauer stehen Gestalten, Gebete murmelnd, eingehüllt in dunkle Gewänder, wie sie vielleicht ebenso vor Jahrtausenden standen: sie durchziehen ihre Straßen, schreiten durch ihr Land. Man spürt den noch immer starten organischen Zusammenhang. Der Garten Gethsemane mit einem Mönch wirkt dagegen wie eine Theaterkulisse. Der Film zeigt nur typische Touristenlandschasten. da er auf einer Peer-Gynt-Reise gekurbelt wurde: wirkt aber durch gute, ge- schickte Ausschnitte erfreulich. Ueber die etwas zu reichlichen Bord- aufnahmen und den schmalzigen Abschluß— natürlich kriegen sie sich— darf man hinwegsehen. S—«.
Mehr Milch— kürzer, Schulzeit. Aus Grund sehr günstiger Erfahrungen hat stch in den Vereinigten Staaten eine gemeinnützige „Gesellschaft für Ernährung-Hygiene' gebildet, die mit der An- wendung ihrer Grundsätze bereits in der Schul« beginnt. In der Darwin -Schule in Chicago zum Beispiel bekommen 500 Schulkinder während der Pause ein Viertel Liter Milch und zwei Brötchen, zu deren Verteilung sechs Frauen angestellt stnd, von der Gesellschaft geliefert. Es ist wesentlich, daß mit der'Milch auch Brot verabreicht wird, damit die Kinder zu kauen gezwungen sind und die Milch langsam trinken, so daß sie gut verdaut wird. Nach einem Biertel- jähr zeigte sich bei diesen Schulkindern«in« mittlere Gewichtszunahme von drei Pfund, während die normal« Gewichtszunahme noch nicht ganz zwei Pfund beträgt. Aber nicht nur in physischer, sondern auch in intellektueller Hinsicht waren die Milchtrinker den anderen voran. Die» zeigte sich besonders deutlich in Los Angeles , wo üb-r 50 000 Kinder in 150 Schulen ihre Milch bekommen. Man konnte feststellen, daß sie mit Ihrem Pensum rund zwei Jahre früher fertig waren, als die anderen. Es ist daher leicht oerftSndlich. wenn der Sekretär Green von den kalifornischen Genossenschafts-Molkerelen In echt amerikanischer Wels« zu folgendem Schluß kommt:»Ein Schul- kind kostet der Stadtverwaltung jährlich 75 Dollar», in zwei Jahren also 150. Für eine Stadt mit 20 000 Schülern macht da» bereit» 3 Millionen Dollars aus. Das ist Vergeudung. Geben wir den Schulkindern Milch, dann sind sie eher mit der Schul« fertig, und— es tostet uns weniger.' Die Schlußfolgerungen des Genossenschaft»- sekretärs mögen nicht ganz uninteressiert sein, und sind überdies wenig geschmackvoll, aber dt« Hauptsach« ist,»aß die Kinder ihre Milch bekommen. DI« hierdurch erzielt« Verkürzung der Schulzeit ist ein bemerkenswerter Gewinn, der zu der allgemeinen Gesundheit»- förderung durch die erhöhte Milchzusuhr noch zusätzlich hinzutritt. Internationaler Elsenbahnkongreß. Die Hundertsahrfeier der ersten Eisenbahn, die in diesem Jahre in England gefeiert wird. soll durch einen Welteisenbahnkongreß eingeleitet werden, der jetzt in London stattfindet. Es sind Vertreter aus 30 ver- schiedenen Ländern versammelt. Von wichtigen Staaten fehlen Deutschland , Oesterreich und Rußland . Die«nglischen Blätter heben aus diesem Anlaß hervor, daß die deutschen Vertreter vor dem Kriege ein« wichtige Rolle bei den Arbeiten de» Internatio- nalen Eisenbahnverbande» spielten, der früher di« alle 5 Jahre statt- findenden Kongresse veranstaltete, und bedauern das Fehlen der Deutschen bei den Verhandlungen, die sich auf all« Fragen der Eisenbahntechnik und der Eisenbahnorgantsation erstrecken. Eiftavsstihraagea der»»che. Mttw. CelklBSBnt:.Di« deutsche« Kleinstädter'. Oper am KönlgSplatz:»Der Stern»an«ssuan'.— Saanmt Renaitsancetheater:.Die Pfarrhautlomidie'.— Sontiob. Sckiillertbeater:.Annemarie'.— Rasetbeater!»Dt« vertagte Nacht'.— Aloat. Gtaatstheater:.Krculfener'. Volksbühne. Hedwig Wang«! wurde für di« Darfielluna einer Hauptrolle in dem Luftspiel.Die deuischen Kleinstädter'(»ach Kohebue) au die BollSbühne. Theater am Vülowplah, verpflichtet. Reu« japanll»««rostschls?« aus dem Stille« Ozean. Dt« Japaner werben jetzt, wie in»Werst, Reederei. Hasen' berichtet wird, vier grotze Motorschiffe von je 17000 t bauen, die hauptsächlich für den Verkehr aus da» Süfleu Ozean zwischen Hongkong und San Francis« bestumut jmd.