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Abendausgabe

fr. 101 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 50

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in der Morgenausgabe angegeben Rebattion: Sm. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-292 Eel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

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10 Pfennig

Dienstag

1. März 1927

Vorwärts=

Berliner Volksblatt

Berlag und Angetgenabteilung: Gefchäftszett 8 bis 5 Uhr Derleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   Sm. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Westarp- Partei der Kaisertreuen.

Konservative Kampfansage gegen Deutschnationale und Rechtsregierung.

In dem Organ des Führers der Deutsch   natio-| nationalen, Grafen West ar p, nämlich in der Kreuz­Beitung", finden wir heute früh eine Entschließung ab­gedruckt, die der weitere Vorstand der Deutsch fonservativen Partei unter Borsiz des Grafen Seidlig Sandrczk ,, nach eingehender Aussprache e in­mütig gefaßt hat:

Wir konservativen stehen

in unbeirrbarer Treue zum monarchischen Gedanken und zum angestammten Herrscherhause. Wir bekennen den Willen zur Befreiung und zu einer Außenpolitit, die durch Würde sich Ach­fung gewinnt.

Ministersite willen sich zum Schutz der republikani­fchen Verfassung und ihrer Symbole verpflichtet, also einen Kotau vor dem stärteren republitant. schen Gedanken vollzogen haben.

Sie ist eine Kampfansage sowohl gegen die Deutschnatio­nalen, wie gegen die durch die Mary- Regierung offiziell ver­tretene Politik, die auf die von den Deutschnationalen ge­schluckten Richtlinien" aufgebaut ist.

Die Deutschkonservativen sind zwar versteinerte Ueberbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Aber sie sind gleichzeitig als Sondergruppe ein Teil der Deutsch­ nationalen   Partei!

Ihr offizieller Führer war bis vor kurzem der Graf Die Deutschkonservative Partei   hat sich bei ihrer selbst- estar p, der Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kreuz­ofen Mitarbeit in der Deutschnationalen Boltspartei Beitung" und der Deutschnationalen Partei ist! Einer der volle Selbständigkeit ausdrücklich gewahrt. Sie fordert die fonfervativen Kreife, aus denen in diesen Tagen ständigen Mitarbeiter desselben Blattes, in dem der Kampf­ruf der Konservativen erscheint.

zahlreiche dankenswerte Kundgebungen eingegangen sind, auf, im Hauptverein der Deutschtonfervativen in Berlin   und feinen Zweigvereinen in den Provinzen das machtmittel zu

fchaffen, um bei kommenden Wahlen unsere Forderungen

zur Geltung zu bringen.

Die Stunde verlangt nach tonservativen Kräften; sie soll

uns wachjam finden und bereit.

Unverändert wie unsere Ideale und Grundfähe bleibt unfere

Parole:

Mit Gott für König und Vaterland! Mit Goft für Kaiser und Reich! Diese Erklärung ist ein offenes Pronunziamento gegen die monarchistischen Deutschnationalen, die um der

Vorbereitungen für Genf  .

Hochbetrieb in San Remo.

Der Reichsaußenminister Stresemann reist am Donnerstag von San Remo sofort nach Genf   zur Tagung des Bölkerbundsrats. Vorher dürfte ihm der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes v. Schubert in seinem jetzigen Aufenthaltsort Bericht über die außenpolitischen Vorgänge der letzten Zeit erstatten. Auch Briand   und Cham  berlain werden nach den in Berlin   vorliegenden Mitteilun­gen in Genf   erwartet.

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Der deutsche   Botschafter in Paris   v. Hoesch wird heute mit dem französischen   Außenminister Briand   eine Be­sprechung haben. Der deutsche Botschafter in Rom   v. Ne u= rath erstattete dem Reichsaußenminister am Montag Bericht über die wirtschaftlichen Verhandlungen der Großindustriellen Thyssen und Bögeler in Rom  . Beide Industrielle wurden inzwischen sowohl vom Papst wie von Mussolin: emp­fangen.

Wird die Rheinlandfrage in Genf   besprochen? Paris  , 1. März.( WTB.) Populaire" schreibt unter Hinweis auf die voraussichtliche Begegnung der Minister des Aeußeren von Deutschland  , Frankreich   und Großbritannien   in Genf  : Briand   hat gar feinen Grund, den Rat derer zu befolgen, die nicht wollen, daß der Minister des Aeußern Frankreichs unter den gegen­wärtigen Umständen eine Diskussion mit seinem deutschen   Kollegen über die Rheinlandfrage und die damit zusammenhängenden Probleme beginnt, sei ez auch nur, um zu erfahren, ob die Reichs: regierung, wie man in gewissen politischen Kreifen behauptet, die Absicht hat, neue Vorschläge zu machen, da die in Thoiry unterbreiteten feine praktischen Folgen gehabt haben.

Das Befinden Löbes.

Das Allgemeinbefinden des Reichstagspräsidenten 25 be war auch heute früh ausgezeichnet. Auch der objektive ärztliche Befund war in jeder Hinsicht zufriedenstellend.

Regierungsbildung in Thüringen  . Linkskoalition gescheitert.- Beauftragung des Land­bundes?

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Die Deutschkonservativen fündigen offen den Zellen bau im deutschnationalen Lager an!.

rungspartei, wie steht Graf Westarp   zu der Proklamation der Breisfrage: Wie steht der Führer der stärksten Regie Konservativen, deren Führer er war, deren Mitglied er

heute noch ist?

Bürgerblodregierung zu dem Bekenntnis feiner fonservativen Was sagt er als Lenker der Deutschnationalen und der Freunde?

Das rote Bengalen".

Indiens   Franzosen  .

Bon Franz Josef Furtwängler  .

Kalfuffa, im Januar. Mehr noch als Architektonik und Straßenleben der Stadt Raltutta interessiert uns Art und Gliederung des Volkstums. Auch in dieser Hinsicht zeichnet sich Kaltutta und die ganze Provinz Bengalen   mit ihren 47 Millionen Einwohnert von den bisher von uns besuchten Provinzen aus. Die schon Jahr­hunderte vor der britischen Eroberung schwer bedrückte Volks­schicht der ,, ll nberührbaren"( untouchables), die in den südlichen und zentralen Provinzen viele Millionen Menschen zählt, ist in Bengalen   taum vertreten. Als Element der sozialen Frage existiert sie gar nicht. Die Folgen dieses Umstandes find so schwerwiegend, daß noch an mancher Stelle manches darüber zu sagen sein wird. In denjenigen Landes­teilen, wo die Unberührbarkeit herrscht, ist diese sozial wie national das erste, fast alle Stoßkraft und Aktivität im öffentlichen Leben aufsaugende Problem, einem Mauerwert oder Drahthindernis gleichend, ohne dessen Zerstörung fein Vormarsch möglich ist ist erst dies Bollwert über­stiegen..." Jeder, der die Schriften des Mahatma Gandhi  gelesen hat, weiß, wieviel von seinem auch heute bestehenden feit setzt. Die Bengalen dagegen haben ihre Kräfte frei für Einfluß dieser Apostel an die Abschaffung der Unberührbar­ein fortgeschritteneres, ein positives Stadium des natio= nalen und sozialen Befreiungstampfes- tionen gegenüber den osteuropäischen Völkern mit feudaler eine Vorzugsstellung, derjenigen der westeuropäischen Na­Herrschaftsform vergleichbar.

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Und noch mehr: Was sagen 3entrum und Bolts­partei zu den Blockgenossen, die die Republik   beschwören Ich nannte die Bengalen oft die Franzosen von und den Kampf für König und Kaiser innerhalb der Regie- Indien und habe mit dieser vielfältig belegbaren Parallele rungsparteien organisieren lassen? bei Indern meist Zustimmung gefunden. ach Rabindra­ nath Tagore  , in dessen Heim wir kürzlich zu Besuch maren, bestätigte uns, daß die Wellen der Ruhlosigkeit, und Unzufriedenheit, die in Kriegs- und Nachkriegszeit von Eu­ ropa   ausgingen, sehr mächtig an die Ufer feiner Heimat prallen. Der Bengale ist vor allen indischen Stämmen und Bölkern geistig beweglich, hat Phantafie, einen ausgeprägten Sinn für Humor und Ironie und sogar den( nach Goethe unübersehbaren) ,, esprit  ". Politisch ist er aktiv und reizbar wie faum ein anderer Inder.

geben. Der Präsident des Landtags dürfte daraufhin nach dem Beschlusse des Aeltestenrates dem Bertreter der zweitſtärksten Fraktion, des Land bundes, den Auftrag zur Regierungsbildung

erteilen.

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Neues Aufwertungs- Volksbegehren. Antrag an den Reichsinnenminister.

Die Aufwertungsorganisationen haben einen neuen Antrag an das Reichsinnenministerium gestellt, ein Boltsbegehren über ihren Gesezentwurf Wiederherstellung des Volksvermögens" zu zulassen. Damit steht Herr von Reubell   und mit ihm das Kabinett des Bürgerblocks vor der Entscheidung, die einst Herrn Külz er­hebliche Kopfschmerzen gemacht hat.

Herr von Reudell ist deutschnational. Die Auswertungs­organisationen werden an das Wort des Herrn Hergt denken, daß die Deutschnationalen am Tage nach ihrem Regierungseintritt ein neues Aufwertungsgesez vorlegen würden.

Poincarés Schritte in der Schuldenfrage. Proteft der Sozialisten.- Coolidge einverstanden. Infolge des Widerstandes der Sozialisten wie auch des Natio­nalen Blocks gegen die Ratifizierung der beiden Schulden. abtommen mit Amerika   und England wagt die französische   Re­gierung nicht, die betreffenden Gefeßentwürfe im Barlament ein­zubringen. Andererseits ist dieser Zustand der Passivität gegenüber grundsäglich vereinbarten Schuldenregelungen außenpolitisch für Frankreich   auf die Dauer unhaltbar. Aus diesem Grunde hat Poincaré   auf eigene Fauft der englischen   und amerikanischen  Regierung Borschläge übermittelt, die dahingehen, wenigftens pro­visorisch mit den in den beiden Abkommen vorgesehenen Raten zahlungen zu beginnen.

Gegen dieses eigenmächtige Borgehen des Ministerpräsidenten haben die französischen   Sozialisten auf die Initiative des Genoffen Bincent Auriol schärfste Berwahrung beim Vorsitzenden der Finanzkommission Malon eingelegt. Poincaré   sah sich genötigt, Maloy zu versichern, daß sem Schritt einen rein provisorischen Cha­rafter trage und in feiner Weise die Rechte des Parlaments beein­trächtige, die in ihrer Entscheidung über die endgültige Gestaltung der Schuldenfrage völlig frei bleibe. Inzwischen hat Coolidge  erflärt, daß die Washingtoner Regierung den Vorschleg Poincarés einer provisorischen Erfüllung des Abkommens Mellon- Beranger atzeptiere.

Schlagwetterexplosion.

Jena  , 1. März.( Eigener Drahtbericht.) Als Ergebnis der gestern abend abgeschlossenen Berhandlungen des Genossen Brill mit den Fraktionen der Linken über die Regierungsildung fann festgestellt merden, daß die Demokraten jede Beteiligung oder Mitwirkung an einer von den Kommunisten unterstützten sozialdemokratischen Min­derheitsregierung oder an einer sonstwie gearteten Lintsregie rung ablehnen. Sie erklären, daß sie eine Regierung der Mitte wünschen. Die Kommunisten erklärten sich zwar bereit, eine sozialistische Minderheitsregierung zu unterstüßen, ließen die Frage aber offen, ob sie einer Regierung aus SBD. und republifa­nischen Persönlichkeiten folgen fönnten. Die Unterstügung einer Koalition von SPD.   und Demokraten lehnten sie ab. Auf Grund der einander ausschließenden Erklärungen der KPD  . und der Demo fraten entfällt die Möglichkeit, die bisher zahlenmäßig als Sieger aus dem Wahlkampf hervorgegangenen Oppositionsparteien zu einer Regierungsbildung heranzuziehen. Der Genoffe Brill von der SBD. wird daher heute den Auftrag als erledigt zurüc.| Krankenhäusern in Hamm   zugeführt.

13 Mann auf Zeche de Wendel schwer verletzt. Hamm  , 1. März.( WTB.) Auf der Zeche de Wendel bei Hamm   hat sich heute vormi.fag 10 Uhr bei Abdämmungsarbeiten bei einem Grubenbrand, der am 24. Februar ausgebrochen war, eine schwere Schlagwetteregplofion ereignet, bei der 3 wolf Beamte und ein Arbeiter teils schwer verleht wurden. Der Explosion um 10 Uhr war eine leichtere um 8 Uhr vor­ausgegangen, durch die zwei Arbeiter durch Steinfall ver­letzt wurden.

Die 3 ahl der Schwerverlehten tonnte mit Sicherheit noch nicht festgestellt werden. Die Verletzten wurden den

Der bengalische Bauer sitzt auf seinen zwei Acres Land, einem gartenähnlichen Grundstückchen, dem er schlecht und recht die Notwendigkeiten seiner Eristenz abringt. Der Boden lichkeit des Ertrages immerhin das Rifito der Hungersnot hier ich fruchtbar, der Regen reichlich, so daß bei aller Kärg­fehlt. Und um ihn vor Ueberfluß und Wohlergehen zu be­wahren, teilen die Regierung und der Zamindar, der indische Grundherr, sich in das, was sich von dem Ertrag seines be­acerten Gartenbeetes noch irgendwie wegholen läßt.

Hier in der Stadt dagegen ist der Bengale vornehmlich Geschäftsmann, Bank- und Handelsangestellter. Bon den manuellen Berufen besett er vor allem die qualifizierten. Ansässige Engländer versicherten uns, daß der bengalische Mechaniker und Elektriker mit jedem weißen Kollegen den Wettbewerb aufnehmen könne. Die verschiedenen hundert­tausend Lohnarbeiter der Textilindustrie, meist ungelernt und schlecht entlohnt, kommen dagegen in der großen Mehrzahl von außerhalb, aus Provinzen, wo Land­not und Hungersnot große Massen ins Industrieproletariat treiben. Bekannt ist ferner, daß das gelobte Land der Ganges­mündung der Menschheit mehr Juristen beschert als irgendeine andere Gegend Indiens  . Diese wiederum nähren und organisieren die politischen Instinkte des Volkes. Nir­gends fanden wir bisher in Indien   eine solche bis in breite und tiefe Schichten der Bevölkerung reichende Vertrautheit mit politischen Tagesfragen wie hier; nirgends sonst in diesem Lande wäre es möglich, daß Schreiber und Hotelportiers sich über Briand  , Chamberlain und Stresemann unterhalten. Dem Engländer gilt der Bengale als auf­fäffig", weil er der erste war, der auf den gräßlichen Ge­danken fam, daß ein Bolt, welches soviel Medaillen und Viktoriakreuze aus dem großen Krieg heimbrachte wie die Inder, sich eigentlich nicht vom Bürgersteig jagen zu lassen brauche, wenn einer von der weißen Herrenkaste sich nähert.

Die hiesige Kriminalpolizei ist, wie jeder Blick in die Zeitung lehrt, wohl die geschäftigste der Welt. Was Metternich als Demagogen verfolgte, heißt hier ,, Agitatoren", und das Wort vom roten Bengalen" ist hier ein landläufiger Ausdruck. Duzende fähiger und ehrlicher Poli­tifer ſizen- zum Teil seit Jahren in der Schutzhaft" auf Grund einer vom Vizekönig nach Ablehnung durch das Parlament eigenmächtig in Kraft gesetzten Berordnung, wo­nach politisch unliebsame Personen ohne gerichtliche Verhand­lung für die Dauer von 6 Monaten" in Haft gehalten wer­den fönnen. Nach Ablauf dieser 6 Monate erhalten die Sträflinge die einfache Mitteilung: Ihre Haft ist auf ein weiteres Halbjahr verlängert." Der prominenteste unter den Häftlingen, der auf diese Weise nun schon zweieinhalb Jahre in Birma   siht, ist der noch junge Subhash Chandra Bose  , ein Brahmane aus reicher Familie, der eher als Linksliberaler denn als Terrorist oder Kommunist bezeichnet werden kann und sich lediglich durch sein Eintreten fürs Bolt, seinem großen Einfluß und einige Versuche zur Organisie­rung wichtiger Arbeitergruppen verdächtig machte.