Wohl aber gibt es eine zivilrechtliche Haftung der einzelnen Arbeiter bei dem Bruch des Arbeitsver» träges, zum Beispiel bÄ Streik unter Nichteinhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist. Dagegen haften die G e w c r k s ch a f t e n für Tarifbruch, und es macht hier keinen rechtlichen Unterschied, ob es sich um einen frei vereinbarten Tarifvertrag oder um einen Zwangstarif handelt. Die ganze Verbindlicherklärung wäre ja auch sinnlos, wenn ein Unter- schied bestehen würde. Nach 8 20 der Zivilprozeßordnung können auch die nicht rechtsfähigen Vereine für ihre Handlungen haftbar gemacht werden, und es liegen Urteile vor, die den Gewerkschaften einen Schadenersatz auferlegen. Trotzdem ist die Rechts» läge für die Gewerkschaften nicht ungünstig, denn sie haften aus§§ 320 ff. BGB. nur für Handlungen, welche sie fatzungs- gemäß vorgenommen haben, nicht aber für Handlungen ihrer Erfüllungsgehilfen, also einzelner Gewcrkschaftssekretäre oder Streikleitungen oder Streikposten, die nicht dazu beauftragt waren. Hier können sich außerdem bei unerlaubten Hand- lungen die Gewerkschaften nach 8 831 BGB. aus der Haftung befreien, wenn sie nachweisen, daß sie bei der Bestellung der Erfüllungsgehilfen die nötige Sorgfalt walten ließen. Dagegen können die rechtsfähigen Vereine nach 31 BGB. für alle Handlungen ihrer satzungsmäßigen Erfüllungsgehilfen verant- wortlich gemacht werden, ohne Rücksicht darauf, ob sie diese Handlungen veranlaßt haben oder nicht. Der deutsche Iuristentag, der im September 1916 in Köln a. Rh. stattgefunden hat, hat sich ja gerade mit dieser Frage beschäftigt. Nach dem vom Iuristentag mit ganz ge- ringer Mehrheit angenommenen Beschluß sollen die Gewerk- schasten den rechtsfähigen Vereinen gleich- g e st e l l t, also für alle Handlungen ihrer Erfüllungsgehilfen ohne weiteres verantwortlich gemacht werden. Dagegen wer- den sich die Gewerkschaften mit aller Energie mehren, denn es besteht keine Veranlassung, die Gewerk- schaftcn, die ihrer Natur nach tariftreu sein müssen, weil sie sonst ihre Aufgaben nicht erfüllen können, einer derartigen weitgehenden Haftung zu unterstellen. � Daraus ergibt sich aber mit zwingender Logik, daß d-ie Gewerkschaften gegen freie Tarifver- träge und gegen Zwangstarifverträge nicht streiken und keine Streikunter» stützung zahlen können. Wenn trotzdem die be- troffenen Arbeitergruppen selbständig in einen Streik treten, dann untergraben sie durch ihre Disziplinlosigkeit die Macht der Gewerkschaften und damit der Arbeiterklasse, weil die Ge- werkschaften dann gegenüber den Unternehmern keine Partei mehr darstellen, die in der Lage ist, übernommene oder auf- erlegte Verpflichtungen auch einzuhalten. Eine solche Schä- digung ihres Ansehens können die Gewerkschaften auch grund- sätzlich nicht gutheißen. Dagegen muß vom Rsichsarbeits- minister verlangt und erwartet werden, daß er und seine Schlichtungsbehörden die sozialen Interessen der betroffenen Arbeiterschichten bei Schiedssprüchen und Verbindlicherklärun- gen wahrnehmen. Die deutsche Gewerkschaftsbewegung weiß aus jahrzehnte- langer Erfahrung, daß in der Entwicklung auch Rückschläge nnausbleibliA sind. Derartige Rückschläge werden in dem Maße vermindert, wie die Arbeiter die Notwendigkeit der Ge- .JS/jÄch�en einsehen und Gewerkschaftsmitglieder werden. Dann werden die Gewerkschaften auch in der Lage sein, für die-Abschaffung der Verbindlicherklärung einzutreten, und dann besteht die S t r e i k s r e i h e i t im Rahmen der sitt- lichen Staatsgrundsätze unbeschränkt. Indem die Kommunisten diese wirklichen Tatsachen voll- kommen entstellen, treiben sie ein geradezu gemeingefährliches Spiel mit den Interessen der Arbeiterklasse. Von jedem Ge- werkschastsfunktionär und von jedem Gewerkschaftsmitglied muß daher erwartet werden, daß sie diesen Verleumdern der Gewerkschaften mit aller Entschieden- heit entgegentreten.
von öach bis heute. Konzerlumschau von Kurl Singer. Schon vor die eigentliche Feier des Bach-Festes hatte Rudel seine Bach-Feier im Dom gesetzt. Warum hatte die Neue Bach- Gesellschaft ihn so deutlich ausgeschaltet, daß er demonstrativ seinen eigenen Weg ging? Da muß ein Mißverständnis walten. Und am Schluß der ganzen VeranstalNing ebenso: die tt-Moll-Mefse hat Och s in Berlin zu klassischer Darstellung gebracht. Schumann leitete das Werk. Ist es nicht denkbar, daß angesichts Bachscher Große jedes kleinste Zeichen persönlichen Ehrgeizes, persönlicher Reizbarkeit schwindet? Nichts ist unwürdiger als Cliquenwesen. Zweimal wurde im Anschluß an Konzerte(und wohl als Protest gegen große Begeisterung oder Klatschen?) gezischt. Ist das nicht schamlos? Es gibt keine Parteien, wenn ein Bach in die Welt hineinklingt. Größere Unterschiede als sie in der Lebensart, im künstlerischen Atem, in Temperament und Ausdruckswillen etwa Ochs und Schumann darstelle», sind nicht auffindbar. Dramatiker und Epiker, Stürmer und Zauderer, Jude und Christ, Süddeutscher und Norddeutscher— all das prägt sich im Spiel aus. Wer frei bekennt, daß er dem Feuer eines Ochs sich nahe fühlt, der braucht weder die gleichmäßige Ruhe Schumanns noch den Geschmack seiner Anhänger zu verachten. Daß zwei Veranstaltungen der Bach-Ge- scllschaft mißlangen, auch im Technischen unbeholfen blieben, ändert nichts an dem großen Gesamteindruck des Festes. Man geht mit dem Gefühl aus solchen Kantaten-Ausführungeu, daß jetzt erst für Bach freie Bahn geschaffen ist, daß also das große Lebenswerk von Ochs in Berlin Erfüllung wurde. In ganzer Herrlichkeit offenbarte sich das Mysterium des Heinrich Schütz in seinen biblischen Szenen, wie in der großzügigen Doppelkantate„Es erhub sich ein Streit", innerlich verbunden mit„Nun ist das Heil". Geistreicher Gedanke, diese beiden Kantaten auch in der Bachschen Musik nachfolgen zu lassen. In der Kantate Nr. 118 störten die von Bach sicher nicht ge- wollten Trompeten. Wird dieses Begräbnisstllck im Konzertsaal g«. sungen, so dürsen Holz und Streicher nicht fehlen. Nr. 67„Halt im Gedächtnis" sowie die Trauungskantate„Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen" fanden unter Schumanns Leitung eine besonders dankbare Zuhörerschaft. Manches andere war weniger delikat ausgesetzt, durchgeführt. In der Garnisonkirche er- hob sich beim Schlußchoral der Kantate„Wachet aus"(Ochs) die Gemeinde und sang mit: das war der ergreifendste Augenblick des Festes. Hier waren endlich Werk und Hörer ganz eins geworden im Gefühl der Unendlichkeit genialer Größe. Es wäre Unrecht, unter dem packenden Eindruck der Werke die Ausübenden zu vergessen: neben dem Ochsfchen und Schumannschen Ehor, neben dem über jedes Lob erhabenen Philharmonischen Orchester die breit strömende Altstimme der Eva Liebenberg , die von innerem Erleben bebende, kultivierte und ungemein reiz- volle, sinnlich strahlende Sopranistin Berthe Vigier, die zarte Ebenheit im Gesang der Lisbeth Adler, den Glockentlang der Emmy Leisner, die Sicherheit und Bravour des stimmarmen Georg Walter, den tönenden, edlen Baß Fischers, die werk- kundigen Organisten Heitmann, Kleiner, Fischer. Diele
Hergts Irrwahn. Von Frehtagh-Loringhoven bewiesen. Der Führer der Deutschen Volkspartei , Dr. Stresemann, hat auf seiner Parteitagsrede in Köln erklärt, man müsse ab- warten, ob die gemäßigten Elemente bei den Deutschnatio- nalen sich durchsetzen würden. Er verwies auf eine Rede von H e r g t in Bayern , die eine Kampfansage an die Ze- mäßigte Richtung sei. In Anschluß daran schrieb die„Tag- liche Rundschau" höhnend: „Mit wem soll sich die Deutsche Volkspartei eigentlich verbünden: mit dem Grafen W e st a r p? Oder mit Dr. H u g e n b e r g? Oder mit Dr. Hergt? Oder mit dem Freiherrn v. Loringhoven, der Strescmanns Mitarbeiter und Regierungsgenosien als reif für den Galgen ansieht?" Auf den Hohn antwortete Graf Westarp mit der feierlichen Versicherung: wir sind einig, einig, einig, nichts kann uns trennen. Aber er hat die Rechnung ohne die Schreckenskinder seiner Partei gemacht. Am Mittwoch morgen proklamierte W e st a r p die Einigkeit der Deutschnationalen, am Mittwoch abend wurde sie von Hergt und F r e y t a g h- Loringhoven glänzend illustriert. Hergt— deutschnationaler Reichstaasabgeordneter— hat der„Täglichen Rundschau" zu seiner Rechtfertigung ein Exposä seiner Rede in Hof geschickt. Danach hat er gesagt: „Allein komme Deutschland in der Außenpolitik nicht voran; man müsse mit dem Auslandsalliierten einerseits, Amerika anderer- seits paktieren, und auch die Deutschnationalen müßten sich zur Verständigung, insbesondere mit Frankreich , bereit erklären, vorausgesetzt nur, daß bei solcher Verständigung die Lebensinteressen Deutschlands und die Würde gewahrt werden." Freytagh-Loringhoven aber— auch deutschnationaler Reichstagsabgeordneter— schreibt in der„Deut- schen Zeitung": „Deshalb auch heißt es a u s s p r e ch e n, daß nicht nur die Einzel- Helten der Stresemannschen Politik verfehlt sind, sondern daß i h r Grundgedanke verderblich ist. Dieser Grundge- danke aber ist die Verständigung mit Frankreich . Herr Stresemann freilich wiegt sich im gläubigen Vertrauen, daß ein von uns gerettetes Frankreich treu und bieder, Hand in Hand mit uns an der Lösung kultureller Ausgaben arbeiten wird.... Die nationale Opposition lehnt es ab und muß es ablehnen, sich diesen verderblichen Irrwahn zu eigen zu machen." Hergt will sich zu dem bereit erklären, was Frey- tagh- Loringhoven als Irrwahn bezeichnet. Einigkeit der Deutschnationalen im Zeichen des Irrwahns!
Zemeaussthuß in München . Ein bayerischer Oberstaatsanwalt. München , 6. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) In der M i t t- woch-Nach mittagssitzung des Femcausschusses wurde der Oberstaatsanwalt � am Oberlandesgericht Augsburg, Kraus, als Zeuge vernommen. Er hatte darüber auszusagen, inwieweit das Verfahren im Falle Härtung durch ihn und den ihm unterstell- ten Staatsanwalt K r i e ck in eine bestimmte Richtung geführt wurde und im einzelnen darüber, warum er und K r i e ck im 14. März 1921 in einem Auto der Einwohnerwehr durch den Dr. Gademann nach München ins Justizministerium gebracht worden sind. Während der mehr als zweistündigen Vernehmung bot der Zeuge in allen seinen Aussagen ein ungewöhnliches Bild von Unsicherheit und Widersprüchen. Seine Aussagen verblüfften fortgesetzt den gesamten Ausschuß. Eine zu- sammenfassende Darstellung der unter seiner Leitung stehenden Untersuchung im Falle Härtung vermochte der Zeuge überhaupt nicht zu geben. Er hatte sich auch selbst gar kein klares Bild über die Mordsache Härtung gemacht. Immer wieder wersuchten die Abgeordneten L e v i(Soz.), Schulte(Ztr.) und der Vorsitzende S ch e t t e r(Z.) aus ihm herauszubekommen, warum er sich dem Referendar Gademann
fanden sich zusammen, um einem einzigen Großen zu dienen: da« Bach-Fest hat seinen Zweck erfüllt. Wie schwer fällt es, zur Erde zurückzugleitenl Aber nein: Arthur Schnabel sprengte die Fesseln, als er das Andante im Beethovenschen C-Dur-Konzert träumend, unirdisch, poesietrunken dahingeisterte. Hätte er doch durch Kadenzen eigener, virtuoser, wenig stilechter Art nicht einen Bruch in die Ecksätze hineinkompo- niertl Es gibt doch viel bessere! Schnabel kennt gewiß die Ka- denzen von Bülow, Clara Schumann, Godowsky . Auch in diesen kann einer zeigen, wer er ist. Aber sie bleiben in der Nähe Beet- Hovens. Emil B o h n k e ist als Begleiter noch recht schwerfällig. Er wird sich auch in den Geist und die Gesühlswelt Webers erst all- mählich einleben. Slber bei seiner Musikalität ist zu erwarten, daß Handwerk und Inspiration sich bald zu harmonischem Bund ver- einen. Heinz Zolles begann seinen Klavierabend mit Mozart. Warm wurde man nicht, und Gefühlles schien in Süße zu entarten, die innere Rhythmik balancierte unsicher. Dennoch bekam man wieder den Eindruck eines sehr gewandten, singersicheren, höchst intelligenten Spielers, der nur aus der Unbedenklichkeit des Musi- zierens i» Auslegungsmanieren abirrte. Francis A r a n y i hat zwar nur einen kleinen, aber dafür sehr gepflegten, schönen Geigen- ton. Die linke Hand blieb neben der rechten zurück. So erhielten wir von der herben, stark geführten motivischen Leitlinie einer Iaru echschen Geigensonate nur einen halben Eindruck. Der langsame Satz allerdings entquoll dem Instrument als ein herrlicher Gesang. Bruno Walters erstes Abonnem-ntskonzert brachte die Herzen derer zum Flammen, die von Musik gestreichelt sein wollen. Man meint, das Nikifch-Publikum wiederzusehen. Auch Walter wird darauf sehen müssen, daß seine Programme nicht verkalken. In der Gelegenheitsarie exulute jubilate Mozarts zeigte Maria Ivogün die süße Akrobatik ihrer Stimme, die keine Höhe zu kennen scheint (sie transponierte nach oben!). Ganz so locker wie sonst war der Flötenklang aber nicht. Mit der Ausführung der Schrekerschen Ballettsuite„Geburtstag der Infantin" erwarb sich Walter ein Verdienst. Es ist eines der schwierigsten, aber auch gefälligsten phantasiebegabtesten Stücke des jungen originalen Schreker, von einem transparenten, charakteristischen Orchestcrklang, in dem jeder Schlagzeugwirbel und jeder Harfen- oder Bcckenton seine solistische Bedeutung hat. Wir werden das Werk bald in der Staatsoper szenisck sehen und hören. Für die Eleganz und Buntheit des Orchesters gibt es keinen schmiegsameren, vorzüglicheren Dirigenten als Bruno Walter , der mit Schuberts c-Dur-Sinfonie abschloß.
Für den Dücherkreis sprach Theo Maret im Meistersaal Friedrich Wolfs Roman„Kreatur". Fast drei Stunden lang. Trotzdem hatte man den Roman noch gekürzt, hatte etwas daraus gemacht, was man beinahe„gesprochenen Film" nennen könnte. Maret sprach das Werk in den verdunkelten Zuschauer- räum hinein. Doch empfand man diese erstaunliche Gedächtnis- leistung kaum, denn wie von einem ungeheuren Drang« getrieben, in zwingender Notwendigkeit reibte sich Wort an Wort, ohne je von einer Besinnungspouse unterbrochen zu werden. In dramati- scher Betontheit sprangen Dialoge heraus, Visionen glitten vorbei,
blindlings anvertraut habe und ihm ins Ministerium gefolgt sei, ohne nach einer Legitimation zu fragen. Der Oberstaatsanwalt Kraus konnte keine anderen Erklärungen geben, als: G a d e- mann habe einen tadellosen Eindruck gemacht, er habe sich auf einen flüchtigen Bekannten berufen, der Offizier sei, und schließlich habe er gedacht, Gademann werde wohl per- sönliche Beziehungen haben. Die wahre Erklärung wurde nicht ausgesprochen: Gademann kam von der Einwohnerwehr. Die Aussage des Oberstaatsanwalt Kraus beleuchtete blitzartig den Zustand in Justiz und Behördenorganisation im Jahre 1921 in Bayern . Wir berichten über die Vernehmung aussührlich in der Beilage.
der tzohenzollern-vergleich. Die Stellung unserer Landtagssraktion. Aus der preußischen Landtagssraktion wird uns geschrieben: Am Mittwoch nachmittag um 5 Uhr ist zwischen der preußischen Staatsregierung und Herrn von Berg als Vertreter des Hauses Hohenzollern ein neuer Vergleich abgeschlossen worden. Er beruht auf den letzten Reichstagsbeschlüssen, die bekanntlich nicht eud- gültig zur Verabschiedung gelangt sind, weil die dazu notwendige verfassungsändernde Mehrheit nicht vorhanden war. Was nach diesen Reichstagsbeschlüssen die Hohenzollern erhalten hätten, kann män freilich nicht genau aus Heller und Pfennig ausrechnen, weil in dem Reichstagskompromiß noch die Entscheidung des Schiedsgerichts vorgesehen war. Nach der Wahrscheinlichkeits- rechnung des preußischen Finanzministeriums hätte danach die Hauptlinie der Hohenzollern etwa 209090 Morgen Land, 0 bis 7 Millionen Mark bar und zahlreiche Schlösser und Nutzgrundstückc erhalten. Dieses durch den Volksentscheidsfeldzug herbeigeführte Kompromiß bedeutete eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Vergleichsvorschlag von 1925, der der Hohenzollern - schen Hauptlinie 330 000 Morgen Land und 30 Millionen geben wollte. Dieser Vergleichsvorschlag von 1925 war wiederum für den Staat um etwa die Hälfte günstiger als der erste Vergleichsoorschlag von 1919, den seinerzeit in der Preußischen Landesversammlung die Sozialdemokratische Fraktion durch einen energischen Feldzug zu Fall gebracht hat. Für die preußische Regierung lag es nahe, wieder den Weg des Vergleiches zu beschreiten, nachdem die Hohenzollern sich auf den Boden der letzten Reichstagsbeschlüsse gestellt hatten. Denn der Volksentscheid hat leider nicht zum Ziele geführt, und die Aus- sicht daraus, daß im Reichstag noch mehr herauszuholen wäre, ist praktisch gleich Null. Genügt doch im Reichstag die Opposi- tion der Deutschnationalen und Völkischen , verbunden mit den Kom- munisten, um jede Besserung der Rechtslage zu verhindern, die be- kanntlich nur durch verfassungänderndes Reichsgesctz herbeigeführt werden kann. Nun hatte einstweilen die preußische Re- gieirung nichts zu fürchten, weil bis zum Ablauf dieses Jahres das Sperrgesetz gilt. Aber was sollte später werden? Vielleicht konnte das Sperrgesetz noch einmal um ein Viertel- oder ein halbes Jahr verlängert werden, schließlich wäre es doch einmal abgelaufen, und dann hätten mit Hilfe der preußischen Richter im Prozehwcge die Hohenzollern mindestens das Dreifache von dem erstritten, was ihnen jetzt der Vergleich läßt. Unter diesen Umständen mußte die preußisch« Regierung aus den Boden eines Vergleichs treten, sobald sie für ihn eine tragfähige Grundlage fand. Nicht so einfach liegt der Fall für die sozialdemokratische Landtagssraktion. Auch s i e wird sich der Erkenntnis nicht oerschließen können, daß in diesem Vergleich herausgehandelt ist, was den Hohenzollern abgezwackt werden konnte. Aber aus der anderen Seite stellten nach unserer Auffassung schon die Reichstags- beschlüsse ein ganz ungenügendes Entgegenkommen an den bei der Volksabstimmung klar zutage getretenen Volkswillen dar. Es kommt hinzu, daß die Sozialdemokratie grundsätzlich nicht den che- maligen Fürsten einen Betrag von 100 Millionen in den Rachen zu werfen gewillt ist, wie ihn— an nutzbarem Vermögen— dieser Ver
scharf umrissen, aber nur in sparsamer Knappheit wurden die epischen Schilderungen lebendig. Der Roman, den wir bereits in unserer Bücherbeilage würdigten, hat ja an sich keine Anlage zur Breite. Der Kampf, wenn auch nur der Kampf um sich selbst, um die Freiheit von fronenden Werken aus Not oder törichtem Ehrgeiz zur fruchtbaren Arbeit, entwickelt sich explosiv. Nach kurzem, leisem schwelen kommt es zum jähen Aufslammen, zur vernichtenden Glut, und— vielleicht— zur Wiedergeburt eines ersten Menschenpaares. Die gläubige Erdgebundenheit des Wertes packte auch in diesem Vortrage, der naturgemäß durch jähe Ueberlichtung manche Fein- Helten des Buches auslöschen muhte. Der Dank der zahlreichen Hörerschar galt verdienterinaßen dem Sprecher wie dem Dichter. Restaurierung der Venus von TNilo. lieber Beschädigungen, die das berühmteste Kunstwerk des Louvre, die Venus von Milo , bei ihrer Wegbringung während des Krieges nach Toulouse erlitten hat, und über ihre Restaurierung werden im„Mercure de France" Mitteilungen gemacht. Die Presse hat sich bereits nach der Rück- kehr der Statue über die Beschädigungen aufgeregt, die sich be- sonders an der Draperie des rechten Deines befanden. Dort ist die Stelle, wo die beiden Blöcke zusammengefügt sind, die übereinander- gestellt den Körper der Göttin bilden. Diese Beschädigungen sind jetzt verschwunden. Ein geschickter Restaurator hat die beiden Blöcke wieder fest zusammengefügt, und die neu wirkenden Stellen der Draperie sind durch eine Patina oerborgen. Die Göttin ohne Arme zeigt jetzt nur noch am Kinn einige Spuren ihrer Kriegsverletzungen. Messungen von Röntgenstrahlen möglich. Wie aus Wien ge- meldet wird, wurde in der österreichische» Röntgengesellschaft ein Apparat vorgeführt, der bei Röntgenbestrahlungen die Messung der Intensität der Strahlen ermöglicht; dadurch ist bei Anwendung von Röntgenstrahlen zu Heilzwecken jederzeit eine Kontrolle möglich und damit Verbrennung bei Röntgenbehandlungen ausgeschlossen. Der Apparat ist die Erfindung des Wiener Ingenieurs Kraus, die auf der von dem verstorbenen Forscher Lieben erfundenen Elektronen- röhre beruht.__ Groschen vuiti-Mess« vecNner Vrbeiler vuchbandlungeii. In den Tagen vom 7. bis lt. Oktober findet im G e w e r l l ch a s t« b a» s ein Buch- verkauf besonderer hierfür bereitgestellter Bestände von»Irbeitcr-Literatur statt zu den denkbar billigsten Einheitspreise». Die VerkausS-ZluSilelluna IN von lv Uhr vormittag« bi« 7 Uhr abends geöffnet. Für Arbeitslose, dl« sich ausweisen, sind Gratitiverk« bereit gelegt. Wiederbeginn der amtNchen INuseums-Zührungen. Die seit Jahren im Winter stattfindenden öffentlichen SonntagSfübrungen durch wissenschaftliche Beamte beginnen am 30. Oktober, 10 Uhr: Im Kaiser. Friedrich-Museum durch Direktor D r. Demmler(Rund- gang durch die Sammlungen) und im Neuen Museum durch Dr. Sch-rff(A n s ö n g e der Aegyp tischen Kultur und Kunst). Am 17. Oktober findet die erste Führung in dem wieder eröffneten Museum sür Vötkcrkunde statt.— Als etwa« Neue« sind Führungen an mehreren Freitagen in der Sammlung Deutscher Bllt. werke vorgesehen.— Zulasstarten(50 Pf.) und Programme sind am Ein- gang der Museen erhältlich.. Bismarck, Wilhelm II , vülow, tberl, die Träger der deutschen Politik in den letzten»0 Jahren, sind die Persönlichkeiten, über die Dr. Emil L u d w i g in seinem Vortrag über.BtSmarckund dt« deutsche Republik" am 32. im B l ü t h n e r s a a I sprechen wird.