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Der schweigsame Peltzer.

Wie ein Staatsanwalt die Eidespflicht auffakt.

Wir berichteten in der gestrigen Abendausgabe, wie der jetzige Landgerichtsrat, ehemalige Staatsanwaltschaftsrat Beltzer in der Berufungsverhandlung des Kußmann- Knoll- Prozesses eine Aussage präsentierte, von der er in der ersten Instanz als vereidigter Zeuge wichtige Teil verschwiegen hatte. Es ist nicht das erstemal, daß Herr Pelzer feine Aussage so eng umgrenzte, daß für ihn un­angenehme Tatsachen herausblieben.

Im Hoefle Untersuchungsausschuß des Landtages wurde Herr Pelzer gleichfalls unter Eid vernommen. Bei feiner ersten Aussage, die mehrere Stunden dauerte, verschwieg Herr Pelzer ganz und gar eine dem Ausschuß damals noch unbekannte, aber für seine Untersuchung sehr wichtige Tatsache. Man hatte bekanntlich Hoefle in der Untersuchungshaft den Offen= barungseid abgepreßt. Staatsanwalt Belger machte diesen Eid megen eines geringfügigen und durch die Umstände durchaus ent­schuldbaren Bersehens Hoefles sofort zum Ausgangspuntt eines Meineidsverfahrens. Natürlich blieb das Verfahren ohne Erfolg. Aber da Hoefle über die Sache zu niemandem gesprochen hatte, war sie selbst seinen Anwälten und Angehörigen unbekannt geblieben.

Die Feme   in Bayern  .

Die Interventionen Kanzler und Gademann.

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Im Femeausschuß des Reichstags behandelte der Berichterstatter Genoffe Cevi zunächst weiter sehr ausführlich den Fall Hartung, der aus den Berichten des Vorwärts" im allgemeinen befannt ist. Das Auto der Einwohnermehr, das am Tage des Mordes an Hartung unterwegs war, wies nach den Angaben der Polizei bei einer nachträglichen Besichtigung zwar feine Blutspuren auf, aber ein neues Brett. Es wurde festgestellt, daß bei den frag­lichen Fahrten die richtige Nummer von dem Auto der Einwohner­wehr stets entfernt und dafür die Nummer des Wehrkreiskommandos, wie auch in diesem Falle, angebracht wurde.

Bei der ersten Untersuchung des Falles Hartung durch die Münchener   Bolizei ist es auffällig, daß das Gutachten, nach dem worden sei, von einem Sachverständigen abgegeben wurde, deffen aus den Pistolen der Merdverdächtigen seit 14 Tagen nicht geschoffen Sohn ein nationalsozialistischer Führer war.

Das zweite Ermittlungsverfahren wurde am 7. März 1922 auf Grund einer Mitteilung des Chauffeurs Ehrscheidt eingeleitet, der in Zusmarshausen   Dr. Berger traf. Berger fei bei seinem Anblick ungeheuer erschrocken und leichen­blaß geworden, wahrscheinlich weil er, Ehrscheidt, dem ermordeten Hartung täuschend ähnlich sähe.

Zufällig fand sich im Nachlaß Hoefles ein Bescheid über die Ein­stellung des Verfahrens. Diese Urkunde gelangte an den Unter fuchungsausschuß, dem sie zunächst unverständlich war. Erst als Herr Beltzer darüber als Zeuge nochmals vorgeladen war, bequemte Dr. Berger hat während der Haft dem Staatsanwalt Krigt er er sich zu einer Darlegung des Sachverhalts. Auf die Frage, warum flärt, er wisse, wer den Hartung erschossen habe, wolle ihn aber nicht er bei seiner ersten Bernehmung mit keiner Silbe auf dies Verfahren nennen. In dem Aussageprotokoll eines der anderen Mordverdäch eingegangen sei, wußte Herr Belzer nur zu erwidern, er habe das tigen, Beurer, ist es auffällig, daß in dem Protokoll in dem nicht als zur Sache gehörig gehalten! Das Schweigen des Herrn Absatz: nach dem Fall Hartung wurde mir die Sache zuletzt Staatsanwalts Pelzer wurde dann allerdings verständlich, als sich nicht geheuer" 3 mei Beilen unleserlich gemacht wurden, dann weiter herausstellte, daß Herr Peltzer sein ganzes Ber jedoch fönne man noch die Worte entziffern... Affen von Material fahren auf einer von ihm bei einer Privatfeftlichkeit aufgefäubern". Am 22. Mai 1922 wurde das zweite Ermittlungsverfahren mangels ausreichender Beweise wieder eingestellt. schnappten privaten Aeußerung aufgebaut hatte.

In der ersten Instanz des Kußmann- Knoll- Brozeffes hat Herr Belzer als Zeuge nichts ausgefagt über die höchft verdächtigen Be­gleitumstände, unter denen er Herrn Knoll ein amtliches Attenstück aushändigte. Herr Pelzer hat eine glückliche Natur dafür, alle Dinge, die ihn und seine Amtsführung belasten, als nicht zur Sache ge­hörige zu halten!

Bom Preußischen Justizministerium wurde jüngst in einigen fehr leichten Fällen von Eidesverlegung Be gnadigung verweigert mit der Begründung, daß eine er­schreckend lage Auffassung im Publikum über die Bedeutung und Heiligkeit des Eides eingerissen sei. Wenn ein Staatsanwalt und Richter derartige Auffassungen von seiner Eidespflicht hat, kann man fich darüber eigentlich nicht wundern!

Herr Knoll hat den Abg. Genossen Ruttner am ersten Berhand­Tungstag in heftigsten Ausdrücken der Lüge bezichtigt. In einem Brief an den Gerichtsvorsißenden teilt Genoffe Kuttner mit, daß der Sachbeweis für seine Behauptung, der von Knoll verfaßte und unter­zeichnete Artikel, aus dem Ruttner feinerzeit einige Säße im Land­tag wörtlich verlesen hatte, sich in den Händen der Staatsanwaltschaft befindet.

Reichswehr   und SR.

Die nichtöffentliche Sikung des Landesverteidigungs­ausschusses.

Der Femeausschuß des Landtages verbrachte einen großen Teil seiner geftrigen Sigung mit der Feststellung, was über die Aussagen des Zeugen Schmid in der nichtöffentlichen Sizung veröffentlicht werden darf und was nicht. Aus dem freigegebenen Teil der Aussagen geht hervor, daß Schmid den deutschnationalen Ab­geordneten Jahnfe bezichtigt, maßgebend in die vor bereitungen des Küstriner Butsches Derwidelt zu sein. Im Kreise um Buchruder hätten mindestens fünfzig Besprechungen über die Erhebung stattgefunden. Bei den maß gebenden sei Jahnte, den man als den Mittelsmann aus dem Reichs. innenministerium betrachtete, zugegen gewefen. Beweismaterial her. be zu bringen, behält sich der Zeuge bis nach der Bernehmung Buch­ruders vor.

Die Wehrverbände, deren Führung Ludendorff   im Februar des Jahres 1922 übernommen habe, verfolgten nicht nur Zwecke der Landesverteidigung, sondern auch um stürzlerische Pläne. Auch die Arbeitskommandos refp. die Schwarze Reichs wehr, deren Leiter im Wehrkreis III Oberleutnant Schulz war, verfolgten derartige Absichten. Da sich diese Formation als im Kriegszustand befindlich betrachtete, vereidigte man die Mitglieder zum Teil auf die Kriegsartitel, nach dem Verräter mit dem Tode bestraft werden. Auf diese Weise fam man zu einer eigenen Gerichtsbarteit, wobei im Wehrfreis III Ober­leutnant Schulz die maßgebende Instanz war. Die Anwendung der Kriegsartikel auf die sogenannten Landesverräter sei rücksichtsloser gewesen als zur Zeit des Krieges. Die Reichswehrbehörden feien nur infofern beteiligt, als sie die Bestrafungen buf­deten und 3. T. deckten. Jedoch dürfe man die Bedeutung der Feme  , die nur eine Teilerscheinung war, nicht überschähen. Was die Vorbereitung des Küstriner Putsches anbelange, se feien anfänglich auch Landbund, Chr. hardt und maßgebliche höhere Offiziere der Reichswehr   im Spiele gewesen. Unter anderem sei Major Don Schleicher für den Umsturz gewesen und der Adjutant des Reichswehrministers Geßler, Kapitän Götting, fei ein persön licher Freund von Ehrhardt. Der Leiter der Schwarzen Reichswehr sei zu gleicher Zeit Bertrauensmann des Justizrais Claß gewesen, der während der Ruhrinvasion aus dem Hinter­grund die Sabotage führend leitete. Im entscheidenden Augenblick sei Buchrucker von allen im Stich gelassen worden. Man habe sich feinerzeit auch, an den jezigen Reichspräsidenten von Hinden burg gewandt, der natürlich keine Ahnung von der Feme   gehabt habe, um sein Urteil als militärische Autorität einzuholen. Er habe jedoch unter den heutigen Verhältnissen einen Krieg gegen Frankreich   als Unding bezeichnet. Die Beziehungen der Umstürzler zu Abgeordneten seien nur politischer Art gewesen, sie brauchten fich um die Feme   nicht zu fümmern. Die Butschfreunde rechneten mit der Notwendigkeit, über den Kopf Seedis und Geßlers hinweg zu handeln. Man habe damit gerech­net, daß die Reichswehr   Befehlen gehorcht hätte, die von unter­geordneten Organen im Reichswehrminifterium ergangen wären. Buchruder habe den Ehrgeiz gehabt, an Stelle Geßlers Reichswehrminister zu werden.

Im zweiten Teil seiner Aussage behauptet Schulz, daß Ober. leutnant Schmidt aus dem Bureau des deutschnationalen Abge­ordneten Meyer, als man zu seiner Berhaftung schreiten wollte, ge­flohen sei. Ohne Wissen des geordneten aber mit Hilfe der Sefretärin, Fräulein Bogunfe. Bei der zweiten Recherche sei auch Klapproth entlommen.

In einer furzen nicht öffentlichen Sizung wurde darauf be. schlossen, am Mittwoch die Aussage des Abg. Jahnte zu verlesen und als weitere Zeugin Fräulein Pogunte zu vernehmen.

Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages ist auf Donnerstag, den 7. Oktober, vormittags 10 Uhr, einberufen worden. Die Sigung wird der Besprechung der Verhandlungen in Genf   und Thoiry ge widmet fein. Wahrscheinlich wird auch über den traurigen Fall Germersheim   gesprochen werden.

Zum dritten Male wurde die Ermittlung im Juni 1924 wieder aufgenommen, wobei Zeugen wie Neunzert, Balyn, Beurer und andere, die bisher als Angeflagte fungiert hatten, als 3eugen vernommen wurden. In diesem Stadium der Ermittlung hat einer der Zeugen erklärt, daß ihm Balyn nach der ersten oder zweiten Verhandlung erzählt habe, sie hätten Hartung bei Zusmars hausen erschossen. Balyn selbst hat sich im Jahre 1922 mit dem Mord gebrüftet, weil er ihn für eine verblenstvolle Tat hielt. Bei der dritten Ermittlung wurde weiter feftgestellt,

daß die Pflastersteine, mit denen Hartung bei der Bersenkung in den Fluß beschwert wurde, dieselbe Beschaffenheit haben wie die im Hose der Infanterietgjerne I, in dem auch das betreffende Auto eingestellt war.

Der Berichterstatter Genoffe Levi läßt eine Anzahl Zeugenaus fagen aus dem Untersuchungsaft folgen.

Intervention Kanzler.

Bei der Frage der Interventionen ugunsten der Mordver dächtigungen ist ein Brief des Obergeometers Kanzler, stellver. tretenden Hauptmanns der Einwehnerwehr, an den Bauernführer Brief ist zunächst vom Not bann die Rede, den Kanzler, so wie Dr. Heim vom 25. Juli 1924 von größtem Interesse. In diesem er von Epp aufgezogen sei, nicht für zuverlässig hält, um gegen den inneren Feind verwendet werden zu fönnen. Dann wird in diesem Brief Dr. Heim aufgefordert, feine Bemühungen im Falle 3. energifch fortzusehen, da es fonft einen Stendal   von europäischem Ausmaß gebe, den er nicht einmal andeuten tönne. Er wolle Heim in diefer Sache persönlich fpreden.

Ranzfer ft über diesen Brief vernommen worden und hat aus. gesagt, daß man die Folgen politischer Morde inhibieren müsse, da es fich um nationale Männer handle. Mit dem Fall 3. sei nicht Busmarshausen gemeint, sondern ministerialrat   Betel. meier vom Ministerium des Innern in München  . Ihm, Kanzler, sei mitgeteilt worden, daß von einem Beamten des Referats Betel. meier 6000 mart an die Mörder des in der Pfalz  erfchoffenen Separatistenführers Heinz Orbis  zur Verfügung gestellt worden feien. Die Mörder des Heinz Orbis  feien aus dem gleichen Kreis mie die Mörder der Sandmayer.

Escherich, Landeshauptmann der Bayerischen Einwohnerwehren, fagte aus, daß die Waffenverräter nur aus nationalen Gründen erledigt worden seien. Escherisch gibt die Möglichkeit zu, sich gegenüber Dr. Gademann in diesem Sinne geäußert zu haben. Er bestreitet jedoch, daß er ihm den Auftrag erteilt habe, im Falle Hartung die Augsburger   Staatsanwälte nach, München   ins im Falle Hartung die Augsburger   Staatsanwälte nach, München   ins Justizminifterium zu holen.

Intervention Gademann.

Die Intervention, die Rechtsanwalt Dr. Ga demann ein leitete, ist im Borwärts" ausführlich dargelegt worden. Ein neues Faktum ist es, daß der Angestellte der Einwohnerwehr- Landes­leitung, Rechtsanwalt Gademann, der bekanntlich die Staats­anwälte Krigt und Kraus im Auto Escherichs in das Münchener  Juftizminifterium führte, feinerzeit von Staatsanwalt Rrigt ermächtigt

wurde, mit dem Mordverdächtigen Beurer allein im Gefängnis zu fprechen, obwohl er nicht Rechtsbeauftragter in dieser Sache war. Auch das Gericht hatte auffälligerweise die Genehmigung dazu gegeben. Gademann selbst verweigert jede Auskunft über diesen Fragen­tompler. Ebenso negativ fallen feine anderen Aussagen aus. Auf die Frage des Untersuchungsrichters, ob er vermutete, daß auf die Staatsanwälte in der betreffenden Angelegen heit eingewirkt werden sollte, erklärte er, die Landesleitung der Einwohnerwehren habe vaterländische Intereffen zu wahren. Auf die Frage: Wie erflären Sie sich, daß hier vater ländische Interessen vorliegen? verweigerte Gademann die Aussage. leber den Zweck der Berufung von Kraus ins Justizmini fterium fagte er, er wußte nur, daß zwischen Kraus und Regierungs­rat Gürtner im Justizministerium eine Besprechung stattfinden sollte. Ueber den Beranlasser der Besprechung verweigerte er das Zeugnis.

Er erklärte, er habe im Auftrag eines Herrn der Landesleifung gehandelt, wobei vermutlich kriebel der Mittelsmann sei, aber über die Persönlichkeit, die diesem den Auftrag gegeben habe, verweigere er die Aussage.

Die Aussage des Staatsanwalts Rrigt über Jeine Ermittlungen in der Mordsache Hartung find in ihren wesentlichen Teilen bekannt. Zur Intervention von Dr. Gademann erflärte er, Gademann, den er noch nie gesehen hatte, erschien bei ihm am 21., nachdem er gerade aus München   nach Augsburg   zurüdgefehrt war und teilte ihm mit, er habe Auftrag, ihn nach München   zum Justizminister Roth oder ins Justizministerium zu bringen zwecks Berichterstattung im Fall Hartung. In München  habe man ihn nicht mehr erreichen fönnen. Auch Staatsanwalt Kraus folle mitgenommen werden. Auf der Fahrt nach München  habe ihm dann der Erste Staatsanwalt Straus gefagt, er solle seinen Bericht langsam und deutlich vortragen. Bor der Türe des Regierungsrates Dr. Gürtner im Justizministerium habe ihn ein Herr ermahnt: nur nicht nervos, nur faltes Blut. Gürtner habe die Staatsanwälte offenbar erwartet und fei über ben 3wed ihres Kommens unterrichtet gewefen. Krigt habe den Ein­druck gehabt, daß er und Kraus vom Justizminister Roth selbst deshalb nicht empfangen wurden, weil der Justizminifter den Eindruck vermeiden wollte, in ein schwebendes Berfahren einzugreifen.

Der Fall Gareis.

Erster Staatsanwalt Kraus habe bei seinem Vortrag gejagt, daß er die Anklage aufrechterhalte, aber die Angeklagten nach Ihrer Vernehmung aus der Haft zu entlassen gedente, falls fich nicht während der Bernehmung neue Verdachtsmomente er­geben. Dr. Gürtner habe ihn hinsichtlich der weiteren Sach­behandlung feine Weifungen gegeben.

Als Krigt- dann zur Polizeidirektion ging, um dort die Haftentlaffung zu veranlassen, sei Kraus noch bei Dr. Gürtner ge.

blieben.

Aus der Aussage des Ersten Staatsanwalts Kraus geht hervor, daß Krigt ihm vor der Abfahrt noch in aller Dr. Gürtner gesprochen. Einzelheiten feien ihm nicht mehr ile über den Stand des Falles Hartung informiert habe. Im Ministerium selbst habe er nur mit Regierungsrat

erinnerlich. Er misse nur noch, daß er dargelegt habe,

es lägen zwar eine Reihe Berdachtsmomente vor, die aber nicht zur Aufrechterhaffung der Haft ausreichten. Dementsprechend habe er auch gehandelt. Dr. Gürfner habe feinerlei Beein­Fluffungsversuche gemacht. Der Entschluß zur Aufhebung der Haftbefehle sei bereits gefaßt worden, ehe man von Augsburg abfuhr.

kriminalbeamten in München  . Es folgen in der Berichterstattung die Aussagen der

Erkennungsdienstes und stellvertretenden Leiters der Abteilung Ta, Bon großer Bedeutung sind die Darlegungen des Leiters des Regierungsrats von Merz, der gegen die Uebertragung ofort triminalistische Bedenten erhob und dem der politische Charatter der Sache tlar wurde, als man die Anordnungen trotzdem aufrechterhielt.

Montag, den 14. März 1920, erschien Staatsanwalt Krigt ganz unerwartet wieder in der Polizeidirektion und er­zählte in großer Haft, daß er nach seiner Ankunft in Augs­ burg   fofort zufammen mit dem Erften Staatsanwalt Kraus nach München   zurüdgeholt worden fei. Er verfügte dann die Aufhebung der Haftbefehle. Ich habe den Sinn der Enthaffungsverfügung nicht verstanden und verhehlte dem Staatsanwalt Krigt auch nicht, daß das Verfahren doch fast bis zur völligen Ueberführung der Ber­hafteten gediehen fei. Es habe sich doch auch feit Erlak der Haftbefehle nichts geändert. Staatsanwalt Krint ließ fich aber dadurch von der Enthaftung nicht abbringen. Ich war der Meinung, daß das Miklingen des Verfahrens nicht nur auf mich, fondern auch auf die Kriminalpolizei zurückfallen werde und hielt mich für verpflichtet, meine Bedenten gegen die Maß­nahmen des Staatsanwalts Krigt fchriftlich niederzu­legen. 3ch fehte alfo eine furze fchriffliche Vorstellung, in der ich meine Bedenken zum Ausdrud brachte, auf, und übergab fie Herrn Polizeidirettor Ramer. Ramer rief mich am nächsten Tag in sein Arbeitszimmer. Auch der Erfte Staats­anwalt Kraus war anwefend. Dieser fagte mir in wohl­wollendem, aber sehr ernsten Ton, daß ich meine Stellung in diesem Berfahren nicht ganz richtig auffaffe. Ich hätte den An­weisungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leiften. Auch Ramer redete mir zu, ich folle och feine dienst­lichen Dummheiten machen. Dann wolle man auch über meine unrichtige Handlungsweise hin­wegsehen. Ich erklärte, daß ich die mir erteilten Weisungen als dienstliche Befehle ansehe.

Im Anschluß bieran wird nun das freisprechende Urteil gegen Neunzert und Ballyn verlesen.

Der Fall Gareis.

Es folgt nunmehr die Berichterstattung im Fall Gareis. Der Tatbestand ist bekannt. Mordverdächtig war zunächst der Marineleutnant a. D. Heinrich Tillessen  , ber von den Beugen als einer der Männer, die Gareis folgten, wieder ertannt wurde. Lillessen führte seinerzeit dadurch einen geglückten Alibi­beweis, daß er nachwies, daß er in der fraglichen Zeit in Oberschlesien   war. Inzwischen ist aus Nürnberg   eine Bezichti­gung eingelaufen, nach der sich in der fraglichen Zeit ein Offizier cus Kreisen, denen auch Tillefsen angehörte, aus Oberschlesien   zwecks Ermordung des Genossen Gareis sich mit einem Flugzeug für einen Tag nach München   und wieder zurück begeben habe.

Eine Aufklärung der Anschuldigung ist bisher noch nicht geglückt, jedoch sind die Ermittlungen im Fall Gareis inzwischen erweitert worden. Danach fann es als sehr wohl möglich bezeichnet werden, daß Schweighart am 9. Juni in München   ge­wesen ist. Auch laffen die falschen Angaben des Schweighart über diesen Tag sowie die Tatsache, daß der Grenzstempel vom 8. Juni im Bifum des Schweighart gefälscht ist, Berdacht schöpfen. Berdächtig ft auch ein Brief an die Polizei in München  , der fich in den Atten Gareis befand und der folgenden Wortlaut hat:

Ich habe ihn selber verprügelt und dem Gareis das Licht ausgeblasen, weil ich sie für Verräter hatte. Der nächste der dran fommt, ist der Auer. Solange setze ich die Sache fort, bis USP. und MSP. zu gemeinsamer Sache auf­gepeitscht sind. Strengen Sie sich nicht an, mich werden Sie nicht erwischen.

Gruß

Janus."

Abgesehen davon, daß diese Unterschrift sofort an Schmidt. Janus   erinnert, auf welchen Namen der falsche Paß Schweigharts ausgestellt war, ergibt die Untersuchung der Handschrift, daß alle Schriftzüge des Briefes mit den Schrift­3ügen Schweigharts übereinstimmen. Der Brief ist am 11. Juni, 5 Uhr nachmittags, zur Bost gegeben, Schweighart ist am 11. Juni, abends in Salzburg   abgestiegen, selbst dann hatte Schweighart noch zwei Möglichkeiten, in Salzburg   einzutreffen und sich unter dem 11. Juni in das Fremdenbuch einzutragen, wenn der Brief von ihm zur Bost gegeben wurde.

Berichterstatter Dr. Levi teilte weiter mit, daß er dem ersten Staatsanwalt in München   Anfang Juni diefes Jahres persönlich Bericht erstattet habe und ihm außerdem zur Gedächtnisstärkung einen Schriftsaß überreicht habe,

Aus den Untersuchungsaften trägt Genosse Levi noch eine Reihe von Zeugenaussagen vor.

Der Zeuge Singer ist dem Schweighart merkwürdigerweise nicht gegenübergestellt worden, obwohl er beobachtet hat, daß der Mann, der am Mordabend dem Abg. Gareis auf die Straßen­bahn nachsprang, das rechte Bein nachschleppte und obwohl diese gleiche Beobachtung in Odelshausen bei dem angeblichen Waffen­tommiffar gemacht worden war.

Ueber den Janusbrief wurden zwei Schriftfachverständige ver nommen, die zwar die Möglichkeit zugaben, daß Schweighart diesen Selbstbezichtigungsbrief geschrieben haben könne, dies aber nicht mit Sicherheit behaupten wollten.

Mit der Mitteilung, daß die Staatsanwaltschaft be= antragt habe, den bekanntlich wieder aus der Untersuchungshaft entlassenen Schweighart außerdem auch mangels Beweises außer Berfolgung zu fezen, schließt Genosse Levi die Berichterstattung.

Der Ausschuß vertagt sich darauf auf den 15. Oktober, nachdem Genosse Landsberg   festgestellt hat, daß die von Genossen Levi in seinem Vorwärts" Artifel verwerteten Tatsachen schon bei seiner ersten Berichterstattung vorgetragen wurden.