Keine Amnestie in Frankreich . Gozialisten fordern fie. Kommunisten schimpfen.
Paris , 15. Februar.( Eigenbericht.)
Der Antrag der Sozialisten, der ein allgemeines 2mnestie gefe fordert, führte am Schluß der Kammerfigung zu einem furzen aber scharfen Waffengang zwischen der Linten und ber Regierung. Abg. Paul Faure begründete den Antrag außer ordentlich wirtungsvoll, erinnerte daran, daß die Mehrheit sich im November zugunsten einer allgemeinen Amnestic ausgesprochen habe, die Regierung jedoch diesem Wunsche keinerlei Folge gegeben babe. Die Regierung stelle gegen den sozialistischen Antrag die Ber trauensfrage. Die Amnestie habe seit einem Jahrhundert zu den großen Traditionen der Republik gehört. Selbst in Zeiten schwerer Unruhen haben Regierung fie gewährt. Das elfäffische Broblem tönne, wie alle Bertreter des Elsaß einmütig Betont baben, nur burch eine Maßnahme dieser Art gelöst werden und mag dem Gjaß recht lei, fel bem übrigen Frankreich billig.
Justizminister Barthou befämpfte im Namen des gesamten Kabinetts den sozialistischen Antrag mit der ihm eigenen Schärfe und Ausführlichkeit.
Zu einer Amnestie bestehe im Augenblid feinerlei Anlaß, die politische Lage verbiele der Regierung, diefer Anregung Folge zu geben.
Niemals habe die revolutionäre Propaganda in der Armee größere und gefährlichere Ausmaße gehabt als gegenwärtig. Un angebrachte Milde wäre deshalb eine Prämie auf die Aufreizung zur Rebellion!
Im Namen der Radifalfozialen unterstüßte Abg. Delbos den Antrag. Er bezeichnete die Haltung der Regierung als unmensch lich und unpolitisch. Während man Schieber und die Nuznießer der großen Korruptionsstandale straffrei gelaffen, habe man Leute, die fich lediglich unter der Wirkung der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der Nachkriegszeit zu Unbedachtsamkeiten hinreißen ließen, massenhaft in die Gefängnisse geworfen.
Der Kommunist Piquemal erging sich in wilder Hetze gegen die Sozialisten und erreicht damit lediglich, daß die Stimmung der Kammer, die dem sozialistischen Antrag ausnehmend günstig war, in das Gegenteil umschlug, mit dem Erfolg, daß der fozialistische Amnestieantrag mit 320 gegen 255 Stimmen abgelehnt wurde.
Der Woiwode als Selbstherrscher. Geine Garde: die Aufständischen.
attowit, 15, Februar. Der Aufftändischen- Berband neröffentlicht in ber Boljta Zachodnia( d. h. etwa Polens Westende) einen Aufruf an die polnische Bevölkerung, worin der Genugtuung über die Auflösung des schlesischen Sejms Ausdrud gegeben und dem Woiwoden der Dant ausgesprochen wird. Der Betband fordert die polnische Bebölferung auf, elne Einheitsfront"( Graczynski- Front) gegen die Arbeit der Deutschen und Korfantiften zu bilden.
Die Schlacht von Chifago.
Bei einer Berbrecherfchlacht in Cbilago wurde eine Gebeim brennerei erstürmt und acht personen wurden erschossen
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Ein abgelehnter Vorsitzender.
Staatsanwalt gegen Richter.
Der wohl noch nie dagewesene Fall, daß der Staatsanwalt den Borsigenden des Gerichtshofes wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt, ereignete sich gestern vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte unter dem Vorsitz des Amts: gerichtsrats Dr. Keßner. Angeflagt war ein Dentist Schneider wegen Bergehens gegen das Republikschutzgesetz und wegen Beleidigung des Ministerialdirektors alt und des früheren Landtagsabgeordneten Polizeifetretär Rave.
Der Dentist Schnet der aus Neukölln saß an einem Novembertage des vorigen Jahres im Fürstenbergbräu am Potsdamer Bahnhof, trant Schnaps und machte Standal. Juden raus, wir brauchen feine Judenrepublit!" so schrie er unaufhörlich. 3ufällig aber befanden sich der Ministerialbirettor Falt vom Reichsinnen. ministerium und der frühere demokratische Landtagsabgeordnete
Berhandlungspunkt des Bölferbundsrates in Polen Bolizeifetretär Rave im Botal, die fich ein solches Benehmen nicht
fonfisziert!
Das Bolterbundsfetretariat hat eine 3ufastagesordnung für die Ratstagung vom 4. März veröffentlicht, die außer einem Bericht über die pölferrechtliche Seite der Errichtung einer Radio station des Bölferbundes die Petition der deutschen Minderheits. organisation in Dft- Oberschleften über die Berhaftung des Abg ulig enthält. Die Beschlagnahme der Blätter, die den ortlaut dieser Betition veröffentlicht haben, durch die polnische Balizet berührt hier um so mertwürdiger, als die Minderheiten abteilung mur Petitionen zur Behandlung übergibt, ble feine Beleidigung des betreffenden Staates oder seine Behörden
gefallen ließen und das Ueberfalltommando anriefen.
Schneiders Perfonalien wurden festgestellt, und jezt hatte er sich wegen B cjhimpfung bet Staatsform( Bers gehen gegen das Gefez zum Schuße der Republif) und Beleidi gung zu verantworten. Er sagte, was diefe Herren immer sagen: 3 mar total betrunten."
Bei der Berhandlung fam es mun zu einem ernsten 3 mischenfall Dr. Falt und Oberfefretär Rave waren gleich zeitig als Rebentläger und Zeugen benannt. Als der Borsigende Amtsgerichtsrat e ßner diese beiden Herren vor Eintritt in die eigentliche Berhandlung bat, als Zeugen den Saal zu verlassen, er
haben diese zusammen mit ihren Rechtsbeiständen, den Anwälten Dr. Roth und Dr. Bendig, dagegen Widerspruch, da es noch ihrer Ansicht gefeßlich unzulässig sei, Rebenflägern, auch wenn fie als 3eugen geladen seien, die Anwesenheit bis zu ihrer Vernehmung als Zeugen zu verweigern. Das Gericht fam jedoch, ohne vorher den Vertreter der Anklagebehörde zu dem Antrag der Rebentläger gehört zu haben, nach furger Beratung zu den Beschluß, daß auch die Nebensläger, da sie Zeugenaussagen zu machen hätten, im Interesse der materiellen Rechtsfindung bis zu ihrer Vernehmung den Saal verlassen müßten. Die Nebentläger erklär ten daraufhin, sie müßten den Borfizenden wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen.
Daraufhin erhob sich Staatsanwaltschaftsrat tirschner und gab die aufsehenerregende Erklärung ab:
„ Ich schließe mich den Vertretern der Nebenfläger an, weil das Berhalten des Vorsitzenden in der heutigen Berhandlung die Besorguis der Nebenklager, daß der Vorsitzende nicht unbefangen fei, gerechtfertigt erscheinen läßt"
Das ist vielleicht das erste mal, daß der Vertreter der Staatsanwaltschaft in Moabil sich einem Antrag auf Ablehnung. des Borfizenden wegen Gefahr der Befangenheit ange. fchloffen hat.
Ueber den Ablehnungsantrag wird nunmehr das Landge= richt zu entscheiden haben.
Das aber wollte man vermeiden. Sie blieben bei der An
enthält. Da die Petition der deutschen Oberschlefter auf die ages. Reichsgerichtspräsident Bumke ernannt lage wegen Vernachlässigung der pflichtgemäßen Objorge Die
ordnung des Rates gefeßt ist, wird die Vorenthaltung des Wortlautes durch die polnische Polizei vom Bölterbund des aboutert
Wie die Minderheiten entrechtet werden sollen.
Das ukrainische Blatt ,, Dilo" macht darauf aufmerksam, daß der Dom polnischen Regierungsblod. eingebrachte Entwurf einer Abänderung der Berfassung eine wesentliche Einschränkung des Interpellationsrechts vorsteht. Interpellationen sollen danach nur eingebracht werden dürfen, wenn fie von einem Fünftel der Gesamtzahl der Abgeordneten unterzeichnet sind. Nach dem gegenwärtigen Stand des polnischen Sejms wären dann für eine Inter pellation 89 Unterschriften erforderlich. Für die nationalen Min. derheiten würde damit das Interpellationsrecht prattisch auf gehoben.
Absetzung angeblicher Kulafenfreunde.
Moskau , 15. Februar. Die Säuberung, welche die Zentralfommission angeordnet hat, um den Sorofetapparat pon fremden Elementen zu reinigen", dürfte sich auch auf die Juftis ausdehnen. Die Sowjetpreffe hat eine fcharfe Kampagne gegen das Gerichtswesen begonnen und behauptet, daß unter den Richtern und Untersuchungsrichtern nicht wenige absichtlich ober infolge mangelnden Verständnisses von der profetarischen Klaffenlinie die abweichen; fie begünstigen
Dr. Gimons tritt in Ruhestand.
Der Reichspräsident hat den Präsidenten des Reichsgerichts, Prof. Dr. h. c. Walter Simons , auf dessen Antrag zum 1. April d. 3. in den Ruhestand verseßt und auf Vorschlag des Reichsrats den Ministerialbirektor im Reichsjustizministerium, Dr. Erwin Bunke, zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt.
Aber nicht vor dem Schwurgericht.
Am 8. November v. 3. hat der Wiener Abend" ein Bild des Stahlhelmführers Seldte mit der Unterschrift: Behn Jahre Stable helm, Selbte, der Gründer und Führer dieser Morbbande" gebracht. Geldte gab dem Wiener Hafenfreuz- Rechtsanwalt Dr. Walter Riehl den Auftrag, den„ Abend" zu verklagen. Der verantwortliche Schriftleiter Dr. Klausner, gab, den, Verfasser der Bildunterschrift mit deffen Zustimmung an.
Nun hätte Seldte seine befleckte Ehre in dem Schwur= gerichtsprozeß gegen den Verfasser reinwaschen tönnen, aller bings vor Wiener Geschworenen und nicht vor Burgenländern, o fie lehthin den Mörder Böffl freigesprochen haben. Dr. Rieht 30g der Tapferteit befferen Teil vor und tat jo, als wüßte er noch immer nicht, wer das Bild veröffentlicht hat. Er flagte daher Dr. Klausner beim Bezirksgericht wegen Bernachlässigung der Pflichtgemäßen Objorge.
Der Berteidiger gab in der Verhandlung nochmals Name und dieser gesonnen sei, die volle Verantwortung zu übernehmen. Dr. Richt fürchtete, daß diese Berantwortung später Seine Befürchtungen waren aud) zurückgezogen werden könnte. nicht zu zerstreuen, als sich Dr. Karbegg bereit ertlärte, nor Gericht als 3euge zu erhärten, daß Bild und Unterschrift tatsächlich von der von ihm genannten Person stammen, daß daber Herr Seldte ruhig den Weg zum Schwurgericht antreten fönnte.
formelle Verurteilung Dr. Klausners zu einer Geldstrafe von 50 Schilling ändert natürlich nichts daran, daß der Kläger das Wiener Schwurgericht gemieden hat.
Britische Initiative zur Abrüstung. Erklärung des englischen Botschafters in Washington . London , 15. Februar.
Der britische Botschafter in Washington erklärte, daß die Berzögerung der Annahme der Kreuzervorlage auch die britischen Bemühungen um eine neue Förderung der Abrüstung verzögert habe. Er glaube jedeh, daß jetzt die Bahn für neue Erörte rungen frei lei.
Nachdem die Vorlage Gesetz geworden sei, scheine aller Grund zu der Annahme zu bestehen, daß neue Bemühungen zum Abschluß eines Abkommens zwischen den Hauptſeemächten der Welt zum Zweck der Einschränkung der Flottenrüstungen unternommen würden.
Der Botschafter ertlärte zum Schluß, daß jedoch mit Rüdfht auf die im Sommer stattfindenden englischen Wahlen eine weitere Verzögerung jeder Erörterung dieser Art in einigen Monaten ein treten tönnte.
Jugendreford im Unterhaus.
Die jüngste Parlamentarierin Arbeiterpartei!
Für eine Unterhausnachwahl in den nächsten Tagen hat die aufgestellt. Miß Lee ist die Tochter eines Bergarbeiters und Studentin der Edinburger Universität. Ihre Wahl gilt als gesichert. Mis Lee wird das jüngste Mitglied des englischen Barlaments fein, vermutlich überhaupt die jüngste Parlamentarierin der Welt. Das Wahlrecht ist erst vor wenigen Monaten auf die 21 bis 25jährigeit Frauen ausgedehnt worden, was zum heftigen Kampf der Parteien um die Stimmen der Flapper"( Badfifche) geführt hat. Parteien suchen die jugendlichen Wähler durch Kandidaten aus der gleichen 2ftersflaffe zu gewinnen.
ulaten bei deren gerichtlichen Auseinanderſegungen mit Adresse bes Berfaffers an, ertlärte sogar in dessen Namen, daß Arbeiterpartei die 24jährige Jenny Lee als Kandidatin der Dorfarmut". Die Prawda" führt eine lange Reihe Fälle an, in welchen die Gerichte Klagen gegen Sulafen jo perfchleppt hätten, daß unterdessen die Angeklagten die Spuren ihrer sowjetfeindlichen. Tätigkeit hätten verwischen fönnen; eine Säuberung" des Richterstandes jei allerdings fehr schwierig, da es einem Richter nicht schwer wäre, sich hinter juristis ihen Formalitäten zu verfchanzen, um seine rechts oppofitionelle fulafenfreundliche Gesinnung" zu verbergen.- Ginige Maßregelungen find bereits vollzogen. On Rajan wurden 73 Richter und Gerichtsangestellte enthoben, in Oftfibirien 20 Richter bzw. Untersuchungsrichter, in Imer ist eine große Säuberung gerade im Gang. In Weißrußland wurde der Borfigende bes Obersten Kollegiums des Landgerichts, Bobanapiti, abgefest, ebenfalls wegen Abweichhens von der Klaffentinie".
Ostar Staters Entschädigung. Das britische Unterhaus hat 6000 Bfund für Ostar Slater als Entschädigung für unschuldig verbüste 18jährige Suchthausstrafe bewilligt
Shakespeare im Deutschen Theater.
Die luftigen Beiber von Windsor.
Der Wiz der Shakespearefchen Posse wird auf das Clownhafte herausgeputzt. Es wirti peinlich, wenn die Seiterfeit sich nur auf der Bühne und nicht in Barfelt qusbreitet. Man weiß fahließlich
nicht, worüber die Schauspieler lachen. Berner Krauß spielt den Falstaff, teile im Gmoting, tells im Nachthemd. Das letzte belachen die Zuschauer am meisten. Dgr.
Wahlrecht für die Farbigen wünschen die Mehrheiten beider Häuser des Südafrikaparlaments einzuführen; Premierminister Hertog foll entsprechende Gefeße einbringen. Die Mehrhelt pe trug aber nur acht Stimmen, so daß man glaubt, die in der britten Lefung erforderliche weitdrittelmehrheit merbe nicht erreicht werden.
Englische Wahlen am 29. mai. Als wahrscheinliches Datum für die Neuwahlen in England wird jetzt der 20. Mai 1920 angegeben. Die Opposition foll sich mit diesem Datum einverstanden erflärt
haben.