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47.Jahrgang

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Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Donnerstag

9. Januar 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Df.

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Privatiferung der Reihsbant. Schacht im Haag erwartet.

Bedeutung des neuen

Das langgewahrte Geheimnis, was der von Dr. Schacht entscheidend beeinflußte vierföpfige Unterausschuß für die Anpassung des Reichsbanfgeseges an den Young Plan den Regierungen im Haag vorgeschlagen hat, ist jetzt enthüllt. Das Ergebnis ist für die deutsche De­mokratie eine arge Zumutung und bedeutet die Privatisie­rung der Reichsbant, wenn nicht im Haag oder später auf dem Wege über die deutsche Gesetzgebung noch entscheidende Aenderungen durchgelegt werden. Rekapitulieren mir furz! Die Vorschläge enthalten zwei Gruppen von Veränderungen gegenüber dem Zustand vom 30. August 1924:

1. In der Reichsbantleitung: Der Reichsbant­präsident wird nach wie vor allein vom Generalrat gewählt und abberufen( nach wie vor auch auf 4 Jahre). Neu ist nur, daß das Reich durch den Reichspräsidenten end­gültig, statt wie bisher aufchiebend die Wahl des Reichs bankpräsidenten beanstanden kann. Zur Ernennung des Reichsbankdirektoriums durch den Reichsbankpräsidenten( un­verändert) tritt die Genehmigung durch den Reichspräsidenten hinzu( neu).

2. Im Generalrat: Nach dem Ausscheiden der Ententevertreter aus dem Generalrat erhöht sich die Zahl der Generalratsmitglieder von 7 deutschen( einschließlich des Reichsbankpräsidenten) auf 10 deutsche Mitglieder. Zu den bisherigen sieben wählt der Generalrat selbst- Bestäti­gung ist nur in der Generalversammlung erforderlich drei weitere Mitglieder hinzu; dazu ist nur eine Fühlungnahme mit der Reichsregierung durch den Reichsbantpräsidenten er forderlich. Neu ist, daß auch in dauerndem Ruhestande be findliche Staatsbeamte und vom Staat sonst für frühere Dienstleistungen entschädigte Personen in den Generalrat ge­wählt werden können( man dente dabei zum Beispiel an Herrn Dr. Luther).

Das ist alles!

Wenn man verstehen will, welch ungeheuer wichtige Dinge sich hier vollziehen, muß man zweierlei beachten. Ein­mal, daß der Young- Plan dem Reich prinzipiell die Souve­ranität auch gegenüber der Reichsbant wiedergibt. zum ande­ren das Verhältnis der Reichsbanfleitung zur Reichsregie­rung, wie es von 1875 bis 1922, dem Reitpunkt des ersten Eingriffs der Ententemächte in die Reichsbankverfassung, bestand.

Der Young- Plan beseitigt den Notenkommissar, die aus­ländischen Delegierten aus dem Generalrat und die Eingriffs­rechte des Reparationsagenten in die Diskontvolitik der Reichsbant. Die Beseitigung des ausländischen Einflusses ist vollkommen. Die Stabilität der Währung ist eine Hoheits­aufgabe des Reichs, das sie der Reichsbant übertragen kann. Das Reich zahlt an die Internationale Reparationsbank und die Reichsbank wird bei der Uebermittluna nur als Rassen­führer des Reichs, nicht als Stellvertreter des Reparationsagenten tätia fein. Damit ist die prinzipielle Möglichkeit gegeben, im Haag die Mederher­stellung der alten Hoheitsrechte des Reiches auf dem Wege der Berhandlungen zu erreichen.

Dazu muß man wissen, daß auch schon das Autonomie gelek von 1922 ein unmittelbarer Ausfluß jener reparations politischen Vergangenheit war. die durch den Doung- Blan liquidiert werden soll. B's 1922 war Leiter der Reichsbant der Reichskanaler. Der Reichsbankpräfident war lediglich fein Beauftragter. Diefer mar dem Reichskanzler und üher den Reichskanaler dem Parlament noll verantwortlich. Die befondere Kontrolle der Reichsbant hatte das Kuratorium der Reichsbant, das wiederum ausschließ lich vom Reich ernannt war; zwei m'talieder vom Reichspräsidenten   und sechs Mitalieder vom Reichsrat. Die ,, Wirtschaft" war lediglich im Zentralausschuß. und zwar nur beratend vertreten. 1922 fonnte Deutschland   einen Rahlungsauf chub nur unter der Bedingung erhalten, daß die Reichsbankleitung in der Spike von der Reichsregierung getrennt wurde. das heißt, die Geschäftsführung in der Reichsbank wurde autonom gemacht. nicht die Reichsbant felbft, denn das Kuratorium mit der absoluten Reichstontrolle blieb aufrechterhalten. 1924 wollte der Dames- Blon in der Reichsbank zwei Garantien veronfert jehen: 1. d'e Stabilität der Währung. dorum der ausländische Motentommiffar und der neue Generalrat mit seinen ausländischen Mitgliedern, 2. die höchstmögliche Reparationsleistung. darum das Ein­griffsrecht des Reparationsagenten in die Diskontnolitik. 1928 hat der Sachverständigenplan von Baris der feit 1922 ( nicht feit 1924) errichteten Souveränitätsbeschränkung des Reiches gegenüber der Reichshant arundfäklich ein Ende ge­macht. Die onrenzung und Bolitisierung der menarations: Schuth( teine fänder. Rohlung auf Treu und Glauben) gibt auch hom Reich die Freiheit anüber der Reichsbant mieber. Wie aber soll nach den Vorschlägen des Organ fations fomitess( b. h. Dr. Schachts) die neue Reich- banfleitung und die Reichsbankkontrolle aussehen? An Stelle der Soupe= ränität des Reiches tritt die Souveränität des Generalrats, gegen dessen Beschlüsse weder Reichstag noch Reichsregierung einen Einwand erheben dürfen; nur in

über

Größtes Mißtrauen wird ihm entgegengebracht.

gekommen, die diesen Eindruck noch verstärkt haben. Eimmal die von ihnen als Weigerung empfundene Mitteilung Dr. Schachts, daß er nicht vor dem 12. im Haag erscheinen würde, obwohl ihn die deutsche   Delegation wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Zahlungstermine hier dringend braucht.

Dazu kommt ein anderes: Geit Dienstag mittag ist Barter Gilbert, der Generalagent für die Reparationen hier; er hat fofort mit den Führern der verschiedenen Gläubigerdelegationen, besonders mit Tardieu und Snowden gesprochen, und diese Gespräche bezogen fich naturgemäß vor allem auf die Rolle und die Absichten Dr. Schachts, den Parker Gilbert besonders gut fennt. Ich habe pofitiven Grund zur Annahme, daß

V. Sch Haag, 8. Januar.  ( Eigenbericht.) Anstatt eines Tages der Ruhe, der Besinnung, der internen Ber­handlungen zur Vorbereitung der am Donnerstag beginnenden zweiten Lesung, war der Mittwoch ein regelrechter Krifentag. Am Dienstag hatte Tardieu den französischen  . Journalisten die lebhaften Auseinandersegungen in der voran gegangenen Sigung beridtet. Dabei wollte er offenbar den starten Mann martieren, und er schilderte die eigene Rede, die er joeben in der Sizung gehalten hatte, in sehr zugespitzter und vielleicht auch phantafievoller Weise. Nach der Version, die er den französischen  Journalisten gab, hätte er u. a. den Deutschen   gesagt, daß sie an­scheinend fein Vertrauen zu sich selbst befäßen und daß ihre Art, immer wieder auszuweichen, 3weifel an ihrer all­gemeinen Verhandlungs fähigkeit auffommmen lassen müßten. Diese von allen französischen   Blättern nicht nur von der offiziösen Havas  - Agentur verbreitete Schilderung hat nun in den mittelbaren Absichten auf der Haager Konferenz, Mittagstunden, als sie der deutschen   Delegation befannt wurde, lebhafte Aufregung und Entrüstung ausgelöst. Da wurde überhaupt auf der Schacht am nächsten Sonntag erscheint, um als Sach­in Abrede gestellt, daß Tardieu in der Sizung solche Wendungen verständiger an den Beratungen über das Statut der Internationalen gebraucht habe, man verlangte von den Franzosen eine förmliche Zahlungsbant mitzuwirken. Seit der Ankunft Barker Gilberts Richtigstellung und drohte widrigenfalls sogar mit Konseherrscht in den maßgebenden französischen   Kreisen die Auffassung, quenzen". Während des ganzen Radmittags ist zwischen den beiden Delegationen perhandelt worden, und das Ergebnis war

-

eine offiziöse Erklärung, durch die nach der Auffassung der Delegation der Zwischenfall als erledigt angesehen wurde. Diese Erflärung hat folgenden Wortlaut:

Bezüglich gewiffer Aeußerungen, die Herrn André Tardieu  zugeschrieben merden und die er mährend der letzten Sigung des Komitées. für deutsche Reparationen getan haben soll, wird von französischer Seite folgendes festgestellt: In Wirklichkeit und wie es überreichlich das Fehlen jeglichen Zwischenfalls innerhalb der der Kommission selbst beweist, hat sich Herr Tardieu, als er die Bedingungen für das mechselseitige Bertrauen, welches die Haager Berhandlungen beherrschen sollte, präzisierte, darauf beschränft, seinen deutschen   Kollegen die Nachteile einer zu ausführlichen Erörterung über Einzelfragen auseinanderzusehen. Er hat darauf hingewiesen, daß solche Erörterungen die Gefahr in sich bergen, die für einen Erfolg der Konferenz notwendige Atmosphäre zu stören. Die deutschen   Delegierten, deren persönlichen guten Willen und deren Verhandlungsaktivität Herr Tardieu unterstrich, indem er auf die Schwierigkeiten ihrer Aufgabe hinwies, haben übrigens, während sie ihre Stellung in der Sache aufrecht erhielten, feinerlei Einwendungen gegen die von dem französischen   Ministerpräsidenten angewandten Ausdrücken erhoben. Die Diskussion hat übrigens von Anfang bis zu Ende das Gepräge ciner charaktervollen Herzlichfeit petragen.

Riel wichtiger als diese. Angelegenheit selbst sind die Ursachen, aus denen sie entstanden ist.

Die Gläubigermächte haben das Gefühl, daß fie eine unsichere und schwache Delegation vor sich haben, die sich vor dem ab­wesenden Reichsbankpräsidenten fürchtet.

Gie waren von vornherein auf Grund der innerdeutschen Bor­tommnisse in der zweiten Dezemberhälfte mit der Vorstellung nach dem Haag gekommen, daß Schacht der ungetrönte Kaiser des Deutschen Reiches sei. In den letzten Tagen find Dinge vor­

Parker Gilbert sehr gravierende oder mindestens sehr peffimiffi­fche Mitteilungen sowohl üb die allgemeinen Auffassungen Schachts vom Young- Plan gefan hat, wie auch über seine un­

daß

der eigentliche Kampf um den Young- plan erst nach der Ankunft Schachts

beginnen wird und daß Schacht entsprechend Jeinem Memorandum an die Reidysregierung sich mit der Absicht trägt, einen General­angriff auf den Moung Plan zu unternehmen.

Bezeichnend ist noch folgender Vorfall, der sich nach französischer Darstellung in der Montagsfigung abgespielt haben soll. Es handelt fich uni die Formulierung der Präambel des Schlußver­trages, der im Haag unterzeichnet werden soll. Die Gläubiger­mächte beantragten die Einfügung der Worte pollständige und endgültige" Regelung der Reparationsfrage. Eine volle Stunde lang sollen sich die deutschen   Delegierten gegen diese Ein­fügung gesträubt haben, die natürlich an den Revisionsmög lichkeiten, die im Young- Plan selbst enthalten sind, nichts ändert. Die Gegenseite schloß aus diesem Sträuben, daß die deutschen   Dele­gierten sich weigerten, den Young- Plan als definitive Lösung an= zuerkennen, und wieder einmal führte man das auf die Angst vor Schacht zurück. Uebrigens gaben schließlich die Deutschen   in diesem Bunkte nach.

Die von bürgerlicher deutscher Seite oft geäußerte Auffassung. daß Schacht ein Trumps" sei, den wir für die hiesigen Verhand­lungen brauchten, oder gar, daß die Franzosen und Engländer sich vor ihm fürchteten", ist mehr als naiv. Richtig ist, daß es ihnen unheimlich ist, mit einem abwesenden und unsichtbaren Gegner zu kämpfen und daß sie die deut schen Delegierten nicht für voll ansehen. Immer lauter wird die Frage aufgeworfen: Wer regiert eigentlich in Deutsch  = land?

In den nächsten Tagen soll nun die Beratung des Reichs. bant statuts beginnen. Die deutsche   Delegation wird dann- wenn sie willzeigen fönnen, daß sie sich nicht fürchtet und dazz in Deutschland   die verfassungsmäßige Regierung regiert und

Entscheidung über das De dungsverhältnis der Noten, praktisch die alleinige Kontrolle über die Reichsbant!

einem einzigen Falle, der kaum praktisch werden wird, bei| gung zur Darlehensgewährung an das Reich, der Wahl des Reichsbankpräsidenten, darf das Staats. haupt protestieren. Der Generalrat, der jetzt neben Dr. Schacht aus sechs Großbanfiers besteht. und der durch Schacht noch durch Leute wie Duisberg, Thyssen oder Luther  ergänzt werden fann, wird die alleinige Macht über die Bo­litik der Reichsban? haben.

Sehen wir uns die Dinge praktisch an. Bis 1922 bestand das Reichsbantkuratorium, dessen Ein­fluß dem des Generalrates einigermaßen entsprach, aus folgenden Männern: dem Reichstanzler als Vorsitzenden, dem Reichswirtschaftsminister, dem Reichsfinanzminister, dem preußischen Finanzminister, einem bayerischen Staats­rat, einem sächsischen, einem württembergischen sowie einem badischen Ministerialdirigenten und einem hamburgischen Senator.

Im Generalrat werden sich nach den Vorschlägen des Unterausschusses befinden: der Reichsbankpräsident als Vorsitzender, Bankier Louis Hagen, Franz v. Mendelssohn vom Banthaus Mendelssohn  , Ostar Bassermann und Franz Urbig   von der Deutschen Bant und Diskontogesellschaft, Mag Barburg vom Banthaus Warburg und Hans Remshard Don der Bayerischen   Hypotheken- und Wechselbant. Dazu fommen als meitere Mitglieder etwa Männer wie Duisberg, Bögler und Luther  .

Die Funktionen des von diesen Männern bejezten Generalrats find folgende: Wahl des Reichsbantpräsidenten und deffen eventuelle Abberufung, Gehaltsregelung des Präsidenten und der Direktoriumsmitglieder, Ermächti

Gegen das, was hier für alle Zeit vorgeschlagen wurde, ist die jetzige Diftatur Schachts sehr wenig. Diese An­passung" bedeutet praktisch die Herrschaft des Finanz­fapitals.

Die Arbeiterschaft hat unmittelbar nach der Unterzeichnung des Young- Blanes in Paris  , in Berücksichti­gung aller international erforderlichen psychologischen Zu­geständnisse, Mindestforderungen zur Reform des Reichsbankgesezes aufgestellt. Sie sehen, die obligatorische Zustimmung des Reichspräsidenten zu der Wahl des Reichsbankpräsidenten, einen beratenden Reichs kommissar bei der Reichsbank, die Vertretung der Arbeiter und Angestellten im Generalrat und eine stärfere Gewinn­beteiligung des Reiches vor. Diese Forderungen sind heute, nachdem die Borschläge des Organisations­fomitees nichts weniger als die Privatisierung der Reichs­bank bedeuten, unzureichend. Die Reichsregierung muß stärker in der Aufsicht vertreten, das Reich entscheidend bei der Berufung und Abberufung des Reichsbankpräsidenten beteiligt sein. Der Einfluß des Finanzkapitals im General rat muß auf ein für die Würde eines demokratischen Staats­wesens erträgliches Maß zurückgedrängt werden. Ohne Aenderungen in dieser Richtung wäre die Annahme der Borschläge eine unerträgliche Macht und Ansehens­schädigung des Staates und der Demokratie.