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Nr. 57 45. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Landbundgeschrei im Landtag.

Aber die Linke nimmt es nicht ernst.

Der Bandtag trat gestern nach furzer Bause wieder zu fammen. Außerhalb der Tagesordnung protestierte Abg. Dr. Körner( Bölt.) unter heftigen Ausfallen auf die Mehrheit des Fememord- Untersuchungsausschusses dagegen, daß nach den be­fannten Standalszenen die Bernehmung des Abg. Wulle abgelehnt wurde.

Der Gefeßentwurf über die Erweiterung des Stadttretjes Emben murde in zweiter Lesung angenommen. Hierauf begann das Haus die zweite Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung

Landwirtschaftsminister Dr. Steiger:

Die deutsche Landwirtschaft ist der wichtigste Abnehmer der beutschen Industrie. Von den Produkten der chemischen Industrie verbraucht die Landwirtschaft jährlich für eine Milliarde Mart, 800 Millionen gibt die Landwirtschaft jährlich für neue Geräte und Maschinen aus, 750 Millionen für Brennstoffe, 500 Millionen für Bauten usw. Kein Zweifel, daß ein ungeheures allgemeinwirtſchaft lides Interesse am Wohlergehen der Landwirtschaft besteht. Eine besonders schwere Schädigung für die deutsche Landwirtschaft ist die übergroße Einfuhr ausländischer Lebensmittel im Betrage von faſt 3,5 Milliarden Mart. Die Annahme, daß Deutschland   dies alles selbst erzeugen fönne, ist zwar irrig; aber Das Problem, einen möglichst großen Teil dieser Einfuhr entbehr lich zu machen, ist das Kernstück der deutschen   Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Geben wir doch für die Einfuhr von Eiern soviel aus, wie wir aus der Ausfuhr von Farben eriösen, und der Betrag unserer Apfelſineneinfuhr ist so groß, wie unsere gesamte Ausfuhr an Motoren und Dampfmaschinen.  ( hört, hört.) Das preußische Landwirtschaftsministerium hat unausgefeht daran ge­arbeitet, die landwirtschaftliche Produktion auf allen Gebieten zi steigern. Es ist freilich viel leichter, in einer unverantworte lichen Landbundversammlung die preußische Regierung herunterzureißen, als in verantwortlicher Minister stellung für die Landwirtschaft etwas Prattijdjes zu leisten. ( Lebhafte Zustimmung links.) Immerhin ſtelle ich fest, daß für Meliorationen und für landwirtschaftliche Zwecke überhaupt das ver­armte Preußen nach Krieg und Revolution mehr getan hat, als das reiche Königreich Preußen vor dem Krieg je geleistet hat.( Beb­hafter Beifall links.) Wir machen nur von unseren Leistungen nicht so viel Geschrei wie der Landbund, der mit großer Geste einmal das Hilfswerk der deutschen   Landwirtschaft angekündigt hat, von dem man seitdem nie wieder etwas gehört hat. ( Sehr gut links.) Besonders erschwerend für die Fortentwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes ist der große Kapitalmangel. Bir werden wie bisher auch in Zukunft die Landwirtschaft möglichst mit kredit unterſtüken, aber wir brauchen eine Organisation Don unten auf zur Kontrolle darüber, wer die Mittel des Staates befommt.( Sehr gut! links.) Die Siedlung wird hoffentlich in Zukunft wesentlich rascher vorwärts getrieben werden fönnen als bisher.( Beifall links.)

Abg. Wittich( Soz.):

Das laute Geschrei über die Rot der Landwirtschaft beruht euf einer Tatfache: det preußische Großgrundbesig ist morsch und ausgehöhlt, wie es die preußische Monarchie im November 1918 mat. Benn mir länger zusehen, besteht die Gefahr, daß der ge. funde Bauernstand mit in ben Abgrund gezogen wird. Die Sozial bemokratische Partei hat in ihrem Agrarprogramm die Erfenntnis Par ausgesprochen, daß das Gedeihen der Landwirtschaft eine Bor ausfegung für den Bohlstand des arbeitenden Boltes ist.( Lärm und Lachen rechts.) Trotzdem nimmt der Landbund, um von den Blamagen der Deutschnationalen in der Reichsregierung abzulenten, die Sozialdemokratie als Prügelfnaben in Anspruch Ein Tod feind der Republit, verlangt er von der Republik   meitest­

gehende Unterstügung, nicht für die Landwirtschaft, fon bern für den Großgrundbefiß. Denn der Großgrundbefiz herrscht allein im Landbund, und der Bauer ist dort nur Staffage und Stimmoieh.( Große Unruhe rechts.) Von den notleidenden fleinen Bauern aus der Eifel  , dem Hunsrüd, dem Eichsfeld  , der Rhön   und dem Westerwald   war auf Ihren Landbundparaden tein einziger anwesend.( Sehr gut! links.) Auf Heller und Pfennig bat der preußische Landwirtschaftsminister dem Landbund vorgerechnet, wieviel mehr die gegenwärtige preußische Staatsregierung an Geld für die Landwirtschaft hergegeben hat als die Rechtstoalition im Reich. Trotzdem wird Herr Schiele vom Landbund gefeiert und Herr Dr. Steiger beschimpft.

Wie ftimmen mit Herrn Dr. Steiger feineswegs tefflos über­ein; aber wir danken dem Minifter für seine unerschrocene Haltung und für feine praktische, tatkräftige Förderung der 6 198 Bauernkraft.( Bravo  ! links.) 1150

Die Deutschnationalen haben den Bauern goldene Zeiten ver­sprochen, wenn nur recht rasch die 3wangswirtschaft aufgehoben würde; sie haben ihr Versprechen wiederholt, für den Fall, daß der Zolltarif zustande fäme. Aber nur 60 000 Großgrundbefiher loje Eristenz weiter erhalten können. Der deutsche Bauer hat keiner haben mit Hilfe des Zolltarifes ihre bequeme und wirtschaftlich wert­die laute Drohung mit einem Bauernaufstand hinwegtäuschen. Aber lei Nuken davon gehabt. Darüber soll ihn das große Geschrei und feiner der Landbundführer fagt, wie er den Bauern wirklich helfen will. Das Notprogramm des Landbundes sieht aus, als hätte es jemand verfaßt, der in den nächsten Tagen in eine Kaltwasserbeilanstalt eingeliefert werden muß.( Heiter teit.) Es fordert zunächst die absolute Grenzsperre für landwirte fchafiliche Produkte. Als ob das wirtschaftspolitisch überhaupt dent­bar und durchführbar wäre! Dabei gibt es ganz andere praktische Wege planmäßiger Breisregulierung durch den Staat. Die beste Bekämpfung überflüssiger Einfuhr ist die rationell systematische Be­triebswirtschaft. Das Landbundprogramm fordert Abdrosselung der Auslandskredite. Dadurch würde der Landwirtschaft der Kredit noch teurer, soweit das Landbundgeschrei, nicht überhaupt die Kredit­fähigkeit der Landwirtschaft zerstört. Den Staatskredit foll in Zu­kunft nur der Landwirt erhalten, der wirklich wirtschaften kann. Um verfrachten Junfern ein angenehmes Leben zu geben, find uns die fauer verdienten Steueraroschen der Arbeiter und Be­amten zu schade.( Sehr gut! bei den Goz.)

Nur eine rationalisierte deutsche Landwirtschaft wird leben können. Boratsjehung dafür ist die Aufhebung des Bodenmono­pois, die Befreiung des Bauern aus der Abhängigkeit vom Boden­befig. Aller übermäßig große Bodenbelih muß der öffentlichen Hand verfallen und planmäßig zur Siedlung ausgenutzt werden. Wie man den Weg zwischen Produzenten und Konsumenten abe fürst, zeigt prattisch der große neue Lieferungsvertrag zwischen der Großeintaufsgesellschaft in Hamburg   und dem Heuer lingsverband der Proving Hannover  . Aber solch praktische Urbeit für die Landwirtschaft liegt dem Bandbund nicht. Er fün digt lieber Kampf und Aufstand gegen den Margismus an. Er lucht die Bauern auf die Straße zu hehen und zum Sturm mit ungemillem 3iel aufzuputfchen, Unsere altbewährte Kämpferschar har por biefen Drobingen feine Angst er die Herren Agrarier es mollen, wir sind bereit, ihnen entgegenzutreten. Es lebe der Kampf!( Bebhafter Beifall bei den Goz.)

Abg. Mielberg( Dnat.): Wie meit gebenti die preußische es gierung die Stimmung im Landvolt noch tommen zu laffen? Die Caprivi Seiten waren golben im Vergleich zu heute.( Sehr wahr! rechts.) Die deutsche Landwirtschaft ist ein Trümmerfeld, und die Verantwortung trägt die Regierung.( Burufe lints: Schiele!) Auch die Forderungen des Miniffers Schiele geben uns längst nicht weit genug. Aber die Provokationen der preußischen Regierung

Freitag, 3. Februar 1928

treiben die Landwirtschaft zur Berzweiflung. Die Geringfügigfeit der Schutzölle ruiniert gerade den Landarbeiter und den fleinen Landwirt. Man sollte die Umfassteuer um ¼ Broz erhöhen, das würde niemanden weh tun, und man hatte 350 millionen Mart jährlich für die Band­wirtschaft!( Unruhe links.) Im Staatssekretär Krüger hat der Landwirtschaftsminister einen Bertreter der Partei in sein Mini­fterium gerufen, die grundsätzlich Feind der Landwirtschaft ist. ( Große Unruhe bei den Soz.) Möge die Regierung in leẞter Stunde dafür sorgen, daß nicht ein Feuer ausbricht, das Staat und Wirt schaft verzehrt. Aber es ist höchste Seit. Die Geduld der Land­wirtschaft ist erschöpft.( Lebhafter Beifall rechts, Lachen links.) Die Fortsetzung der Debatte wird auf Freitag mittag, 12 Uhr, verbagt.

Das Unrecht der Besetzung.

Die Rheinlanddebatte im Reichstag.

Der Reichstag   beschäftigte sich gestern, wie wir schon mitteilten, mit dem Etat des Ministeriums für die besezten Gebiete Im meileren Berlauf der Sigung lehnt Abg. Dr. Dryander( Dnat.) Be­strebungen auf Berschlagung Preußens und rheinische Autonomie aufs schärffte ab. Das Mainzer   Kriegsgericht habe vor wenigen Tagen zwei Mainzer   Kaufleute wegen Spionage zugunsten einer fremden Macht", nämlich Deutschlands  , zu acht Mo­naten Gefängnis verurteilt. Dabei sei Deutschland  , von Mainz   aus­biene Aachen  . Die Eupen- Malmedy  - Frage müſſe im fried. gehend, mit einem Spionageneh überspannt. Besondere Hilfe der­lichen Benehmen mit Belgien   einmal ihre Lösung finden. Abg. Hofmann- Ludwigshafen( 3.) begründet 3entrumsent­fchließungen, in denen Erwerbslosenunterstützung für die Saargänger verlangt und Berhandlungen mit der Reichsbahnver­waltung darüber gefordert werden, ob sich statt der bisherigen Saar­fohlenabnahme von 90 000 Tonnen nonatlich eine Erhöhung auf 225 000 Tonnen ermöglichen läßt, damit die von der Saargruben­verwaltung angekündigten Entlassungen and Feierschichten vermieden werden. Der Redner bedauert, daß die Regierung ihr Ver­sprechen, die Befehungszulagen für die Beamten weiter zu zahlen, nicht gehalten habe.

Abg. Dr. Kalle( D. Bp.) meint, es bestehe der dringende Ber­dacht, daß die französische   Besehungsbehörde auch die Handelsspionage betreibe oder fördere. Bei Vergebung von staatlichen Aufträgen sollte das wirtschaftlich leidende besetzte Gebiet besonders berücksichtigt werden. Das Rheinland   müsse heute noo als Notstandsgebiet betrachtet werden. Notwendig seien vor allem Berkehrsverbesserungen.

Abg Dr. Schücking( Dem.) erklärt, das Opfer des Locarno­Vertrages sei von Deutschland   gebracht worden in der Hoff­nung, daß dadurch das Unrecht der Beferung verschwinden werde. Trotz seiner schweren Opfer leide das Bolt weiter unter einer Besetzung, die länger dauert, als jemals eine Besetzung im 19. Jahr­hundert gedauert hat Die Fortdauer der Beseßung wider­[ pricht der Bestimmung des Bölterbundes, daß die Beziehungen der Länder untereinander nach den Grundsäzen der Ehre und Gerechtigkeit geregelt werden sollen. Der Redner wendet fich dann gegen die von Poincaré   vertretene Rechtsauffassung in der Befehungsfrage. Die von der lehten Bölferbundsversamm lung dem Sicherheitskomitee gegebenen Richtlinien seien in vielen Buntten bedenklich.

Deutschland   müffe jedenfalls die Bertusipfung der Sicherheits­frage mit der Befehungsfcage durchaus ablehnen. Das deutsche Bürgertum habe sich auf den Verständigungsgebanten eingestellt, jest müsse bie Antwort von Frankreich   kommen durch die Aufhebung der militärischen Belegung des Rheinlands. Abg. Weber Düffeldorf( Komm.) truistert verschiebene Boff­Die Bermaltungsausgaben feien 312 tionen des Etats. hoch, sie nähinen 66 Broz der Gesamtausgaben in An­fpruch gegen 18 Broz im vorigen Jahre

Abg. Dr. Jörissen( Wirtsch. Bgg.) verlangt steuerliche Er leichterungen für die notleidenden Mittelstandseristensen im besetzten

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