Morgenausgabe
Лr. 339
A 173 45. Jahrgang
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Freitag
20. Juli 1928
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Der König hebt die Verfassung auf und errichtet die Diktatur.
& airo, 19. Juli. Durch eine königliche Verfügung, die heute abend her ausgegeben wurde, ist die parlamentarische Ver. fassung auf die Dauer von drei Jahren und, falls es die Umstände notwendig machen, auch auf eine längere Zeitdauer außer Kraft gejekt worden. Auch der Art. 15 der Verfassung, der die Pressefrei heit zusicherte, ist auf unbegrenzte Zeit aufgehoben. Die Verfügung ist unterzeichnet von allen Mitgliedern des Kabinetts und dem König Fuad. Dieser übernimmt die gesetzgebenden Rechte, die durch königliche Verfügung mit Gesetzeskraft ausgeübt werden. Diese Maßnahmen sind auf Grund eines Briefes getroffen worden, den Ministerpräsident Mohammed Mahmud Pascha an den König gerichtet hat, und in dem er den König um die Aufhebung der parlamentarischen Regierungsform an fleht. 3 Grund für sein Ersuchen wird die allge meine Verwirrung angegeben, die durch die Wafd. Partei erzeugt worden sei. Versammlungen der WafdPartei sind in ganz Aegypten verboten worden. Ausgedehnte Polizeimaßnahmen, an denen sich auch Militär be
Hölz.
Der Schlußstrich unter die März- Aftton.
teiligt, sind getroffen worden, um Ruhe und Ordnung brechen der Kommunisten an der deutschen Arbeiterschaft. aufrecht zu erhalten.
Es ist ein Va- Banque Spiel schlimmster Art, das der Schattenkönig Fuad ristiert hat. Die Mehrheit des neugewählten Barlaments stand hinter der Wafd- Partei unter Führung Nahas- Bascha. Das ägyptische Volk wird sich mit diesem Gewaltstreich um so weniger ab finden, als damit lediglich England gedient ist.
England trägt die Hauptschuld an diefem Berfassungsbruch, denn es hat durch seinen Einspruch gegen jene Gefeße, die die Bolts- und Parlamentsmehrheit wünschte, jenen Konflikt heraufbeschworen, aus dem sich der König Fuad feinen anderen Ausweg mehr wußte, als den offenen Staatsstreich. Durch Flottendemon= als den offenen Staatsstreich. Durch Flottendemon ftrationen vor Alexandrien und andere Drohungen hat die tonservative Regierung Englands den von ihr finanziell abhängigen König zu diesem verhängnisvollen und verwerf lichen Entschluß geradezu getrieben. Wieder einmal hat sich die Tory- Regierung als die größte Gefahr für die internationale Demokratie und für den Weltfrieden erwiesen.
Weitere Verhaffungen in Merifo.
Telegrammzenfur wieder aufgehoben.
Megito- Cify, 19. Juli.
Wie offiziell mitgeteilt wird, ist in Berbindung mit der Ermordung Obregons noch ein Anzahl weiterer Personen verhaftet worden. Die Identität und die Gesamtzahl der bisher Berhafteten wird nicht bekanntgegeben. Der neuernannte Polizeichef Jerfiche lehnte es ab, weitere Informationen zu geben, bevor die Untersuchung beendet ist. Die nach dem Attentat verhängte 3enfur der Preffetelegramme ist inzwischen wieder aufgehoben worden.
Bisher noch Ruhe.
Wie aus Merito- Stadt gemeldet wird, hat der Sonderzug mit der Leiche General Obregons in den heutigen frühen Morgenstunden Guadalajara passiert. Auf allen Stationen wurden dem Sonderzug militärische Ehren erwiesen. Meldungen cus allen Teilen des Landes besagen, daß die Ruhe bisher nirgends gestört worden ist.
" Mexikanische Mentalität."
Die deutsche Zentrumspreffe hatte es seit einigen Monaten für richtig gehalten, in dem Kampf zwischen Regierung und der Kirche in Merito vorbehaltlos Partei für die merikanischen Katholiken zu ergreifen, die sie als Opfer einer grausamen Verfolgung bezeichnete. Es ist noch in Erinnerung, daß von Zentrumsfeite sogar versucht worden ist, die merikanischen Angelegenheiten in den deutschen Reichstagswahlkampf hineinzuziehen.
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Nach der Ermordung von Obregon hat sie zunächst von vornherein bezweifelt daß sich der Täter von religiöfen Fanatismus hätte leiten laffen. Auch nachdem die Beständnisse des Mörders diese naheliegende Vermutung zur Gewißheit haben werden lassen, schreibt die ,, Germania ", folche Aussagen seien
,, nicht ernst zu nehmen; denn wer die merikanische Justiz kennt, der weiß, daß ihre Methoden nicht weit von der sowjetrussisen entfernt find, welche bekanntlich im Schachty - Prozeß die merf. würdigsten Geständnisse zutage gefördert haben."
Nach diesem letzten, reichlich gequälten Versuch, einen offenfundigen Tatbestand abzustreiten, ringt sich die Ber mania" zu einem erfreulichen Befenntnis durch: „ Auch wenn der Mörder unbeeinflußt erflären würde, im Namen Chrifti gehandelt zu haben, so beweist dies nichts für irgendeine geistige Urheberschaft der katholischen Kirche , hat doch& B. 1810 der Briefter Hidalgo unter dem Schlachtruf Guadalupe Bittoria" mit dem Symbol der hl. Jungfrau von Guadalupe und dem Kreuz Chrifti in Händen die Massen zum Aufstand gegen die bestehende Ordnung aufgerufen, der zugleich ein Aufstand gegen bie Kirche war. Merikanische Mentalität läßt sich nicht mit europäischen Mahstäben meffen."
Na alfo! Endlich tommt die 3entrumspresse zu jener Einsicht, die sie u. E. schon viel früher in der Behandlung der meritanijchen Angelegenheiten hätte zeigen sollen.
Man glaubte, mit dem Schlagwort Kirchenverfolgung in Merito" eine für die gesamte katholische Kirche nügliche Agitation betreiben zu fönnen. Allmählich scheint aber den einsichtigen Kreisen etwas schwül zu Mute zu werden, menn fie lesen, was alles im Namen des Königs Christus" brüben in Merifo begangen wird.
Hoffentlich wird sich auch in Zukunft die Zentrumspresse bei der Behandlung dieser Frage stets daran erinnern, daß ,, meritanische Mentalität sich nicht mit euro päischen Maßstäben messen läßt." Mehr wollen wir einstweilen von ihr gar nicht verlangen. Denn diese späte Erfenntnis trifft den Kern der Sache und dürfte auch genügen, um aus dem politischen Kampf in Deutschalnd jenen merikanischen Zantapfel auszuschalten, der uns gerade noch
fehlte!
Löwensteins Leiche gefunden.
3m Fischerboot nach Calais gebracht.
Boulogne , 19. Juli. Die Leiche des belgischen Finanziers Löwenstein ist
von einem Fischerboot nach Calais gebracht worden.
Die Leiche Löwensteins wurde, wie ergänzend berichtet wird, auf der Höhe von Kap Grisnez, etwa zehn Meilen von der Küste entfernt auf dem Wasser treibend aufgefunden. Die Leiche, die bereits start in Verwesung übergegangen war, trug am Handgelenk eine Er. rennungsmarke mit dem Namen und der Adresse Löwensteins. Die Polizei von Calais hat die Leiche vortäufig in Verwahrung genommen.
Starter Kursrüdschlag. Verlauf: Glanzstoffwerte insgesamt bis auf 50 Broz. niedriger, auch andere Spezialmerte sehr matt." So melbete eines der maßgebenden Berliner Börsenblätter am Abend des 5. Juli. Der Mittagsbericht aus der Londoner City verkündete eine außerordentlich starke Erregung und hohe Kursverlufte. An den internationalen Börsen von London , Amsterdam , Paris , Berlin und internationalen Börsen von London , Amsterdam , Paris , Berlin und Brüssel war ein schlimmes Gewitter niedergegangen. Der belgische Bantier Baron Alfred Löwenstein hatte am Abend des 4. Juli, wie er es schon oft getan hatte, auf dem Flugplatz Croydon sein Pripat flugzeug bestiegen, um nach Brüssel zurückzukehren. Wenige Stunden später meldete der Führer des Flugzeuges in Dünkirchen , daß der Banfier verschwunden sei.
Man wollte weder an Unglücksfall noch an Selbstmord glauben. Man vermutete, das Flugzeug sei unterwegs niedergegangen, um den Banfier abzulegen, ein riesengroßer Börsencoup fei geplant. Man suchte nach der Leiche und fand keine Spuren.
-G
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tommt
Heute 15 Tage nach der Sensation des 5. Juli eine turze Meldung, daß ein Fischerboot seine Leiche nach Calais brachte. Das Rätsel aber, ob ngdsfall, sb Galbfmerb, wirb niemals gelöst werden.
Mag Hölz ist aus dem Zuchthaus entlassen. Damit ist der Schlußstrich unter die Märzaktion des Jahres 1921 ge30gen worden, unter eines der größten geschichtlichen VerDer Mann, der in den blutigen Tagen des März 1921 als Partisan der KPD. in Mitteldeutschland kämpfte, ist von der fommunistischen Partei als Reflamefigur gebraucht worden, so lange er im Buchthaus saß. Propanda mit Max Hölz ! Er ist gestern zu einer Reklamekundgebung der KPD. geschleppt worden. Nachmittags um vier Uhr las man in einem kommunistischen Abendblatt:„ Auch heute morgen befand sich hölz noch im Zustande vollständiger seelischer Zerrüttung...." Tut nichts um acht Uhr schleppten sie ihn in den Lustgarten. Reklame!
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Wofür? Für die glänzende Amnestiepolitik der KPD . die erst lebhaft wurde und gleich die Bollamnestie auch für Fememörder verlangte, als der Zentraleprozeß die ehrenwerten Mitglieder der fommunistischen Zentrale bedrohte? Für den Sieg des Gedankens der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit, die die Kommunisten in den Tagen des Schachty - Prozesses so herrlich bewiesen haben? Oder gar für die Politik der Märzaktion von 1921?
Ein anderes ist die menschliche Tragödie Hölz , ein anderes der politische Fall. Der Lärm, den die Kommunisten um den entlassenen Hölz veranstalten, zwingt dazu, den politischen Fall Hölz und damit das Verbrechen der Märzaftion von 1921 scharf herauszustellen.
Es gab eine Zeit, in der die fommunistische Partei von Hölz sehr scharf abrückte. Es war die Zeit, in der der überragende Einfluß Rosa Luxemburgs in der kommunistischen Partei noch nachwirkte. Mar Hölz hatte im fächsischen Bogtland eine Räuberdiktatur aufgerichtet. Er war der Held einer armen, noch politiffernen Bevölkerung, für die der edle Räuber, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, die ausgleichende Gerechtigkeit darstellt. Die kommunistische Partei hat damals noch recht gut begriffen, daß die Aktionen von Mag Hölz alles andere als revolutionär waren, daß sie die Massen von politischer Erkenntnis abziehen mußten, sie hat die Taten von Hölz als eine Gefahr für die Arbeiterbewegung und für sich selbst angesehen. Damals spielte Heinrich Brandler mit dem Gedanken, selbst Polizei zu spielen gegen Hölz , um die Bahn frei zu machen für die kommunistische politische Propaganda im sächsischen Vogtland. 1921 wieder auf. Er führte in Mitteldeutschland Krieg auf Mar Hölz tauchte während der Märzaktion des Jahres 1921 wieder auf. Er führte in Mitteldeutschland Krieg auf eigene Faust. Die Märzattion, ein bewaffneter Aufstand kommunistischer Arbeiter, erfolgte auf Befehl der führenden Männer der Exekutive der kommunistischen Internationale. Die kommunistischen Arbeiter des mitteldeutschen Industriegebiets wurden in den Tod gejagt, weil die schwere Lage Sowjetrußlands- Zusammenbruch der Brotversorgung, Zusammenbruch im polnischen Kriege, Kronstädter Aufstand -den Sinowjew und Genossen nahelegte, die Karte der tommunistischen Revolution in Deutschland auszuspielen. Sie glaubten, durch die Auswirkung des Londoner Ultimatums und durch einen fommunistischen Putsch in Deutschland würde die Weltrevolution wieder in Fluß fommen.
In der deutschen kommunistischen Partei vollzog sich in dieser Situation ein Machtkampf. Die Tattif des Offenen Briefes ", der Versuch, durch ein Einheitsfrontmanöver die. sozialdemokratischen Arbeiter für die kommunistische Partei zu gewinnen, war fehlgeschlagen. Das Manöver war gar zu durchsichtig gewesen. Ein linter Flügel, der von Moskau aus organisiert worden war, drängte in der Richtung zum Butschismus nach Bakuninschen Muster vorwärts. Auf die Braris des Einheitsfrontmanövers folgte die Braris der revolutionären Offensive. Unter dem Einfluß der Mostauer Sendboten zwei ehemalige ungarische Volkstommiffare wurde die fommunistische Zentralleitung in ein verbrecherisches, echt bafuninsches Abenteuer gerissen. Während die Rote Fahne" täglich zur Bewaffnung der Arbeiterschaft, zum Pfeifen auf das Gesetz, zum bewaffneten Aufstand rief, begann die Serie der Dynamitattentate, der lodspigelmäßigen Provokationen, befohlen und organisiert von Mitgliedern der kommunistischen Zentrale. Um die. eigenen Anhänger aufzuputschen, veranstaltete man Dynamit aftenate gegen fommunistische Parteibetriebe, wobei man be mußt das Leben von fommunistischen Parteiangestellten aufs Spiel fezte. Inzwischen schrie die ,, Rote Fahne" über die fonterrevolutionären Schurken, die mit Dynamit gegen tommunistische Betriebe fämpften.... Die politische und moralische Verlumpung triumphierte. Aus der Tiefe trat das Lumpenproletariat hervor und drang in die Reihen der irregeführten fommunistischen Arbeiter ein. Mostau hatte seinen Butsch. Die Opfer fielen.
Noch in den Tagen des Butsches hat die fommunistische Zentrale eine Scheibelinle amiben ber fommuntikhen Bartel und Mar Holz gezogen. Zmbers nach dem Putih, afs ber Bragis der revolutionären Offensive das theoretische