Die tzohenzollern a's Kulturfattor. Von Otto Meier . Wenn der Londbund und die Leitung der Dsutjchnationalen »Volkspartei " in ihrer noiv-unehrlichen Gegenpropaganda gegen das Volksbegehren Recht hätten, dann würden die Fürsten trotz der Ab- findung von 2K Milliarden dem Volke immer noch Riesenwerte schenken. Räch ihrer Meinung sind es insbesondere die ideellen „Verdienste" der Fürsten , die gar nicht mit Gold aufgewogen werden können. Natürlich belehrt uns jedes Lesebuch der Vorkriegszeit darüber, daß die Landesoäter allesamt auch gleichzeitig die bravsten Familien röter waren. Vor allen treffen wir bei den Hohenzollern und ihren Frauen auf monströse Tugendgebilde. Und alle Preußenkönige waren ihrem Charakter entsprechend weise Friedensfürsten und große Schlachtenlenker zugleich. Darüber hinaus waren sie die Hüter des Rechtes, die Schirmherren der Wissenschaft, die Förderer derschönenKünste. Was das letztere anbelangt, so mag aus der Blütezeit wilhelmi nischer Kunst die Berliner Siegesallee künftigen Ge- schlschtern als abschreckendes Beispiel dienen. Es soll keineswegs bestritten werden, daß es Fürsten gegeben Hot. die viel für die schöne Kunst getan haben. Wenn man absieht vom Allen Fritz wäre es aber vermessen, irgendeinen der Hohen zollern in Parallele zu stellen etwa mit Karl Slugust von Weimar . Im Gegenteil: die Preußenkönige find in Dingen der schönen Künste fast ausnahmslos— Banausen gewesen. Die Retter des angeblich sürstlichen Privateigentums sind sehr unvorsichtig, wenn sie dem undankbaren Volke immer wieder vor rechnen, daß die Hohenzollern auf die Kunstsammlungen(Nationalgalerie, Berlin , Schack-Galerie . München ) zugunsten des Landes Verzicht geleistet haben. Das ist eine grobe Irreführung der Oeffcntlichkeit. Das vormals regierende Haus hat im Gegenteil bis zuletzt feine Ansprüche auf die Sammlungen aufrecht erhallen. Der allerletzte, nur im Umriß bekanitt gewordene Ver- gleichsentwurf zwischen Preußen und den Hohenzollern sah aller- dings einen solchen.Verzicht" auf die Kunstsammlungen durch die Hohenzollern vor. Aber wir behaupten, daß die Hohenzollern sich diesen Verzicht schwer abkaufen lassen wollen. Andernfalls wäre es unverständlich, warum der Finanzminister von den be- schlognahmten 400 000 Morgen des sogenannten Hausfideikommiß ihnen rund 300 000 Morgen zugebilligt hat. Das gibt uns Gelegenheit» in die Beziehungen hineinzuleuchten, die die Hohenzollern zur Kunst„pflegten". Soweit uns das amt- liche Material zur Verfügung steht, verdankt die Berliner Galerie als Tell der fttaatlichen Museen ihre Entstehung dem Allen Fritz, der nach den schlesischen Kriegen Gemälde und andere Kunstgegenstände im Auslande in größerem Umfange ankaufen ließ, um dem Ausland einen Beweis von Preußens ungeschwächter finanzieller Kraft zu geben. Er hat dazu ausschließlich staat- liche Mittel, vor allem die erheblichen Ueberschüsie seines Kriegsschatzes verwendet. Die Gemäldegalerie ist erst unter Friedrich Wilhelm III. wesent- lich erweitert worden und zwar durch Ankauf der Kunst- sanimlung Sollt), Die Kosten wurden aus der Privatfchatulle des Königs gedeckt, aber auf Vorschlag Hardenbergs deshalb, weil eine glückliche Finanzoperation(Zurückzahlung eines dem Staate in den Kriegsjahren gewährten Darlehens in Staatsschuldscheinen zum Nennwert, mit deren Verzinsung nicht gerechnet worden war) den Ankauf ohne eigene Mittel ermöglichte. Di« Bilder wurden dem Museum einverleibt und der König hat jede weitere Kostentragung für Transport, Versicherung, Restauration usw. ent. schieden abgelehnt. Als Äilly später mit einer Nachforderung auf- trat, wurde diese aus Staatsmitteln beglichen. Es kann also gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Berliner Gemäldegalerie Staatseigentum ist. Auf diesen Standpunkt stellt sich nicht nur das preußische Finanz. Ministerium in seiner bekannten Denkschrift vom 2. September 1324- sondern auch der vormalige Generaldirektor der königlichen Museen, Geheimrat Dr. v. Bode, Ganz besonders interessant aber ist die„Erwerbung" der Schock- Galerie in München . Die Geschichte ihres Besitzwechsels ist ein typischer Beweis dafür, wie die Hohenzollern mit ihrem angeblichen Interesse für die Kunst ihre privaten Vorteile zu verbinden wußten. Der Hergang ist kurz folgender: In den siebziger Iahren lebte der mecklenburgische Staatsan- gehörige Adolf Friedrich v. Schock, Kammerherr und Ge- heimer Legattonsrat, als eifriger Kunstsammler in München . Sein« Gemäldegalerie und ihre Bereicherung durch Neuerwerbungen war sein Stolz und sein Lebensziel. Die in ihr vorhandenen Werke berühmtester Meister sicherten ihr eine Bedeutung well über die Grenzen Münchens hinaus. So hätte Herr v. Schock bis an sein Lebensende inmitten seiner Kunstschätze glücklich sein können, wenn ihn nicht eine große Sorg« geplagt hätte, �r wollte als Graf sterben. Wer weiß, welche ge- roden und krummen Wege er bereits gegangen war, ohne dies er- strebenswert« Ziel zu erreichen, als der K r o n p r i n z i n Berlin . der nachmalige Kaiser Friedrich, sich beim alten Kaiser für ihn verwendete. Soweit wäre nichts Besonderes an dieser Angelegenheit. Standeserhöhungen sind im Deutschland des Vornovember ja keines- wcgs als Ausdruck„allerhöchster" Gnade Seltenhett gewesen. Die Begletterscheinungen sind aber in diesem Falle immerhin so gra- vierend, daß es sich lohnt, sie der Vergessenheit zu entreißen Herr v. Schock bot für die ihm zu gewährende Er- nennung zum Grafen dem Deutschen Kaiser und Könige Preußen seine berühmte Gemäldegalerie als Geschenk an. Don diesem unerhörten Vorgang vermitteln uns die Akten des Haus- archios der Hohenzollern genaueste Kenntnis. Der alte Kaiser äußert« in einem Brief an den Kronprinzen Bedenken. Einmal sei bedenklich, einen Mecklenburger zum preußischen Grafen zu machen, weil dadurch in loyalen Untertanen das„schmerzliche Gefühl" des Neides erweckt werden könnte und zum andern— aber diese Stelle ist so kostbar, daß sie im Wortlaut wiedergegeben sei: „Im Widerspruche mit der Regel würde die Gegenleistung gewährt werden, ehe noch die Leistung erfolgt, oder auch nur ge» sichert ist Anscheinend soll der Uebergang des Eigentums der Gemäldesammlung nach dem Ableben des Besitzers im Wege letzt- williger Verfügung erfolgen, welche rechtlich bis zum Augenblicke des Todes zurückgenommen werden kann." Mit anderen Worten: Das Geschäft schien dem alten Kaiser nicht sicher genug! Die Bedenken wurden irgendwie aus dem Wege geräumt, denn Schock wurde 1876 in den Grafenstand erhoben und nach seinem 1894 erfolgten Tod« wurde Wilhelm II. laut Testament Besitzer der Schack-Galerie . Frage: Was geschieht mit einem Beamten, der sein Amt dazu mißbraucht, um sich private Vorteile zu oerschaffen? Das Recht der Standeserhöhung stand im alten Deutschland den Fürsten zu. Aber es stand ihnen nur zu in dienstttcher Eigenschaft, als erste Beamte und Repräsentanten der Nation. Auf keinen Fall durften sie sich für dienstliche Handlungen private Bermögensoortelle verschaffen, i
Die Jemeuntersuchung. Wulle und Ahlemann als Zeugen.
In der Vornnttagssitzung des Fememordausschusses des Preußi- schon Landtags sagte der Zeuge Geschäftsführer Haß aus: Der Geschäftsanteil bei der Landvoltgenossenschaft betrage SO Mark. Aufgenommen wurden nicht nur Landarbeiter, sondern auch Arbeitgeber. Sie zahlten auch ihre G e- schäftsanteile: aus den Büchern ergibt sich nicht, daß sie daneben noch weitere Zuwendungen machten. Räch feiner Kenntnis seien nicht Mitglieder der früheren„Schwarzen Reichswehr " in den Geiiossenschafteit untergebracht oder durch sie angesiedell worden. Die auf das Konto für„n a t i o n a l e Aufklärung" des Abg. Meyer von Gutsbesitzern eingezahlten Beträge hätten mit den Genössen- schasten nichts zu tun, sondern wären Arbeitgeberbei träge. Irgend ein« parteipolitische Tätigkett ist im Rahmen der Genossen- schasten oder der Genossenschaftsversammlungen niemals getrieben worden. Abg. kullner(Soz.): Es fällt mir auf, daß alle vom Ober- leutnant Schulz gegründeten Genossenschaften im Halbkreis um K ü st r i n herumliegen. Es macht den Eindruck, daß das Zentrum der Gründungstättgkeit des Herrn Schuh ; nicht in Berlin , sondern Küstrin , sein früheres Tätigkeitsgebiet bei der Schwarzen Reichswehr war. Der Zeuge weih dafür keine Erklärung zu geben. Der Kaufmann Hauptmann a. D. Stier wind darauf nochmals als Zeug« vernommen und erklärt, er habe nunmehr durch Befragung von Angestellten einwandfrei feststellen können, daß seine Verhandlungen mit Oberleutnant Schulz im Jahre 1924 stattfanden. Abg. Diehl(Ztr.): Ich habe mich bemüht, in das Geheimnis der Geschäftsbücher der Firma Stier einzudringen. Die vorgelegten Bücher haben keine volle Beweiskraft, weil sie Lücken enthatten und daraus schließen lassen, daß Nebenbücher vorhanden sind, die wir nicht kennen. Aus den vorgelegten Büchern ergibt sich aber schon, daß es sich bei der Einkleidung nicht um Mitglieder des Landarbeiterverbandes Handelle. sondern um Leute, die zum Kommando Pannwih. der söge- nannten„Schwarzen Reichswehr ", gehörten. Es ist festzustellen: 1. Die Bücher sind nicht beweisträstig, weil Hilfsbücher fehlen. 2. Hat es sich nicht gehandelt um Leute vom Landarbeiteroerband, sondern um Leute von der Schwarzen Reichswehr, vom Kommando Pannwitz. 3 Herr Stier muß Oberleutnant Schulz schon 192 3 gekannt haben, denn im Herbst 1923 handelt es sich um Leute, die er durch Vermittlung von Oberleutnant Schulz kennengelernt hat. Zeuge SNer: Nein umgekehrt, ich habe Oberleutnant Schulz erst durch Herrn o. Pannwitz kennengelernt. Der Ausschuß hielt daraus eine kurze nichtöffentliche Sitzung ab. NachmittagSfitzung., In der öfsentlichen N a ch m i t t a g e o e r h a nd lu n g des Femeausschusses wurde als erster Zeuge der völkisch« Landtagsabgeordnete Reinhold Wulle darüber vernommen, ob, wie der ver- nommene Kriminalkommissar Dr. Stumm in seiner Aussage darauf hinwies, sich einzelne Mitglieder der Mi. auf Empfehlung«» schreiben von Wulle, Kub« und Ahlemann berufen hoben. Zeuge wulle erklärt, er Hab« der SR., von deren Bestehen er erst im Laufe der Zeit gehört habe, von oornherein ab- lehnend gegenübergestanden, da bekannt war, daß ein Abkommen Sev» ring bestand, das mit diesen Fonnattonen
in Verbindung gebracht wurde. Wir haben den Leuten, die mit uns Fühlung nahmen, erklärt, daß wir jede Verbindung mit der SR. rundweg ablehnen, und zwar mit Rücksicht auf dos eben erwähnte Abkommen Severing. Denn wir hatten nicht die Gewähr, daß das ausgezeichnete Material von jungen Leuten nicht dazu benutzt werden konnte, eines Tages, wie schon wiederhott, die Republiki die wir ja ablehnen, zu stützen. Wir haben den jungen Leuten direkt verboten, sich dort anzuschließen. Unsere Bedenken waren um so berechtigter, weil an diesen Formationen Z e n t x u m s- kreise beteiligt waren, die auf dem entgegengesetzten Baden standen wie wir. Abg. Körner(Volk.): Es ist behauptet worden, daß nicht nur von völkischer Sette eine Ueberweisung der jungen Leute in diese militärischen Stellen stattgefunden hätte, sondern daß der Abg. Wulle auch über die innere Organisation dieser Arbettskommandos und über ihre innere Gerichtsbarkeit im Bilde gewesen sei. Ist das richtig? Zeuge Abg. Wulle: Ich kann erklären, daß ich weder über die äußere Organisation der Arbeitskommandos, noch über ihre innere Organisation und innere Gerichtsbarkeit oder über rrgend etwas, was damit zusaimnenhängt, näher informiert gewesen bin als irgend ein anderer, der davon etwas gehört hat. Als nächster Zeuge wird der frühere völkisch« Abgeordnete, Oberstleutnant o. D. Ahlemann vernommen. Der Vorsitzende ver- weist aus ein Empfehlungsschreiben, das der Zeuge am 18. Juli 1923 einem Bäcker Führle ausgestellt hat, der Mitglied der SR. war. Der Zeuge A h l e m a n n erklärt dazu, er erinnere sich dieses Ein- zelfalles nicht mehr, aber er habe sehr oft den Söhnen von Leuten, die unter ihn, gedient hotten, Empfehlungsschreiben ausgestellt, wenn sie in die Reichswehr eintreten wollten. Diese Empfehlmtgsschreiben hätten nur den Zweck gehabt, den jungen Leuten die Tür zu offnen, damit sie dann die Möglichkeit hatten, sich um die Aufnahme in die Reichswehr zu bemühen. Dabei Hobe es für ihn immer nur um die legale Reichswehr gehandelt. Von der Existenz der SR., so fährt der Zeuge fort, Hab« ich erst im Juli oder August 1923 etwas erfahren. Abg. Körner(Bölk.): Ich frage den Zeugen: Haben Sie mit dem Wissen, daß es sich um die SR. handelt, innge Leute der SR. überwiesen, um die Zwecke der SR. zu unterstützen? Zeuge Ahlemann: Von der SR. wußte ich überhaupt nichts, ich habe mich darum auch gar nicht bekümmert. Seit dem Augen- blick, wo ich den Rock meines Königs auszog, habe ich mich auch um die Reichswehr nicht mehr gekümmert, zumal ich mit vielem nicht einverstanden war, was ich in dieser Reichswehr sah. Ich hatte keine Beziehungen zur Reichswehr und weiß infolgedessen auch über die ganze SR. gar nichts. Damit ist die Vernehmung dieses Zeugen beendet. Es werden nun die früheren A n(j e st eil t e n'- d»r Firma Stier Georg Beyer und Max R l e b n darüber ver-- nommen, was ihnen über die Beziehungen der Firma zu Ober» leutnant Schulz, zum Landarbeiterverband und zu Ebersbach be- kannt fei. Der Zeuge Beyer erklärt, er wisse von den Dingen gar nichts, denn er sei nicht Buchhalter, sondern Konfektionär bei der Firma gewesen. Unter großer Heiterkett erklärt dann auch der Zeuge R i e h n. er wisse von den Dingen nichts, weil er erst im Januar 1924 in die Firma eingetreten sei. �■■ Darauf wird die öffentliche Verhandlung des Ausschusses auf Dienstag vertagt. Es folgt noch eine kurze nichtöffentlich« Sitzung zur Entscheidung über die vorliegenden Beweisanträg«..-.,
Es ist schwer zu sagen, ob die Hohenzollern außer diesen beiden Beispielen noch einmal„persönliche Kontalle" mit der Kunst hatten. Davon gereicht ihnen das Beispiel der Schack-Galerie gewiß nicht zum Ruhme. Die Kunftschätze sind das Eigentum der Natton. Für alle, die sich noch nicht eingezsichnet haben» heißt es also: Es ist die höchste Zeit!_ 5rankenstllrz in Srüssel. Regierungsfeindliche Baukiertreiberei. Brüssel . 15. März(Eigener Drahtbericht.) Der belgische Franken, der seit acht Monaten mtt 107 für das englische Pfund stabil war. stürzte am Montag aus 121 und tiefer. Die Erregung ist ungeheuer. Der Frankensturz ist das Resuttat einer organisierten regierungsfeindlichen F i n a n z t r e i b e r e i, die das Stabilisierungswert verhindern und damit die unentbehrliche Dorbedingung der englifch-ameritanifchen Valutaanleihe vereiteln soll. Die belgischen Bankiers führen gegen die demokratische Regie- rung Belgiens denselben Schlag wie feiner Zett die französischen Bankleute gegen die Regierung Herriot . Seit dem letzten Mittwoch war ein stetig steigender Ansturm auf die Na» t i o n a l b a n k organisiert, um ihr« englischen Pfunde zu 107 Franken abzunehmen. Bis Montag hiell die Nationalbank diesem Ansturm, allerdings unter den schwersten Opfern, stand. Allein am Sonnabend soll die Bank eine halbe Million englischer Pfunde ab» gegeben haben. Am Montag entschloß sich die Nationalbank, den weiteren Berkauf von Pfunden zu v e r w e i g e r n und den Franken fallen zu lassen. Das Resultat war der panikartige Sturz. Nach- börstich erholte sich der Kurs einigermaßen, so daß das Schlimmste zunächst überwunden zu sein scheint. Die Lage Ist aber äußerst ernst. Die Stabilisierung ist aufs schwerste gefährdet, den Finanzen droht Zerrüttung und dem Budget. daß es über den Haufen geworfen wird. Der Ministerrat beriet den ganzen Tag: es ist noch unbekannt, wie die Regierung zu reagieren gedenkt. Unglücklicherweise sind zwei der wichtigsten Minister abwesend, Genosse Bandervelde in Genf und Genosse Wauters auf der Arbeitskonferenz in London . Der Rück- tritt der Regierung scheint nicht ganz ausgeschlossen, aber die Stimmung in der Arbeiterschaft ist zugunsten energischen, selbst dik- tatarischen Auftretens gegen das verbrecherische Finanzmanöver.
Mussolinis Tstbeka. Enthüllungen zum Beginn des Matteotti-Prozesses. Paris , IS. März.(Eigener Drahtbericht.) Der bekannte Ge- fchichtsprofessor Gaetano Salvemini veröffentticht im „Corriere degli Jialiarn" einen ausführlichen Artikel über die Ermordung Matteottis, und zwar auf Grund der Eni- hüllungen F i n z i s, der vom Oktober 1922 bis 14. Juni 1924 unter Mussolini Unterstaatssekretär des Innern war. also bis drei Tage nach der Ermordung Matteottis. Cr hat am 14. und 15. Juni 1924 einen„T e st a m« n t- B r i« f" gofchrieben, in dem folgend« Enthüllungen enthalten sind: 1. Mussolini hatte zu feinen Diensten ein«„T f ch« k a". die keine regulär« Einrichtung war, aber von R o f f i, dem Pressechef Musso- linis, und Marinelli. dem Schatzmeister der faschistischen Partei, geleitet wurde. Dies« beiden. Personen übermittelten der Tscheka dl« Befehl« Mussolinis. Der Kommandant der Tscheka war D u mi n i.
2. Die Gewaliakte, die so viel Aufsehen erregten, sind samt» lich aus Befehl Mussolinis ausgeführt Wörden. 3. Die Mörder Matteottis, Dumini, Dolpi und Putacko, sind von Mussolini im Herbst 1923 auch zu einer„Strafexpedition" nach Frankreich geschickt worden. Für diese Strafexpedttion hat General de Bona, Direktor der allgemeinen Sicherheitspolizei, falsche Pässe besorgt und Finzi hat auf Anordnung des Ministerpräsidenten 30000 Lire ausgezahlt. 4. Nachdem Matteotti am 30. Mai 1924 feine Anklagerede gegen die Wahlmache gehalten hatte, gab Mussolini an Rofst den Befehl„heimlich und unverzüglich den Abgeordneleu Malteolll zu beseitigen". 5. Am Donnerstag, den 12. Juni, zwei Tage nach der Er- mordung Matteottis, gab es am Nachmittag eine äußerst bewegte Diskussion zwischen Rofst und De Bono. Rossi bestand darauf, die Verhaftung des Dumini zu oerhindern.„Ihr seid alle verrückt ge- worden," sagte Rossi,„Ihr wollt Euch selbst und auch uns alle ver- derben. Wenn Dumini verhaftet wird, dann ist alles aufgedeckt. Durch die winzigen Verantwortlichkeiten wird man zu den sehr hohen gelangen." Salvemini hebt hervor, daß die Existenz der Tscheka auch von F i l i p p e l l j, dem Direktor des„Corriere Italiaifo", in seinem vom 14. Juni 1924 datirten Memorandum bestätigt wurde, das er Ende Juli dem Abg. A m e n d o l a übergab. Auch Rossi habe in seinen im Gefängnis geschriebenen Denkschriften und in seinen vor dem Untersuchugsrichter gemachten Aussagen sich ausführlich über die Bildung der Tscheka geäußert. Andererseits hat Rofst im„Daily Herald" eine Artikelserie begonnen, in der die direkte Verantwortung Musso- linis für die Ermordung Maiteottis, wie für andere Verbrechen nachgewiesen wird. Die neuen Ealhüllungen des ehemaligen Presse- chcfs Mussolinis enthallen eine ganze Reihe von Tatsachen über die Herrschaft der Faschisten und die Verbrechen ihrer Führer. » Gestern begann in Chieti der Prozeß gegen Dumini, Volpi, Putato und Konsorten. Einer von diesen, frellich nicht mitangellagt, ist Mitverteidiger: Fari nocet, der Generalsekretär des Fojchis» mus.
Gegen Dr. Somli. der frühere Letter des katholischen„Popolo". jetzige Herausgeber des in Paris erscheinenden„Corriere degli Ita- liani" ist das Verfahren auf Entziehung der italienischen Staate- bürgerrechte eingeleitet worden. Der italienische Geschäfislnhaber Pietro vomill in Dresden , dtr im„Vorwärts" als eins der Werkzeuge Müssolini» in Deutschland bezeichnet wurde, bestreitet in einer Zuschrist, daß er fett Iahren etwas anderes als eine„friedliche geschäftliche' Tätigkeit " betreibe. Rücklrilt de valeros als Präsident de» Sinnsein. Der Führer der irischen Republikaner, de Valera . hat seinen Posten als Präsident des Sinnfein niedergelegt. Die Demission wurde vom Parteiaus- fchuß angenommen. Der Rücktritt Ist darauf zurückzuführen, daß die Partei de Valeras Antrag mtt großer Mehrheit ablehnte, künftig die von den Sinnfehlern bei dem letzten Wahlkainpf errungenen Mandate in den Parlamenten des lllfter-Freistaats au»zuüb«n. vorausgesetzt, daß auf den Treueid verzichtet werde. Tatelebcn— dieser ostjüdisch-patriarchalische Vatername, vqn dem klerikalen Slowakensührer Abg. Pfarrer Hlinka in einem Artikel gebraucht und vom Gericht 2. Instanz auf den Präsidenten Masaryk bezogen, wurde'mit a cht Tagen' A-rr est geahudel.