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Nr. 425 42. Jaheg. Ausgabe A nr. 217

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 9. September 1925

Severings Verwaltungsreform.

Ankündigung der großen Reform im Landtagsausschuß.

Der 21er Ausschuß des Landtags hatte den preußischen Minister des Innern am 10. Juni ersucht, bevor in die Beratung der Städte­und Landgemeindeordnung eingetreten würde, die Ansichten der Staatsregierung über die große Verwaltungsreform darzulegen. Erst dann sollte beschlossen werden, welche Gesetze zuerst in Angriff genommen werden sollten. Diesem Beschluß fam Seve ring am Mittwoch nach. Er betonte, daß er nur für sein Mini­sterium sprechen könne, aber er glaube, daß die Mehrheit der preußischen Staatsregierung seine Ansichten teile.

Regieren heißt vorausschauen! Soll dieses Wort wahr bleiben, so führte der Minister aus, so sei unbedingt notwendig, balbigst große Reformen in unserem ganzen Berwaltungsapparat durch­zuführen, und er hoffe, daß die Parteien gewillt seien, die Staats­regierung zu unterſtüßen, damit nicht, wie bisher, so viel Arbeit für den Papierforb gemacht würde. Zu einer großen Berwaltungs­reform in Preußen gehöre vor allen Dingen eine flare Schei= dung zwischen den Aufgaben des Reichs und der Länder. Die gleiche flare Scheidung müsse auch zwischen Staat und Selbst perwaltungsförper herbeigeführt werden.

Der Aufgabenkreis der Land- und Stadtkreise müsse erweitert werden. Die Bezirksregierungen müßten verschwinden, dabei könne man daran denken, daß in großen Provinzen außer den Oberpräsidenten auch noch einzelne Berwal­tungsstellen bestehen bleiben. Die Aufgaben der Bezirksregierungen, die den Stadt- und Landkreisen nicht übertragen werden fönnten, mußten auf den Oberpräsidenten übergehen. Die Landkreise müßten, um ihren Aufgaben gewachsen zu sein, eine gewisse Größe haben und durchaus leistungsfähig gemacht werden. In der Orga. nisation der Staatsverwaltung folle grundsäglich die Entschei: dung in die lotale Instanz verlegt werden. Die Kom munalaufficht über die fleineren freisangehören Den Städte, mindestens bis 5000 Einwohnern, jei auf den Landrat und den Kreisausschuß zu übertragen. Durch diese Kon­zentration der Aufgaben der Kreise dürfen aber die Kräfte in den Landgemeinden nicht brachgelegt, sondern nach wie vor zur Mit arbeit erhalten werden. Ferner sei auch an die

Berminderung der Zahl der Landtags- und Staatsratsmitglieder zu denke

Am Schluße fetner Ausführungen faßte der Weinifter Severing feine Ansichten in nachfolgenden zehn Punkten zusammen:

Stadt- und Landgemeindeordnung Einfache Organisation. Regelung der nachbarlichen Berhält nisse, Beschränkung der Staatsaufsicht in materieller Beziehung. lebertragung der Kommunalaufsicht über Städte bis 10 000 oder 5000 Einwohnern auf den Landrat und den Kreisausschuß.

Kreisordnung.

Ermöglichung der Dezentralisation innerhalb des Kreises, Re­gelung des Verhältnisses von Kreis und freisangehörigen Ge­meinden. Provinzialordnung. Regelung des Berhältnisses zwischen Provinz und Kreisen, Ver­meidung eines überflüssigen Verwaltungsaufbaues der Provinzial­verwaltung.

Landesverwaltungsgesetz. Regelung des Verhältnisses der selbständig bleibenden Lokal behörden zueinander, Betonung des Grundfaßes, daß die Lokal. instanz im Zweifel entscheidet. Zusammenfassung der Mittelinstanz unter dem Oberpräsidenten. Einbau der Beschlußbehörde in die

Provinzialregierung.

Berwaltungsgerichtsordnung mit Organisation der Verwaltungsgerichte; Kreisausschuß, Stadt. verwaltungsgericht, Provinzialverwaltungsgericht, Oberverwaltungs­gericht, Erweiterung des Berwaltungsrechtsschutzes.

Spanischer Landungserfolg?

Nach schweren Stunden.

Paris  , 8. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag mittag haben die spanischen   Truppen ihren Landungsversuch in der Bucht von Alhucemas erneuert. Nach Meldungen aus Madrid   soll es diesmal geglückt sein, an der Küste Fuß zu fassen. Ein Telegramm Prima de Riveras besagt, daß die spanischen   Truppen des Generals Saro westlich von Alhucemas nach einem furzen Artilleriefeuer mittags um 12.30 Uhr an Land gingen, ohne ernsthaften Widerstand zu finden. Am Montag sollen 500 Spanier gefallen sein.

Die Rifleute sehen ihre Angriffe fort. Paris  , 8.September.  ( Tul.) Nach einer Meldung aus Fes sezen bie Rifleute ihre Angriffe im Raume von Issual troß schwerer Ber­lufte hartnädig fort. Die Araberstämme, die noch vor kurzem mit den Franzosen wegen ihrer Unterwerfung verhandelten, haben die Berhandlungen abgebrochen und beteiligen sich wieder an den Kämpfen gegen die Franzosen. Unter den Araberstämmen hinter der franzöfifchen Front macht sich wieder eine besonders starte Propagandatätigkeit der Agenten Abd el Rrims bemerkbar. Der Umschwung in der Haltung der Araber­stämme wird darauf zurüdgeführt, daß sich die Kerntruppen der Rifleute an den Rämpfen beteiligen und die Angriffe von Abd el Krim   persönlich geleitet werden.

Shulunterhaltungsgesetz.

Uebertragung der Schulunterhaltung auf die Stadt- und Land­freise unter Ueberweisung entsprechender Generaldotationen. Un berührt bleibt die ausschließliche Befugnis des Staates zur Rege lung der inneren Schulangelegenheiten( Lehrpläne, Lehrbetrieb, Lehreranstellung, Versegungen usw.).

Dienst strafordnung,

mit Angliederung der Disziplinarkammern an die Brovinzialvermal tungsgerichte. Gleiches Verfahrensrecht für mittelbare und un­mittelbare Staatsbeamte.

Finanzausgleichsgeset,

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedkonto: Berlin   37 536

-

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkaffe Lindenstr. 3.

Agrarprobleme im Programm.

Bemerkungen zum Programmentwurf. Bon Eduard David  .

I.

Die Einleitung des von der Programmfommission dem Parteitag unterbreiteten Programmentwurfs fordert zu mancherlei Kritif heraus. Sie stellt ein Flickwerk aus Sägen des alten Erfurter   Programms und des Görlitzer Programms dar, offenbar das Ergebnis eines Kompromisses, das den ver­schiedenen in der Kommission vorhandenen Auffassungen Rechnung zu tragen sucht. Mag man mit einem solchen Ber­fahren um gewiffe innerparteiliche Schwierigkeiten herum­fommen, für den gesunden Fortgang der Bewegung, nament­lich auch für ihre Ausbreitung in der geistigen Berufsarbeiter schaft die fein zu unterschätzender politischer Faktor ist- bereitet uns ein mit der wissenschaftlichen Forschung und gramm die schwersten Hemmungen.

-

mit Berücksichtigung der Neuregelung der Schullaften und Wege- Wahrheit nicht in voller Uebereinstimmung befindliches Pro­laften.

Mantelgesetz  ,

in welchem die für eine Dezentralisation und Dekonzentration nötigen Novellen enthalten sind, Aenderung der Kreisgrenzen. Dieses Mantelgejezz würde das bisherige Zuständigkeitsgesetz ersetzen.

Gefeß über eine Herabminderung der Zahl der Land­tagsabgeordneten und der Mitglieder des Staatsrats.

In der Aussprache begrüßten alle Parteien die Ausführun­

übernimmt. Die Vertreter der Deutschnationalen, der

Die auf der Boraussetzung völlig freier Konkurrenz auf­gebaute ökonomische Theorie und Prophetie von Karl Marg bedarf weitgehender Korrektur, wenn sie mit dem wirklichen Verlauf der Dinge in Uebereinstimmung gebracht werden soll. Das tut dem Genie von Karl Marx   feinen Abbruch; er kommte unmöglich wirtschaftliche Faktoren in seine Rechnung einsetzen, die erst nach seiner Zeit in Erscheinung traten. Seine Nach wirklich im Geifte Karl Mary' weiterarbeiten wollen. Auf die Unzulänglichkeit des Entwurfs hinsichtlich der Stizzierung der industriellen Entwidlung ist schon von anderer Seite hingewiesen worden. Noch schlimmer steht es mit der Behandlung, die die Landwirtschaft erfährt. Die Agrarstatistit aller Länder hat uns die Tatsache offen­bart, daß die für die mechanische Fabrikation im großen Ganzen zutreffende Lehre von der kapitalistischen   Konzen­tration der Betriebe für die organische Produktion nicht Sphäre der Landwirtschaft habe ich in meinem Buch: Sozia­zutrifft. Die Gründe für diese andersartige Entwicklung in der lismus und Landwirtschaft" eingehend dargelegt. Indem ich darauf hinweise, begnüge ich mich hier mit der Herausstellung der Tatsache, daß nirgendwo weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart in der Landwirtschaft die großen Betriebe die mittleren und fleineren auf dem Wege überragender mirt­schaftlicher Leistungsfähigkeit niederkonkurriert haben. triebe sich an die Stelle von bäuerlichen Wirtschaften gesetzt auch immer in der Welt die größeren landwirtschaftlichen Be­haben, geschah es unter Anwendung ganz anderer als öko­

den des Ministers über die große Verwaltungsreform. Die Sozial- fahren aber find verpflichtet, das zu tun, wenn anders sie Demofraten verlangten, daß die Regierung nun auch balb entsprechende Gefeßzentwürfe vorlegt und unter allen Umständen die Führung in dieser für das gesamte Land so wichtigen Frage Deutschen   Boltspartei und der Demokraten waren der Anficht, daß eine Beratung der Städte und Landgemeindeordnung feinen Zweck habe, da die angekündigte große Berwaltungsreform so einschneidende Aenderungen bringen werde, daß man mit den Verwaltungsgesetzen zuerst beginnen müßte, um dann später die Berfaffungsgesetze für Provinz, Kreis, Stadt- und Landgemeinde zu beraten. Die sozialdemokratischen Vertreter und die des 3 en trums verwiesen darauf, daß diese große Reformarbeit Jahre bauern würde und man bis dahin die Berabschiedung der Stadt- und Landgemeindeordnung, die doch im vorigen Landtage schon zu einem gewissen Abschluß gelangt sei, nicht hinausschieben könne.

Für die Beratung der Landgemeinde- und Städte ordnung stimmten dann außer den Sozialdemokraten und dem Bentrum auch die Kommunisten und der Vertreter der Wirtschafts­

partei.

Der Ausschuß hat nicht die getrennten Entwürfe, die das Zentrum als Initiativantrag eingebracht hat, zur Grundlage seiner Beratungen gemacht, sondern den gemeinsamen Entwurf Beratungen gemacht, sondern den gemeinsamen Entwurf einer Gemeindeordnung, den der Ausschuß im verflossenen Landtag in seinen letzten Sizungen beschlossen hat. Es ist nicht anzunehmen, daß inhaltlich an den Ausschußbeschlüssen des vergangenen Land­tags Wesentliches geändert wird. Damit ist gesagt, daß die Fort. schritte, die die neue Städte und Landgemeindeordnung, wenn fie von diesem Landtag verabschiedet wird, nicht allzu be­deutend sein werden. Trotzdem muß darauf hingewiesen werden, daß eine einheitliche Städte und Landgemeindeordnung in ganz Breußen, wenn auch in der Art der Verfassung- Bürgermeister und Magistratsverfaffung getrennt, einen großen Fortschritt be deutet gegenüber der Buntfchedigteit, die heute besteht. Das Verschwinden der Gutsbezirke, die Festlegung der Selbstverwaltungs­angelegenheiten und der Auftragsangelegenheit durch den Staat, fowie die Wahl der Landbürgermeister in der Rheinproving find immerhin Erfolge, auf die unsere Genossen nicht verzichten fönnen,

Deutschland   und Frankreich  . Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen. Der Leiter der deutschen   Delegation für die deutsch  - französischen Wirtschaftsverhandlungen, Staatssekretär Dr. Trendelenburg, begibt sich, entsprechend den mit dem französischen   Handelsminister Chaumet am 11. Juli getroffenen Bereinbarungen, zum 15. Sep­tember nach Baris. Er wird begleitet von den Herren Ministerial­rat Mathies vom Reichswirtschaftsministerium und rat Mathies vom Reichswirtschaftsministerium und Geheimrat Woermann vom Auswärtigen Amt  . Die beiden Delegationsführer werden vereinbarungsgemäß die Lage zweds weiterer Berhand­lungen prüfen.

3u welchem Zeitpunkt die beiderseitigen Delegationen die Berhandlungen über ein deutsch  - französisches Handelsvertragsprovi­forium wieder aufnehmen werden, wird von dem Ergebnis dieser Borbesprechung abhängen.

-

Die Ratifitafionsurkunden des deutsch  - englischen Handelsvertrages find gestern, Dienstag, in London   ausgetauscht worden; er wird damit bindend.

Zusagen für Deutschböhmen. Der tschechische Ministerpräsident Dr. Svehla hat unseren deutschen   Genossen versichert, daß weder die Bodenreform noch die neue Schuldroffelung der Tschechisierung dienen sollen. Beide würden ohne Unterschied der Nation an Beide würden ohne Unterschied der Nation an gemenbet.

nomischer Mittel.

Mo

Ganz übersehen hat nun die Programmkommission diesen andersartigen Gang der landwirtschaftlichen Produktion nicht. Sie trägt ihm zwischen den Zeilen" mit folgendem Saß des Entwurfs Rechnung:

Die ökonomische Entwicklung hat mit innerer Gesetzmäßigkeit zum Erstarken des kapitalistischen   Großbetriebes geführt, der in Industrie, im Handel und Verkehr immer mehr den Kleinbetrieb

zurüddrängt und seine soziale Bedeutung serringert."

Für

Das wesentlich Neue in diesem Saz ist die Beschränkung der Konzentrationslehre, auf Industrie, Berkehr und Handel unter Auslassung der Landwirtschaft. diese gilt also auch nach der Meinung der Kommission die tapitalistische Konzentrationslehre nicht. Man sollte denken, dieses doch gewiß nicht unbedeutsame Faktum hätte nun auch in der weiteren theoretischen Darlegung des Entwurfs ge= bührende Beachtung gefunden. Das ist leider nicht der Fall. Offenbar halten die betreffenden Genossen die landwirtschaft­liche Produktion für feinen so beachtlichen Faktor im Ganzen des Wirtschaftslebens, als daß man um seinetwillen nötig hätte, liebgewordene alte Dentschablonen einschneidend zu forrigieren. Kennzeichnend für diese Meinung ist das zweite Säzchen des Entwurfs, das lautet:

Gleichzeitig wächst die industrielle Bevölkerung ständig im Berhältnis zur landwirtschaftlichen."

Das ist nun zwar bis zu einem gewissen Grade richtig. Wenn aber damit, wie es der Anschein hat, der Eindruck er­medt werden soll, als ob die Landwirtschaft in einem in­dustriell entwickelten Staat von untergeordneter Bedeutung sei und mit der weiteren Entwicklung immer bedeutungsloser werde, so läuft das auf eine vollkommene Berkennung der fundamentalen Bedeutung hinaus, den der heimatliche Boden und seine produktive Ausbeutung für jede einzelstaatliche Bolkswirtschaft wie für die Weltwirtschaft für jetzt und alle Zeit hat.

Die organische Produktion ist und bleibt das Fundament aller Produktion überhaupt. Sie ist die Grundvoraussetzung alles höheren menschlichen Daseins, das tragende Erdgeschoß des ganzen übrigen Kulturbaues. Die in ihr beschäftigte Menschenzahl bleibt bei allen relativen Verschiebungen ab­folut eine so gewaltige, daß fein einzelner anderer Wirt­schaftszweig fich auch nur annähernd mit ihr messen kann. und ebenso bleibt der Grund und Boden in seiner Totalität das weitaus wertvollfte Produktionsmittel von allen.