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Abendausgabe

Nr. 304 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 149

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SW

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Dienstag

30. Juni 1925

Berlog anb Anzeigenabteilung Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Douboff 2506-2502

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

dangalagha

Die Luftfahrtnote.

Die neuen ,, Regeln" der Botschafterkonferenz.

Rußland und wir.

Ein paar notwendige Feststellungen.

MTB.   meldet: Die Note der Botschaftertonfe| vermag, wird, wenn die Grenzen der Regeln 4, 5 und 6 erreicht hatten Karl Liebknecht   und Rosa Luremburg die renz über die Beschränkungen des deutschen   Luftfahr sind, als militärisch, somit als Kriegsgerät angesehen. zeugbaues, die am 24. Juni dem deutschen   Botschafter in Paris   übergeben wurde, lautet:

Herr Botschafter!

In Beantwortung des Wunsches der Deutschen   Regierung hat der Ausschuß der Botschafterkonferenz für die Begriffsbestimmungen die Einwände gehört, die die deutschen   Sachverständigen über die etwaige Abänderung der Bestimmungen für die Unter­scheidung ziviler und militärischer Luftfahrzeuge vorgebracht haben. Heute habe ich die Ehre, Euerer Erzellens mitzuteilen, daß die Botschaftertonferenz im Verfolg dieser Anhörung die neue Faffung der Begriffsbestimmungen abschließend festgesetzt hat; ich bitte Guere Exzellenz, den Wortlaut hierunter entnehmen zu wollen. Die alliierten Regierungen bleiben überzeugt, daß diese Regeln von der Deutschen   Regierung gewissenhaft befolgt werden. Genehmigen Sie ufm. ( gez.) Briand  ."

Die der Note beigefügten Neuen Regeln zur Unterscheidung zwischen ziviler und militärischer Luftfahrzeuge" lauten: Flugzeuge schwerer als Cuft:

Regel 1: Jeder Einsiger mit mehr als 60 PS Motor leiftung wird als militärisch, fomit als Kriegsgerät angesehen.

Regel 2: Jedes Flugzeug, das ohne Führer fliegen kann(?!), wird als militärisch, somit als Kriegsgerät angesehen.

Regel 3: Jedes Flugzeug, das gepanzert oder irgend. wie geschützt oder zur Aufnahme irgendeiner Bewaffnung, Geschüz, Torpedo oder Bomben eingerichtet ist, wird als Militär­flugzeug und deshalb als Kriegsgerät angesehen.

Jede Ueberladevorrichtung, die gestattet, die Motorleistung zu erhöhen, oder jede Anordnung, die die Anpassung ziviler Flugzeuge ant militärische Zwede erleichtert, und jedes Flug zeug oder jeber Motor, die mit einer derartigen Vorrichtung oder Anordnung versehen sind, werden als militärisch, somit als Striegs. gerät angehen.

Folgendes find die höchstgrenzen für alle Flugzeuge schwerer als Luft; alle, die diese Grenzen überschreiten, werden als militärisch, somit als Kriegsgerät angesehen.

Regel 4: Gipfelhöhe voll beladen 4 km. Regel 5: Geschwindigkeit voll beladen in 2 km Flughöhe 180 km/ h( wenn die Motoren mit Vollgas laufen und somit die Höchstleistung abgeben).

Regel 6: Die, mitnehmbare Höchstmenge an Del und Brennstoff( beste Sorte Fliegerbenzin) darf 0,8180/ V kg/ PS nicht überschreiten; dabei bedeutet V= die Geschwindigkeit des Flugzeuges voll beladen und mit Vollgas in 2 km Höhe.

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Regel 7: Jedes Flugzeug, das eine Ladung von mehr als 900 kg einschl. Führer, Motorwart und Instrumenten zu tragen

Eisenpakt und Handelsvertrag.

Eine offigiöse Erklärung.

Paris  , 30. Juni.  ( WTB.) Zu den in der deutschen   und der französischen   Presse in den letzten Tagen umlaufenden Nachrichten über die Berhandlungen der deutschen   und der französi schen Schwerindustrie erfährt der Vertreter des MTB. von unterrichteter Seite folgendes:

Die Annahme, daß das in den schwerindustriellen Verhandlungen in Aussicht genommene Abkommen über die Abnahme von fran­zösischem Eisen innerhalb des Rahmen eines deutsch  - französischen Handelsabkommens verwirklicht werden könnte, trifft nicht zu. Das privatwirtschaftliche Abkommen sieht auf deutscher   Seite Kon französischen   Handelsabkommen einen Ausgleich finden können. zeffionen vor, die nur durch französische   Konzessionen im deutsch  , Es bedarf feiner Hervorhebung, daß die in den privatwirtschaftlichen Verhandlungen vereinbarte Abnahme von so großen Eisenmengen aus dem lothringischen Produktionsgebiet sich nur dann volkswirt. schaftlich rechtfertigen läßt, wenn gleichzeitig der deutschen  eifenverarbeitenden Industrie ausreichende Ausfuhrmöglichteiten nach Frankreich   eröffnet werden. Diefer enge Zusammenhang zwischen den privatwirtschaftlichen Bez­einbarungen und den offiziellen Berhandlungen zum Abschluß eines deutsch  - französischen Handelsabkommens ist sowohl von den Regie rungsvertretern, als auch von den bei den privatwirtschaftlichen Ber­handlungen beteiligten Wirtschaftlern stets betont werden."

Vom marokkanischen Kriegsschauplah. Offenfive Abd el Krims.

Paris  , 30. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Auf dem maroffanischen Kriegsschauplatz scheint die durch die Offensive Abdel Krims ausgelöste lebhafte Kampftätigkeit fortzubauern. Nach einem amt­lichen Bericht, der von lebhaften Kämpfen im oberen Flußtal des Leben und von startem Widerstand in der Gegend von Bab- Tazza spricht, scheint es den Streitkräften des Rif gelungen zu sein, den zu Ende der vergangenen Woche bei Ain- Matouf erzielten Erfolg auszunußen und die Einbruchstellen wesentlich zu verbreitern. Die Schlüffelstellung des französischen   Zentrums bei Taounat, die von nördlich her heftigen Angriffen des Gegners ausgefest ist, wird badurch zu gleicher Zeit von Dften her start bedroht. Auch auf dem zechten Flügel der französischen   Front der Gegend von Chenab

Luftschiffe,

deren Gasraum die folgenden Zahlen überschreiten, werden als militärisch, somit als Kriegsgeräte angesehen:

I. Starrluftschiffe 30000, II. halbftarre Luftschiffe 25 000, III. unstarre Luftschiffe 20 000.

Regel 8: a) Ueber die Fabriken, die Luftfahrgerät irgend welcher Art herstellen, sind Listen zu führen; die Deutsche   Re­gierung hat dem Garantiefomitee Nachweise der Einfuhr( einschl. der Durchgangseinfuhr) und der Ausfuhr für alle Flugzeuge und alles Luftfahrtgerät mit allen Einzelheiten, die das Komitee verlangt, zu beschaffen.

b) lleber alle Flugzeugführer und Flugschüler und alle Flugzeuge( einschl. der zur Ausfuhr gebauten), fertig gefteliten oder im Bau, sind Listen zu führen.

rantiefomitee verlangen tann; sie werden von der Deutschen c) Alle Listen sind in der Form zu führen, die das Ga Regierung vieteljährlich dem Komitee übergeben.

d) Um zu vermeiden, daß das Garantiefomitee ein neues Luft­fahrzeug- oder Motormuster nach dem Bau zerstören muß, sind ihm die Unterlagen zur Festlegung der Merkmale dieses Gerätes vor Beginn einzureichen.

Regel 9: Die Zahl der Flugzeuge und Motoren und die Menge des Luftfahrtgeräts einerseits, die Zahl der Flugzeugführer und Flugschüler andererseits darf den angemessenen Bedarf fomitee festgesetzt wird, nicht übersteigen. der Zivilluftfahrtin Deutschland, wie er vom Garantie­

Die Bestimmungen der neuen Luftfahrtnote der Bot­fchafterfonferenz werden an sa chkundiger Stelle dahin aufgefaßt, daß die darin enthaltenen Erleichterungen gegenüber dem jezigen Zustand recht geringfügig find, während die Erschwerungen um fo empfindlicher fich fühlbar machen müffen. Insbesondere werden gewiffe Mitteilungen über den Stand des deutschen   Flugzeugbaues, die Deutschland   bisher vereinbarungsgemäß dem Garantie fomitee der Entente für die deutsche Luftfahrt gemacht hat, durch die neuen Bestimmungen zwangsmäßig vorge. schrieben und es wird was bisher nicht der Fall mar, auch der deutsche Flugmotorenbau, der Lagerbestand der Flug zieher vollkommen dem Schalten und Walten dieses Garan­zeugfabriken und die Flugzeugproduktion für ausländische Be­tiefomitees unterstellt. Wir behalten uns eine ausführ­liche Würdigung der Note vor.

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Die Meldung des" Matin", daß ein deutsch  - französisches Ab­fommen dem Abschluffe nahe sei, welches franzöfifchen Flugzeugen das Ueberfliegen deutschen   Gebietes gestattet, hat nach Erflärung von zuständiger deutscher   Stelle feinerlei tatsächlichen Hintergrund.

scheint Abd el Krim seine Offensive mit großer Energie fort zusetzen. Der amtliche Bericht meldet von dort lediglich die Zurück weisung mehrerer Angriffe. Aus einer Privatmeldung des Korre­fpondenten des Temps" geht jedoch hervor, daß Abd el Krim   dort sehr beträchtliche neue Kräfte in den Kampf geworfen hat und daß es ihm dadurch gelungen ist, die französische   Linie um mehrere Kilometer zurüdzudrängen.

Französische   Finanzforgen.

Eine Kommission geht nach Washington  .

Paris  , 30. Juni.  ( Eigener Drahtbericht. Nach einer Mitteilung des franzöfifchen Finanzministeriums wird sich demnächst eine Rom. begeben, um mit den dortigen zuständigen Instanzen die Berhand. mission französischer Finanzsachverständiger nach Washington  lungen über die Regelung der französischen   Kriegs hulden an die Bereinigten Staaten wieder aufzunehmen.

Der griechische Staatsstreich. Berhandlungen der Umstürzler mit den Parteien. Athen  , 30. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Führer des Um Athen  , 30. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Führer des Um Sturzes und jetzige Ministerpräsident verhandelte am Montag mit den Parteien, um die parlamentarische Situation zu flären. Es ver­lautet, daß er auf Grund dieser Verhandlungen eine Mehrheit im Barlament erhalten wird. Im übrigen sollen im Sommer 1926 Reuwahlen ausgeschrieben werden. Der bisherige Minister. präsident und die Mitglieder seiner Regierung, soweit fie Bar­lamentarier find, beabsichtigen nicht, an der heutigen Tagung der Nationalversammlung teilzunehmen. Sie planen vielmehr einen energischen Protest gegen den Staatsstreich in der Deffent. lichkeit.

Räumung des Ruhrgebiets.

Paris  , 30. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Die diplomatischen Vorbereitungen für die Räumung des Ruhrgebiets find bcendigt. Es ist jetzt Sache des Kriegsministeriums, die Maßnahmen für die Zurüdziehung der Truppen zu treffen. Der eigentliche Abmarsch wird unverzüglich beginnen. Die Räumung ist so beabsichtigt, daß zuerst das Bochumer   Gebiet frei wird, dann Essen, weiter Mühlheim   und schließlich Duisburg  . Ruhrorf bzw. Düsseldorf  .

Die deutsche   Außenpolitik Rußland   gegenüber hat sich felten auf der Linie bewegt, die von der deutschen   Sozial demokratie für richtig gehalten wurde. In der Kaiserzeit ganze Sozialdemokratische Partei   auf ihrer Seite, wenn sie das Wettfriechen der europäischen   Regierungen vor dem Barismus bekämpften und die besonders unwürdige Rolle, die Deutschland   dabei spielte, ins rechte Licht setzten. Tatsächlich war ja alle Liebesmüh vergebens: das zarische Rußland blieb nicht nur Bundesgenosse der Entente sondern durch den Kon­flift mit ihm gerieten wir erst in den Weltkrieg. Für die ungeheure Mehrheit des deutschen   Volkes wäre 1914 ein Krieg gegen Frankreich   und England eine psychologische Unmöglich­feit gewesen, wenn sie nicht als Bundesgenossen Rußlands   auf den Schauplah getreten wären.

Daß die französische Republik   sich gegen Deutschland   mit Idem zarischen Rußland verbündet hatte, war ihr Berbrechen und eine der fiefften Ursachen des furchtbaren, Europa   zer­fleischenden Kriegs.

Heute wird Rußland   nicht vom Zarismus fondern vom Unterschied. Noch vermag niemand zu fagen, was die Bolfchemismus beherrscht, und das ist gewiß ein großer russische   Revolution für Rußland  , für Asien  , vielleicht auch für Afrika   bedeutet. Es war aber das große antimargistische Miz­verständnis der europäischen, besonders der deutschen   Kommu­nisten, daß sie glaubten, was sich in dem wirtschaftlich und fulturell zurückgebliebenen Rußland   ereignete, würde sich in Europa   und Amerika   als die soziale Weltrevolution unvermittel auswirken. Dieses Mißverständnis hat einige Zeit lang politische Idealisten mit glühender Begeisterung erfüllt. Die Masse der deutschen   Arbeiter aber behielt ein sicheres Gefühl dafür, daß das, was sich in Rußland   ereignete, etwas war, das sich in einer wesentlich anders geartcten We It abspielte. Sie begriff, daß die russische Revolution nicht das war, was Friedrich Engels   als den Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit" bezeichnet hatte, und fie begriff auch, daß sie das gar nicht sein konnte. Der Anstoß zu einer solchen Umwälzung fonnte eben mir aus einem Lande kommen, das die Vollreife der kapitalistischen  Entwicklung erreicht hatte wie England oder Amerika   oder auch Deutschland  , nicht aber aus einem Riesenreich, das im großen Ganzen noch den Schlaf der agrarischen Autartic schlief und das politisch soeben erst aus den Kinderschuhen des Absolutismus herausgesprungen war.

Die Völker Europas   und Ameritas sind untereinander mesensähnlicher und schicksalsverwandter als sie es alle zusam­men den Völkern des russischen   Reiches gegenüber sind. Sie find durch die verhältnismäßige Gleichheit der Wirtschafts­organisation, den hochentwidelten Rapitalismus, durch die verhältnismäßige Gleichheit der Staatsform, die Demokratie, durch die verhältnismäßige Gleichheit der Volksbildung, der Technik, der Verbreitung der Presse usw. verbunden. Das nach Asien   weit hineingreifende russische   Reich aber ist eine andere Welt.

Im Bewußtsein jener Wesensähnlichkeit und Schicksals­verwandtheit sucht die deutsche Sozialdemokratie die Lösung der internationalen Probleme vor allem in der Zusammen­arbeit mit dem französischen   Sozialismus und der englischen Arbeiterpartei. Diese drei sind die drei starken tragenden Säulen der sozialistischen   Arbeiterinternatnonale.

" Feindschaft gegen Sowjetrußland", die ihr so oft, be­sonders. von fommunistischer Seite nachgesagt wird, liegt der sozialistischen   Arbeiterinternationale volitommen fern. Und wenn die Rote Fahne" behauptet, mir predigten den Krieg gegen Sowjetrußland", so ist das eine der üblichen kommu­ nistischen   Verrücktheiten, Wenn Rußland   seinen inner politischen Angriff auf Europa   aufgibt und demokratische Sozialismus verschiedener Art sein müffen es hat den Anschein, als wollte es das tun, wenn beiderseits erkannt wird, daß der Bolschemismus und der europäische  und verschiedene Aufgaben haben, kann eine wesentliche Bes­ferung der gegenseitigen Beziehungen eintreten.

Mit all diesen Gedankengängen hat jedoch die offi= zielle Außenpolitit Deutschlands nichts zu tun. Für sie ist das bolfchemistische Rußland einfach eine Macht". mie einft das zarische Rußland eine Macht" gewesen ist. Und fie läßt sich in verhängnisvoller Weise von dem Gedanken leiten, daß eine Anlehnung an diese Macht Deutschland   im internationalen Spiel der Kräfte irgendwie nützlich sein könnte.

Diese Art der Diplomatie Sowjetrußland gegenüber halten wir ebenso für falsch, wie wir die gleichgerichtete Diplo­matie Zarenrußland gegenüber für falsch gehalten haben.

Der neue falsche Kreislauf hat allerdings nicht bei Deutsch­ land   angefangen, sondern bei Frankreich  . Indem sich Frank­ reich   im Rüden des noch immer für gefährlich gehaltenen deutschen   Nachbarn an Bolen und der fleinen Entente Bundes­genossen zu sichern versuchte, suggerierte es Deutschland   den Gedanken, ein Haus weiter nach Osten zu gehen und sich an Rußland   jenseits der östlichen Bundesgenossen Frankreichs  eine Stüße zu suchen. Noch ist dieses Verhältnis nicht zu einem Bündnis gediehen. Sowjetrußland würde wohl auch politisch zu flug fein, sich einseitig an Deutschland   zu binden und fich damit gegen alle Mächte festzulegen, die als Gegner Deutschlands   in Betracht kommen fönnten. Denkt man aber den Gedanken zu Ende, so findet man als Ergebnis ein zer rissenes Europa  , defien einzelne Staaten fich gegenseitig durch Bündnissysteme&