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Abendausgabe

Nr. 56843. Jahrgang Ausgabe B Nr. 281

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife sind in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner   Volksblaff

10 Pfenais

Donnerstag

2. Dezember 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszett bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff   292- 297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Das Notgesetz in Gefahr.

Man will freiwillige Mehrarbeit dulden.

Bom Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts­

Ueber ein Monat ist schon vergangen, seitdem die gewerk­

daß auf diesem Wege eine Unterbindung der Mehrarbeit so

gut wie niemals ericlgt ist.

bundes wird uns geschrieben: Es ist also nichts als eine Geste, wenn die Regierung schaftlichen Spitzenverbände aller Richtungen die gemeinsame glaubt, durch eine geringfügige Verschärfung dieser Beftim Forderung auf Schaffung eines Notgefeßes zur Wiederher mungen den grundsäglichen Forderungen der Gewerkschaften stellung des Achtstundentages erhoben haben. Inzwischen auch nur näherkommen zu können. Ebenso ist der in einem wie Besprechungen der Gewerkschaften mit den Ministerien ihrer Genehmigung von Ueberarbeit nach Ablauf eines Tarif: haven Verhandlungen der Fraktionen im Reichstag evenio Teil der Presse veröffentlichte Vorschlag, die Behörden bei mehrfach stattgefunden. Trotzdem ist in dieser Frage bis heute pertrages an die vorhergehende tarifliche Ar­noch fein greifbares Resultat erzielt. 3war beitszeit zu binden, feineswegs eine Berbesserung meldet die Presse in den letzten Tagen, daß eine Berständes gegenwärtigen Zustandes. Es ist doch wahrhaftig nicht bigung zwischen den Regierungsparteien unbekannt, daß in den Tarifen gerade durch die Praris der und dem Kabinett in Aussicht stehe. Ueber die sach- staatlichen Schlichtungsinstanzen teilweise äußerst un= lichen Grundlagen dieser Verständigung fann man bisher nur günstige Arbeitszeitbestimmungen veranfert Mutmaßungen hegen. Was aber an Einzelheiten in find. Wenn diese Bestimmung für die späteren Entscheidungen den Meldungen der bürgerlichen Presse bisher durchgesichert der Gewerbeaufsichtsbeamten den Maßstab bilden sollen, ist, muß zu allergrößter Beunruhigung Anlaß geben. so bedeutet dieses geradezu eine Anweisung zur Erhaltung langer Arbeitszeit. Wis fönnen nicht glauben, daß derartig geringfügige Aenderungen des geltenden gesehlichen Zustandes von den Re: gierungsparteien als ein für die( verkschaften tragbares Kompromiß angesehen werden. freien, sondern von den christlichen und Hirsch völligen Igno, rierung der ja nicht nur von den Dunterschen Gewerkschaften erhobenen Forderungen gleichkommen. Aber auch die Regierung wird sich darüber klar sein, daß eine Welle der Empörung durch die ganze deutsche Arbeiterschaft gehen würde, wenn man der aus ber furchtbaren Erwerbslosigkeit geborenen Forderung mit ein paar gefetestechnischen Ronzessionen antwor­ten wollte.

In allen Mitteilungen fehrt als Schwerpunkt dieses Kom­promisses das Bersprechen der Regierung wieder, eine Ab­änderung des§ 11 Abs. 3 der geltenden Arbeitszeitverordnung nom 21. Dezember 1923 herbeizuführen, wodurch die bisherige Otcaflosigkeit des Arbeitgebers bei Annahme frei sondern nur eingeschränkt werden soll. Heute ist die milliger Heberarbeit" nicht etwa gänzlich beseitigt, Rechtslage so, daß der Arbeitgeber bei Duldung oder An­nahme freiwilliger Mehrarbeit von männlichen Arbeitnehmern über 16 Jahre nicht strafbar ist, wenn die Mehrarbeit durch besondere Umstände veanlaßt und feine dauende ist, und wenn fie weder durch Ausbeutung der Notlage oder der Un­erfahrenheit des Arbeitnehmers von dem Arbeitgeber ver­langt wird, noch auch offensichtlich eine gesundheitliche Schädi­gung mit sich bringt."

Nach der übereinstimmenden Meinung der wichtigsten Kommentare müssen alle die genannten Voraussetzungen zu fammentreffen, wenn die Duldung der Mehrarbeit straflos bleiben soll. Allerdings hat die Praxis der deutschen  Strafjustiz sich fast überall über diese Bestimmungen hin­meggesetzt, indem sie in weitestem Sinne eine für die Arbeitgeber günstige Auslegung dieser Bestimmungen ihren Entscheidungen zugrunde legte. Wenn aber auch einmal in Ausnahmefällen eine Strafe gegenüber Arbeitgebern aus gesprochen wurde, so war sie derart lächerlich gering,

Es würde dies einer

Die von den Gewerkschaften gemachten Vorschläge wollen den Achtstundentag wiederherstellen, wobei gemiffe wirtschaftlich erforderliche Ausnahmen berücksichtigt find. Die durch die Presse laufenden Kompromißvorschläge aber würden fast alle zurzeit geltenden Ausnahmen be­stehen lassen und zur Wiederherstellung des Achtstunden­tages nichts tun. Verständigung in der Arbeitszeitfrage seht ein wirkliches Verstehen der gewerkschaftlichen Forde­rungen voraus. In letzter Stunde erheben die Gewerk­schaften ihre Stimme, um dieses Verständnis bei den Re­gierungsparteien zu stärken.

Chinas   Zerfall.

England sucht Verständigung mit Kanton.

Die liberale Bresse fordert ein weitgehendes Entgegen. tommen für die nicht ungerechten Wünsche der Chinesen nach einer Abschaffung der Borrechte anderer Nationen. Solange diese bestehen blieben, hätten die Chinesen immer wieder Grund zu neuen Unruhen.

London  , 2. Dezember.  ( WTB.) Der diplomatische Bericht.| in China   angewiesen werden, je de propotatorische hand. erstatter der Morning Post" schreibt: Jn gut unterrichteten Kreisen lung von seiten der zwei dahin entsandten englischen Kriegsschiffe geht das Gerücht, daß eine wichtige Entwicklung in der britischen zu vermeiden. Haltung gegenüber der Kantonregierung binnen furzem erwartet werden darf. Es scheint nicht direkt die Absicht zu bestehen, die revolutionäre Regierung anzuerkennen, aber es ist mög­lich, daß eine Art von Vereinbarung zustande gebracht wird. Der neue britische Gesandte in China  , Miles Campson, sei nicht imftande, fein Beglaubigungsschreiben zu überreichen, da in Peting feine Regierung bestehe. Er befinde sich noch in Schanghai  , und es sei möglich, daß er dem britischen Vertreter in Hankau   einen Besuch Gbflatten werde. Ob er es für ratsam halten werde, sich mit einem Mitglied der Kantonregierung, die sich jetzt in Wutschang befindet, in Berbindung zu sehen, stehe dahin.

Schanghais Stacheldrahtverhau gegen die Kantonarmee. London  , 2. Dezember.  ( EP.) Wie aus Schanghai   gemeldet wird, ist die Lage in Santau weiterhin ernst und man befürchtet stündlich den Ausbruch von Feindseligkeiten.

In Erwartung eines Angriffs der Kantontruppen auf Shanghai   wurden die dortigen ausländischen Konzessionen mit Stacheldrahtverhauen umgeben.

Eine Anerkennung der Kantonregierung durch eine europäische Gro macht ist eine zweischneidige Sache sowohl für China   wie für England. Chinas   3erfall wäre damit Amerika   und die Kantonregierung. nach außen diplomatisch- politisch vorläufig besiegelt, der Freiheitsfampf des chinesischen Boltes als einer Einheit Washington  , 2. Dezember.  ( WTB.) Politische Kreise äußern äußerst geschwächt. Andererseits hätte mit der Anerkennung die Ansicht, die Regierung betrachte die amerikanischen   Streit durch England die Kantonregierung einen mächtigen Erfolg träfte in China   als ausreichend. Sie beabsichtige feines zu verzeichnen, der der Freiheitsbewegung auch außerhalbwegs irgendeine politische Partei Chinas   zu unterstützen. Sollten der Südprovinzen einen mächtigen Auftrieb geben müßte. Die Kantonesen eine Regierung in Beting einsetzen, so sei deren Aehnlich liegt es für England. Ganz China   gegenüber de facto Anerkennung durch die Vereinigten Staaten  würde es aus dem Abtreten der Zentralregierung Vorteile wahrscheinlich, wie sie auch gegenüber dem früheren Regime ziehen, aber mit Kanton tann es sich nur verständigen, wenn erfolgt sei. es dort bereit ist, auf alle seine Vorrechte zu verzichten. Da die Londoner   Regierung nicht weiß, was sie tun soll, überläßt fie es vorläufig ihrem neuen Gesandten in China  , nach allen Seiten hin Fühler auszuftreden und die Klarheit über die Machtverhältnisse zu gewinnen, die eine Entscheidung er­möglicht.

China   so aufgewühlt wie im Boxeraufstand. London  , 2. Dezember.  ( EP.) Trogdem die Lage in Schanghai  und anderen Plätzen Chinas   eine gewisse Entspannung erfahren habe und für das Leben der Ausländer zurzeit teine unmittel bare Gefahr bestehe, fonzentriert sich dennoch das gesamie Interesse der Londoner   Morgenpresse auf die Lage in China  , die als mindestens ebenso ernst wie zur 3eit des Borer aufstandes aufzufassen wäre. Allgemein wird verlangt, daß der Schutz der britischen Untertanen mit Energie durchgeführt werden müffe. Gleichzeitig wird gefordert, daß die englischen Befehlshaber

Großkapital statt Staatsmonopol.

Paris  , 2. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Bertreter der Ar­beiter der staatlichen Streichholzfabriten haben am Donnerstag eine Besprechung mit dem Generaldirektor der staatlichen Berte über die von der Regierung beabsichtigte Abtretung des Streichholz monopols an die Privatindustrie. Durch diese Meldung erfährt die französische   Deffentlichkeit plöglich, daß zwischen dem Finanzministerium und einer privaten Wirtschaftsgruppe feit Monaten Berhandlungen über die Ueberlassung des Streichholzmonopols an die Privatindustrie stattfinden. Eine am! liche Meldung des Finanzministeriums bestätigt diese Tatsache und sucht sie als möglichst harmlos hinzustellen. In der Kammer wurden jedoch sofort zwei sozialistische und zwei radikalsozialistische Interpellationen eingebracht.

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Wahlen in Dänemark  .

Unter dem Zeichen schwerer Wirtschaftskrise. Dänemart wählt heute zum Folkething, der Zweiten Kammer, und entscheidet damit über das fünftige Schicksal des Kabinetts Stauning, des ersten sozialdemokra­

tischen des Landes, das seit den letzten Reichstagswahlen im erst in zwei Jahren stattgefunden; die heutigen find durch die April 1924 die Regierung führt. Reguläre Neuwahlen hätten Reichstagsauflösung bedingt, mit der Stauning die Ablehnung der von ihm eingebrachten Krisenschutzgesetzes beantworten

mußte.

wie sie nicht nur in Dänemark  , fondern auch in den anderen Stauning leitete eine Minderheitsregierung, standinavischen Ländern nun schon längst zur Gewohnheit geworden sind. Solche Minderheitsregierungen, die sich durch­praktisch gestützt wurden, sezen allerdings eine gewisse parla­aus bewährt haben, namentlich wenn sie von einer Nachbarpartei mentarische Ueberlieferung und vor allem Achtung und Loyalität nach beiden Seiten voraus, von denen die politische Kampfesweise in Deutschland   dank der Zurückgeblie­benheit und Verwilderung der Flügelparteien noch weit ent­fernt ist. Im Fall Stauning fanden die Sozialdemokraten Radikalen, deren 20 Mandate mit den 55 Mandaten der diese Unterstützung bei den Demokraten, der sogenannten Regierungspartei gerade eine kleine Mehrheit in dem aus 149 Mitgliedern bestehenden Folkething ergab. Außerhalb Bariei der deutschen   Nordschleswiger( im abgetretenen Gebiet) dieser Gemeinschaft standen die Konservativen mit 28, die Bauernlinke mit 45 Mandaten, die sogenannte Schleswigsche mit einem Mandat.

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politischer, wenn auch der tiefste Grund wirtschaftlicher Natur Der letzte Anlaß zu der Reichstagsauflösung ist ein partei­ift. Die verhältnismäßig fleine Radikale Partei hatte von 1913 bis 1920 mit Unterstützung der Sozialdemokraten regiert und wurde dann nach dem turzen Zwischenstadium eines Geschäftsministeriums von einem aus Ronservativen und der Bauernlinten gebildeten Kabinett Neergaard abgelöst, das wiederum durch die Wahlen von 1924 den Sozialdemokraten weichen mußte. Jenes radikale Kabinett, das während des ganzen Krieges und in den folgenden Jahren das Land mit Geschick und Erfolg durch alle Kriegs- und Versorgungs­gefahren geschickt steuerte und unter dem Namen Zahle ging, wurde in Wirklichkeit außenpolitisch von Erik Scavenius  , innenpolitisch von Ove Rode   geführt, der sich ganz besonders um die Ernährungs- und Rationalisierungspolitik des Landes große Verdienste erworben hat. Aber der persönliche Ehrgeiz dieses Mannes ist es jetzt gewesen, der die Gemeinschaft zwischen der seinen und der sozialdemokratischen Partei ge­fprengt hat.

Das Schicksal der dänischen Radikalen ist dem der demo­fratischen Parteien anderer Länder verwandt und beruht auf dem 3 wiespalt zwischen politischer Liberalität und wirtschaftlicher Rüdständigteit. Dies fam den dänischen Demokraten im Jahre 1920 schmerzlich zum Bewußtsein, als der König ganz gegen den parlamentarischen Brauch des Landes unter dem Druck der nationalistischen Welle im Anschluß an die Einverleibung Schleswigs   das Kabinett Zahle von sich aus verabschiedete und die Sozial­demokratie diefen als Staatsstreich gewerteten Schritt mit dem Generalstreit beantwortete; die Radikalen traten damals anerkenenswert genug den Sozial­demokraten an die Seite, aber gleichzeitig zeigte sich der innere Riß in ihren Reihen. Ein für dänische Verhältnisse unerhörter Terror gegen die Radikalen sette ein, gefördert von den wirtschaftlichen Widersachern der Sozialdemokratie Elementen wie städtischer Intelligenz, Handel, Finanz, Bauern innerhalb der Radikalen Partei, die sich aus so heterogenen und Häuslern zusammenfekt, und durch systematischen An­noncenboykott die radikale Parteipreffe bis dicht an den Ruin

brachte.

Diese Erfahrung hat die Radikale Partei sowohl in ihrem Bewußtsein als auch in der Realität nicht verwinden können, und man versteht immerhin den Versuch, den Ove Rode in den legten Monaten gemacht hat, mit der Bauern= linten Fühlung zu nehmen und mit ihr gemeinsam das Kabinett Stauning aus dem Sattel zu heben. Diese An­biederung wurde allerdings von der Bauernlinken recht fühl abgewiesen und nun suchte Rode, sich durch Schwierigkeiten, die er dem Kabinett Stauning bei der Durchbringung seines Krisenschutzprogramms verursachte, auf diese etwas seltsame Weise dem Kabinett unentbehrlich zu machen oder wohl gar in lekter Absicht als Mitglied aufzudrängen.

Als Stauning sich dieser ebenso groben wie verworrenen Tattik durch die unzweideutige Erklärung widersetzte, er werde die von den Radikalen geforderte Einschränkung an seiner Borlage, gegen die Konservative mie Bauernlinte sowieso stimmten, mit Reichstagsauflösung beantworten, tauchte Ove Rode   inmitten des von ihm selbst geschaffenen Wirrwarrs mit dem abstrusen Gedanken einer aus fämtlichen Reichstags­parteien zu bildenden Koalitionsregierung auf, wofür er nicht einmal bei seiner eigenen Partei, geschweige bei den anderen, irgendwelches Berständnis gefunden hätte. Rode hat dadurch feine Partei mit ebenso unflaren wie negativen Zielen in den Wahlkampf geführt, und sie wird zweifellos die Zeche zahlen müssen.

Der tiefste Grund des Konflikts ist jedoch die schwere Wirtschaftslage des Landes, die in der Hauptsache durch den Begriff der Deflation gekennzeichnet wird. Die