sich d!» Regierung Luther einmal bei de « breiten Massen be> liebt zu machen fuchte. Der Minister wendet sich gegen die Zwangswirtschaft. Die Zwangswirtschaft auf dem Ge- biete der Gefrierfleischeinfuhr jedoch, die jetzt schon zu ähnlichen Mißbräuchen geführt hat wie früher der Schleichhandel in der Kriegszeit, sie soll aufrechterhalten bleiben. Nicht einmal daran denkt man, der großen Masse notleidender Erwerbsloser durch Erhöhung des Ge» irierfleifchkontingents den Einkauf kärglicher Fleischmahlzeiten zu ermöglichen. Milch wird nicht gekauft, weil sie zu teuer ist; also muß man sie noch teurer machen, weil man holst, daß es Hann mehr Leute geben wird, die sie be- zahlen können. Mit Reklame für Roggenbrot und Milch will man den Absatz der Produkte steigern, die heute nicht genug verkauft werden können. Das Ganze nennt sich dann„E r- nährungspolitik". Gegenüber diesen katastrophalen Widersprüchen in der Rede des Reichslandwirtschaftsministers besagten die wenigen Andeutungen eines positiven Produktionsprogramms sehr wenig. An dem Amt, das er vertritt, sind die grundlegenden Ausführungen der namhaftesten deutschen Wissenschaftler während der Agrarzolldebatten spurlos vorübergegangen. Stützungsversuche, die infolge ihres spekulativen Einschlags, wie jetzt die Getreidekredite, und Bereitstellung weiterer lang- fristiger Kredit« ohne ausreichende Kontrolle über ihre Per- wendung— solche Maßnahmen müssen scheitern» well sie das Wesentliche vermissen lassen, nämlich das Streben, die große Kluft zwischen der geschwächten Kauf- k r a f t d e r unter der Krise schwer leidenden Verbraucher» Massen und der preispolitischen Einstellung der Agrarier zu überbrücken. Man kann nur an- nehmen, daß der Reichslandwirtschaftsminister in seiner Rede sich nur allzu willfährig zum Lautsprecher einer Bureaukratie gemacht hat, die sich um jeden Preis bei den Interessenten beliebt machen will. Das wäre wenigstens eine Erklärung für fein Agrarprogramm, das keines ist und dessen Ideenlosigkeit auf die notleidenden breiten Volksmasien geradezu depri- mierend wirken muß.
Die Suche nach üem Steuerkompromiß. Die Stellung der sozialdemokratischen Neichstagsfraktio». Die Verhandlungen im Steuerausschuß des Reichstags find auch am Mittwoch sachlich nicht weiter gekommen. Neu ist allerdinigs das Bündnisangebot der Deutschnaticmalen, die in schroffem Gegensatz zu ihrer Haltung in den vorhergehenden Sitzungen ihre Obstruktionsabsichten aufgegeben zu haben scheinen und sehnlichst wünschen, durch ihre Beteiligung eine stärkere Besitzentlastung zu erzielen. Die sozialdemokratische Reichstagsfrak- t l o n hat sich am Mittwoch mit der Lage beschäftigt, die durch dm neuen Kompromißantrag der Regierungsparteien und den Verzicht der Regierung auf ihren ursprünglichen Steuer- milderungsplan geschaffen worden ist. In der Aussprache waren die Bedenken gegen die unorganischen neuen Vor- schlage außerordentlich stark. Auch wurde mit Bedauern ver- merkt, daß der EinsliH der Steuersenkung auf die Milderung der Wirtschaftskrise und den neuen Plänen kaum in nennens- wertem Maße zu erwarten sei. Angesichts der Bestrebungen der Regierung, die Sozialdemokratie zur Zustimmung zu einer rechtzeitigen Verabschiedung des Stmersenkungsprogramms zu gewinnen, wurden die Vertreter der Fraktion zu Ver» Handlungen auf folgender Grundlage er» mächtigt: l. E» muß«Ute allgemeine Verlängerung >er Bezugsdauer für die Erwerbslosenunter- t ü tz u n g von 13 Wochen«intreten. Die bereits ausge» teuerten Erwerbslosen sind wieder in die Erwerbslosenfür- orge einzugliedern. Daneben soll auch die Fürsorge für die ugendlichen Erwerbslosen verbessert werden.
!. Die allgemeine Senkung der Ver- m ö g e n» st e u e r für das Jahr 1S2ö auf drei Viertel des Betrags von 192S ist zu vermeiden. 3. Die Mieten sind bis zum 1. April 1927 auf die Höhe der Fricdensmiete zu beschränken. 4. Von den Verbrauchssteuern muß die Sekt- steuer in Form einer Banderolensteuer aufrechterhalten bleiben. Die Zuckersteuer ist zu ermäßigen, die Salzsteuer und die übrigen kleinen Verbrauchssteuern sind zu beseitigen. » In Verhandlungen mit der Regierung wurden diese Vor- schlag« sachlich besprochen, die weiteren Verhandlungen aber den von den Regierungsparteien gewünschten direkten Bs- rutungen überlassen. Westarp üeutstbnatk'onalerpaetel'vorsitzeaöer Der Kurs der Uuverantwortlichkeit. In der gestrigen Sitzung der Parteivertretung der Deutschnatlo- nalen Dolkspartei wurde gemäß einem einstimmig beschlossenen Vor- schlage des Parteivorstandes, der Parteileitung und der Landesver- bandsoorfitzenden der Vorsitzende der Reichstaossraktion der Deutsch - nationalen Volkspartei, Graf Westarp , durch Zuruf zum Partei- Vorsitzenden gewählt. Die Wahl Westarps, des Führers der deutsch - konservativen Partei, zeigt, daß die deutschnationale Reichstagsfraktion die Politik der Demagogie und der llnverantwortlichkeit, des starren Festhaltens an der Opposition gegen Loacrno und Völkerbund fortzusetzen ge- denkt. Noch ei« deutschnationaler Personenwechsel. In der heutigen Vertretertagung der Deutschnationalen Volks- partei wurde Abgeordneter Treviranus als Nachfolger des Abgeordneten Lindelner-Wildau zum politischen Beauftragten der Partei gewählt.
Deutsche unü Tschechen. Ein Bortrag im österreichisch-deutsche« Volksbund. Der Oesterreichisch-deutsche Volksbund veranstaltete am Mittwochabend fn einem großen Saal des Reichstagsgebäudss eine Ver» sanimlung zur Unterrichtung seiner Mitglieder und Freunde über Völkerkamps und Sprachenstreit in der Tjcbechoslowakci. Ais Redner war Genosse Dr. Emil Strauß- Prag von der Re- daktion des Zcntraloraaus der sudetendeutschen Sozialdemokrat:e gekommen. Vor der überfüllten Versammlung entwickelte Strauß zunächst in fesselnder Darstellung die Geschichte des Lölkerkampfes in deu Sudetenlandern. In der heutigen Tschechoslowakei stellen die Deutschen ein volles Viertel der Gesamtbeoölke- r v n g. Die feierlichen Versprechungen des Memoire III von Ver- failles und des Minderheiienschutzvertrages, daß alle Nationen in der Tschechoslowakei vollkommen gleichberechtigt sein werden, haben eine AerwirNIchung gefunden, die ihnen ins Gesicht schlagt. Der Redner erhob die Forderung nach der kulturellen Auto- nomle für die Minderheiten und er schloß mit dem eirtdringlichen Nachweis, daß mir wirkliche Gleichberechtigung der Minderheiten sowohl den Staat wie den Frieden festigen und gewährleisten kann. Ein Teil der Kraft zum Beharren kommt den Sudetendeutschen aus ihrer Zugehörigkeit zum großen deutschen Volk und zu seiner Kultur. Die Massen der Sudctendeutschen wollen die«publikanisch-demo- kratische Ordnung in Europa aufrechterhalten, und j« mehr das Deutsche Reich gleichberechtigt mit anderen Staaten wird, desto eher hoffen sie zur Gleichberechtigung in ihrem Staate und damit zum inneren Frieden zu gelangen. Einmütiger Beifall dankte dem Redner, an dessen lehrreichen Dortrag eine Aussprache in vorgerückten Abendstunden sich anschloß. Der Ivlrlschastspollksche Aosschilh des ReiSSwirtschastSrote» lehnte am Mittwoch mit ollen gegen«ine Stimm« di« Wieder- einführunz der Sommerzeit ab. Seine Ausweisung polnischer Opkanken. Gegenüber vereinzelt zutage tretenden Unllarhenen, die ouS in der polnisckien Presse einen Riederirblag gefunden baden, stellt der Amtliche Preußische Pressedienst fest, daß ein» Ausweisung polniscker Optanten, abgesehen von Fällen persönlicher Lästigkeit, solange nichr in Frage kommt, als auch Polen di« deutschen Optanten im Lande läßt.
Unöens Röchenschastsbericht. Tie Geschichte seines Angebotes. Stockholm . 24. März.(MTB.) In der zweiten Kammer de« Reichstages erstattete heute Außenminister llndsn einen ausführlichen Bericht über die Völkerbundsverhandlungen. Er wies zunächst auf den belgischen Vorschlag eines neuen nichtständtgen Ratssiges für Polen hin mit dem Be> merken, durch diesen Lorschlag, der von französischer, englischer und italienischer Seit« angenommen worden war, sei der Hauplzweck der schwedischen Aktion in bezug auf die Ratssitze erfüllt worden. Der Streit um die Ratssitz« hat. so führte der Minister weiter aus, immer mehr den Charakter eines diplomatischen ZRachlkampse» angenommen. Die schwedische Delegatwn hatte entsprechend ihren Anweisungen die positive Verpflichtung, slir den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und der. Völkerbundsrat einzutreten. Sie hätte ihre Ausgabe schlecht erfüllt, wenn sie nicht gesucht hätte, jede Mög- lichkeit zu ermitteln, dieses Ergebnis zu erreichen, cd« falls sie sich in bezug auf die Mitwirkung Schwedens im letzten Abschnitt der Verhandlungen völlig passiv verhalten hätte. Arn Freitag, den 1. März, abends, wurde der Vorschlag eines neuen nichtständigen Sitzes für Polen von der deutschen Delegation glatt abgelehnt. Am Sonnabend nachmittag wurde von englischer und französischer Seite erklärt, daß alle Kompromißmöglichkeiten jetzt erschöpft waren. und die Lage wurde als ä u ß e r st kritisch betrachtet. Das ganze Locarnowsrk war gefährdet. Verschiedene Vorschläge wurden er» örtert, und der schwedischen Delegation gegenüber wurde be.ont, daß die deutsche Ablehnung des gemachten Vorschlages in hohem Grade auf deu Widerstand Schwedens gegen denselben zuräckzu» führen wäre. An die Vertreter Schwedens wurde ein dringen» der Appell gerichtet, die Errichtung eines neuen nichtstänoigen Ratssitzes anzunehmen. Ich habe dann erklärt, mir erscheine es als unwahrscheinlich, daß der Standpunkt der deutschen Delegation von der Haltung Schwedens abhängig sei, ich müsse mich deswegen einem Verjähren gegenüber ablehnend verhalten, das darin bestehen würde, zunächst einen einstimmigen Komprcmißoorschlag im Rate zu erzielen und dann der deutschen Delegation denselben als das letzte Angebot des Rates vorzulegen. Auf Ersuchen von verschiedenen Seiten hat die schwedische Delegation dann a m Sonntag mit den Herren Luther, Siresemann und o. Säp bert Besprechungen gehabt. Dabei wurde festgestellt, daß man deutscher» seits eine ollgemeine, durch Meinungsverschiedenheiten zwischen Deulschland und Frankreich veranlaßte Vertagung für das Locarno » wert als kalaftrophal belrachlen würde. Von schwedischer Seite nurde gefragt, wie sich die deutsche Delegation zu dem neuen Ge- danken neuer Wahlen zum Rate aus einer ursprünglich von bei- cischer Seite angeregten Grundlag« verhalten würde, nach welcher Belgien seinen Sitz zur Lersügunz stellen sollte, wenn nun- mehr Schweiz en statt Belgiens aus dem Rate ausscheiden würde. Die deutschen Vertreter, die sich gegenüber dem belgischen Vorschlag ablehnend verhielten, erörterten mit der schwedischen Delegation diesen Gedanken eines Ausscheidens Schwedens «ingehender, und schließlich stellte es sich heraus, daß dieser Weg von deutscher Seite als gangbar betrachtet wurde, falls außer Schweden noch ein anderer Staat aus sein Ratsmandat verzichten würde. Dieser Vorschlag sand den Beifall der anderen Mächte, und schließlich erhielt die schwedische Delegation diesbezügliche Anweisungen von ihrer Regierung. Bei keiner Gelegenheit ist auch nur der geringste Druck auf die Vertreter Schwe- dens ausge übt worden, um das Ausschetden Schwe» den? aus dem Rate herbeizuführen. Als so alles in Ordnung zu sein schien, stellt« sich Brasiliens Haltung als ein Hindernis für ein« Verständigung heraus, woraus sich d.e Locarnomächte auf eine Vertagung der ganzen Frage betreffend Deutschlands Eintritt einigten. Unden betont«, daß die Instrut. tionen für die schwedische Delegation keine Anweisung bezüglich eines Verzichts Schwedens auf seinen Ratssitz enthalten konnten. da diese Frage nicht aktuell war, als die Instruktionen erteilt wurden. Der Stoß, den der Völkerbund durch die Halkunz Brasiliens erlitten hat. ist schwer genug. Viel schwerer wäre er geworden, wenn die Vertagung inkolge einer deutsch -französischen Kontroverse mit der Folg« eines Zurücktretens Dsutschlands von seinem Eintrittsantrag auf lang« Zeit stattgefunden hätte. Im Vergleich hiermit hast« ei wenig bedeutet, wenn Schweden den Rat einig« Monat« früher als sonst verlassen hätte.
poöiummoral. Sonzeriumschau von Kurt Singer . Das letzte Konzert der«Gesellschaft der Musik- freunde' stand nicht unter einem sehr günstigen Stern. C» muß anerkannt werden, wenn Heinz U n g e r mit jugendlicher Begeiste- rung Programme zusammenstellt, die neben dem Ueblichen und Gangbaren auch außergewöhnliche Werke enthalten. Man darf sogar wünschen, daß sich diese Institutionen über die Zelt der wlrt- schaktlichen Krise hinweg hält, denn viel Anregsames gibt es in dem Riesenrepertoire der Berliner Konzerte ja nicht. Bedenklich aber stimmt es, wenn Unger Werke dirigiert, denen er innerlich nicht ver- wandt ist und die den Rahmen der ihm durch Talent vorgeschrie» denen Aufgaben sprengen. Es gibt eine Podiummoral, die besagt, daß ein darstellender Künstler sich nur dem Ausdruck der Musik völlig hingeben kann, die seiner Wesenheit konform ist. Die zyklische Absolvierung von Konzerten, der Reiz und die Notwendigkeit der Abwechslung untergraben diese Moral. Bei oller Hochschätzung vor Ungers Willen ist dieses letzte Konzert als ein recht unvollendetes zu bezeichnen. Es ist viel leichter, eine Mohlersche Smsonie zu spielen als eine Vrucknersche. Wer in Berlin heimisch ist und nicht ourch jahrelanges Liebkosen von Partituren österreichtscher Meister den inneren Klang solchen Singens und Musiziere«? ertastet hat, der wird wohl dl« äußeren Linien etwa der dritten Brucknerschen Sinfonie nachzeichnen, an der Seele des Werks aber vorbeidirigieren. Das geschah auf Schritt und Tritt. Erst dann, wenn im Final« die leblos scheinenden Partien durch die Hand des Dirigenten Atem bekommen, erst dann ist er ein Bruckner-Jnterpret. Immerhin war die technische Leistung gesund und gut. Bei den Verdischen .�nettro pezti sacri' versagte aber auch die Technik. Es genügt nicht, auswendig zu dirigieren. Ja, ich halte dies« Ge- dächtnisprüfung vor der' Oeffentlichkett einem Chor gegenüber geradezu für eine Gefahr. Die linke Hand Ungers, so beweglich sie scheint, ist innerlich starr und äußerlich verkrampst. Vergeblich, «inen einzigen Fingerzeig auf schlechte Einsätze, grobe Intonations- schwankungen. dynamische Nuancen zu entdecken, vergeblich, darauf zu warten, daß endlich aus dem vollen Herzen hcräus, unstudiert. darauf losgesungen wurde. Wenn man das Avt Maria schon von einem Soloquartett singen läßt(was nicht notwendig ist), so muß »in solches Quartett systematisch erzogen werden. Man hatte den Eindnick, als handelte es sich um eine Parodie aui die Diertelton- bewegung. Nur der Bassist Abendroth und die Altistin Lilly Dreyfuß blieben musikalisch bei der Stange. Im„Te Deurn litt die Präzision des Chorgesongs und die«innlichkett des Aus- drucks außerordentlich. Am besten noch gelang der Dante-Gesang, für den stch 18 Chordamen mit schöner Singefreude einsetzten. Ein Abend also, der prinzipiell zum Protest aufforderte, t»«r aber das Schicksal und die Gesamtleistung der Ungerschen Konzerte nicht in Frage stellt. Wesentlicher litt di« Podiummoral, al, Erwin Tauß«inen nunari tisch - modernen Abend gab. Dieser junge, noch ganz unent- wickelte Musiker verbarg eine mangelhafte Technik bei Debussy und Chausson sehr geschickt. Hier versuchte er auch, lebendig mlt dem Orchester zu zeichnen und zu bauen. Tauß hat mustkantische Sc-
gabung, steckt aber in einer noch rocht dilettantischen Dirigiermanier. Das wirkte sich katastrophal aus beim Spielen der Euryanthe - Ouvertüre und der ersten Beethovenschen Sinfonie. Die lebhaften und krampfigen Gebärden der Arme patzten ganz und gar nicht zu dem Gehalt und Wesen dieser Musik, und klanglich lag es mit dem Orchester im argen. Tauß hatte wirklick) den Kopf in der Partitur, statt die Partitur im Kopf. Mit dieser Methodik des Konzertieren» acht es nicht. Tauß beginne von vorne, um seine Begabung lang- sam reifen zu lassen. Bruno Walter : Wie anders wirkt dieses Zeichen auf mich ein. Mit seinem Griff nach neuen Werken hat er allerdings kein Glück. Das Araenersclze Divertimento opus 67 ist eine spielerische Nichtigkeit, flott« Unterholtunasmusit, geistreichelnde Satz- gewandthest öhne Tiefe, ohne Geist, ohne Weisheit, aber mlt einem bedauerlichen Hang zur Scheingroße. Diese Obertlächenmusik trifft gar zu oft das Banale und gehört nicht in Konzerte von so distinguiertem Format. Lotte Schön« sprang für Frau Iuogün mit dem Dortrag Mozartscher Arien ein, lieblich im Ton, freundlich im Ausdruck, ohne alxr ihr Vorbild als Persönlichkeit erreichen zu können. Günter Raphael ist als Komponist hochbegabt. Sem« Art, in Musik zu denken und zu gestalten, ist ernst, fast düster, frei von jeder Aeußerlichkeit und Gesallsuchl. Das wirft bei einem fo jungen Menschen künstlerisch sympathisch, zumal man das Gefühl einer Ehrlichkeit hat. Nicht immer schreibt er sehr echt aus dem Gefühl für ei» bestimmtes Instrument, z. B. Flöte(die Arno B irr vor- züglich meistert) oder Geige(die Erwin Wollner� klangschön bedient): Raphael ist ein guter Pianist, der auch als Pianist kom- paniert und dein zu den herben Einfällen noch ein Zuschuß von organischer Ausarbeitung und affektivem, lustoollem Erleben fehlt, »m eigenes geben zu können. Will man Ihn in eine Richtung zwängen, so schaut er mit einem Kopf nach rückwärts auf Reger und Pfitzner, mit einem anderen in die Zukunft. Er sorge dafür, daß er nicht zwischen zwei Stühlen zur Erde falle. Fanny W e i> l o n d ist eine bochmusikalische Frau, die mit ül'erlegener Sicherheit den Flügel meistert. Die sinfonischen Etüden von Schumann legt sie mit großem virtuosen Schwung hin, fühlt sich in den Geist und in die elegante Linienführung Brahmsscher Rippsachen klug ein und zeigt in Allem die technische Versiertheit, die von einem nachdenk- lichen Kopf regiert wird. Man wird ihr, wann immer sie spiele, mit Freud « lauschen. Männerchor Heidenröslein: eins von den üblichen Vrogrammen, die immer wieder von neuem Frübling, Morgengruß, Jägers Abschied und Sehnsucht nach Stille zu erzählen wissen. Dam geschickt führenden Chormeister Joseph wird es nicht entgongen fein, daß unter seinen etwa 89 Chorsängern kein einziger Tenor ist. Die Stimmen, die in der Melodie zu führen haben, strengen sich unmäßig an. klingen heiser und detonieren dank der unnatürlichen Aufgabe, die ihnen aufgezwungen wird. Da« gesamte Material ist noch im Rohbau, zwischen laut und leise fehlen die Zwischen- schaltungen. Der mitwirkende Kinderchor unter Leitung von Edmund Reich« wirft in der Frische seiner Stimmen angenehm, über- schreitet aber künstlerisch kaum da« Maß der Schülerchöre ander»- wo. Es fragt sich, ob derartige Konzerte ihre innere, also moralische Berechtigung haben. Die Liebe zum Musizieren ist diesen Menschen angeboren oder anerzogen, man fühlt ihre Hingabe auch beim bstent»
lichen Wirken. Da aber zu den Konzerten der kleinen Männer- aesangverclne doch nur Angehörige der Mitwirkenden erscheinen, so ist die Frage wohl berechtigt, ob die öffentlichen Konzertsäle für solche Aufführungen die geeigneten Lokale sind. Cs scheint mir besser zu sein, wenn vor den Jahren der Vollendung die Angehörigen alle paar Wochen zu Probeleistungen der Männerchöre herbei- gezogen werden, und zwar in Ucbungslokalen oder In«schulen. Im öffentlichen Wirken entgehen die bestwilligen Männerchöre nicht der Gesahr, an großem Maßstab gemessen zu werden. Diese heißen im vorliegenden Fall: Don-Kosaken , Berliner Liedertafel . Lehrer- gesangverein, �.ypographia, und bei solchem Vergleich verdorrt heute noch das Heidenröslein. Wir wünschen ihm eine ruhige Warte- und Blütezeit._
Di-nllbolcnschuh in China . Der chinesisch« Richter bemüht sich. in allen Dingen die Frage der Verantwortung zu ergründen. Dafür erbrachte ein türzlich in einer chinesischen Stadt verhandelter Prozeß ein lehrreiches Beispiel. Ein sunges Dienstmädchen hatte sich das Leben genommen, weil sie die Mißhandlungen seitens der Hausfrau, der Gattin eines einflußreichen Kaufmanns, der Mitglied des„Rats der Alten' war. nicht länger ertragen konnte. In Europa , dessen Gesetze ein gerichtliches Einschreiten in einem solchen Fall kaum zugelassen hätten, hätte man es der Dame wohl überlassen, mit ihrem Gewissen allein fertig zu werden. Anders in China ! Die Frau hat indirekt den Selbstmord verschuldet, so argumentiert das Geletz: sie muß deshalb bestraft werden. Die angeschene Dame wurde fest- genommen und vom Gericht zu 80 Bambu-hieben verurteilt, ein« für eine Frau gerode zu unmenschliche Bestrafung. Nach dem ein» unddreißkgsten Hieb verlor sie das Bewußtsein, und die Angehörigen konnten erst nach langem Verhandeln den Richter bestimmen, daß der Verurteilten ocgen eine Bezahlung von 1000 Taels die Hälfte der Schläge erlasse» wurde. Als die Delinquentin aus ihrer Ohnmacht erwachte, wurden ihr die noch aiisstehendsn neun Hiebe verabreicht. Gleichzeitig aber dlktierte der Richter ihrem Gatten SO Bambus. hiebe, weil er nichts getan hatte, um seine Frau zu einer mensch. lichen Behandlung de» Dienstmädchens anzuhalten. Damit nicht genug, erhielten auch die anderen Mitglieder der Familie über IS Jahren ohne Ansehen des Geschlechts zwanzig Bambushied« und ebensoviel die anderen Hausangestellten, deren Schuld darin bestand, dem Gericht von de» Mißhandlungen chrer Kollegin keine Mitteilung gemacht zu haben. Außerdem wurde der Kaufmann zu einem Schadenersatz von 1000 Taels an die Familie des Opfers ver- urteilt. Freie 5oz!a!lstlsche Hochschule. Am Eonuadcnd. den 27. d. M.. abend« VI, Uhr. spricht Prof. Dr. G. Radbruch im Sidunzziaale de» ek«» maligen Herrenhaus«», Leipziger Straße S. Lder.BerbreSen und Strafe tn isztaltsitster Aufsassung'. Karten zv» Yreiie von 50 Pf. find m der Suchhandlung Lieh, Lindenstr.% und«t der Zlbendkasse erhältlich. Die FrLhIabr».Ao»siellm»g der Serflaer Sezession iTIgnaveU, Pasi'ü, Blaftii) wird am Sovnaiend, den 27. d. 31., vorn». 12 Uhr, vor geladenem Publikuin eröffnet. Ein Oprrnboll der Städllicken Oper. Hm 17. tftrll DttanRaUtt da« gefamte Personal der Etädulchen Over zugunsten sewer Vohlfabrt»- kasfen«inen Hausbay mir vorangehender Vorstellung. Dir»cs'.leuang liegt ts des Händen tan Start Sech.