schreckender Deutlichkeit den Sumpf aufgezeigt, der durch die Reichswehrleitung in Form der„Arbeitskom- mandos", der„Schwarzen Reichswehr " künstlich geschaffen worden ist. Der Hauptmann Keiner, der an der Organisation der„Schwarzen" hervorragend beteiligt war, hat vor Bericht in einem unvorsichtigen Augenblick offen ausgesprochen, daß zur Verhinderung des Verrats„jedes Mittel r e ch t" gewesen sei. Zwar hat er dann auf Vorhalt hinzugepg'. er habe jedes„gesetzliche" Mittel gemeint, aber da er vorher bekundet hatte, gesetzliche Zwangsmittel gegen die„Zivil- Arbeiter" in Militärausrüstung hätten nicht bestanden, so liegt es nahe, welchen Wert diese Beschränkung aus„gesetz- liche Mittel" tatsächlich hatte. Das ist das Schlimmste an dem ganzen, jetzt aufgedeckren und hoffentlich bald ganz trockengelegten Sumpf: Die osfi- zielle Reichswehrleitung hat mit den Mitteln des Reichs und mit feiner Autorität ein geradezu frevelhaftes Spiel getrieben. Sie hat, was sie mit eiserner Stirn jähre- lang bestritten hatte, ein ganzes Heer geheim auf- gestellt, diese Mannschaften dieser geheimen Armee fälschlicherweise als Zivilarbeiter bezeichnet, ihnen aber weder soziale Versicherung noch sonstige Rechtsansprüche gewährt, die aus einem Arbeitsverhältnis sich er- geben. Dafür waren sie aber schwer bewaffnet, mit Reichswehruniform versehen und in militärische Dressur genommen. Die Akten über die„Arbeitskomucandos" find vernichtet. Onsolgedessen hat die Reichswehr gegen solche..Zivilarbeiter", die bei ihrer„militärischen Arbeit" zu Schaden gekommen waren und daraus Versorgungsansprüche herleite- ten, den Einwand erhoben, daß diese„Zivilarbeiter" nicht von der Reichswehr beschäftigt worden seien und infolgedessen auch keinerlei Ansprüche gegen sie geltend machen könnten. Da aber diese„schwarzen" Soldaten weder bei einer Kranken- käste noch bei einer Berufsgenossenschait versichert waren, so sind sie trotz ihrer„nationalen" Absichten direkt um ihr Recbt betrogen worden. Die Errichtung der Geheimarmee und die Behandlung dieser„zivilen" Soldaten verstoßen dermaßen gegen die Gesetze von Treu und Glauben, gegen die gering- sten Anforderungen an politische und bürgerliche Moral, daß die Reichsregierung, nachdem sie selbst vollkommene Be- reinigung in Aussicht gestellt hat, es ihrer eigenen Glaub- Würdigkeit schuldet, alle Dienststellenleiter, die an der Errichtung und Verwaltung der Schwarzen Reichswehr be- tsiligt waren, schimpflich aus dem Heeresverbande auszu- stoßen. Solange das nicht geschehen ist, wird man zukünf- tigen Versicherungen der Reichswehrleitung nur noch mit dem tiefsten Mißtrauen begegnen können. Der Versuch der Verteidigung, auch die preußische Regierung in diesen Sumpf hineinzuziehen, ist schmählich mißglückt. Es hat sich vielmehr aufs klarste gezeigt, daß in jenen kritischen Monaten des Jahres 1923 die preußische Regierung, besonders das preußische Innenministerium und die preußische Polizei, den zuverlässig st enSchutzder Republik bot, während die„n a t i o n a l k o m m u n i st i- s ch e n H a u f e n" der Reichswehr die schwerste politische und sittliche Bedrohung des Reiches darstellten. Diese Fest- ftellung ist ein wesentlicher Gewinn aus der an sich so unerfreulichen Behandlung der Fememordkomplexe.
Preußischer Lanütag. Grundvermögensstener.— Beginn der Etatsdebaite. Zu Beginn der heutigen Sitzung beantragten die Kommu- nisten zur Geschäftsordnung, ihre große Anfrage über die näheren Umstände der Entlassung des früheren Landrates und jetzigen Innenministers v. Keudell noch dem Kapp-Putsch auf die To. gesordnungi zu setzen und mit der Bffprechung des Etats des Innenministeriums zu verbinden. Es wird so beschlossen. Das Haus tritt in die Tagesordnung ein. In der ersten Bera
tung des Grundvermögens st euergesetzcs sprechen die Abgg. Hecken(Dnot.) und Graf S t o l l b e r g(D. Vp.) sowie der Finanzminister. Der Entwurf wird dem chauptousschuß überwiesen. In der nun folgenden Beratung des Etats des Innen- Ministeriums ergriff zunächst als Berichterstatter Abg. Jürgen- s e n(Soz.) das Wort. Bei Schluß der Redaktion erhält der Innen. minister Grezesinfkl das Wort, über dessen Rede wir morgen berich- ten werden.
Eine tzetze zusammengebrochen. Genosse Landrat Knodt freigesprochen. Zkordhausen, 23. März.(Eigener Drahtbericht.) Gestern abend kam die Berufungsverhandlung gegen den Genossen Landrat Knodt. der des Vergehens gegen Z 26S StGB, angeklagt war, zum Abschluß. Die Berusungskammer fällte folgendes Urteil: „Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird verworfen. Der Berufung der Angeklagten wird stattgegeben. Sie werden freigesprochen." Die Kosten des Verfahrens trögt die Staatskasse." In der Begründung wurde ausgeführt: Der§ 266 Abs. 2 konnte auf die Angeklagten keine Anwendung finden, da ihnen das Bewußtsein sehlle, daß eine Schädigung der Kasse eintreten konnte. Außerdem fehlte ihnen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen. Mit diesem Urteil ist der Hetzfeldzug der Rechtspresse gegen den sozialdemokratischen Landrat und seinem sozialdemokratischen Stell- Vertreter kläglich zusammengebrochen. In der ersten Instanz war Knodt zu einer Geldstraf« von 1266 M. verurteilt worden.
dobring unü seine Opfer. Matrose Weber vor dem Untersuchungsausschuß. Der Untersuchungsausschuß des Reichstages vernahm heute noch einen der aus Anlaß der Matrosenunruhen im Jahre 1917 zum Tode verurteilten Matrosen, der nachher zu Zuchthaus begnadigt wurde, den damaligen Matrosen Weber, heute Kraftfahrer in Rheine in Westfalem Weber schildert in schlichter, aber überaus eindringlicher Form die damaligen Vorgänge auf der Flotte. Seine Darstellung deck« sich im allgemeinen mit dem, was gestern Beckers ausgesagt hat. Weber war seit Ende Dezember 1912 auf dem Panzerkreuzer„Friedrich der Große ". Er stellt es ganz entschieden in Abrede, daß eine bestimmte Organisation unter den Matrosen bestanden habe, die sich den ge- waltsamen Umsturz zum Ziele gesetzt habe. Die Bewegung habe sich ganz allmählich entwickelt. Sie ging hervor aus der U n z u- friedenheit der Mannschaften über die BeHand- lung durch die Borgesetzten und über den Unter- schied in der Verpflegung zwischen Offizieren und Mann- schaftcn. Weber stellte es entschieden in Abrede, daß nach der Aus» fassung des Heizers S a ch eine geschlossene Organisation be- standen habe. Das mag sich Sachs« wohl nachträglich so vorgestellt haben, der sehr gerne große Theorien entwickelte und sich selbst einen großen Einfluß zuschrieb, der in Wirklichkeit gar nicht bestand. Die Rede, die der damals zum Kriegsdienst einberufene Redakteur H e r r e in Wilhelmshaven gehalten hat, enthielt nur eilt« Darstellung der ollgemeinen politischen Verhältnisse. H e r r c habe aber ausdrücklich vor der Anwendung jeglicher Gewalt ge- warnt. Wenn die Kriegsgerichte später versucht haben, gerade diese Rede von H e r r e als Ausgangspunkt einer angeblichen reoolu- tionären Bewegung zu bezeichnen, so müsse man doch sagen, daß gerade das Gegenteil richtig war. Herre habe durch seine Dar- lcgungen erreicht, daß gerade diejenigen von Dummheiten abge- holten worden sind, die etwa die Absicht gehabt haben sollten, Ge- waltakte zu unternehmen. Außerordenlich belastend waren die Mitteilungen, die Weber über das Verhallen de» damaligen Kriegsgerichtsrats Dr. Dobring macht«. Als Weber Dr. Dobring in Celle fragte, wie er es nur fertig bringen konnte, zwei Menschen erschießen z» lassen, die doch nichts anderes gesogt und getan hätten, als was alle Mannschaften damals sagten und taten, erklärte ihm Dr. Dobring: Zch wäre imstande, diese Leute mik der größten Ruhe noch einmal erschießen zu lassen!
Der Zeuge erklärt« dann bei dkr Erwähnung des Münchener D o l ch st o ß p r o z e s s e s, er sei von einer furchtboren Erregung befallen worden, als er von dem Auftreten Dobrings los: Ich be- greise nicht, daß ein solcher Mann noch das Gesicht eines Menschen tragen kann.(Bewegung im Ausschuß.) Der Zeuge bemühte sich immer wieder, dem Ausschuß klarzumachen, daß die Bewegung bei der deutschen Flotte im Jahre 1917 nur aus der damals herrschenden Stimmung erklärt werden könne und nicht durch die Berufung aus Akten, die von den Kriegsgerichtsröten ausgenommen worden sind. Die Verhafteten hätten dainols unter einem schweren Druck gestanden, sie seien, besonders von Dobring in suggc- stiver Weise zu Aussagen gezwungen worden, die mit den Tatsachen nicht übereinstimmen. Infolgedessen könne man sich heute nicht mehr auf diese Akten berufen, es steh« eine Menge kcnfuses Zeug darin. Die weitere Vernehmung des Zeugen wird auf Freitag vertagt.
Süüslawien frieüensbereit! Italiens Autwort steht aus. Paris , 23. März.(Eigener Drohtbericht.) Aus den gestrigen Er- klärungen Briands in der Kammer schließen die Blätter in ziemlicher Ucbereinstimmung, daß der italienisch-jugoslawische Konflikt einer friedlichen Lösung entgegengeht. Die Blätter betonen, daß das Hauptverdien st dafür ausschließlich der Belgrader Re- eierung zukomme, die die Tür zu einem Vergleich geöffnet hat, in- dem sie vorschlug, eine internationale Kontrollkommission nach den jugoslawischen Grenzen zu entsenden, um die Haltlosigkeit der ita- lienischen Rüstungsbeschuldigungen nachzuprüfen. Man verzeichnet nnt Beunruhigung, daß die römische Regierung in Rom bisher noch nicht offiziell mitgeteilt hat, ob sie diesen jugoslawi- schen Vorschlag annimmt. Die Blätter sehen nicht ein, welche ernst. lichen Gründe die Regierung Mussolinis vorbringen könnte, um diese jugoslawische Initiative abzulehnen. Der jugoslawische Gesandte hat Briand gegenüber betont, daß der Belgrader Vorschlag eine Gelegenheit gebe, die Gesamtheit des albanischen Problems gründlich zu prüfen. Es wäre zu g e f ä h r- l i ch, wenn weiterhin der Vertrag von Tirana Italien bei jeder Gelegenheit, bei welcher der gegenwärtige albanische Präsident seine Stellung bedroht sähe, ein Eingreifen zur Garantierung seiner Herrschaft erlauben würde. Di« Blätter unterstützen diese jugoslawische Initiative auf Liquidierung des ganzen albanischen Pro- blems. Der„Oeuvre" weist daraus hin. daß das Prinzip des N i ch t e i n m i s ch e n s in die inneren Angelegenheiten Albaniens das Ziel sein müsse, das durch direkte Verhandlungen zwischen Ro», und Belgrad zu erreichen sei, wenn die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens sich darum bemühten. Es werde natürlich nicht gelingen, Mussolini zur Annahme dieses Prinzips zu zwingen, so lange er Albanien und den ganzen Balkon für eine italie- nische Kolonie häll. Aber mindestens Hab« man die Gelegen- heit gehabt, festzustellen, wo di-Ruhe störer sich be- s i n de n. Südslawien für BölkerbundSuntersuchung, ohne sie zu beantrage«. Belgrad , 22. März.(MTB.) Außenminister P« ritsch sagte den Pressevertretern: In dem Augenblick, als schwere vor der Oeffentlichkeit erhobene Anklagen behaupteten, daß unser Staat sich zu einem bewaffneten Zusammenstoß mit Albanien vorbereite, habe ich im Parlament erklärt, daß wir bereit sind, eine Untersuchung durch die ganze Welt anzunehmen. Wir sind stets bereit, einzuwi'ch- gen, daß der Bö l kerb und als das zuständige Organ ein« Unter. suchung ai, unserer Grenze und in Albanien anordnet und die Alt- gelegenheit in seine Hände nimmt, die eine Gefahrenquelle ist, wenn er der Ansicht ist, daß der Frieden gefährdet und eine Untersuchung notwendig ist._
v. JHcincl gestorben. In der Nacht zum Mittwoch ist im Alter von 62 Iahren der frühere bayerische Handelsminister von Meinei grsiorben. Politisch nicht dircll gebunden, war er von altersher ein Anhänger des Liberalismus und stand zulegt der Deutschen Volks- Partei nahe. Weiteren Kreisen wurde er bekannt als Mitarbeit:r Rathenaus auf der Konferenz von Genua . Uever seine Rachsokge ist zwischen Dentschnationolen und Zentrum ein Streit entbrannt.
Ein Märchen auf öer Sühne. Das neue Stück„Mannequins" von Jacques Bous- yuet und Henri Falk, dos die Komödie gestern heraus- brachte, hat den Untertitel„Ein Traumspiel". Was hat, so fragt sich der vorsichtige Theatergast bedenklich, das flatterige Wesen von Mannequins mit dem literarisch beschwerten Begriff eines Traum- fpiels zu tun? Aufatmend stellt er gleich beim Aufgehen des Bor- Hanges fest, daß einem«ine lose, lockere, schwontartige Operette auf» getischt werden wird.„Mannequins " hat zwei Vorspiele und drei Akte. Im ersten Vorspiel entschuldigen sich die Dichter durch den Mund von Dornröschen und Pygmalion, daß sie in der heutigen hastenden und höchst wirklichen Zeit es wagen, uns mit einem Mär- chen vor die Augen zu treten. Es handele sich ober in diesem Märchenspiel um die Liebe, und die Liebe bleibt ja immer modern. Dann beginnt«in ganz entzückendes, leichtbeschwingtes, anspruchsloses, auf Kindergemül und Philosophenhirn wirkendes Spiel, das den Zu- schauer in eine fröhliche, vom Alltag lösende Stimmung bringt. Wir werden in das Handschuhlager eines modernen Warenhauses geführt, wo der römantisch empfindende Verkäufer Alsied beim Be- dienen feiner schönen Kundinnen von einem einstigen besseren mon- dänen Leben träumt. Sein« blühende Phantasie läßt ihn die Schaufensterpuppen belebt erscheinen. Er bewegt sich unter ihnen wie zugehörig zu der großen Welt, die das Schaufenster vorstellen soll. Und siehe da, die steifen Puppen erwachen plötzlich zum Leben, auch die schöne Gri-Gri, die der romantische Verkäufer anbetet. Wie die lebendigen Modefiguren das Leben von ihrem Standpunkt auf- fassen, das ist von den Autoren reizend und mit dichterischer Phantasie gemacht. Es fällt manch freies Wort(da es sich ja um die Liebe handelt, deren Betätigung bisher den Puppen nicht bekannt gewesen ist). Sie sind erstaunt, daß der Hund, der ebenfalls lebendig ge- worden ist, scheinbar„mit Flüssigkeit gefüllt" ist. Sie wundern sich über das Küssen und fragen, ob Alfred dies sonderbare Verfahren etwa selbst erfunden habe. Mit Andacht sprechen sie von dem Royonchef, den sie für den lieben Gott halten, weil er ihr Schicksal ist. Aus einem Baron kann er mit«mcr Geste einen Küchen- •ungen machen, wenn es ihm so gefällt. Das kleine Märchenspiel ist von einer leichten, bezaubernden Musik von I o s e f S z u l c, mit prickelnden und sprühenden Me- lodien untermalt, die M i s ch a S t o l i a n s k y für ein dezentes Orchester von nur drei Personen eingerichtet hat. Die eingestreuten Couplets werdsn dem Parkett nicht gewaltsam offeriert, sondern fügen sich natürlich und selbstverständlich der Handlung ein. Dos Märchenspiel ist übrigens in Versen geschrieben, für die dem Ueber- tetzer H am s Adler besondere Anerkennung gezollt werden muß. Forst er Lorrinoga sorgt für eine forsche und dabei die vorhandene Märchenstimmung erhaltende Inszenierung, bei der ein hauchzarter und doch charmanter Ton vorherrscht. Man müßt«, um den Darstellern den Dank für einen ganz gelungenen Abend abzu- stalten, den ganzen Thcaierzettel abschreiben. Hier könncn wir nur die Hauptvertreter herausgreifen, den romantisch-bescheidencn Harald Paulsen , den spriih'end-lustigen Hans W a ß ni a n n, den derb-komischen Julius Falken st ein und die frische reiz- volle Charlotte Ander . Ernst Degnxr.
Kinö und Kunst. Ausstellung der Staatlichen Kunstschule. Seit Pestalozzi ersehnen Menschen- und Kindersreund« die Schule, die dos Kind aus sich heraus erzieht. Schulzwang— durch Eltern oder Staat— soll zu einer unverstandenen Vokabel werden. Schulzwang, aus Liebe zur Schule, soll im Kinde leben. Wir haben, noch vielen schlimmen Abirrungen seit dem Tode des großen Päda- gogen, uns endlich in die Mühe dieses rechten Weges zurechtge- funden. Es gibt Gemeinschaftsschulen, in denen die Kinderherzen wirklich grünen und blühen dürfen, ober es gibt noch immer viel, viel mehr Kinderherzcn, die trockene, ungesunde Schulluft zusammen- preßt und austrocknet, so daß nach Ablauf der staatlich vorgesehenen sieben Jahre nur ein kleiner Teil dieser mißhandelten Herzen über- Haupt noch lebensfähig ist. Daran mußte ich denken, als ich durch die Kinderklassen der Staatlichen Kunstschule in der Grunewald st raße ging und die Kinder und ihre Arbeiten, hauptsächlich Zeichnungen und Aquarelle, sah. Dies hier ist nämlich eine Schule, bei der das Wort Schulzwang schon im vollkommensten Sinne übersetzt ist: die Kinder kommen freiwillig. Es gibt keine Möglichkeit, sie zu zwin- gen— selbst wenn mon das tun wollte. Wer Lust zum Zeichnen, Malen, Basteln Hot, ist willkommen. Zln drei Nachmittagen der Woche, je zwei Stunden, kann er sich nach Herzenslust seinen Nei- gungen hingeben, das Material dazu wird ihm zur Verfügung ge- stellk. Meist stammen die Kinder aus Volksschulen. Schüler und Schülerlmien der höheren Lehranstalten bleiben gewöhnlich bald wieder fort, da die Schularbeiten sie zu sehr in Anspruch nehmen. Das ist wahrhoflig schade. Was sind Schularbetten gegen das, was die Kinder hier lernen lönnen! Zeichnen, malen? Das ist cigent- lieh nur ein Nebenbei. Denn es handelt sich ja keineswegs um künstlerisch besonders begabte Kinder. Jede Liebe zur Kunst, auch die unglücklichste, wird respektiert. Viel mehr als das„was", gilt hier das„wie". Die Kinder sollen zeichnen, malen, basteln, um ihre Sinne, ihr Gefühl zu entfallen. Der eine entwickelt dabei scharf« Beobachtungsgabe, der Farben-, jener Liniensinn, einer zeigt eine erstaunliche Phantasie. So gibt es wirkliche Maler, Graphiker, Dichter unler diesen Kindern, aber es gibt auch viele, die keins von allem sind. Die aus diesen Stunden nicht» anderes mitnehmen als die Ausgeglichettheit des Seindürfens, so, wie man eben sein will, sein möchte. Aber das, scheint mir, genügt auch. Aus welchen Zielen, welchen Bestrebungen heraus diese Schule entstanden ist? Aus einer einfachen Notwendigkeit, die hier zur Tugend wurde. Den Kunstschülcrn und-schülerinnen der Schule sollite Gelegenheit zu pädagogischen Uebungen gegeben werden. Da man aber die Kinder nicht zwingen kann, eine Zoichcnschule zu besuchen, so mußte man das Kind veranlassen, freiwillig zu kommen. Und sell fast dreißig Iahren kommen die Kinder freiwillig. Im Winter in Scharen, an schönen Sommertagen spärlicher. Und das nimmt ihnen gewiß kein Mensch übel. Aber die jungen Menschen, die diese Zeichenklossen leiten, lernen hier eine Pädagogik, die noch nicht an allen Seminaren gelehrt wird: die der Liebe. An der Spitze dieser glücklichen und beglückenden Lehrerschar steht als guter Geist der Schule und der Kinder der Leiter der Staatlichen Kunstschule, Pros. Philipp Frauck. Trude E, Schulz
Sackgassen und Srenzüberschreitungen. Tanzgruppe S t e i n w e g in der Komödie. Ein Unikum: Unter fechs tanzenden Damen nicht eine einzige, die«ine Spur von tänzerischer Begabung zeigte. Nichts Empfundenes, nichts Erlebtes. Alles ge- langweilt und langweilend, phantasielos, ungekonnt, dagewesen. Schwünge und Sprünge werden ausgeführt mit dem Gefühl voll- kommenster Wurstigkeit. Zuweilen dämmert ein Hoffnungsschimmer, z. B. im Anfang der„Trilogie", aus konzentrierter Bewegung und Gegenbewegung. Aber er erlischt sofort. Eine Gruppe ewig un- fertiger Schülerinnen(Wigman-Schülerinnen?) zeigt, was man sie hat lehren wollen und was sie auszunehmen und"zu verarbeiten nicht vermochte. Weil sie aus sechs hoffnungslosen Fällen besteht. — Alosberg-Schule im Scharwenka-Saal. Achtzehn Mädchen und Knaben, zwanzig Erwachsene. Gymnosttsche Uebun- gen. Kriechen, Liegen, Entspannungen, Keulenschwingen, Fuß- und Beinübungen, Hüpfen, Laufen, Springen. Eine gesundheitsfördernd« Angelegenheit. Aber es muß auch Kunst dabei sein. Das verlangt das Renommee der Schule. Also gibt es Gruppenstudien und Tänze. Soli, mit denen die Lehrerin Eleonore Alafbera dartat, daß ihr die Grundlagen tänzerischer Technik und das Verständnis für tänzerische Komposition mangeln. Und Gruppentänze derselben Qualität. Das wäre an sich gleichgültig, denn— wie gesagt— es handelt sich um Gesundheitstörderung. Aber unter den Kindern befand sich ein halb- wüchsiges Mädchen, das eine starke tänzerische Begabung offenbarte. Im gymnastischen Teil. Dies« Kleine ließ man dann einen„selbst- erdachten" Tanz produzieren, ahnungslosen, naiv-verlogenen Kitsch. der bewies, welche Verheerungen durch solchen pseudo-künsllerisch«, Unterricht angerichtet werden können. Ellern. schützt eure Kinder vor tanzwütigen Turnlehrerinnenl 2. 3. Mechthild Llchnowski las bei R e u ß und P o l l a ck aus ihr-m Werken. Zuerst eine kleine Novelle„Spaziergang im Zco" Die Geschichte einer mondänen Frau, die sehr viel Zeit und vc' mutlich nur deshalb eine sentimental-romantisch« Liebelei hat. A eine gar nicht aufregend« Angelegenheit. Aber Mechthild Lichnou. erzählt sie in ihrer feingeschliffenen, amüsanten Art. Verfolgt die Gedanken der Frau bis in alle Details, spiegelt sie Satz für«Säg. Wort für Wort. Gibt ein« nett« Mischung von Psychologie unü Persiflage. Bon dieser Vortragsstund« blieb kaum etwas haften, aber mon erachtete sie auch nicht für verloren. SpenJxtt« ehrlichen Herzens Beifall. Anschließend sprach Mechthild Lichnowski drei kleine Tierszenen. Wieder mit offenen Augen beobachtet, mit Schmiß hingestellt. Ein untiefer, doch wohlgerundeter Abend. T e s. Spinoza bleibt geächtet. Den„Rouvelles Lill�roires" zufolge halte ein Pariser Journalist anläßlich der Feier des 250. Todestages Spinozas beim Rabbiner von Amsterdam angefragt, ob der berühmte Philosoph noch immer als Ketzer angeschen werde und aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgestoßen bleib«. Das Ant- worttelegramm des Amsterdamer Rabbiners enthielt nur die vier Worte:„Bannfluch noch nicht aufgehoben."
I!e bumboldi-hochschvle veraiiilallit am 26. in der Torotbeenslr.!?, abends 8 Nhr, eine„Beethaven-Medenlseler-. Karten an der Adcndlasje 0,75 M. und 1.— W. im Hauptbnreau und in den GeschästSslellen. Ell« Beyer spricht am 2. April, abend» 8 Uhr. im K l i n d w o r t h« Scharwenka-Saal au» ArnoHolz'.Slechlchmiete" uvb DasuiS".