Abendausgabe

Nr. 4144. Jahrgang Ausgabe B Nr. 20

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10 Pfennig

Dienstag

25. Januar 1927

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Noch heute Bürgerblock.

Die Verhandlungen vor dem Abschluß.

schwerden mit nicht unberechtigtem Hohn:

3m Reichstag verfammelten fich am Dienstag vormittag turz 1 Die ,, Germania  " antwortet auf solche und ähnliche Be­nach 10 Uhr die fünf deutfchnationalen Unterhändler beim Reichs fanzler Dr. Marg zur Fortfehung der Aussprache über die Bildung einer bürgerlichen Mehrheitsregierung. Auch Reichsarbeitsminister Dr. Brauns nahm an der mehriftündigen Sigung feil. Reichs­außenminister Dr. Stresemann   dagegen mußte der Besprechung fernbleiben, weil seine Anwesenheit im Haushaltsausschuß notwendig war, wo heute der auswärtige Etat beraten wurde.

Die Berhandlungen, die bereits sehr weit fortgeschriften find, wurden gegen mittag abgebrochen.

Um fünf Uhr werden ie Unterhändler wieder zufammentreten. Es wird als sicher angenommen, daß die Verhandlungen sehr rasch zum Abschluß kommen werden, so daß noch heute abend die neue Regierung gebildet werden wird.

Die liberalen Bürgerblockängste.

Und die geheimen Vorverhandlungen. Die Sorgen, mit denen der bürgerliche Kulturliberalis. mus der neuen Bürgerblodzeit entgegengeht, fommen noch einmal in der ,, Nationalliberalen Korrespondenz" zum Aus­druck, die schreibt:

Kommt die Regierungsbildung mit den Deutschnationalen zu stande, dann ist die Deutsche   Bolkspartei die einzige Partei, bie in der neuen Regierungstoalition für die großen Aufgaben und Ideale bes Liberalismus eintritt. Sie wird gerade in dieser Hinsicht teinen leichten Stand haben. Man braudyt nur an die Frage des Reichsschulgesetes und eines mög. lichen Reichstontorbats zu denken, um zu erkennen, wie groß und schwer die Pflichten sind, die ihr in tultureller, insbe­fondere auch in religiöser Beziehung erwachsen fönnen.

Krach im Wiener Rathaus  . Radau der Klerifal- bürgerlichen Minderheit. Wien  , 25. Januar.  ( WIB.) Jm Wiener Gemeinderat fam es heute nacht zu äußerst stürmischen. Auftritten, als die fozialdemo­fratische Mehrheit die von der chriftlich- fozialen Minderheit feit vielen Wochen geübte Offruttion gegen die Steuer­politik der Gemeinde durch Annahme eines Anfrages auf Schluß der Debatte abschnitt. Die Chriftlich- Sozialen machten mit Pfeifen, Trommeln usw. einen ohrenbetäubenden Lärm. Unter großem Radau schloß Bürgermeister Seih um Mitternacht die Sihung. Infolge dieses Vorgangs hat sich das Verhältnis zwischen der sozialdemokra­fischen Rathausmehrheit und der chriftlich- sozialen Minderheit derart verschärft, daß eine vorzeitige Auflösung des Ge­meinderats nicht ausgefchloffen erscheint, was auch auf die Lage im Nationalrat zurückwirken würde.

Magnatenhaus und Monarchie.

Aristokratic und Kapital: Ungarns   Herren.

In Budapest   fonftituiert sich am 28. d. M. der neue Reichstag, bestehend nunmehr aus Abgeordnetan­und Magnatenhaus, und wird am 29. von Horthy   feier­lich eröffnet. Aus Budapest   wird uns dazu geschrieben: Benn diese Gefahren mirklich bestehen, dann ist es die Die Namen Horthy  , Bethlen, Hejjas sagen eigentlich Deutsche   Boltspartei, die sie heraufbeschworen genug. Doch wenn man fragt, wer der Herr im heutigen hat, und die Drgane wie die Tägliche Rundschau", die nun schon Ungarn   ist, sollte man eine Arbeit des größten Romandichters feit Monaten die bürgerliche Regierung fordert, i potten ihrer des heutigen Ungarns  , des besten Kenners des ungarischen selbst und wissen nicht wie, wenn sie schon jetzt in große Bauern, Zsigmond Moricz  , lesen. Sie ist fein Roman, fie besteht aus lauter 3iffern, auf Grund amtlicher Statistit. Klagen über die Vormachtstellung des Zentrums ausbrechen. Hieraus erfährt man, daß es in Ungarn   heute insgesamt Zur Frage, ob es geheime Borverhandlungen gegeben 854 000 Landwirtschaften gibt mit insgesamt 16 140 000 Jod was befanntlich von den Deutschnationalen wie vom Boden( 1 Joch= 43 Ar). Hiervon besigen 1134 Großgrund­Bentrum lebhaft bestritten wird- äußern sich nun auch die befizer allein 5 380 000 und 9742 Mittelbefizer 2 650 000 Joch, Hamburger Nachrichten". Sie versichern, sie hätten auf also 10 876 Leute besigen genau die Hälfte des Landes Grund von Informationen aus gutunterrichteten Kreisen" - die andere Hälfte, 8 110 000 Joch verteilt sich unter den Bürgerblock mit Marg schon vor Wochen voraus 840 000 Kleinbauern! Noch flarer: tausend Leute be­fagen tönnen. Sie nennen in diesem Zusammenhang wieder sißen ein Drittel des Landes, die anderen den Nuntius Pacelli und verweifen u. a. auf eine Bewei Drittel entfallen auf 850 000 Familien! fprechung zwischen deutschnationalen Ratholiten und Zen­trumsmitgliedern in Bayern  , die vom Kardinalfürstbischof Bertram vermittelt worden sei.

hat

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Pariser Urteil über Mary.

Paris  , 25. Januar.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Quoti dien" beschäftigt sich heute an leitender Stelle mit der deutschen  Minister? rise und stellt fest, daß das Zentrum ein Manifest veröffentlicht habe, in dem sich Marg verpflichtet, republikanische Bolitit zu treiben. Gleichzeitig gestatte es aber die Bildung eines Ministeriums, in welchem diese republikanische Politik durch Monarchisten ausgeführt werden ausgeführt werden soll, in deren Augen Weimar   ein Berbrechen, Locarno   ein Berrat sei und die Reichswehr   eine Revanche armee   darstelle. Das Blatt schreibt, es fei dies einer großen Partei un würdig.

Anleihebetrag fest übernommen haben, zeigt ihre absolute Zuver ficht, daß die Anleihezeichnung vollen Erfolg haben wird. Wenn der gefchäftsführende Minister noch vor der Neubildung des Rabinetts die Anleihe abgeschloffen hat, so ist das aus der Ueber­zeugung geschehen, daß der Geldmarkt sich nicht um Regierungs­frifen fümmert und nicht die Sicherheit besteht, daß die gegen wärtige Geldflüffigkeit folange anhält, bis das neue Kabinett zum Anleiheabschluß tommt. Der Grund für den Abschluß der Anleihe liegt nicht darin, daß das Retch jetzt plötzlich einen unerwarteten Geldbedarf hätte, sondern es bestehen dafür drei Gründe: Der Reichstag hatte einmal dem Reichsfinanzminister für 1926 eine An­leiheermächtigung über 900 millionen erteilt und wird für 1927 wohl 500 Millionen genehmigen. Diesen Betrag wird das Reich zur Dedung seiner außerordentlichen Aus gaben brauchen. Die Erwartung der Anleihe beunruhigte den Geldmarkt. Diese Unruhe mußte beseitigt werden, um die Bahn freizumachen für die Investitionsnotwendigkeiten der Industrie. So­wurde. 1926 war das noch nicht der Fall. Damals hätte das Reich 7 Broz. bei einem Zeichnungskurs von 93 oder 94 zahlen müssen. Endlich ist das Reichsfinanzministerium überzeugt, durch die Ausgabe einer so großen Reichsanleihe zu 5 Broz. start beizutragen, daß auch der Binsfuß für fundierte Real frebite, d. h. für Landwirtschaft und Bohnungsbau, entsprechend herabgedrückt und dem Zinsniveau im Auslande angepaßt wird. Dadurch erst würde ein rationelles Bauen und wirtschaften möglich werden. Mit dieser 5- Prozent- Anleihe glaubt man den Standardzins fuß für folche festverzinslichen Papiere zu schaffen.

öffnung des neuen Reichstages gegenüber, dann weiß man Stellt man diese Tatsache dem prächtigen Bilde der Er­erst, wer der Herr im heutigen Ungarn   ist. Da steht ein Horthy   in seiner Admiralsuniform. Um ihn herum Mörder­gesichter, Leibgarde, mit mittelalterlichen Hellebarden und modernsten Handgranaten. Da stehen die Minister mit ihren Orden aus der gestorbenen Monarchie. Unzählige Bischöfe in lila Talaren und Generäle. Der Riefensaal vollgestopft mit glänzenden ungarischen Galaanzügen es sind doch über 500 Ariftofraten und Gentry   dabei, im Unterhaus und im Oberhaus, darunter vier Erzherzöge des enthronten Habs­ burger  - Hauses. Auch Albrecht der Kommende" ist hier, und zwar ein symbolischer Vorfall, noch nie dagewesen in der Geschichte seiner Familie in ungarischem Galaanzug. Es ist ein prunkvolles Bild, in dem man nach den schwarzen An­zügen der sogenannten Boltsvertreter geradezu suchen muß.

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Ja, wo sind denn überhaupt die Bolksvertreter? Wo sind die Arbeiter? Wo sind die Bauern? Man sieht ausschließ­lich Gentry  , Magnaten, ausschließlich Uniformen, Galakleider. Wo ist das Bolk?

Die Sozialdemokraten waren im vorigen Par­lament mit 25 Mandaten vertreten. Jetzt sind es 14; fie find nicht erschienen. Nachdem sie den schändlichen Baft von 1921 mit dem Grafen Bethlen zerriffen haben, find sie hartnädig. Nun aber, wo sind die Bertreter der 850 000 Bauernfamilien? Vor acht Jahren, im November 1918, als Károlyi die Republik   und die Aufteilung seiner eigenen Besitzungen verkündete, standen sie hier mit brennen­den Augen und donnernden„ Eljen"-Rufen. Sie hatten sogar im ersten Parlament der Gegenrevolution( 1920) die Mehr­heit, in der Zeit der blutigen Arbeiterverfolgungen, der Raubmorde, der Judenpogrome, des Numerus clausus( der zahlenmäßigen Beschränkung der jüdischen Studenten) und der Herrschaft der Verbände. Die Genoffen Somogyi und im Parlament, aber die Bauern bejezten alle Bänke und haben Horthy   zum Reichsverweser gewählt, allerdings unter dem Eindruck der Revolver und Maschinengewehre der Offi­ziere des Oftenburg- Detachements, die den Sigungsfaal be­jetzt hatten. Dieses Parlament der Bauern hat die Habs­ burger  - Dynastie entthront... Auch das zweite Barlament Horthys und Bethlens( 1922) sah die große bäuerliche Maffe wieder. Sie wurden von Bethlen der Fels genannt, auf dem seine Partei aufgebaut sei. An Stelle des blutigen Terrors bewilligte sie ihm die in Gefeßen erstarrte Gegen­revolution und schenkten einem Magnatenhaus das Leben, in dem vier Habsburger auf besonderen Ehrenplägen neben den Ministern fizen. Sie bewilligten die Abschaffung des allge­meinen Wahlrechts... und nach all dem ließ der Graf

Die christlich- foziale Minderheit kann und will es nicht dann ist mit der Anleihe bis zu dem Zeitpunkt gewartet worden, Bacso wurden ermordet. Kein einziger Sozialdemokrat saß

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verwinden, daß fie durch die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts für Männer und Frauen natürlich mit Proporzihre Rathausherrschaft verloren hat. Im Gegensatz zur christlich- sozialen Braris des kontrollojen Re­gierens haben die Sozialdemokraten der Minderheit nicht nur die ihr gebührende Vertretung im Stadtfenat, sondern sogar eine Bizebürgermeisterstelle eingeräumt. Trogdem sind die Christlich- Sozialen jetzt zur Obstruktion gegen den Haushalts plan übergegangen, weil sie durchaus eine grundfäßliche Blenderung der sozialistischen   Gemeindepolitif erzwingen wollen. Da es ihnen im Staat und in den Ländern bisher nicht gelungen ist, den bundesgefeßlichen Mieterschutz ab­zuschaffen, betämpfen fie als Sachwalter des entwerteten

Hausbefigtapitals die großzügige Wohnungsbaupolitik der neue Schwierigkeiten wegen Ostfestungen. Bethlen plöglich, innerhalb 14 Tagen ,,, wählen".

Stadt Wien   ebenso wie als Sachwalter des Klerikalismus die musterhafte, von vielen reichsdeutschen Schulmännern hochgepriesene Wiener Schulreform, das Wert des Genossen Otto Glödel und seiner Mitarbeiter. Die christlich- sozialen Reaktionäre bekämpfen überhaupt alles, was die Gemeinde leistet, weil ihnen die ganze Richtung nicht paßt. Allerdings ist dieser sozialistische Wiederaufbau der Stadt Wien   und ihr Widerstand gegen das verzweifelte Los, das ihr nach der Auflösung Defterreich- Ungarns  , dem Anschlußverbot und der Absperrungspolitit der Nachfolgestaaten sicher schien, zum großen Teil bedingt durch die Niedrighaltung der Wohnungs­mieten; aber das gilt für die gesamte Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft Deutschösterreichs, und darum ist diese Mieten­frage eine Eristenzfrage des Staates.

Abschluß einer Reichsanleihe.

500 Millionen zu 5 Prozent.

Heute mittag hat der geschäftsführende Reichsfinanzminister Dr. Reinhof mit einem Bantenfonsortium die Aufnahme einer Reichsanleihe von 500 Millionen Reichsmart ju 5 Bro bei einem Auflegungsturs Don 92 feft abge fchloffen, und zwar 200 Millionen freihändig mit neumonatiger Eperrperpflichtung, während 300 millionen von dem Banten fonfortium feft übernommen worden sind.

Zu diesem Anleiheabschluß wird erläuternd von zu ständi ger Stelle mitgeteilt: Di: Tatsache, daß die Banken den ganzen

Neue Instruktionen für General Pawels. Bährend die Pariser Bresse den Stand der Berhandlungen über die„ Reftpunfte" als gün ft ig bezeichnet, scheint, wie aus einer Meldung der Ill. hervorgeht, boch eine durch neue Schwierigkeiten hervorgerufene Pause eingetreten zu sein. Nach dieser TU.- Meldung ist der Oberst Micheles vom Reichswehrminifterum mit neuen 3nstruktionen für General v. Bawels nach Baris gefahren, wo er zugleich als Sachverständiger für die Frage der Oft feftungen gehört werden soll.

Die TU. führt diese Wendung auf den Einfluß michtiger polnischer Instanzen zurüd, die bestrebt seien, die aussichtsreichen Verhandlungen in letzter Stunde noch zu erschiveren.

De Justh einstimmig schuldig gesprochen.

24 Tage Gefängnis und Landesverweisung. Genf  , 25. Jamuar.( BTB.) Das Urteil im Brozeß man de Justh wird heute nachmittag gefällt werden. Aus den am Dienstag abgehaltenen Beratungen der Kriminalfammer, ble aus brei Bundes richtern besteht, geht hervor, daß Iman de Jufth zu 24 Tagen Gefängnis, verbüßt durch die Untersuchungshaft, 500 Franken Geldstrafe und 10 Jahren Landesverweisung jomie zu den Kosten des Prozesses verurteilt werden wird.( Conradi, der Mörder Borowitys murde einst glatt freigesprochen! Red. d. 3.")

Die ganze Macht der ungarischen Verwaltung, die Stuhl­richter, die Gendarmerie, das Militär, die Erwachenden Ungarn  " und die Geheimverbände wurden mobilisiert, das Geld des jüdischen Kapitals, die Drohungen der Fabrikherren und der Amtsleiter, der mörderische Giftstrom des Alkohols der auf Staatskosten ausschenkenden Wirtshäuser, dies alles ist aufmarschiert gegen eine Wählerschaft des 3ensus­mahlrechts und der offenen Abstimmung. Das Biel   war: ein unbedingt gefügiges Werkzeug für die Pläne Bethlens zu schaffen. Das Werkzeug heißt nun ungarischer Reichstag, bestehend aus zwei Rammern, in denen insgesamt vierzehn Sozialdemokraten und beinahe fein einziger„ fleiner Landwirt" der einst so mächtigen Partei Size bekamen. Die Bauern wurden planmäßig vernichtet. Des­halb sieht man bei der Eröffnung unter den 245 Abgeordneten insgesamt vielleicht sechs, unter den 260 Magnaten insgesamt fage und schreibe einen einzigen Paradebauern, entsandt in die Ständevertretung"( wie Bethlen das Magnatenhaus bezeichnet) nicht durch seine Standesgenossen, sondern durch die Landwirtschaftskammer der Großgrund­befizer und der Gentry  . Die 850 000 Kleinbauern, die zwei Drittel des Landes befizen, durften keinen ein­zigen Vertreter ins Oberhaus wählen, ins Abge­ordnetenhaus fonnten fie insgesamt sechs Bauern entienden! Dagegen entsandten die tausend Leute, die ein Drittel des Landes in ihren Händen haben, ins Magnatenhaus eiwa 250, ins Abgeordnetenhaus 222 oder noch mehr Bertreter!